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Neunhundert neun und neunzig und noch etliche Almanachs-Lustspiele durch den Würfel

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Autor: Georg Nikolaus Bärmann
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Titel: Neunhundert neun und neunzig und noch etliche Almanachs-Lustspiele durch den Würfel
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Erscheinungsdatum: 1829
Verlag: Gebrüder Schumann
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Erscheinungsort: Zwickau
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[Ξ]
Neunhundert neun und neunzig
und noch etliche
Almanachs-Lustspiele
durch den Würfel.
Das ist:
Almanach Dramatischer Spiele
für die Jahre
1829 bis 1961.
Ein Noth- und Hülfs-Büchlein
für alle
stehenden, gehenden und verwehenden Bühnen,
so wie für alle
Liebhabertheater und Theaterliebhaber Deutschlands,
von
SIMPLICIUS
der freien Künste Magister.

„Travaillez pour la gloire.“
Boileau.

Zwickau
im Verlage der Gebrüder Schumann.
1829.


[Ξ]

[I]
Schutzepistel
an den
weil. Dramaturgen und Aesthetiker Deutschlands:
Gotthold Ephraim Lessing.

[II]

[III]

      Schwer hab’ ich mich am Zeitgeschmack vergangen,
Indem ich tausendfachin einer Nuß
Das dargestellt, was sehnendes Verlangen
Vom Seinestrand sich einzeln holen muß.
Die allerliebsten, allgeliebten Bilder
Transrhen’schen Lustspiels, geistvoll übersetzt,
Macht mein vermess’ner, ungeschliff’ner, wilder,
Wohlfeiler (!) Almanach zu Schanden jetzt.
Zwar wird man jener nimmer überdrüßig,
Nein, holt vielmehr stets Neues über’n Rhein;
Doch wird solch Holen ziemlich überflüßig
Durch meine „Tausend wen’ger Eines“ seyn.
      O Bedlam’s Nachbarschaft, o Kammerdiener,
O sieben Mädchen mit dem Kuß nach Sicht,

[IV]

O Schülerschwänke durch gestohlne Hühner,
O Du Galeeren-Sclaven-Schau-Gericht;
Unschuld’ger Du, der Du so Vieles leiden,
Hofmeister Du, der Du Dich ängst’gen mußt,
Auch Erste Liebe Du mit Deinen Freuden,
Freundschaft, die and’rer würdig sich bewußt;
O edelster der Lissaboner Schneider,
Und Oberster im Unterrock auch Du;
Die ganze Ehrenrettung, leider!
Sogar der Ton des Tags dazu;
Kunst und Natur, dies Doppelt-Ausgekochte,
Ihr beiden Philiberts mit Sack und Pack,
Intriguen Pommerns, die kein Pommer mogte

[V]

Und humorist’scher Studien Schabernack – –
Sie Alle rücken sicher auf mich Armen
Mit Redekraft und Heeresmacht herein,
Und ach! nicht Mitleid, Schonung noch Erbarmen
Wird mit mir Aermsten seyn!
      „Simplicius – ein Einfaltspinsel wagt es“ –
So rufen sie – „das ganz allein zu thun,
Was wir – des Volkstheaters Vorstand klagt es –
Nicht leisten können, ob wir nimmer ruh’n;
Ob gleichsam wettend wir zum Uebersetzen
Die Feder rastlos führen, daß es knarrt,
Indem das Volk mit Sehnsucht und Ergötzen
Vom Donaustrande bis zur Elbe harrt,
Daß wir ihm neue Translationen bringen,
Und neuen Lorbeer um die Schläf’ uns schlingen?“

[VI]

      Und auf mich ein seh’ ich sie furchtbar dringen,
Eh’ noch mein Almanach zu Kauf sich trägt.
Wie kann ich Einzelner ein Heer bezwingen?
Bin ich Alcid – der für Augias fegt?
Wie könnt’ ich’s seyn? Weh mir! Ich muß verderben!
Hinunter muß ich zu des Styxes Strand.
Was tröstet mich in solchem bittern Sterben?
Wer hilft aus Charons Nachen mir an’s Land?
O Lessing, Du! O stehe nah dem Strande,
Für mich bei’m Pluto, ach! verwende Dich;
Laß mich dem finstern Orkus nicht zum Pfande!
Denn dahin – ach! verwies die Erde mich.
Die Erde? Nein! die bunte Welt der Bretter
– Versteh mich recht! – sie ist’s, die mich verflucht;
Sie, die aus Frankreich her verbot’ne Götter
Im Lustspieltempel aufzurichten sucht.

[VII]

Noch sucht? Ach nein, die sie schon aufgerichtet,
Und die abgöttisch knechtisch sie verehrt;
So daß man das, was Du einst hast gedichtet,
Als längst Verscholl’nes kaum noch nennen hört.
Der Tellheim Deiner Minna ist veraltet,
Für neue Schul’ ist Altes viel zu klein;
Für Nathans Weisheit ist die Welt erkaltet,
Denn lust’ger ist es sich als Narr mit Narren freu’n;
Daß drum auch Tollsinn auf der Bühne waltet,
So müssen’s Schwänke – Schülerschwänke seyn!
Wie käme da die rauhe Römertugend
Des Odoard bei uns noch in Betracht,
Wo demagogische Quintanerjugend

[VIII]

Den Autor und den Recensenten macht?
Wo das entweih’te Treiben auf den Brettern
Thaliens – tausend Gänsekiele treibt,
Daß Jürg wie Görg in belletrist’schen Blättern
Kritiken des Theaters schreibt?
      O schütze mich, der ich so schwer gesündigt,
Daß ich ein wenig Dich – ja Dich studirt,
Und frech und unverhohlen dann verkündigt,
Wie fingerfix man jetzt dramatisirt!
O schütze mich, wenn ich verjagt, verstoßen,
Hinunter zu dem Schattenreiche muß!
Die Mächtigen sind über mir, die Großen
Der heut’gen Bühnenwelt; Schutz dem

      Simplicius!


[IX]
Avis au lecteur! [1]
Das ist:
Wer ein Buch oder Büchlein kauft, dem gehört auch die
Vorrede.

Schon die Thatsache, daß zwei, ja drei berühmte deutsche Uebersetzerfedern zu gleicher Zeit ein und dasselbe französische Originallustspiel bearbeiten – die eine Feder frei, die andere oder alle beide unfrei – mögte hinlänglich den Beweis führen, von welchem sehnsüchtigen Verlangen nach immer neuen einactigen Lustspielen das schaugierige deutsche Publikum beseelt ist; allein es giebt noch viele andere Beweisgründe des Vorhandenseyns dieses sehnsüchtigen, unaufhörlich sich wiederholenden Verlangens.

Beherrschen nicht die vielen berühmten Verfasser einactiger Lustspiele, besonders und eigentlich nur wenn diese nach oder aus dem Französischen sind, die deutsche Bühne? Zollt ihnen das Publikum nicht Weihrauch des Dankes? Der Bewunderung? Werden ihre Namen nicht denen Namen der Angelid. i. der Engel beigezählt? Haben nicht jene Berühmten den wohl verdienten Sieg errungen, alle die mittelmäßigen, vom Roste der Classicität angefressenen Theaterstücke [X] eines Lessing, Goethe, Schiller, Jünger, u. A. m. fast gänzlich von den belampten Bretern hinweg zu bannen? Sind durch jene Berühmten nicht alle die nach schwierigen, ja im Sinne der Berühmten nach abgeschmackten Principien verfaßten Bühnenstücke gleichsam zu den Todten geworfen worden? Werden Originallustspiele neuerer Autoren nicht schon deswegen, weil sie nicht aus dem Französischen sind, als gehaltlos verketzert, angefeindet und von den Bretern verwiesen, selbst wenn Einer dieser Autoren ein Professor wäre? Will man nicht, daß die Todten ruhen sollen: nicht etwa weil ein origineller und eben deshalb viel bekrittelter Lustspieldichter dies einmal sehr humoristisch ausgesprochen hat; sondern weil, nach Plan und Absicht der Berühmten, die Geisterwelt, oder eigentlich die geistige Welt durchaus nicht das Element seyn soll, worin die deutsche dramatische Kunst nun und fortan sich zu bewegen habe?

