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Oberappellationsgericht München – Gleichberechtigung von Mann und Frau

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Autor: Oberappellationsgericht München
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Titel: Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1877, Nr. 31, Seite 293–300
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Kurzbeschreibung: Unterordnung der Frau unter die Gewalt des Mannes als Familienoberhaupt
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[293]

Der oberste Gerichtshof des Königreiches hat in Sachen des H. H., Tagners von A., und des T. G., Maurers zu E., wegen Unterlassung des Abhaltens ihrer Ehefrauen von der Begehung von Forstfreveln unterm 27. Juli 1877 zu Recht erkannt:

Das Urtheil des k. Bezirksgerichts N. vom 1. Mai 1877 wird vernichtet, die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Aburtheilung an einen andern Senat des genannten Gerichts verwiesen und der Eintrag des gegenwärtigen Erkenntnisses in das Urtheilsbuch des k. Bezirksgerichts N. verordnet.

Den Entscheidungsgründen hiezu ist Folgendes zu entnehmen:

Das angefochtene Urtheil geht von der Unterstellung aus,

1) daß § 361 Ziff. 9 des R.-St.-G.-B. überhaupt nicht auf Ehemänner, welche ihre Ehefrauen an der Begehung der dort bezeichneten Reate abzuhalten unterlassen, anwendbar sei, eine solche Ausdehnung gar nicht in Absicht der Gesetzgebungsfaktoren bei Erlassung der Novelle vom 26. Februar 1876 gelegen habe und deshalb die Ehefrauen auch in dem Gesetzestexte nicht namhaft gemacht worden seien, wie dies mit den „Kindern“ geschehen, und [294]

2) weiter, daß eine solche Ausdehnung auch speziell nach den in der Pfalz geltenden, die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Ehegatten regelnden Civilgesetzen nicht möglich sei, weil nach letzteren nicht in gleicher oder ähnlicher Weise, wie Kinder der Gewalt und Aufsicht der Eltern, auch die Ehefrauen der Gewalt und Aufsicht des Ehemannes unterworfen wären und dem Letzteren nicht gleich wirksame Mittel zur Ausübung dieser Rechte, wie ihm als Vater gegenüber den Kindern, auch der Frau gegenüber zu Gebote stünden, sonach die im Gesetze geforderte Voraussetzung, daß die die betreffenden Gesetzesverletzungen Verübenden unter der Gewalt der wegen Unterlassung der Abhaltung hievon strafbaren Person stehen und dessen Aufsicht untergeben sein müßten, für die Ehemänner gegenüber ihren Ehefrauen nach pfälzischen Gesetzen nicht zutreffe.

Dem ist entgegen zu halten zu 1):

Es lassen wohl die dem bezüglichen Gesetzentwurfe beigegebenen Motive und die Verhandlungen im Reichstage hierüber keinen Zweifel, daß die nächste Veranlassung zur Schaffung der Ziff. 9 des § 361 die aus der Bestimmung des § 55 R.-St.-G.-B. zu Tage getretenen Mißstände waren und daß wesentlicher Zweck jener Strafbestimmung gewesen, hiemit zunächst gewissenlose Eltern zu treffen, welchen die durch § 55 statuirte Straflosigkeit ihrer unter 12 Jahre alten Kinder ausbeuteten, die sich, wenn nicht durch Anstiftung, doch durch präsumtives Einverständniß und durch schuldhaftes Gehenlassen an den betreffenden Handlungen ihrer Kinder betheiligten, durch ihre Schuld daher mehr oder weniger die strafbaren Handlungen derselben veranlaßten, weshalb gegen sie, insoweit die Bestimmungen über Thäterschaft und Theilnahme nicht ausreichten, die Ahndung sich richten müsse.

Daß nun aber obiger Bestimmungsgrund des § 55 nicht allein maßgebend war, sondern daß die fragliche Strafverfügung auch auf anderweitige Untergebenheitsverhältnisse übergreifen und das schuldhafte Vernachlässigen der aus jenen für das Haupt der Hausgenossenschaft entspringenden Pflichten ebenfalls treffen wollte, ergibt schon der Wortlaut der Ziffer 9 des § 361, der ja nicht allein „die Kinder“ und zwar diese ohne die obige Altersunterscheidung benennt, sondern noch beifügt „oder andere Personen“, also alle Personen in sich fassen will, bei denen die dort vorgesehenen Voraussetzungen zutreffen, nemlich daß sie zur Hausgenossenschaft gehören, unter der Gewalt des Hauptes derselben stehen und dessen Aufsicht untergeben sind.

