Noch einmal der Secondelieutenant
[639] Noch einmal der Secondelieutenant. Die Gartenl. enthält in Nr. 32 unter der Rubrik: „Aus den Zeiten der schweren Noth“ die Mittheilung einer Heldenthat des damaligen Secondelieutenants Hellwig, der am 17. October 1806 mit 50 preußischen Husaren vor den Thoren von Eisenach den von Jena’s Schlachtfelde als Sieger fortziehenden Franzosen 9000 in Erfurt zu Kriegsgefangenen gemachte Cameraden wieder entriß. Dieses Heldenstücklein ist um so höher anzuschlagen, wenn man dabei bedenkt, daß es in den dunkelsten, hoffnungsärmsten Tagen ausgeführt wurde, die unser Vaterland gesehen hat, in Tagen, wo selbst die Besten zagten, in Tagen, wo die mit den höchsten militärischen Ehren bekleideten Officiere der preußischen Armee ehrvergessen dem Sieger die ihnen anvertrauten Festungen ohne weitern Widerstand öffneten. Aus dem Schlusse der interessanten Schilderung scheint mir hervorzugehen, daß dem Verfasser die weiteren Lebensverhältnisse Hellwig’s unbekannt sind, und da dasselbe auch bei vielen Lesern der Fall sein möchte, die den wackeren Soldaten aus der angeführten Episode lieb gewannen, so glaube ich beiden Theilen einen Dienst zu erweisen, wenn ich seine Geschichte hier kurz mittheile.
Rudolph Friedrich Hellwig wurde zu Braunschweig, wo sein Vater, ein noch jetzt im ehrenvollsten Andenken stehender Mann, Professor am Collegium Carolinum war, am 18. Januar 1775 geboren. Früh erwachter Neigung zum Soldatenstande folgend, trat er, eben fünfzehn Jahre alt, durch die Vermittlung Herzogs Ferdinand von Braunschweig in preußische Dienste, und machte, als Cornet beim von Kölerschen Regimente stehend, den Rheinfeldzug von 1792–95 mit. Die Affaire von Eisenach machte den damaligen Secondelieutenant zuerst bekannt; nach der Capitulation von Lübeck, die er durch einen Zufall nicht mit unterschrieben hatte, anfangs mit den übrigen Officieren in Potsdam gefangen, gelang es ihm [640] bald nach Schlesien zu entkommen. Als er von Glatz aus als Courier nach Königsberg kam, da ward ihm auch die vollste Anerkennung für die am 17. Oktober bewiesene Treue und Entschlossenheit. In einer besondern Audienz von der gefeierten Königin Louise empfangen, erhielt er, mit Worten des rührendsten Dankes, aus ihren Händen den Verdienstorden, und Friedrich Wilhelm III. ernannte ihn zum Rittmeister und Escadronchef. Bei der Reorganisation der Armee erhielt er eine Escadron im zweiten schlesischen Husarenregiment, 1812 wurde er Major. – Der Feldzug von 1813 brachte Hellwig Ehre auf Ehre; mit seinem Detachement abgeschickt, die Verbindung zwischen Erfurt und Magdeburg unsicher zu machen, überfiel er bei Langensalza das aus Rußland zurückkehrende, über 2200 Mann starke baierische Contingent unter General von Rechberg und zerstreute es; von der dabei erfochtenen Beute sandte er fünf Kanonen nach Breslau, es waren die ersten Trophäen, welche dem vom Schicksale gebeugten Preußenkönige zu Füßen gelegt wurden – dafür erhielt Hellwig das eiserne Kreuz Zweiter Classe, als zweiter Mann in der Armee, welcher mit diesem eben gestifteten Ehrenzeichen geschmückt wurde; – fünf Tage später, am 17. April, hob er den bei Wanfried stehenden starken Vorposten der westphälischen Truppen auf, wobei von dem Heldenhäuflein 2 Officiere, 80 Husaren und 50 Infanteristen gefangen genommen und 100 Pferde erbeutet wurden; dafür kam ein anderweites Zeichen der Anerkennung für den Major aus Breslau, das eiserne Kreuz erster Classe – und er war noch dazu der Erste, der dieses Wahrzeichen aus schwerer Noth empfing. – Nach der Schlacht von Groß-Görschen und dem Uebergange über die Elbe machte Blücher Hellwig bekannt, daß der König ihm bewilligt habe, ein Freicorps zu bilden, zu dessen Formirung er neben seiner die Escadron von Laroche verwenden, seine Kräfte nach Gelegenheit vermehren und mit denselben nach eigenem Ermessen operiren könne. So entstand das bekannte „Hellwigsche Freicorps“, dessen Cavallerie 1815, zur Bildung des 7. Ulanenregiments, die Infanterie zu der des Füsilierbataillons des 27. Regiments verwendet wurde, als Hellwig zum Chef des 9. Husarenregiments avancirte; als solcher focht er ehrenvoll bei Wavre und Namur und zog am 8. Juli an der Spitze dieses Regiments, dem als besondere Auszeichnung eine neue Standarte verliehen wurde, unter den Siegern mit in Paris ein. – 1830 erhielt er das Commando der 15. Cavallerie-Brigade, wurde 1831 Generalmajor und Ritter des rothen Ankerordens zweiter Classe.
Der unscheinbare Secondelieutenaut von 1806, der sich vor Eisenachs Thoren die Sporen verdient halte, stand 1838 mit Lorbeeren und Ehrenzeichen bedeckt vor seinem Könige, dem er in „schwerer Noth“ treu gedient, und bat um seinen Abschied. Er wurde ihm mit dem Charakter Generallieutenant. Nach sieben Ruhejahren starb er am 26. Juni 1845, zu Liegnitz, das er zu seinem Wohnplatze gewählt hatte, um im Kreise seiner zahlreichen Waffengefährten und Freunde zu leben, und er hatte derselben eine große Menge, „denn wem er Freund war, dem war er es probehaltig und wirklich, und zu allen Zeiten.“