Einactige Lustspiele nach dem Französischen sind es also, die von der schauenden Menge gefordert, von den Agirenden mit Heißhunger aufgeschnappt und in die Scene gesetzt werden – und dennoch reichen die rastlosen Bemühungen unserer Translationsfabriken nicht aus, ihre productive Kraft mit jenem sehnsüchtigen Verlangen und unersättlichem Heißhunger in genügendes und befriedigendes Verhältniß zu bringen.

Wie willkommen also derjenige Almanach, der von bescheidener, landesüblicher Corpulenz, 999, schreibe: neunhundert neun und [XI] neunzig Lustspiele, versteht sich einactige, auf einmal bringt!!

Freilich erfüllt die Berühmtheit, mit welcher die Unzahl erschienener und fort und fort erscheinender classischer einactiger Lustspiele aus dem Französischen sich unter uns wahrnehmen läßt, mich, den Verfasser und Herausgeber dieser neunhundert neun und neunzig mit einer auf’s Höchste potenzirten Ehrfurcht und Bewunderung: so daß ich mit der bangen Scheu eines milchbärtigen Autors, der noch nicht eingeweiht ist in das Mysterium, wie man Bleibendes durch Schwindendes erringen könne, gegenwärtige meine, für volle einhundert drei und dreißig Theaterjahre geltende Almanachsgabe auf den Altar der Bühnennovitäten niederlege. Denn ach! – alle meine neunhundert neun und neunzig Lustspiele sind leider! nicht nach dem Französischen, verdienen folglich – „Ich weiß es, und Weh’ mir, daß ich’s weiß!“ durchaus keine Würdigung als die, welche herablassendes Mitleid, oder mitleidige Herablassung ihnen angedeihen lassen will.

Deute ich jedoch bescheiden auf den Verfolg dieser Vorrede hin, so wird vielleicht der schreiende Vorwurf, den die Originalität – auch Originellität? – dieser meiner Arbeit auf sich geladen hat, wohl in Etwas getilgt: so daß ich vor jenen tief- oder hochgelahrten Kunstrichtern, welche die Posaune der Theaterkritik in frappanten und eleganten Flugblättern blasen, zwar immer theilweise als höchst strafbarer, jedoch zugleich als [XII] Verzeihung verdienender Sünder geduldet werden könne.

So hege ich denn die beseligende Hoffnung, daß mein neunhundert neun und neunzigfaches Opfer in Gnaden angenommen werde.

Einem erhabenen Vorbilde ernstlich nachstreben, ist auch schon ein Verdienst. So strebte ich denn im Geiste meines Titelmotto’s: „Travaillez pour la gloire!“ in diesen neunhundert neun und neunzig Lustspielen jene Tiefe und Höhe, jene Vollendung und Genialität, jenen Aufschwung und Abgrundssturz der Gedanken, jene so Phantasie wie Gemüth ergreifenden Situationen und Schilderungen, jenen Redepomp, jene in der Prosa reingemüthlichen Lebens ausgesprochene Poesie, womit die zahlreichen heutigen deutschen „Lustspiele in einem Act, nach dem Französischen,“ zu unvergleichlichem und unvergänglichen Ruhme derer Federn, welche dieselben für unser kunstsinniges Publicum bearbeiteten, erfüllt sind – aus allen meinen Kräften nachzuahmen.

Wohl fühl’ ich, daß ich weit, weit hinter meinen am Himmel der Theaterliteratur als Meteore leuchtenden Vorbildern zurück blieb; allein dafür hab’ ich denn auch das mystische Werk zu Stande gebracht: neunhundert neun und neunzig und sogar noch etliche Lustspiele in einem Act so abzurunden, daß sie allesammt, gleich den Glückwunschgedichten meines werthen Landsmannes und nächsten Freundes [2], durch [XIII] den Würfel können hervorgebracht werden, und gleichsam erst durch die Kabbala auf eigentliches Leben Anspruch zu machen, sich erdreisten dürfen.

Wer nun die Schwierigkeit solchen Concentrirungsprozesses kennt, wird mich hoffentlich nachsichtig beurtheilen, zumal wenn ich, lautrer Wahrheit gemäß, versichere, daß meine sämmtlichen neunhundert neun und neunzig Lustspiele, mindestens in einem gewissen Grade, alle jene Kennzeichen der Vollendung an sich tragen, wodurch die neueren und neuesten, von transrhenischen Theatern entlehnten Bühnenstücke in einem Act, sich so auf den Gipfel der Kunstvollendung vestgestellt haben, daß nach ihnen und nur nach ihnen der gute Geschmack des Theaterpublikums unserer Zeit sich bestimmt wissen will.

Also Nachsicht dieser, meiner ungeweiheten Feder entflossenen, unter Angstschweiß in durchwachten Nächten hervorgebrachten Riesenarbeit im Pygmäengewande! Denn nachstrebend ihren glorreichen Vorbildern bieten meine neunhundert neun und neunzig Lustspiele folgende unerläßliche Ingredienzien dar:

a) Sie sind alle ganz und gar desselben Inhalts mit ihren Musterbildern und schlagen das Schmähwort eines gewissen sogenannten Dichters. „Was kann dieser Misere denn Großes begegnen? Was kann [XIV] Großes durch sie denn geschehn?“ dermaßen zu Boden, daß es das Aufstehen endlich wohl verlernen soll.

b) Sie zeigen: einen Schauplatz, der ganz so aussieht, als ob man im eigenen Zimmer wäre, wo man bekanntlich thun kann, was man will.

c) Sie zeigen: Personen wie man sie alle Tage sieht, oder doch sehen kann, wenn man nicht total mit Blindheit geschlagen ist, und das ist jetzt Niemand, da es nirgends Mystiker giebt.

d) Sie zeigen: Verschmitztheit wie sie seyn soll; indem dieselbe auf solchen moralischen Prinzipien beruht, daß nur ein ästhetisch gebildetes Publikum, wie das unsers heutigen Parterr’s, dieselben des Belächelns werth halten kann. [3]

e) Sie lassen hören: Vertraute Gespräche, die ganz so abgefaßt sind, wie jeder Zuschauer, auch der einfältigste, sie augenblicklich würde halten können, sobald er es der Mühe werth achtete.

f) Sie enthalten: Mystificationen, die jedem Zuschauer sofort verständlich sind, nur dem nicht, der auf der Bühne der Gehudelte [XV] seyn muß, damit aus dem Lustspiele allewege ein Lustspiel werden könne.

g) Sie zeigen: Tyrannei des Alters aus übler Laune oder auch aus gar keiner Ursach gegen die zärtlichen Gefühle junger Liebenden. U. s. w.