Da nun außer den Kindern die anderen Personen nicht speziell aufgeführt sind, bei denen die fragliche Strafbestimmung letztere Voraussetzungen für gegeben erachtet, sondern dieselbe allgemein [295] sich ausspricht, so ist es eben der Gesetzesanwendung überlassen worden, in den einschlägigen Fällen zu prüfen, ob und bei welchen „anderen Personen“ jene gesetzliche Requisite zutreffen.

Bezüglich letzterer ist die Wortfassung der Ziff. 9 des § 361 fast identisch mit derjenigen der Ziff. 4 daselbst, wo die gleiche Strafe von Anfang an schon im R.-St.-G.-B. für Unterlassung der Abhaltung der betreffenden Personen vom Bettel angedroht war, und es lassen die Verhandlungen zur Novelle von 1876 keinen Zweifel darüber, daß mit Ziff. 9 eigentlich nur eine Ausdehnung der Ziff. 4 auf die weiteren in Ziff. 9 benannten Gesetzesverletzungen beabsichtigt war, welch’ letztere wesentlich derart sind, daß die durch sie erlangten Objekte dem gemeinschaftlichen Hauswesen zu Gute kommen.

Vgl. Stenogr. Ber. über die Verh. des Reichst. 2. Legisl.-Per., III. Sess. 1875/76, Bd. III – Anlagen – S. 161, 164, 165, 183.
Ferner l. c. Bd. II S. 1025 bis 1029, 1360 bis 1363, namentlich die dort niedergelegten Aeußerungen von Schwarze, Strukmann und des Commissärs v. Amsberg.
Oppenhoff Comm. 5. Aufl. zu Nr. 361, S. 711, Nr. 62.
Comm. zur St.-G.-Nov. v. 26. Febr. 1876 von Moves in Bezold Samml. der Gesetzgebung des dtsch. Reichs Th. III, Bd. II, Heft 4, S. 367 ff., zu Nr. 361 Z. 9.

Daß bei diesen „anderen Personen“ des § 361 Z. 9 der Grad der Abhängigkeit und des Untergebenseins unter den Gewalthaber vollständig der gleiche sein müsse, wie bei den Kindern ihren Eltern gegenüber, ist im Gesetze nirgends angedeutet und ist ein solches Maaß von Gewalt auch nicht zur Durchführung des mit Schaffung der fraglichen Strafverfügung beabsichtigten Zweckes nach Maßgabe deren Entstehungsgründe nöthig. Es wäre dieß auch bei den thatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen einer Reihe von Personen, welche unbestritten durch Doctrin und Praxis unter die Bestimmungen der Ziff. 4 und 9 des § 361 mit inbegriffen werden, nicht zutreffend, wie z. B. dieß der Fall ist bei den Dienstboten und Lehrlingen, gegenüber welchen der Gewalt des Hauptes der Hausgenossenschaft engere Schranken gezogen sind, als dieß bei Ausübung der väterlichen Gewalt der Fall ist. Das Gesetz verlangt eben nach seinem Wortlaute und Geiste nur, daß diese „anderen Personen“ dem Haupte zum Gehorsame verpflichtet sind, daß dieses eine gewisse Gewalt über sie auszuüben berechtigt und andererseits ihnen gegenüber zu einem gewissen Schutze verpflichtet ist. Hieraus aber ergibt sich von selbst auch ein gewisses Recht und Pflicht des Hauptes der Hausgenossenschaft zur Aufsicht, da ja hiedurch [296] nur die beiderseitige richtige Ausübung der gegenseitigen Rechte und Pflichten möglich ist.

Daß ein derartiges Verhältniß auch im Allgemeinen gesetzlich beim Ehemanne gegenüber seiner Ehefrau vorliegt, darüber kann wohl kein Zweifel sein und ist dieß in der Doktrin bezüglich der Anwendbarkeit der fraglichen Strafbestimmung zum Theile ausdrücklich anerkannt, zum anderen Theile wird diese Frage in den betreffenden Ausführungen gar nicht berührt.

