Oben und Unten
[95] Oben und Unten.
Ueber die grauen Dächer weg,
hoch hier oben,
durch die langen roten Nelken,
die vor meinem offnen Fenster
und dem blauen Abendhimmel schwanken,
will mein Auge,
will meine Seele
hinaus, hinauf.
im letzten fernen Lichte,
mit hellen Flügeln,
zieht ein Taubenschwarm
zitternde Kreise
meiner Geliebten.
Aus dem blassen Westen
will der erste Stern und überflimmert
scheu den lauten Dunst und trüben Lärm
wie der erste, winkende Traumgedanke
aus dem wirren Schwarm der Lebensfragen
in der Seele des Müden taucht –
da klopft es.
sitzt mir auf dem Stuhle gegenüber,
sagt kein Wort, und nur die roten Lippen
unterm schwarzen Ringelhaar
winken roter als die rote Bluse
und ich sage auch nichts.
Ihre schwarzen Augensterne zittern
durch die stumme Dämmerung des Stübchens
hoch hier oben
nach den langen roten Nelken hin;
ihre Augen!
Und ich angle nach ihr mit den Beinen,
diesen Perpendikeln meines Herzens:
was die Uhr geschlagen hat? –