Des Ferneren nimmt man in diesen meinen neunhundert neun und neunzig Lustspielen folgende unumgänglich nothwendigen Eigenthümlichkeiten, oder eigentlich eigensinnigen Eigenheiten wahr, durch welche allein die deutsche Bühne gegenwärtig ihre Selbstständigkeit zu behaupten im Stande zu seyn scheint, nemlich:

1) Monologe, die – wenn sie auch in ganz anderen Worten abgefaßt würden, doch dem Character der Person, die dieselben spricht, durchaus keinen Eintrag thäten; die aber genügend darthun, wie engherzig gewisse andere, früher weit und breit gerühmte, Monologe dagegen abgefaßt sind, wie z. B. der Monolog „Seyn oder Nichtseyn etc.“ oder der: „Laß mich der neuen Freiheit genießen,“ oder der mit den Worten: „Aus der Nacht in die Nacht hinein zu springen“ u. v. A; sintemal jetzt Jeder weiß, daß er auf seine eigene Kanne Bier lebt, folglich vom Nichtseyn sich keinen Begriff zu machen braucht, daß er auch, wenn er nicht eingesperrt ist, Freiheit genug genießt und daß ein Gerede von „Nacht in Nacht“ in unserm jetzigen blendend hell erleuchteten und buntlackirten Schauspielhäusern offenbarer Unsinn ist.

[XVI] 2) Flickscenen, auch Dialoge, Beiseit- und Zusammen-Reden, die unbeschadet dem Gange des Stückes, ganz und gar wegbleiben können. Ein Vorzug, der besonders für die Scheere der Herren Bühnenregisseurs in Anwendung gebracht ward.

3) Stummes Spiel, so viel man will, wie man’s will, wann man’s will, indem dasselbe keineswegs aus der Situation der handelnden Personen hervorzugehen braucht, sondern einzig und allein deswegen eingeräumt ward, damit der Schauspieler und die Schauspielerin, welche für den Augenblick nichts zu sprechen haben – da doch nicht immer Alle zugleich reden können – die Augen des Publikums von der Handlung ab – und auf sich ziehen können. Dergleichen effectuirt heut zu Tage, und diesem Umstande verdankt schon mancher Sohn Thaliens, manche Tochter Melpomenens neuerer Zeit alle Berühmtheit und alle Goldrollen die die speculirenden Bühnendirectoren dem unvergleichlichen Gastspiele solcher Söhne und Töchter zollten und noch zu zollen pflegen.

4) Abgänge – weil ohne dieselben die wenigsten Schauspieler und Schauspielerinnen heut zu Tage mehr auftreten wollen.

5) Schlagscenen, das sind solche Scenen, worin einzig und allein das Gedächtniß des Darstellers jeden etwaigen Mangel [XVII] an Kunsteinsicht und Kunstansicht völlig ersetzt.

6) Schlagwitze, das sind Witze, die jeder Zuschauer auf dem Fleck selbst machen könnte, wenn es ihm der Mühe werth wäre; die aber, wenn jeder Zuschauer es thäte, ein gewaltiges Getöse verursachen würden, weil dann Einer auf den Andern blindlings losschlüge, einzig und allein um sich und nur sich bemerkbar zu machen. U. s. w.

Endlich aber kommen in diesen neunhundert neun und neunzig Lustspielen noch folgende Gegenstände vor, ohne welche ein nach vorgedachter Berühmtheit strebendes einactiges Lustspiel nimmermehr Präsidium, ja nicht einmal Sitz und Stimme im kunstgeweiheten Rathe heutiger Theaterconvenienz haben kann. Solche sind aber u. A.

a) Eine Liebhaberinn, die, wie fade sie auch an sich seyn möge, dennoch von einer Schauspielerinn gespielt – der eigentliche Kunstausdruck heißt ja wohl geliefert? – werden, und die, nach welchem Wochentage sie auch benannt seyn möge, so hübsch seyn muß, daß sie männiglich gefällt; weil sonst das ganze Stück – es habe einen Act, oder sieben Acte – wie sorgfältig es auch gearbeitet sey, – durchaus nicht gefallen kann und darf.

b) ein Liebhaber, der platterdings das eminente Talent haben muß, alle Rollen, die ihm ertheilt werden, über einen Leisten schlagen zu können, auch wirklich zu schlagen jeden Augenblick bereit ist.

[XVIII] c) ein polternder, scheltender, tyrannischer, nur von seinen An- Ab- Aus- und Einsichten eingenommener, folglich auch einfältiger, abgeschmackter, an’s Alberne streifender Onkel, der zugleich aber auch Vormund seyn muß. Es würde Tollsinn verrathen, dem Schauspieler, der denselben darzustellen hat, Vorbilder wie weil. Eckhof und F. L. Schröder zu empfehlen; indem diese obscuren, daher auch jetzt ziemlich vergessenen Darsteller gar nicht in dergleichen eminenten Rollen, sondern, abgeschmackt genug, nur und am liebsten als derber Bauer oder als unkluger König aufzutreten pflegten. Darum wird es am besten seyn, solcher Schauspieler spielt sich selbst, und zwar in derjenigen Stimmung, die in ihm hervorgebracht werden müßte, wenn Verdruß über die von ihm hochverdiente und zwar verlangte, jedoch nicht erlangte Gehaltszulage ihn mit herkulischer Gewalt befällt. Der Erfolg meiner neunhundert neun und neunzig Lustspiele muß alsdann der glänzendste seyn!

d) ein verschmitzter, witzig seyn sollender – um’s Himmels Willen nicht etwa shakespear’switziger, oder gar calderonpoetischwitziger Diener oder Reitknecht, der zugleich Polyhistor, schöner Geist und Raisonneur ist, dem auch alle Mittel recht sind, sobald dieselben seinem, sofort in seine Pläne eingehenden, Herrn und ihm selbst zum Zwecke verhelfen.

[XIX] e) eine Zofe, die zur Bequemlichkeit des Autors ganz und gar so gestellt seyn kann, daß sie dem Stücke weder nützet noch schadet. Sie ist gleichsam das Faulbette des Verfassers, auf welchem er von der Anstrengung ausruhet, die ihm die Ausarbeitung der vorgenannten eminenten Rollen verursacht hat.

f) eine Verkleidung, ohne die ein einactiges Lustspiel heut zu Tage ohne Weiteres gar kein Lustspiel ist.

g) ein Brief – ein nothwendiges vielleicht das nothwendigste Ingredienz, welches, wenn es sich etwa in den nichtsbedeutenden Bühnenstücken eines Shakespear, Calderon, oder Goldoni, oder wohl gar eines Goethe, Schiller, Müllner, oder sonst eines auf der deutschen Bühne kaum mehr gekannten Autorgespenstes finden sollte, zuverlässig nur aus Versehen hinein gekommen seyn kann; indem diese sogenannten Classiker bekanntlich bemüht waren, alle Außendinge, alle Theaterrequisiten nach allen Kräften in ihren Werken zu vermeiden. – Besonders aus diesem Umstand erhellt die Kurzsichtigkeit dieser sogenanten Klassiker, so wie die Erleuchtung der modernen Berühmten. Dinge, Requisiten machen die Welt aus. Die Breter also, die die Welt bedeuten sollen, müssen voll seyn von solchen Dingen, solchen Requisiten, oder der Autor ist ein völlig Ungeweiheter. U. s. w.

