Oberappellationsgericht München – Malzaufschlag
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Der oberste Gerichtshof des Königreichs erkannte am 26. März l. Js. in Sachen des N. N., Bierbrauer in K., wegen Uebertretung des Malzaufschlagsgesetzes etc. zu Recht:
- Die von N. N. gegen das Urtheil des k. Appell.-Gerichts in B. vom 20. Januar 1877 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wird unter Verurtheilung des Beschwerdeführers in die Kosten verworfen. [180]
Durch Urtheil des k. Bezirksgerichts B. vom 1. November 1876 wurde N. N. Brauereibesitzer in K. einer Uebertretung des Malzaufschlagsgesetzes vom 16. Mai 1868 – Art. 7 – in idealem Zusammenflusse mit einer Uebertretung des Verkaufes gefälschter Getränke schuldig erkannt und hiewegen in eine für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit in 18tägige Haftstrafe umgewandelte Geldstrafe von 172 ℳ und in die Kosten des Verfahrens, soweit darüber nicht bereits erkannt wurde, sowie des Strafvollzugs verurtheilt.
Gegen dieses Urtheil meldete N. N. von K. die Berufung an.
Das k. Appell.-Gericht in B. verwarf jedoch durch Urtheil vom 20. Januar 1877 dieselbe unter Verurtheilung des Rekurrenten in die auf seine Berufung erlaufenen Kosten.
Gegen dieses Urtheil meldete derselbe am 14. desselben Monats auf der Gerichtsschreiberei des k. Apell.-Gerichts in B. die Nichtigkeitsbeschwerde an.
Die gemäß Art. 245 Z. II. des St.-P.-G. vom 10. Nov. 1848 auf die Gesetzesanwendung beschränkte Prüfung der Sache hat Folgendes ergeben:
Das k. Appell.-Gericht hat durch ausdrückliche Bezugnahme auf die faktischen Konstatirungen der I. Instanz festgestellt, daß zu Anfang des Jahres 1876, – sei es nun im Monate Januar oder in den Monaten Februar oder März – in der Bierbrauerei des N. N., auf dessen spezielle Veranlassung bei der Bereitung von braunem Bier zweimal sog. Biercouleur, d. i. zu Karamel gebrannter Zucker, und zwar in der Art verwendet wurde, daß beim Einkochen des Bieres zu einer Sud von 36 Eimern 2½ bis 3½ Maß Couleur gegossen wurde, um dem Biere eine dunklere Färbung zu geben; daß er dadurch das Malzaufschlagsgefäll verkürzte, indem er in Folge Benützung des Couleur weniger Malz zu verwenden brauchte und daß er das auf diese Weise gebraute Bier auch verkauft hat. Damit sind alle thatsächlichen Voraussetzungen erschöpft, welche Art. 7 des M.-A.-G. v. 16. Mai 1868 zu seiner Anwendung erheischt, denn es ist hienach zur Bereitung von Bier mit der beabsichtigten dunklen Farbe statt eines Theiles des zur Erreichung dieser Absicht erforderlichen Malzes oder Färbmalzes, demnach als theilweiser Ersatz desselben oder wenigstens als Zusatz zu demselben ein Stoff verwendet worden, welcher kein Malz, weder Luft- noch Dörrmalz ist. Unerheblich ist einerseits der Umstand, daß dieser Stoff nur zu dem speziellen Zwecke der Sud beigemengt wurde, um dem Biere eine dunklere Färbung zu geben, und daß das Gebräu auch ohne diese Beimischung als Bier gelten konnte; denn es wurde auch in diesem Falle der Couleur zur Bereitung von Bier, wenn auch von besonderer Art statt [181] des Malzes verwendet und dadurch das Aufschlagsgefäll verkürzt, unerheblich ist anderseits auch das Gutachten eines Experten, daß der Couleur nicht die Eigenschaft besitzt, das Malz nach seinen chemischen Bestandtheilen zu ersetzen, denn nicht von dieser Eigenschaft des beigemengten Stoffes hängt die Anwendbarkeit des Art. 7 M.-A.-G. ab, sondern es genügt für diese, daß zur Bereitung von Bier statt des Malzes ein anderer Stoff als Zusatz oder Ersatz verwendet wird, gleichgiltig ob letzterer auch die chemischen Bestandtheile des letzteren auszuweisen hat oder nicht.
Auch Doktrin und Praxis sind darüber einig, wie bereits der vorige Richter ausgeführt hat, daß die erwähnte Manipulation bei der Bierbereitung eine Uebertretung des Art. 7 des M.-A.-G. begründet.
