Oberlandesgericht München – Öffnung in Brandmauer
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Die Vorinstanzen haben thatsächlich festgestellt, daß der Angeklagte im Frühjahr 1886 bei Erbauung seines Hauses im Parterre des rechtseitigen Hintergebäudes eine im polizeilich genehmigten Bauplane [386] nicht eingezeichnete Thüre zu einem Bretterlager, durch dessen Nachbarschaft die dem Plane nach öffnungslose Mauer den Charakter einer Brandmauer bekam, ohne baupolizeiliche Bewilligung unter eigenmächtiger Abweichung von dem genehmigten Bauplan und Nichtbeachtung des §. 17 Ziff. 4 der allgemeinen Bauordnung herstellen ließ, ferner daß dieser Bau im Mai 1886 zur Vollendung gelangte und erst seit 14. Dezember 1886 diese Oeffnung wieder zugemauert wurde. – Auch haben beide Vorinstanzen angenommen, daß hierin der Thatbestand einer baupolizeilichen Uebertretung liege, haben jedoch den Angeklagten auf Grund des §. 67 Abs. 3 des Reichsstrafgesetzbuches wegen eingetretener Verjährung der Strafverfolgung von Strafe kostenlos freigesprochen, unter der Annahme, daß im vorliegenden Falle die baupolizeiliche Uebertretung nicht in einer Unterlassung, sondern in einer positiven eigenmächtigen Handlung, der Anbringung einer Thüre in einer Mauer, welche nach dem Plane keine Thüre haben durfte, liege, welche Handlung mit der im Mai 1886 erfolgten Vollendung des Baues vollendet gewesen sei, und der Angeklagte durch die planwidrige Herstellung dieser Thüröffnung, wenn sie auch fortdauere, nicht von Neuem die strafbare Handlung der Anbringung einer Thüre in einer Brandmauer ohne Erholung besonderer polizeilicher Bewilligung wiederholt habe, so daß ein sogenanntes Dauerdelikt nicht vorliege, daher seit Mai 1886 bis zu der vom 29. Januar 1887 durch Terminsanberaumung erfolgten Vornahme der ersten richterlichen Verfügung ein Zeitraum von mehr als drei Monaten in Mitte liege.
In der hiegegen eingelegten staatsanwaltschaftlichen Revision, welche nach der bisherigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München (Bd. III. Seite 12 und 286. Bd. IV. S. 96) und des Reichsgerichts (Bd. VII. S. 560) zulässig ist, wird mit Recht diese zur Freisprechung führende Annahme als eine rechtsirrige bezeichnet.
Die k. allerhöchste Verordnung vom 19. September 1881, betreffend die allgemeine Bauordnung, erklärt in ihrem §. 17 Ziff. 4 Oeffnungen in Brandmauern als unzulässig und benimmt sogar im Absatz 2 dieses Paragraphen der Baupolizeibehörde die Befugniß, solche Oeffnungen im Erdgeschosse jener Gebäude zu gestatten, bei welchen große Mengen leicht entzündlichen oder schwer zu löschenden Materials sich befinden; es ist sonach die Benützung einer Brandmauer im Erdgeschosse eines Baues, wie der nach den getroffenen Feststellungen hier in Frage stehende überhaupt verboten. – Der Grund der Strafbarkeit einer so verbotenen Bauführung liegt nicht allein in der Eigenmächtigkeit der betreffenden Handlung, sondern auch in der Schaffung eines gefahrdrohenden Zustandes, da der Gesetzgeber offensichtlich derartige Oeffnungen in Brandmauern als feuergefährlich erachtet und wegen dieser ihrer Beschaffenheit ihre Herstellung verbietet, damit aber auch selbstverständlich ihr Bestehen untersagt. [387] Beruht aber die Strafbarkeit der Handlung des N. N. auf der Beschaffenheit des durch dieselbe hergestellten Zustandes, so dauert die treffende That so lange fort, als der durch sie geschaffene Zustand währt, und kann in Folge dessen erst mit der Beendigung desselben, hier dem 14. Dezember 1886, an welchem Tage die gesetzwidrig angebrachte Thüre wieder zugemauert wurde, die Verjährung beginnen.