[XX] So sehr ich nun in meinen neunhundert neun und neunzig Lustspielen nach allen den eben genannten Vollkommenheiten, Eigenthümlichkeiten und Eigenheiten strebte, so fehlt mir doch eine Fürtrefflichkeit meiner fürtrefflichsten Vorbilder, nemlich der Vorzug der

Zweideutigkeiten. Von Einschaltung derselben hat eine feige Furcht – Beweis, wie wenig Beruf ich bis jetzt zum modernen Lustspieldichter habe! – mich zurück gehalten; die Furcht nemlich: es mögte dieser Almanach meiner tugendhaften Ehefrau, ja wohl gar meiner heranwachsenden Tochter in die Hände fallen, welche Letztere – wie albern! – noch nach Grundsätzen erzogen wird, die ein hie und da, ja meistens ganz verschollener Moralphisoph und Fabeldichter, Namens Christian Fürchtegott vor mehreren Jahrzehenden aufstellte. Zu dieser meiner Furcht gesellte sich noch der Qualgedanke, ich könnte durch solche Einschaltungen in die zeittödtende Verlegenheit gerathen, meiner wißbegierigen Ehefrau und meiner, als Kind noch ziemlich neubegierigen Tochter jene Zweideutigkeiten erklären zu sollen; ungeachtet, daß solche Zweideutigkeiten von selbst schon von dem ungestümesten Drange beseelt sind, sich männiglich, vorzüglich aber einem gewissen Jugendalter erklärbar machen zu wollen. Sollte mir dennoch ein Wort, oder gar eine ganze Rede entschlüpft seyn, die Lust hätte, sich zweideutig deuten zu wollen, so hat das einen ganz anderen Grund, als meine Absicht und meinen Willen. – Um mir selbst eine Art von Vorweihe zu geben, daß ich gestärkt würde zu der unsäglich mühseligen Ausarbeitung [XXI] dieser neunhundert neun und neunzig Kinder meines rastlosen Studiums, mußte ich die glänzenderen und glänzendsten Vorbilder durchlesen, denen ich nachzueifern strebte: da mag es dann sich gefügt haben, daß irgend ein feindseliger Dämon mir Dies oder Das aus jenen unsterblichen Werken – Klassiker lernen sich ohnehin spielend auswendig! – eingehängt hat. Boshaft genug wäre es von solchem infernalischen Spiritus, wenn er mich zum Stichblatt genommen haben sollte, ein Exempel zu geben von den Worten eines mit Recht von der Volksbühne immer mehr verschwindenden Antors, der irgendwo spricht:

„Daß die Wege sichtbar werden,
Die der T–l geht auf Erden –“

Nachdem ich also in möglichster Kürze auf die inneren Vorzüge und Mängel meiner neunhundert neun und neunzig Lustspiele hinzudeuten, mir die Ehre gab, nehme ich mir noch die Freiheit, etlicher äußerer Hauptvortheile zu erwähnen, die aus demselben für einen großen Theil des Publikums, so wie für manche Bühnendirectionen und Schauspieler, vor allem aber für die eigentliche theatralische Kunstvollendung sich darbieten mögten.

Der erste dieser Vortheile ist unstreitig der, daß diese meine neunhundert neun und neunzig Lustspiele durch den Würfel hervorgebracht werden: ein Umstand, der unbezweifelt darthut, daß noch weit mehr hinter ihnen steckt, als eigentlich in ihnen ist.

Ein zweiter Vortheil ist der, daß sie alle neunhundert neun und neunzig in ein so kleines Format [XXII] gleichsam verzwergt worden sind, daß ihr Besitzer, so zu sagen, die Gesammtbibliothek der meisten in Berühmtheit lebenden, nach dem Französischen bearbeiteten Lustspiele – ohne Beschwerde in der Tasche oder im Strickbeutel mit sich herum tragen kann.

Ein dritter Vortheil ergiebt sich aus dem Umstande, daß – wie die nachstehende Erklärung deutlich besagen wird – zu Abfassung eines jeden meiner neunhundert neun und neunzig Lustspiele zweihundert Würfe mit Einem Würfel nöthig sind. Offenbar wird der größte Theil unserer heranwachsenden hoch ästhetisch gebildeten Jugend, wären auch mehrere alttestamentarischen Glaubens darunter, so wie die haarscharfe Kunstbeurtheilung der Mehrzahl aus dem schaulustigen Publikum durch diese meine Erfindung in den Stand gesetzt, jeden Abend ein Vor- oder Nachspiel, das gespielt werden soll, selbst zu erschaffen! Es könnte nemlich ohne besondere Vorkehrung die wirksam wohlthätige Einrichtung getroffen werden, daß Jeder der zweihundert Zuschauer, die zuerst eine Eintrittskarte lösen, Befugniß erhält, einen Würfelwurf zu thun, welcher vom Cassirer oder Controlleur, der honoris causa das Prädicat Theaterdichter – ein Amt das ohnehin jetzt aller Orten vacant ist – erhalten dürfte, sofort, vermöge dieses inhaltschweren Almanachs in Worte gestaltet und den Agirenden in die Garderobe hinauf geschickt würde, allwo diese bei’m Ankleiden unter fröhlichem [XXIII] Zwischengeplauder ihre Rollen memoriren könnten.

Sollte an der Casse – was allerdings zu vermuthen steht – ein zu gewaltiges Gedränge Statt finden, so könnte jene Einrichtung dahin erweitert werden, daß je zwei und zwei Billetkäufer wettend würfen, und demnach dessen Wurf der die meisten Augen zählt, als der diesmal gültige anerkannt, der andere aber auf einen folgenden Spielabend, der dann zwiefach Spielabend hieße, vertröstet oder verwiesen würde.

Wie nun im Ei der Keim zu Tausend Millionen Eiern liegt, so liegt auch in dem eben genannten Vortheile eine zahllose Menge anderer Vortheile, dem blöden Auge kurzsichtiger Erdensöhne verborgen, oder doch eingehülset. Nur etliche wenige noch, du mein scharf- und nachsichtiger Leser, laß mich dir nennen!

Wenn, wie eben angedeutet ward, die Agirenden auf solche überaus geniale Weise ihre Rolle lernen müssen, so kann es durchaus nicht fehlen, daß sie in kurzer Zeit eine ungeheure Sicherheit in derselben erlangen, welche in der Theatersprache Bretervestigkeit genannt zu werden pflegt. Dadurch aber werden sie zu gleicher Zeit für etwa dann und wann noch von einigen am abgeschmackten Alten klebenden Bühnendirectionen auf’s Repertorium zu bringende Tragödien, edle Dramen oder Characterlustspiele durchaus untüchtig; erreichen also die eigentliche wahre Kunsthöhe und zwingen gleichsam mit sich hinauf in die Glanzwolke ästhetischer Vollendung [XXIV] denjenigen Theil des Publikums, welcher – der Himmel weiß, aus welchen abgeschmackten Gründen! – einerlei Willensmeinung mit den genannten Directionen seyn mögten: indem sie demselben planiter zu verstehen geben, daß derjenige im Publikum, der solche veraltete, unkunstvolle Theaterstücke sehen wolle, sie sich selbst verspielen und demnächst mit denjenigen Dilettantenübungen aufhören möge, womit sie, nemlich die vollendeten mimischen Künstler und Darsteller der einactigen Lustspiele nach dem Französischen vor einem oder mehreren Jahrzehenden ihre theatralische Laufbahn eröffneten.