In Preußen hat sich auch schon das Obertribunal und zwar gerade in einem im Gebiete des rheinischen – französischen – Rechts vorgekommenen Falle ganz bestimmt hiefür ausgesprochen, indem dasselbe in einem Erkenntnisse vom 3. Dezember 1874 ein freisprechendes Urtheil der Vorinstanz vernichtete, davon ausgehend, daß nach der bezüglich geltenden Bestimmung des Art. 213 des franz. Code civil die Frau dem Manne Gehorsam schuldig sei und ihr mithin die Verpflichtung obliege, die Anordnungen, desselben jedenfalls in allen das Hauswesen und die Hauszucht betreffenden Angelegenheiten zu befolgen und sie hiedurch als der Gewalt und Aufsicht des Mannes unterworfen erachtet werden müsse.

Ebenso hat sich der oberste Gerichtshof für Bayern bereits in einem Erkenntnisse vom 27. August 1875 über diese Frage – jedoch nur indirekt – bejahend erklärt, indem er in einem ihm zur Entscheidung unterstellten Falle bezüglich des Verhältnisses eines Austräglers zum Haupte der Hausgenossenschaft aussprach, daß hier ein Verhältniß rechtlicher Gemalt, wie sie aus der Vormundschaft, der patria potestas, der potestas maritalis etc. hervorgehe, nicht vorliege und daher § 361 Z. 4 R.-St.-G.-B. Mangels der betreffenden Voraussetzung nicht anwendbar sei.

Vgl. Oppenhoff l. c. S. 707 Nr. 33 a.
Oppenhoff Rechtsspr. des Obertrib. Bd. XV. S. 842.
Stenglein Ztschr. f. Ger.-Prax. – Neue Folge – Bd. V S. 179.
Samml. der Entsch. des O. G.-H. f. Bayern in Gegenständen des Strafr. Bd. V S. 430.

Es ist demnach das angegriffene Urtheil von einer irrthümlichen Ansicht ausgegangen, indem es annahm, daß § 361 Z. 9 überhaupt nicht auf Ehemänner wegen bezüglicher Unterlassungen gegenüber ihren Ehefrauen anwendbar sei und hiefür auch nicht bei seiner Schaffung für anwendbar hätte erklärt werden wollen.

Das Gleiche ist aber auch der Fall bezüglich des dem angegriffenen Urtheile unterlegten 2. Gesichtspunktes.

Der schon oben erwähnte Art. 213 des in der Pfalz giltigen französischen Code civil bestimmt, daß der Mann seiner Frau [297] Schutz und die Frau ihrem Manne Gehorsam schuldig sei und als Folge hievon erklärt Art. 214 die Frau für verbunden, bei dem Manne zu wohnen und ihm überall hin zu folgen, wo er sich aufzuhalten für gut findet.

Des Weiteren sind in Art. 1388 Code civil die dem Ehemanne nach obigen und noch anderweitigen Gesetzesbestimmungen zustehenden Rechte als „puissance maritale“ bezeichnet, die dem Manne als „chef“ zukäme und welche, offenbar weil sie der öffentlichen Ordnung angehören, entsprechend der Prohibitivbestimmung in Art. 6 Cod. civ. auf dem Wege des Privatvertrages durch die Eheleute nicht abgeändert werden könnten.

Bestimmte Zwangsmittel, die dem Ehemanne zur wirksamen Ausübung dieser seiner Rechte gegenüber der ungehorsamen Ehefrau zustünden, sind im Gesetze nicht bezeichnet; doch geht die Doctrin zum überwiegend größten Theile so weit und hat sich auch die Rechtsprechung namentlich des französischen Cassationshofes im Falle der Verletzung des Art. 214 durch die Ehefrau dahin ausgesprochen, daß abgesehen von dem Entzuge der für deren Lebensbedürfnisse nöthigen Geldmittel oder aber Beschlagnahme deren eigener Einkünfte auch persönlicher Zwang zur Rückbringung derselben in die eheliche Wohnung zulässig sei.

