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Oberbürgermeister Dr. Stübel †

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Eine Abbildung des Barfüßerklosters Oberbürgermeister Dr. Stübel † (1895) von Otto Richter
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Ein Brief D. Peter Eyssenbergs an den Bischof Johann VIII. von Meißen
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Oberbürgermeister Dr. Stübel †.


Einen schweren Verlust hat unsere Stadt und mit ihr unser Verein zu beklagen. Am 9. März 1895 nachmittags nach 2 Uhr ist das Haupt unseres Gemeinwesens, Oberbürgermeister Dr. jur. Paul Alfred Stübel, in seiner Wohnung Sidonienstraße 6 verschieden und am 12. März nachmittags 3 Uhr auf dem Annenfriedhofe an der Chemnitzer Straße zur letzten Ruhe bestattet worden.

Stübel war am 3. April 1827 in dem Hause zur „goldnen Kugel“ an der Frauenkirche geboren. Sein Vater, der damalige Advokat Dr. jur. Karl Julius Stübel, war 1830 als der letzte nach der mittelalterlichen Rathsordnung in den Stadtrath gewählt, dann Mitglied des Munizipalstadtgerichts, zuletzt Vorstand der Abtheilung für Vormundschafts- und Nachlaßsachen beim Königl. Bezirksgericht mit dem Titel eines Geheimen Justizraths, ein hochgeachteter und beliebter Mann, dem bei seinem Uebertritte in den Ruhestand 1874 das Ehrenbürgerrecht der Stadt verliehen wurde; er starb am 6. Januar 1891 im Alter von 89 Jahren.

Alfred Stübel erhielt seine Vorbildung von 1839 bis 1841 auf der Kreuzschule, von da bis 1846 auf der Meißner Fürstenschule und studirte darauf an der Universität Leipzig die Rechte. Nachdem er 1849 die juristische Staatsprüfung abgelegt, arbeitete er in Leipzig und Dresden bei mehreren Anwälten, sowie im Justizamte Dresden und ließ sich 1853 hier als Advokat nieder. Im Jahre 1856 trat er in das Stadtverordnetenkollegium ein und gehörte diesem an, bis er 1866 zum besoldeten Stadtrath gewählt ward; 1875 rückte er zum dritten Bürgermeister auf und seit dem 28. April 1877 bekleidete er das Amt des Oberbürgermeisters. Als er am 9. August 1891 die 25jährige Jubelfeier seiner Rathsmitgliedschaft beging, ernannte ihn die Stadt zu ihrem Ehrenbürger. Seine letzte öffentliche Amtshandlung war die feierliche Einweisung der neugewählten Stadtverordneten am 3. Januar 1895.

Stübel hat fast nur in Dresden, aber auch ganz für Dresden gelebt. Seine Wirksamkeit ist für unsre Stadt bedeutungsvoller gewesen als die irgend eines seiner Amtsvorgänger. Dresden verdankte in älterer [182] Zeit jeden äußeren Aufschwung den Landesfürsten, in ihrer Fürsorge erreichte es seine höchste Blüthe unter August dem Starken. In unserm Jahrhundert ist auch hier das Bürgerthum mündig geworden und hat die Leitung seiner Geschicke selbst in die Hand genommen. Oberbürgermeister Stübels Amtsführung bezeichnet die Blüthe unserer Stadt in der Zeit der bürgerlichen Selbständigkeit. Zwar an Prachtgebäuden kann das neue Dresden mit dem jenes kunstsinnigen Fürsten sich nicht entfernt messen, aber die neuzeitlichen Leistungen sind nicht minder großartig in anderen, mit der Schönheit zugleich der Wohlfahrt dienenden Schöpfungen: Kirchen-, Schul- und Brückenbauten, Straßen-, Schleußen-, Wasserleitungs- und Beleuchtungsanlagen, öffentlichen Gärten, Krankenhäusern, Versorgungsanstalten und sonstigen nutzbringenden Einrichtungen aller Art. Daß unsere Stadt solche Einrichtungen, wie sie ihr Anwachsen zur Großstadt forderte, rechtzeitig erhielt, das verdankt sie ihrem weitschauenden und rastlos thatkräftigen Oberbürgermeister, dem auch seine Erholungsreisen dazu dienen mußten, im In- und Auslande stets neue Erfahrungen und Anregungen zu sammeln.

Aber Stübels Bedeutung liegt nicht auf dem Gebiete der Verwaltung allein. Er hat durch sein Beispiel auch auf den Geist der Bürgerschaft Einfluß geübt. Seine Liebe zu Vaterland und Heimath, seine unabhängige Gesinnung, seine Selbstlosigkeit und sein Wohlthätigkeitssinn haben ihn zu einem Vorbild bürgerlicher Tugend gemacht, das auch nach seinem Tode noch segensreich fortwirken wird. Dabei war er ein feiner Kenner und eifriger Förderer der Künste und widmete den Erscheinungen des wissenschaftlichen Lebens eine verständnißvolle Antheilnahme. Diese seltene Vereinigung eines hochentwickelten Sinnes für die allgemeinen Interessen unseres Kulturlebens mit praktischer Tüchtigkeit und männlicher Charakterfestigkeit verlieh seinem inneren Wesen eine wahrhaft achtunggebietende Vornehmheit, die durch seine hohe Gestalt und die ungemeine Würde seines äußeren Auftretens nur noch gehoben ward.

So ist Stübel für unsere Stadt in jedem Betracht eine hervorragende geschichtliche Persönlichkeit. Unsere Geschichtschreibung wird ihm um so freudiger gerecht werden, als er sich ihr jederzeit als warmer Freund gezeigt hat. Auf dem Grunde seiner Begeisterung für die Kunstwerke unserer Vorzeit war in ihm die Werthschätzung der geschichtlichen Studien erwachsen, deren ideale und praktische Bedeutung er wie wenige zu würdigen wußte. Niemand hat die Bestrebungen unsers Vereins so erfolgreich gefördert, wie er es durch die Errichtung der Stadtbibliothek und des Stadtmuseums gethan hat, Anstalten, durch die das Interesse an der geschichtlichen Entwickelung unserer Stadt in weite Kreise der Einwohnerschaft getragen worden ist. Unserm Vereine hat er sich überdies als freundlicher Gönner erwiesen, indem er ihm in den Räumen der städtischen Sammlungen gastliche Aufnahme gewährte. Der Verein hat ihm dafür seine Dankbarkeit kundzugeben versucht, als er im Jahre 1892 die Veröffentlichung der „Dresdner Straßenansichten vom Jahre 1678“, die Nachbildung des großen Kupferwerkes seines Amtsvorfahren Tzschimmer, ihm zueignete. Heute kann er dem edlen Manne nur noch das Gelöbniß eines dankbaren Gedenkens in die Ewigkeit nachrufen.