Ein anderer überwiegender Vortheil der aus meinen neunhundert neun und neunzig Lustspielen hervorgeht, betrifft geradezu die Casse so mancher Bühnenprinzipale. Nothgedrungen muß ich desselben erwähnen. Während die Theaterunternehmer Frankreichs mit dem billigen „tantième“, d. i. der unbedeutenden Prozentabgabe an den Dichter, so oft sie dessen Stück spielen, davon kommen; während das Bühnendirectorium zu St. Petersburg [4] dem Autor die unbedeutende Brutto-Einnahme der zweiten oder dritten Vorstellung seines Bühnenstückes decretirt und garantirt – müssen unsere Theatervorsteher – „O schwere Bürde!“ sagt der gewissengequälte König im Hamlet sich ein für allemal mit dem Autor eines neuen Stückes [XXV] abfinden und ihm bisweilen die ungeheure Summe von sechs, acht, zehn, ja zwanzig Dukaten zahlen! In Frankreich und St. Petersburg ist man einseitig genug, dem Autor das „droit de l’auteur“ aufzulasten, ihn lebenslänglich, wohl gar noch seine Intestat-Erben, damit zu quälen, während man in Deutschland großmüthig genug ist, solche Bürde von ihm abzuwenden, wozu selbst Copiisten, gewisse Einbläser, auch Nachdrucker mildthätig die Hände bieten. Wie froh werden solche Bühnenprinzipale nun seyn müssen, da ich alle meine neunhundert neun und neunzig Lustspiele ihnen nicht als Manuscript, sondern gedruckt anzubieten, mir die Ehre gebe; da ich sie ihnen also nicht als mein, sondern als ihr Eigenthum überantworte, ein Eigenthum, welches der Verleger dieses neuerfundenen Almanaches ihnen für weniger als zwei Thaler Courant ausliefert – für einen Spottpreis, für den in der Regel nur fünf, höchstens sechs Almanachslustspiele ausgeboten werden [5]. – In der That, wenn auch der gallsüchtigste Recensent die Geißel des bittersten Tadels über meine neunhundert neun und neunzig gemüthlichen, herzeinigen Kinder schwänge – sollte er wohl das Fluchwort aussprechen können, jedes [XXVI] derselben sey, wenn ich das billige Verhältniß: 6:999 annehme, einhundert drei und dreißig Mal schlechter als ein anderes halbes Dutzend zu 1 Thlr. 12 Gr.? Das wäre grausam! Und thäte er es dennoch, so blieben mir doch noch vier Monate (⅓ Jahr) aus obiger Proportion, als diejenige Lebenszeit, welche unbestritten meinen neunhundert neun und neunzig Kindern verbleiben müßte; welche, wenn sie auch jene Almanache, die nur sechs Sprößlinge aufzeigen, nicht überlebten, doch gleiche Zeit mit denselben lebten, dennoch wieder 133⅓ mal besser würden, als jene sechs. Unwidersprechlich bleibt es also, daß obenerwähnte Bühnenprinzipale den vortheilhaftesten Handel von der Welt machen, wenn sie diesen meinen Almanach, der aus angeführten Gründen schon, ehe er noch geschrieben war, als ihr und nicht als mein Eigenthum accreditirt ward, für das lumpige Transportgeld aus meinem Gehirne über das schwarze Meer der Druckerpresse bis in das Gewölbe meines Verlegers auslösen. Selbiges Transportgeld beträgt nur 1 Thlr. 4 Gr. Courant, und wird überdies in jeder gangbaren Münze dankbar entgegen genommen.

Doch genug! Man mögte mich frivoler Eitelkeit bezüchten, zählte ich noch mehr der Vortheile auf, die aus meiner „neuentdeckten Würfelmethode zu Abfassung einactiger Lustspiele“ zu ermitteln sind. Ich kenne meine Unwürdigkeit recht wohl. Meine Feder beugt sich vor den geweiheten Antorfedern, die durch die lichtvolle Uebersetzung transrhenischer einactiger Meisterwerke [XXVII] die Sonne ihres Ruhmes über die deutschen Bühnenbreter leuchten lassen. Der beglaubigte Spruch: „Les beaux-Esprits se rencontrent“, schließt meinen Kiel von der Gesellschaft jener erleuchteten Federn aus. Aber es geschieht mir Recht! Warum wollte ich berühmt werden, wie sie? Warum wollte ich neben ihnen glänzen? vielleicht gar sie verdunkeln? [6] Warum wollte ich neunhundert neun und neunzig Mal in Einem Male erscheinen? und das ohne ein französisches Original dabei zu benutzen? Frevel ohne Gleichen, der die nachdrücklichste Zurechtweisung verdient – – Aber bin ich nicht schon genug gestraft, da ich meine strahlenden Vorbilder nicht erreichte? [7] Gewiß! Ich fühle es: Verschmachten werd’ ich in der Nacht der Vergessenheit, während „ihr Universalgenie von einem Pole zum andern fliegt.“

Schrieb’s mit wehmüthigem Herzen
      zu Hamburg
an meinem Namenstage
      d. 2. März 1828.
      Simplicius,
der freien Künste Magister.

[XXVIII]
Erklärung,
wie die
neunhundert neun und neunzig
Almanachs-Lustspiele
und noch etliche derselben
durch den Würfel
hervorgebracht werden.

Zu jedem Lustspiele in einem Acte sind zweihundert – im Nothfall auch nur einhundert neun und neunzig – Würfe mit einem einzigen Würfel hinreichend. Sobald man geworfen hat, sucht man in der nachfolgenden Wurftabelle bei dem ersten (u. s. w. bei dem jedesmaligen folgenden) Wurfe die Zahl, welche horizontal mit der Würfelzahl stehet; schlägt dann in den neunhundert neun und neunzig Lustspielen dieses Almanachs die gefundene Zahl nach und schreibt die Worte nieder, die man unter derselben vorfindet, so ergiebt sich das verlangte Lustspiel.

An die Fingerzeige (👉️), die hie und da in den neunhundert neun und neunzig Lustspielen, jedoch bei weitem nicht bis an’s Ende, gegeben worden sind, braucht man sich weiter, wenn man nicht Laune dazu hat, zu kehren. Es ist durchaus nicht meine Absicht, daß die Besitzer dieses Almanachs bei dem Gebrauche desselben sich mit Denken anstrengen sollen, weil, wie schon in der Vorrede erwähnt ward, mir nur in sehr geringem Maaße die Gabe geworden ist, meine Lustspiele so einzurichten, wie die lichtvollen Uebersetzungen transrhenischer Meisterwerke in einem Act eingerichtet sind, welche man bekanntlich ohne das tiefste Forschen nicht verstehen kann.

Obwohl, wie gesagt, alle nachfolgenden neunhundert neun und neunzig Lustspiele in keinem Buchstaben nach dem Französischen sind, so haben doch etliche berühmte transrhenische [XXIX] Autoren, die noch erst Werke zu schreiben gedenken, mir – obgleich sie gar nicht meine Freunde sind – erlaubt, ihre Namen als die Namen der Vorverfasser meiner, dann als Uebersetzungen auftretenden neunhundert neun und neunzig Lustspiele nennen zu dürfen. Wer also irgend eines oder alle neunhundert und neun und neunzig der nachfolgenden Lustspiele als sein wahrhaftiges Eigenthum herausgewürfelt hat, der kann ohne allen Nachtheil das beliebte Prädikat darunter setzen:

  • Frei bearbeitet nach dem Französischen des: Tout-Même-Chose,
  • oder des: Celui-Ci-Comme-Celui-Là,
  • oder des: Me-Connoissez-Vous!
  • oder des: D’A-L’Ordinaire,
  • oder des: Tourne-L’affaire,
  • oder des: La-Vieille-Intrigue,
  • oder des: Demain-Comme-Hier,
  • oder des: L’Un-Comme-L’Autre,
  • oder des: J’Ecris-Toujours,
  • oder des: Fin-Connu.

Auch kann man nach Belieben zwei Autoren, die in Gesellschaft die Verfassung meiner neunhundert neun und neunzig Lustspiele, wie oben erwähnt, über sich nahmen, angeben und demnach schreiben:

Frei nach dem Französischen

  • der H. H. Vite-Auteur et ça-Va-Bien,
  • oder der H. H. Sans-Etude et Pour-Plaisir,
  • oder der H. H. Aisément et Sans-Façon,
  • oder der H. H. Sans-Art et Bel-Esprit,
  • oder der H. H. Tout-Même-Chose et Bien-Connu,
  • oder der H. H. Intrigue-Faite et Voilà-Tout,
  • oder der H. H. d’Hier et d’Avant-hier,
  • oder der H. H. Aujourd’hui et Comme-Toujours,
  • oder der H. H. Riche-En-Mots et Tout-Egal,
  • oder der H. H. Le Mariage et Voilà-Tout.

Um Raum zu ersparen, eigentlich aber um meinen Verlegern, die allzugern unnützes Honorar zahlen, einen Possen zu spielen, habe ich – da nichts leichter ist, als einen Titel zu einem Lustspiele zu ersinnen – nicht alle neunhundert neun und neunzig Lustspiele dieses Almanachs mit Titeln versehen. Dennoch, um auch hier nicht mehr Anlaß zum Selbstdenken zu geben, als dringend nöthig seyn dürfte, lasse ich noch einige Ueberschriften folgen, die als Titel zu den [XXX] neunhundert neun und neunzig Lustspielen m. A. gebraucht werden können, nemlich:

  • Der Bräutigam kommt.
  • List und Liebe.
  • Liebe und List.
  • U. A. z. n., oder: Noch ein Komödienpfiff.
  • Das Lustspiel, wie es seyn soll.
  • Verlegenheit und List auf eine andere Manier.
  • Er prellt den Alten.
  • Der Diener als Liebhaber.
  • Der Kammerdiener auf eine andere Manier.
  • Das Komplott aus dem Stegreif.
  • Nicht wie der Alte will.
  • Wie die Jungen wollen.
  • Rettung aus Tyrannhänden (klingt fast zu tragisch; ist auch nur für sentimentale Zuschauerinnen gewählt worden).
  • Hülfe in der Noth.
  • Die Liebenden und noch Einer.
  • Der Deus ex machina.
  • Allerwelts Intriguen.
  • Dienerschwänke.
  • Er, Sie und der Alte.
  • Der Alte, Er und Sie.
  • Sie, Er und der Alte.
  • Der Alte, Sie und Er.
  • Er, der Alte und Sie.
  • Sie, der Alte und Er.

U. s. w. U. s. w.

Da ebenfalls, mir gefälliger Kürze wegen, die in nachfolgenden Almanachslustspielen auftretenden Personen mit den allgemeinen Benennungen: „der Onkel“, „die Nichte“, „der Liebhaber“ etc., aufgeführt sind, so kann dilettantirenden Würfel-Lustspieldichtern hier zur Nachricht und beliebigen Auswahl folgendes Namenregister dienen.

So ein Onkel kann ex. gr. heißen:

  • Herr von Schlingen, Herr von Ringen,
  • Herr von Bingen, Herr von Flachsenfingen,
  • Herr von Meerhof, Herr von Querhof,
  • Herr von Ahlen, Herr von Strahlen,
  • Herr von Menzendorf, Herr von Schwenzendorf
  • Herr von Wallborn, Herr von Ballborn,
  • Herr von Baumbach, Herr von Helmbach,
  • Herr von Sturzbach, Herr von Waldbach,

[XXXI]

  • Herr von Hügel, Herr von Bügel,
  • Herr von Ziegel, Herr von Striegel;

oder schlechtweg:

  • Der alte Graf, oder: der alte Baron;
  • Der alte Major, oder: Der alte Oberst;
  • Der alte Kammerrath, oder: Der alte Forstrath; u. s. w.

So eine Nichte aber heißt besonders gern:

Amalie, Rosalie, Natalie, Cäcilie, Emilie, Ottilie, Philine, Antonine, Wilhelmine, Caroline, Ernestine, Georgine, Leopoldine, Claudine, Alphonsine, Emmeline, Victorine, Faustine, Adolphine, Rosine, Eglantine, Euphrosine, Sabine, Albertine, Cordelia, Aurelia, Cornelia, Minka, Chatinka, Mathilde, Brunhilde, Wulfhilde, Chriemhilde (letztere drei sind etwas altdeutsch, und das Alte, besonders wenn’s Etwas taugt, gefällt nicht mehr aller Orten); Sophie, Maria, Luise, Elise, Fenise (letzterer ist noch nicht ganz aus dem Spanischen recipirt worden), Arabella, Stella, Griselda, Thusnelda, Fanny, Jenny, Laura, Rosaura, Leonora, Aurora, Beata, Agatha, u. s. w.

Kammermädchennamen sind nicht ungern folgende:

Hannchen, Annchen, Susannchen, Lorchen, Dorchen, Riekchen, Fiekchen, Miekchen, Rosette, Annette, Dorette, Minette, Antonette, Cordchen, Dortchen, Lieschen, Luischen, Binchen, Minchen, Christinchen, Pinchen, Cathrinchen, u. s. w.

So ein Liebhaber nennt sich höchst glänzend:

  • von Wangenheim, von Bergheim,
  • von Waldheim, von Thalheim,
  • von Mohrenhain, von Wildenhain; auch Adolph von **, oder Carl von, oder Gustav, Wilhelm, Theodor, Victor, Ludwig von **;

oder schlechtweg:

  • der Rittmeister von **, der Hauptmann von **,
  • der Lieutenant von **, der Fahnenjunker von **,
  • der Secretär von **, u. s. w.

Die Diener heißen höchst symbolisch:

Hans, Franz, Friedrich, Dietrich, auch Liederlich, Spitz, Fritz, Fuchs, Luchs, Jux, Schnurr, Murr, Flink, Flint, Wind, Rind, Stock, Pflock, Husch, Tusch, oder Cartusch, Bunt, Schund, Matz, [XXXII] Platz, Wolf, Tolf, Lecker, Schmecker, Treffer, Pfeffer (Letzterer ist zugleich Reminiscenz, und – Reminiscenzen sind heut zu Tage Lichtpunkte; die einzigen oft, die in beliebten modernen Theaterstücken wahrzunehmen sind). u. s. w.


Anmerkung. Wenn in nachfolgenden Lustspielen das Zeichen** steht, so bedeutet solches einen früher schon genannten oder gewählten, dahin gehörenden Titel oder Namen, der der Kürze wegen weggelassen ward.


[Ξ]

[Ξ]

[1]
Neunhundert neun und neunzig
und noch etliche
Almanachs-Lustspiele.




„– Dans l’art dangereux de rimer et d’écrire,
Il n’est point de degrés du médiocre au pire.“
Boileau.


[2] [3] 1.

Die Nichte. Mein Vormund – –

2.

Personen:

  • Onkel Adam.
  • Nichte Eva.
  • Deren Kammermädchen.
  • Der Nichte Liebhaber.
  • Dessen Diener.

(Die Scene ist ein Zimmer mit Mittelthür und Seitenthüren.)

3.

Die Nichte. Wird er mich noch lange warten lassen?

4.

Die Nichte. Du weißt, daß mein Vormund – –

[4] 👉️ 5.

Er muß Ja sagen.
Ein Lustspiel in einem Act.

6.

Zweiter Auftritt.
Die Nichte. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Freilich kommt Ihre getreue Magd.

7.

Das Kammerm. (bei Seite) Rührender Anblick! Seit gestern Vormittag, wo sie sich zuletzt sahen und küßten, noch immer dieselbe Wärme des Herzens!

8.

Das Kammerm. (für sich) Ich lasse sie allein, sich zu schnäbeln. Wahrscheinlich erwartet mein Tauber mich auch schon. (Ab.)