Der Vertreter des Beschuldigten hebt zwar hervor, man habe bei den bezüglichen Ausschußverhandlungen d. K. d. A. als Zweck des Art 7 des M.-A.-G. einestheils die Erhaltung des Rufes des bayerischen Bieres, anderntheils die Sicherung des Aufschlaggefälles bezeichnet; der gute Ruf des Bieres gehe jedoch nur verloren, wenn dasselbe verschlechtert werde; eine Verschlechterung des Bieres sei aber nicht denkbar, wenn zu einer Sud von 38 Eimern nur 6–8 Maß Couleur genommen werde, bei solch geringfügigem Zusatze von Farbstoff leide auch das Aufschlagsgefäll keinen Schaden; überdieß gehe aus dem Malzaufschlagsgesetze selbst Art. 17 nach jetziger Fassung – Ges. v. 18. Febr. 1871, die metrischen Maße im Aufschlagswesen betr. Ziff. III. – und Art. 23 Abs. 2 hervor, daß der Gesetzgeber nur die erheblicheren Defraudationen gestraft wissen wollte, Hinterziehungen geringfügiger Art aber außer Betracht gelassen habe. Dagegen aber ist darauf hinzuweisen, daß Art. 7 des M.-A.-G. die Verwendung anderer Stoffe statt Malzes zur Bierbereitung unbedingt verbietet und keine Rücksicht darauf nimmt, ob durch den Zusatz solcher Stoffe die Qualität des Bieres verschlechtert wird oder nicht, und das die Art. 17 und 23 a. a. O. Ausnahmsbestimmungen enthalten, welche die Regel, daß jede Hinterziehung des Gefälls verboten ist, nur bestätigen; endlich daß es nicht auf die Quantität des verwendeten Biercouleur, sondern auf jenes Maß von Malz oder Farbmalz anzukommen hat, welches zur Verwendung kommen müßte, um eine gleiche Wirkung von 6–8 Maß Couleur hervorzubringen. Bei der intensiven Wirkung dieses Stoffes ist einleuchtend, daß die Menge des Malzes, welches statt desselben zur Verwendung kommen sollte, die Quantität von 6–8 Maß weit übersteigen würde.
Mit Recht hat daher das k. Bezirksgericht B. den Beschwerdeführer einer Uebertretung des Art. 7 des M.-A.-G. schuldig erkannt und das k. Avpell.-Gericht die hiegegen eingelegte Berufung verworfen. [182]
Aber auch dadurch ist der Beschuldigte nicht beschwert, daß der vorige Richter die Berufung desselben gegen das erstrichterliche Urtheil verworfen hat, insoweit N. N. dadurch auch einer in idealer Konkurrenz mit der Uebertretung gegen das Aufschlagsgesetz stehenden Uebertretung des Verkaufes verfälschten Getränkes schuldig erkannt wurde; denn es haben beide Instanzgerichte festgestellt, daß N. N. das in der oben erwähnten Weise bereitete Bier auch verkauft hat; dieses Bier aber stellt sich als ein verfälschtes Getränke im Sinne des § 367 Z. 7 R.-St.-G.-B. dar, da demselben statt des Malzes ein fremdartiger, zur bestimmungsgemäßen Herstellung desselben nicht gehöriger Stoff beigemengt wurde, dessen Zusatz sogar nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift verboten ist, weshalb auch darauf kein Werth zu legen ist, daß durch diese Beimischung die Qualität des Getränkes nicht verschlechtert worden sein soll. Daß N. N. von der Fälschung des verkauften Bieres Kenntniß hatte, muß angenommen werden, da nach den thatsächlichen Feststellungen der Instanzgerichte diese Fälschung auf sein spezielles Geheiß erfolgte. Da hienach die Thatbestandsmerkmale des alleg. § 367 Z. 7 gegeben sind, welcher nichts weiter erfordert, als daß jemand verfälschte oder verdorbene Getränke oder Eßwaaren, insbesondere trichinenhaltiges Fleisch feilhält oder verkauft, und dadurch der bezügliche Schuldausspruch des k. Bezirksgerichtes B. gerechtfertigt ist, so ist im gegebenen Falle nicht weiter zu untersuchen nöthig, ob der § 26 des Landt.-Absch., den die I. und II. Instanz zur Begründung ihrer Urtheile gleichfalls herangezogen haben, noch in Kraft besteht, oder durch neuere Gesetze außer Wirksamkeit getreten ist, wie vom Vertreter des Beschuldigten darzuthun versucht wurde.
Das k. Appell.-Gericht hat ferner mit Recht angenommen, daß die letzterwähnte Uebertretung und die vorher berührte Uebertretung des Art. 7 des M.-A.-G, zwei selbstständige strafbare Handlungen bilden und deshalb die Strafen für beide gemäß Art. 63 l. c. nach seiner jetzigen Fassung – Art. 24 Ziff. 13 des Einf.-B.-G. – von dem Erstrichter nebeneinander hätten ausgesprochen werden sollen; denn die thatsächlichen Voraussetzungen beider Reate sind nach obigen Ausführungen wesentlich verschieden; die Strafe des Art. 71 des M.-A.-G. ist schon verwirkt, sobald zur Bereitung von Bier statt Malz als Zusatz oder Ersatz ein anderer Stoff genommen wird, wogegen § 367 Z. 7 R.-St.-G.-B. als Voraussetzung hat, daß jemand verfälschte oder verdorbene Getränke verkauft oder feilhält. Zur Vollendung dieses gegen sanitätspolizeiliche Bestimmungen verstoßenden Reates wird nicht erfordert, daß der Thäter selbst das verkaufte oder feilgehaltene Getränk verfälscht, wogegen Art. 7 M.-A.-G. den Verkauf des gefälschten [183] Bieres nicht unter seinen Thatbestandsmerkmalen aufführt, und da er zunächst nur die Sicherung des Aufschlagsgefälles bezweckt, einer solchen Bestimmung auch nicht bedürfte. Es muß aber dem vorigen Richter auch darin beigepflichtet werden, daß ihm die Verbesserung des erstrichterlichen auf § 73 des R.-St.-G.-B. sich stützenden Strafausspruches durch die Bestimmung des Art. 338 des St.-P.-G. v. 10. Nov. 1848 nicht gestattet war.
Die erhobene Beschwerde stellt sich somit als unbegründet dar und mußte verworfen, im Kostenpunkte aber nach Art. 274 St.-P.-G. v. 10. Nov. 1848 erkannt werden wie geschehen.