Daß übrigens dem Oberhaupte der Hausgenossenschaft persönliche Zwangsmittel gegenüber den Untergebenen zu Gebote stehen müßten und nur unter dieser Bedingung § 361 Ziff. 9 angewendet werden könne, hievon ist in dieser Gesetzesstimmung nichts zu finden, da, wie schon erörtert, ein gewisses und bestimmtes Maß der dort vorgesehenen Gewalt und Aufsicht nicht fixirt ist und es der Beurtheilung des Einzelfalles überlassen wird, zu untersuchen, ob dem Hausoberhaupte unter den jeweils gegebenen Verhältnissen die Ausübung einer wirksamen Aufsicht und die Fernehaltung der in Z. 9 l. c. vorgesehenen Ungesetzlichkeiten nach Maßgabe der ihm hiezu zu Gebote stehenden rechtlichen und thatsächlichen Gewalt möglich war, ob ihn also, mit anderen Worten, ein Verschulden trifft oder nicht.

Aus den schon genannten Bestimmungen des französischen Civilrechts folgt nun aber, daß der Mann zweifellos in seinen häuslichen und ehelichen Angelegenheiten Anordnungen zu erlassen befugt und die Frau dieselben zu befolgen verpflichtet, also hierin der Gewalt desselben untergeben ist, sowie daß sie auch in dieser Richtung bis zu einem gewissen Grade der Aufsicht des Mannes unterstellt sein muß, wenn dieser in der Lage sein soll, seine bezüglichen Rechte und Pflichten wirksam ausüben zu können. Ist dieß aber der Fall, so sind damit auch die Voraussetzungen der [298] fraglichen strafgesetzlichen Bestimmungen nach pfälzischem Rechte gegeben.

In dieser Richtung hat sich gerade der im angegriffenen Urtheil erstcitirte Grolmann dahin ausgesprochen, daß Art. 213 die eigenthümlichen Rechte und Verbindlichkeiten der Ehegatten in den biblischen Worten zusammenfasse: „die Ehe gibt dem Manne die Schutzherrschaft über die Frau und verbindet diese zur Unterwürfigkeit unter Jenen“ und ferner „daß im allgemeinen in der dem Manne zuerkannten Herrschaft das Recht desselben, die Handlungen der Frau zu bestimmen und dieselben zu leiten, allerdings enthalten sei, wenn auch dieses Recht nicht so weit gehe, wie in anderen Fällen die dem Hausvater gegebene Gewalt.“

vgl. Grolmann Handb. über den Code Napoleon Bd. VI S. 431 ff.

In ähnlicher Weise und Ausdehnung erkennen auch die neueren Schriftsteller dieses Subjectionsverhältniß der Frau an, so z. B. Marcadé zu Art. 213 Cod. civ. der den Mann als le protecteur et le Surveillant de l’epouse bezeichnet.

Dalloz Repertoire sur le „mariage“ Nr. 744.

Untersteht nun aber die Frau der Gewalt und Aufsicht des Mannes, so verfällt auch der Letztere bei Verfehlungen der Ehefrau im Sinne des § 361 Z. 9 RStGB. den Strafbestimmungen dieses Gesetzes, insoferne nicht ein Verschulden desselben wegfällt, was, wie erörtert, nach den jeweiligen thatsächlichen Verhältnissen mit Rücksicht auf die dem Manne nach den betreffenden ehelichen Familienverhältnissen zur Aufrechthaltung von Zucht und Ordnung der Frau gegenüber jeweils möglichen Mittel zu bemessen ist.

Hiezu wird aber, gerade bei der Mehrzahl der in Ziff. 9 l. c. vorgesehenen Gesetzesverletzungen, in der Regel schon ausreichen, wenn der Mann seiner Frau allen Ernstes das Einbringen der durch die Gesetzesverletzung gewonnenen Objecte in die eheliche Behausung verbietet und solche Einbringung entschieden nicht duldet, so daß der dadurch im Auge gehabte Vortheil unmöglich gemacht wird – eine Handlungsweise, deren gewöhnliche Nichteinhaltung bei den zunächst im Auge gehabten Reaten der Kinder gerade bei Erlaß und Verhandlung über die bezügliche Gesetzbestimmung betont und hauptsächlich als veranlassender Grund zu derselben angegeben wurde. Dieser Grund liegt aber in ganz gleicher Weise auch gegen den Ehemann bei bezüglichem Gewährenlassen seiner Ehefrau vor und wird er bei ernstlichem Gebrauche seiner Autorität die Ehefrau ebensogut an derartigen Reaten verhindern können, wie seine Kinder, wenn ihm auch der ersteren gegenüber ein Straf- und Züchtigungsrecht, wie gegen letztere, nicht zusteht, welch’ [299] letzteres übrigens z. B. das bayer. Landrecht in Th. I C. 6 § 12 Ziff. 3 bis zu einem gewissen Grade dem Manne der Frau gegenüber gibt.