9.

Der Liebh. Sprich, Königinn meines Herzens!

[5] Die Nichte. Die Trennung, die uns bevorsteht – –

10. 👈️

Personen:

  • Major von Winter.
  • Amalia von Frühling, dessen Nichte.
  • Rosette, ihre Kammerjungfer.
  • Rittmeister von Sommer.
  • Blitz, dessen Diener.

(Die Scene ist ein reich möblirtes Zimmer.)

11.

Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Der Liebhaber.

Der Liebhaber. Wonne meines Lebens! (Er stürzt in ihre Arme.)

12.

Die Nichte. Ach! Gewiß wieder ein Brief von – –

13.

Der Liebh. Gram der Liebe wird uns im Uebermaaße – –

[6] 14.

Die Nichte. Mein Oheim will mich mit dem Landjunker vermählen – –

👉️ 15.

Erster Auftritt.

Die Nichte (allein, ungeduldig auf und ab.) Nein, schon ist’s zwei Minuten über die bestimmte Stunde, und noch ist er nicht da! Horch!– „Hör ich nicht Tritte erschallen?” Wird’s auf dem Gange nicht laut? – Nein, der Spitz ist’s in den Hallen, dem vor Miez, dem Kater grau’t. – – Ach! Ich komme mir vor, wie ein eingemauertes Klosterfräulein! – – Er kommt noch nicht. Wenn ich ihn nicht so überaus lieb hätte, so würde ich ihn tüchtig schelten, daß er nicht pünktlich ist – – Aber still – Wer da? Ha! Mein Mädchen?

16.

Der Liebh. Mein Prozeß ist gewonnen, ich habe Vermögen; also sehe ich nicht ein – –

[7] 17.

Die Nichte. Könntest Du mich für so leichtsinnig halten, mein mütterliches Erbtheil in den Händen meines Oheims zu lassen, und flüchtigen Fußes mit Dir – –?

Der Liebh. Schnell gefreit hat noch Keinen gereu’t! Also wenn es seyn muß – –

18.

Die Nichte. Willst Du Spott mit unserer Lage treiben?

19.

Die Nichte. Durch meine Heirath mit dem Sohn seines alten Freundes will mein Oheim und Vormund mich elend machen.

20. 👈️

Zweiter Auftritt.
Die Nichte. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Zuverlässig bin ich’s. Auf mich können Sie bauen.

21.

Der Liebh. Was auch geschehen möge: [8] Bist Du mein, so trotz’ ich einer Welt voll Widerwärtigkeiten.

22.

Die Nichte. Ich liebe schon – –

23.

Die Nichte. Aber mein Erwählter – –

24.

Die Nichte. Er hat seinen Prozeß gewonnen; also – –

👉️ 25.

Die Nichte. Ist er da?

26.

Die Nichte. Meine Zukunft – –

27.

Die Nichte. Theuerster, bester Herr Vormund – –

28.

Die Nichte. Aber mein Herz verschenkte ich bereits – –

[9] 29.

Der Oheim. Was kümmern mich die Prozesse junger Laffen! Mein Conclusum weißt du, und damit basta!

30. 👈️

Das Kammerm. Gleich wird er hier seyn.

31.

Der Oheim. Nein, ein thöriges –

32.

Der Oheim. Würmchen! Willst du leuchten, und es ist noch nicht Johannisabend?

33.

Die Nichte. Haben Sie noch eine kleine Geduld mit mir. Ich flehe Sie kindlich an!

34.

Die Nichte. Bin ich auch Ihre Mündel, so bin ich doch nicht Ihre Sclavin –

35. 👈️

Die Nichte. Theure Freundinn! Wird [10] der Ehe zartes Band mich jemals mit ihm vereinigen?

36.

Der Oheim. Ein Alltagskind aus irgend einer beliebten Mode-Erzählung!

37.

Der Oheim. Jungfer, menagire Sie sich!

38.

Der Oheim. Marsch! auf Dein Zimmer.

39.

Die Nichte. Wär’s möglich? Auch Gefängniß – –?

👉️ 40.

Das Kammerm. Wer wollte verzagen!

41.

Das Kammerm. Geschwind herein auch mit ihm! Wir sind unbelauscht. Er muß uns helfen nachzudenken. – – Böses Geschäft für manchen jungen Herrn!

[11] 42.

Die Nichte. – Das Sie zwingen – –

43.

Der Diener. Wie kannst Du zweifeln? Hätte ich ihn nicht zurückgehalten, wär’ er dem Alten zu Leibe gegangen. Er steht draußen im Vorsaal.

44.

Der Liebh. (eintretend) Ist’s denn wahr?

45. 👈️

Die Nichte. Nach meines Vormunds Willen – –

46.

Der Liebh. Himmel! Welcher Barbar!

47.

Neunter Auftritt.
Das Kammermädchen. Der Liebhaber. Der Diener.

48.

Der Diener. List? „Das gehört in mein [12] Departement!“ sagt ein berühmter Lust- und List-Spieldichter.

49.

Der Diener. Vortrefflich! Aechter Liebhaberrede metallischer Klang! (zum Kammerm.) Sag’ an, Du meine Bundsgenossinn, wo häkeln wir unser Schelmstückchen an?

👉️ 50.

Das Kammerm. Denken wir daran nicht! Das könnte uns allen Humor verderben, vollends wenn der gestern Abends spät angekommene Brief – –

51.

Der Diener. Da ist mein Herr und hier bin ich.

52.

Der Liebh. Verdammte Durchsteckerei eines heirathstiftenden Alten!

53.

Der Diener. Wie? Nur nicht auf verbrauchtem, [13] gleichsam gemißbrauchtem Komödienwege –

54.

Der Liebh. Heraus damit, Pfiffikus! (Zum Kammerm.) Es ist doch kein Horcher in der Nähe.

55. 👈️

Die Nichte. Wie? Einen Brief – –

56.

Der Diener. Es ist eigentlich nicht recht, daß man den Plan solcher Komödie schon vorher verräth; indessen ich bin ein Genie, bin meines Erfolgs gewiß, scheue also keine Oeffentlichkeit.

57.

Der Diener. Hm! Ob ich’s wage? Ja, ich wag’ es. Würde meine Verschwörung auch verrathen, würde sie auch dem Alten hinterbracht; wäre dieser auch klüger als in ähnlichem Falle weiland der alte Herr Doria von Genua – dennoch behalt’ ich den Muth; gleichsam [14] ein Fiesko in der Republik der schlauen Bedienten. Auch verräth mein Herr mich nicht und dir (zum Kammermädchen, die er küssen will, die ihn aber abwehrt, oder es auch geschehen lassen kann, wenn sie Lust hat) – Dir drück’ ich ein Siegel auf den Mund.

58.

Der Diener. Wie? Wolle mich nur nicht zu jenen abgeschmackten Komödienbedienten erniedrigen, die durch verbrauchte List – – –

59.

Das Kammerm. Du folterst mich, wenn Du Dich nicht deutlicher erklärst.

👉️ 60.

Das Kammerm. Geduld! Kommt Zeit, kommt Rath. Hier ist ein Trostbringer.

61.

Der Diener. Der Name soll also Nebensache seyn. Man will mir die Sache also schwer machen. Ich soll eine ganz besondere Intrigue durchführen. Gut! Zweihundert Dukaten müssen verdient werden.

[15] 62.

Der Diener. Erfahrt also, Ihr meine staunenden Vertrauten: Der Bräutigam ist schon hier.

63.

