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Oberappellationsgericht München – Renitenter Redakteur

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Textdaten
Autor: Oberappellationsgericht München
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Titel: Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1875, Nr. 26, Seite 307–309
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Kurzbeschreibung: Durchsetzung des Abdruckes von Berichtigungen in Presseerzeugnissen
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[307]

In einem Erkenntnisse des obersten Gerichtshofes vom 22. Mai 1875 ist ausgesprochen, daß die gemäß § 19 Abs. 2 des Reichsgesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874 vom Strafgerichte angeordnete Aufnahme einer Berichtigung durch wiederholte Strafeinschreitungen erzwungen werden kann. Den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses ist Folgendes zu entnehmen:

Nach § 11 des Reichspreßgesetzes ist der verantwortliche Redacteur einer periodischen Zeitschrift verpflichtet, eine Berichtigung der in letzterer mitgetheilten Thatsachen auf Verlangen einer betheiligten öffentlichen Behörde oder Privatperson unverändert aufzunehmen, sofern die Berichtigung die dort bezeichneten Eigenschaften hat: – und der § 19 Abf. 1 Ziff. 3 ibid. bedroht Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschrift mit Geld- oder Haftstrafe. – Auch soll nach Abs. 2 l. c. in dem ergehenden Strafurtheile zugleich die Aufnahme des eingesandten Artikels in die nächstfolgende Nummer angeordnet werden.

Nun hat im gegebenen Falle der Redacteur B. die Aufnahme der von öffentlichen Behörden ihm zugegangenen Berichtigungen verweigert und die Betheiligten haben deshalb den Richter angerufen, um die Erfüllung der Verbindlichkeit des Redacteurs durchzusetzen und dessen Bestrafung zu erwirken. [308]

Die angerufenen Gerichte haben darüber entschieden, daß und in wie weit Redacteur B. die fraglichen Berichtigungen aufzunehmen habe, und wegen der unberechtigten Weigerung Strafurtheil erlassen, zugleich in Gemäßheit des allegirten § 19 Abs. 2 die Aufnahme der als gesetzlich statthaft erkannten Berichtigungen angeordnet.

Nachdem nun der Verurtheilte diese Aufnahme wiederholt verweigert hat und von dem k. Bezirksgerichte N. in seinem zweitrichterlichen Urtheile vom 9. April d. J. auf Antrag der Betheiligten gegen den renitenten Redacteur wiederum die in § 11 mit 19 Abs. 1 angedrohte Strafe ausgesprochen wurde, – ist durch diesen Ausspruch der Grundsatz, daß es keine Strafe ohne Strafgesetz gebe – keineswegs verletzt worden; und die entgegenstehenden Ausführungen des erstrichterlichen Urtheils, sowie der Denkschrift erscheinen als unbegründet.

Denn die in § 11 ausgesprochene Pflicht zur Aufnahme der Berichtigung wird durch die erfolgte Bestrafung der Verweigerung dieser Pflicht nicht aufgehoben, dieselbe besteht vielmehr auch nach dem ergangenen Strafurtheile fort, was am deutlichsten eben daraus hervorgeht, daß der Strafrichter nach § 19 Abs. 2 die Aufnahme der fraglichen Berichtigung in das nächste Blatt anzuordnen, ja diese Verbindlichkeit der Aufnahme auch dann auszusprechen hat, wenn – § 19 Abs. 2 in fine – bei vorhandenem guten Glauben der betreffende Redacteur von Strafe und Kosten freigesprochen worden ist. Die verweigerte und auf den Strafantrag des Betheiligten zu realisirende Pflicht des Redacteurs zur Aufnahme ist vielmehr durch die richterlich erfolgte Anerkennung derselben noch verstärkt worden, und ihre Erfüllung muß erzwungen, beziehungsweise durch entsprechende Zwangsmittel geltend gemacht werden können.

Nun sind allerdings besondere Vorschriften für die Ausübung dieses Zwanges nicht vorgesehen; es war dies aber auch durchaus nicht erforderlich. Denn indem das Gesetz dem Richter gebietet, bei der Anerkennung der gesetzlichen Pflicht zur Aufnahme der Berichtigung, in allen Fällen, auch wenn keine Strafe erkannt worden ist, diese Aufnahme, id est die Erfüllung der in § 11 ausgesprochenen Pflicht anzuordnen, verweist das Gesetz von selbst für den Fall der weiteren Unterlassung dieser Pflicht auf die für die Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des § 11 angedrohte Bestrafung; – und die deshalb auszusprechende Strafe trifft daher nicht die Außerachtlassung der gemäß § 19 Abs. 2 ergangenen Anordnung, sondern die gegen die Vorschrift des § 11 neuerdings begangene, mit der gesetzlichen Strafe des § 19 Abf. 1 Ziff. 3 bedrohte Zuwiderhandlung. [309]

In dieser wiederholten Bestrafung der neuen Zuwiderhandlung gegen die Bestimmung des oft allegirten § 11 besteht somit das Zwangsmittel, die Erfüllung der Pflicht zur Aufnahme der Berichtigung zu sichern, und dieses Mittel ist im Gesetze klar bezeichnet, ohne daß hierin eine Lücke erkennbar wäre, oder zu einer analogen Gesetzesanwendung gegriffen werden müßte.

Die in dem stadtgerichtlichen Urtheile und in der Beschwerdeausführung erfolgte Bezugnahme auf die Bestimmungen in Art. 47 und 48 des früheren bayerischen Preßstrafgesetzes vom 17. März 1850 ist für die dort geltend gemachte Ansicht gänzlich behelflos. – Denn während der Art. 47 den der Pflicht zur Aufnahme der betreffenden Berichtigung zuwiderhandelnden Herausgeber oder Verleger mit Geldbuße bedroht, – verordnet der Art. 48, daß im Falle einer gegen den Herausgeber oder Verleger etc. wegen Uebertretung einer Strafbestimmung dieses Gesetzes erfolgenden Verurtheilung – die unentgeltliche Aufnahme des Urtheils in das nächstfolgende Blatt etc. von dem Gerichte angeordnet werde, und daß die deßfallsige Unterlassung mit Arrest und Geldstrafe zu beahnden sei.

Hienach hat aber die Strafbedrohung des Art. 48 eine ganz andere hieher nicht einschlägige Unterlassung (die Aufnahme des ergangenen Strafurtheils) im Auge, und für den zwangsweisen Vollzug gegen den hinsichtlich der Aufnahme der Berichtigung fortgesetzt widerspenstigen Redacteur etc. ist hier ebenfalls eine besondere Strafbestimmung nicht vorgesehen, indem man eine solche auch dort für entbehrlich hielt, vielmehr die bei der wiederholten Weigerung eintretende Wiederholung der Geldstrafe als das ausreichend wirkende Zwangsmittel erachtete.

Demgemäß, und da ein rechtswirksamer Antrag der Betheiligten vorliegt, stellt sich das Strafurtheil des k. Bezirksgerichts als auf richtiger Gesetzesanwendung beruhend dar; die lediglich auf angeblich unrichtige Gesetzesanwendung beschränkte Nichtigkeitsbeschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen.