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Noch einmal der Soldaten-Aberglauben

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Titel: Noch einmal der Soldaten-Aberglauben
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 608
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[608] Noch einmal der Soldaten-Aberglauben. Aus dem Felde zurückgekehrt, benutze ich meine Mußestunden mit dem Nachlesen der fast seit einem Jahre entbehrten Gartenlaube, und da riefen in Nr. 1 und 6 dieses Jahrgangs die Artikel „Zum Aberglauben der Soldaten im Kriege“ folgende Thatsache in mein Gedächtniß zurück.

Der große Ausfall der Franzosen aus Metz am 7. October 1870 gab unserm Bataillon, eben zum Ablösen der Vorposten herangezogen, Veranlassung zum frischen Vorwärtsgehen. Das Glück war uns hold; außer acht Verwundeten hatten wir nur einen Todten zu beklagen, Füsilier H. der 11. Compagnie, einen braven furchtlosen Soldaten. Die tödtliche Kugel war in der Gegend des linken Schlüsselbeins in die Brust gedrungen und führte augenblicklichen Tod herbei. Und was hatte der Aermste, wohlverwahrt neben der geringen Baarschaft, auf der Brust? Einen „kugelfesten“ Schutzbrief.

Nie habe ich wieder einen solchen bei Leuten unseres Bataillons ermitteln können; aber allgemein beliebt waren kleine Bibelsprüche, und zwar, wie ich annehmen muß, nicht als Schutz, sondern aus wahrhaft religiösem Gefühl; denn es ist unumstößliche Thatsache, daß der furchtbare Ernst des Krieges einen tief religiösen Sinn in unsrer Armee entwickelte und selbst manch hart Gemüth zum Nachdenken veranlaßte.

Unsere Fahrt von der Mark bis zum Rhein war ein ununterbrochenes „Glück auf zum Kampfe! brave Brandenburger!“ Namentlich war der Empfang in Bonn, am 27. Juli vorigen Jahres gegen Abend, ein sehr herzlicher. Jung und Alt brachte sein Scherflein, die Krieger zu erquicken. Kurz vor Abgang des Zuges noch reichte man mir ein Päckchen mit dem Wunsche, den Inhalt zu vertheilen. Es waren Butterbrödchen, jedes sauber eingewickelt und mit einem Sinnspruch versehen. Der Meine lautete:

     „Der Herr segne Dich und behüte Dich.“
„Der Gerechte muß viel leiden; aber der Herr hilft ihm aus dem Allen. –
Er bewahrt ihm alle seine Gebeine, daß derer nicht eins zerbrochen wird.“

Gerührt verwahrte ich das Sprüchlein, – nicht als Amulet – nein, als Trost in schwerer Stunde und doch immer von dem Gedanken niedergedrückt, daß trotz Alledem recht vielen „Gerechten“ die Glieder „zerbrochen“ worden sind. Sollte der freundliche Geber sich noch seiner Gabe erinnern, meinen besten Dank und zugleich zur Nachricht, daß ich den Krieg von Anfang bis Ende mitgemacht und mich noch heute eines guten Wohlseins erfreue.