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Nordamerikanische Sonderbarkeiten

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Nordamerikanische Sonderbarkeiten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 703–704
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[703] Nordamerikanische Sonderbarkeiten. Die Spekulation in New-York ist unermüdlich, wenn es gilt, neue Gegenstände zu finden, an denen sie sich bereichern kann. Der Gouverneur von Minnesota hat den Brief eines New-Yorkers erhalten, in welchem dieser um die Erlaubniß nachsucht, eine Aktiengesellschaft zu gründen, welche den Zweck hat, auf künstlichem Wege Regen aus den Wolken zu locken. Der Gouverneur hat es abgelehnt, sich an irgend einem Unternehmen zu betheiligen, durch welches der Natur Zwang angethan werden soll. Das „Kansas-City-Journal“ sagt: „Laßt den New-Yorker Herrn zu uns kommen und uns einen Proberegen [704] geben. Wenn uns derselbe paßt, dann werden wir den Erfinder auf das Freigebigste unterstützen.“

Wie andere amerikanische Blätter berichten, hat sich in New-York ein Jungfrauenklub gebildet, oder vielmehr ein Klub „später Mädchen“, ein „Alter-Jungfern-Klub“. Derselbe hielt neuerdings zu Glen Island sein erstes jährliches Picknick ab. Die Männer, die sich aus Neugierde eingefunden, wurden aus dem Kreise der Festtheilnehmer verbannt und Schildwachen aufgestellt, um allen Unberufenen den Zutritt zu wehren. Die Festlichkeiten wurden eröffnet durch Absingung des Liedes: „Ein freies Leben führen wir“, worauf der Chor, unter Begleitung einer ironischen Blechmusik, bei welcher Kasserole, Bratpfannen und Waschkessel mitwirkten, das Lied: „Wir winden dir den Jungfernkranz“ anstimmte. Bei einem Festmahl von Kuchen und Gelée nebst Thee und Limonade, die in unglaublicher Menge genossen wurden, präsidirte eine noch ziemlich junge Dame, welche, weil ihr Geliebter sie treulos verlassen, geschworen hatte, ewig dem Jungfernstande anzugehören: sie hielt die weihevolle Eröffnungsrede, durch welche das Herz aller „späten Mädchen“ gerührt wurde.

Gegenüber diesem neubegründeten Verein konnte sich die Männerwelt nicht thatlos verhalten: es wurde ein Klub gegründet, der, wenn auch nicht aus Junggesellen, doch aus Wittwern besteht. Nur „einfache Wittwer“ finden Zutritt, das heißt, nur solche, welche das Recht auf diesen stolzen Namen nicht durch eine zweite Ehe verscherzt haben. Bei der Aufnahme in den Klub muß der Kandidat die Leiden erzählen, die er als Ehemann durchgemacht. Die Ausstattung des Klublokals ist eine durchaus stimmungsvolle: die Wände sind mit schöngestickten Mottos versehen wie „Theures Weib, gebiete deinen Thränen“, „Ach, die Gattin ist’s, die theure“ etc. Auf den Etagèren stehen Nippsachen, welche Wiegen, Kinderwagen, Kochöfen, Wassereimer darstellen, und das Muster der Tapeten besteht aus kunstvoll zusammengesetzten Rechnungen von Modistinnen und Schneiderinnen. †