Der § 361 Z. 9 R.-St.-G.-B. verfügt an seinem Schlusse, daß die Vorschriften der bezüglichen Gesetze über die Haftbarkeit für die den Thäter treffenden Geldstrafen oder anderen Geldleistungen durch die vorhergehende Strafbestimmung nicht berührt würden; es betrachtet also der Gesetzgeber diese Haftbarkeit als ganz außer Verbindung mit der betreffenden Strafverfügung stehend. Es können sonach schon aus diesem Grunde die für die Statuirung der Civilverantwortlichkeit in den in der Pfalz giltigen Civil- und Strafgesetzen maßgebenden Grundsätze bei Beurtheilung der gegebenen Frage nicht durchschlagend sein, wie dieß gegenteilig das angegriffene Urtheil annimmt, zumal da dieselben je nach der Natur und dem Zwecke der betreffenden Gesetze und namentlich der betreffenden Spezialgesetze verschiedene sind. Ueberdem stehen die bezüglichen leitenden Grundsätze auch theilweise im Zusammenhange mit den civilgesetzlichen Bestimmungen über die Vermögensrechte der Eheleute, welche gegebenen Falls gar nicht einschlägig sind.

Wenn daher auch nicht bestritten werden will, daß die Civilverantwortlichkeit des Ehemannes für von seiner Frau verursachte Schäden und namentlich für verwirkte Strafen nicht als Regel gilt und nach den civilrechtlichen Bestimmungen der Ehemann gewöhnlich nur ausnahmsweise und wo dieß ausdrücklich in betreffenden Gesetzesbestimmungen vorgesehen ist, in obigem Umfange für Gesetzesübertretungen der Ehefrau haftbar ist, wie dieß das angegriffene Urtheil des Näheren ausführt, so beeinträchtigt dieß Alles nicht die Unterstellung des Ehemannes unter die Strafverfügung des § 361 Ziff. 9 R.-St.-G.-B. Diese hat ein eignes Unterlassungsreat geschaffen, steht, wie schon gesagt, mit der Civilverantwortlichkeit nicht im Zusammenhange und ist, weil die bezügliche Strafbestimmung alle Personen ohne Ausnahme umfaßt, bei welchen die dort vorgesehenen thatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, ebensowohl auf den Ehemann, wie auf die anderen, ja gleichfalls nicht speziell genannten Personen, bei denen diese gesetzlichen Requisite zutreffen, anwendbar.

Ebenso wenig wie aus den obbezeichneten Gesetzesbestimmungen über die Civilverantwortlichkeit lassen sich aus gleichen Gründen daraus Consequenzen ziehen, daß unter den in Art. 122 Abs. 2 des P.-St.-G.-B. vom 26. Dezember 1871 als für von ihren Angehörigen begangene Feldfrevel für Kosten, Geldbußen und Entschädigungen haftbar erklärten Personen, die Ehemänner nicht aufgezählt [300] sind. Es hat überdem diese Auslassung nicht etwa ihren Grund in der Annahme einer dem Manne der Ehefrau gegenüber nicht genügend zustehenden Autorität zu deren Abhaltung von solchen Freveln, sondern einfach darin, weil man annahm, daß diese Verantwortlichkeit nach den in den einzelnen Landestheilen geltenden Gesetzen ohnehin schon bestehe.

Vgl. Riedel Comm. zum P.-St.-G.-B. 3. Aufl. S. 195 Note 2.
Verh. des G.-G.-A. der K. d. A. 1871/72 Bd. II. Aussch.-Prot. zu Art. 122 S, 43.

Nach diesem Allem hat das k. Bezirksgericht N. durch seine Entscheidung im angegriffenen Urtheile den § 361 Ziff. 9 des R.-St.-G.-B. verletzt und durch die Art der Begründung dieser Entscheidung auch mittelbar gegen die Art. 213 und 1388 des Cod. civ. verstoßen.

Es erweist sich demnach die hiegegen erhobene staatsanwaltschaftliche Nichtigkeitsbeschwerde als begründet; es war daher das ergangene Urtheil zu vernichten und des Weiteren zu verfügen, wie geschehen.