Der Diener. Ja. Ich bin jener unglückliche, verschriebene Liebhaber. (zum Kammerm.) Sage mir doch, wie er heißt.

64.

Der Diener. Also seinen Namen wissen wir nicht, seinen Character kennen wir nicht. Wir wissen eigentlich Nichts von ihm – desto besser! Um so schwieriger ist er darzustellen; drum für mich um so leichter. Ich schaffe ihm einen Character.

65. 👈️

Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Der Liebhaber.

Der Liebh. (in ihre Arme eilend) Meine Angebetete!

[16] 66.

Der Diener. Allerdings bin ich jener Beklagenswerthe, dem man die Braut vom Munde wegfischen will – (zum Kammerm.) Jammert Dich seiner nicht? – Sag mir doch geschwind, wie heißt er?

67.

Das Kammerm. Mir schwindelt! (zugleich.)
Der Liebh. Willst Du uns foppen?

68.

Der Liebh. Erzschelm!

69.

Der Diener. Nur hurtig! Ich werfe mich in’s Zeug. Der Alte kennt mich nicht, und wenn er mich auch kennt, so darf er mich doch nicht kennen. Das ist mir genug; drum soll er mich auch nicht kennen.

👉️ 70.

Die Nichte. Endlich nahst du diesem Herzen!

[17] 71.

Der Liebh. Du! Du! Nicht übermüthig!

72.

Der Liebh. Hüte Dich, daß Du nicht zu viel sagst.

73.

Zehnter Auftritt.
Der Liebhaber. Der Diener.

74.

Der Diener. Topp, du weiblicher Cartouche oder schwarzer Fritz! Aber sey schnell, und bringe mir den Fisch, so wie Du ihn gefangen hast. In der Hütte am Teiche erwarte ich Dich. –

75. 👈️

Das Kammerm. (bei Seite) Nachahmungswürdiges Beispiel deutscher Treue! Gestern noch sahen sie sich: heute sind sie sich wieder neu. Liebe, wie sie sich selbst auf dem Theater kaum darbietet!

[18] 76.

Der Diener. Thue das. Aber schnell! Im Garten bei der Orangerie findest Du mich.

77.

Der Liebh. Wahre Deine Zunge. Ich könnt’ es übel nehmen.

78.

Der Diener. Nun, nur nicht böse, lieber Herr. Ich dachte mich eben in die Rolle gewöhnlicher Komödienbedienten hinein und – – –

79.

Der Liebh. Also gehen wir?

👉️ 80.

Die Nichte. Welche Wonne bei Dir zu seyn! (zugleich)
Der Liebh. Könnt’ ich wohl ohne Dich leben?

81.

Der Liebh. So gehe voran und thue nach [19] Deinen vorherigen Redensarten. Du bist ja hier die Seele; ich bin nur der Leib.

82.

Der Liebh. Hm! Sehr gut! Fast fein, könnte man sagen, wenn’s nicht eigentlich in der Ordnung wäre. – Nun, nur voran, Schalksknecht!

83.

Der Diener. Lassen Sie sich dienen. Ein moderner Bedienter, den der Herr gezwungen ist in wichtigen Angelegenheiten zu brauchen, darf unverschämt genug seinem Herrn Alles in’s Gesicht sagen; nur muß er zu rechter Zeit einlenken, um darzuthun, wer der Knecht und wer der Herr ist.

84.

Der Diener. Sey ich das auch wirklich; so sind doch alle Tugenden so sehr in mir vereinigt, daß ich bescheiden seyn muß, und –

85. 👈️

Das Kammerm. (für sich) Ei, ei! Wie [20] zappelt mir das Herzchen bei diesem Anblick! Hinaus zu meinem Schätzchen; sicher ist er nicht weit. (Ab.)

86.

Der Liebh. Allerdings, mein Herr. Schon zum zweiten Male bin ich heute hier. Sie waren vorhin noch nicht zu sprechen.

87.

(Allein, aus dem Kabinet kommend) Hier ist der Brief. Ich habe ihn richtig wegstipitzt – – Nun wo ist denn mein Schlaufuchs? Ah! er ging schon – Sein Herr mit ihm. Geschwind, ihnen nach – – Halt! Horch! Der Alte! Er spricht mit Jemandem. Fort, schnell über die Hintertreppe zu meinem Verkleideten. (Ab.)

88.

Der Diener (ab.) Der Liebhaber (mit ihm.)

89.

Zwölfter Auftritt.
Der Onkel. Der Liebhaber. (Beide zugleich herein.)

[21] 👉️ 90.

Vierter Auftritt.
Die Nichte. Der Liebhaber.

Die Nichte. Doch genug der Zärtlichkeit! Lass uns jetzt lieber untersuchen – –

91.

Der Liebh. Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß Sie sich zur Hälfte irren. Ich strebe nicht nach dem Vermögen Ihrer Mündel, sondern nur nach dem Besitze meiner Geliebten, und bitte daher – –

92.

Der Oheim. Fürwahr! Mein Erstaunen läßt mich nicht Worte finden, sie wieder heim zu schicken. Was wollen Sie von mir? Sie wagen es wirklich, nach mir zu fragen? Wollen wirklich mich sprechen, nachdem ich Ihnen doch – –

93.

Der Liebh. Warum versagen Sie mir meine Bitte?

[22] 94.

Eilfter Auftritt.
Das Kammermädchen.

👉️ 95.

Der Liebh. Sage mir, was Dir am Herzen liegt –

Die Nichte. Meines Onkels Pläne mit mir – –

96.

Der Oheim. Weil ich Sie nicht leiden kann.

97.

Der Oheim. Eitle Hoffnung, mein romanischer junger Herr! Von ganz anderer Flucht ist hier die Rede. Herr von ** wird meine Mündel, dies zarte Täubchen, unter seine Flügel nehmen; denn er kommt –

Der Liebh. Was sagen Sie?

98.

Der Oheim. Das sind nach beliebter Weise, Euern Lustspielen entlehnt, alle Vormünder.

[23] 99.

Der Oheim. Verzehren Ew. Wohlgeb. Dero Hab’ und Gut allein. Meine Nichte soll nun und nimmer mit Ihnen in Eine Schüssel tauchen.

100. 👈️

Der Liebh. Himmel! Wie erringen wir unser Ziel?

101.

Der Liebh. Ich hörte von dieser Ihrer abermaligen Grausamkeit gegen das beklagenswürdige Mädchen. Sie sind ein Tyrann!

102.

Der Oheim. Ich mag Sie nun einmal nicht zum Manne für meine Mündel.

103.

Der Oheim. Das Alles kann mich nicht rühren; ich bin consequent.

104.

Der Liebh. Frei hervorgehen aus des Kerkers [24] Nacht wird meine Geliebte, die Sie, wie einst Elisabeth die schottische Maria, widerrechtlich gefangen halten. Allein trotz Ihrer eigensinnigen Laune werden Sie dennoch selbst, wenn der Holden Gefängnißpforte sich aufthut, Kerkermeisters Dienste dabei verrichten müssen!

👉️ 105.

Die Nichte. Einer verdorrten Freundschaft meines Onkels soll ich frische Nahrung geben, indem ich dem Sohn seines alten Jagdbruders die Hand zum Ehebunde reiche.

106.

Der Oheim. Hoho! Falsch gerechnet, Herr Nürnberger. Noch habe ich das Mädchen, und aus meinen Händen empfängt sie den, der da kommt –

Der Liebh. Nun?

107.

Dreizehnter Auftritt.
Die Vorigen. Das Kammermädchen.

108.

Der Oheim. Da hören Sie’s!

[25] 109.

Der Oheim. Nun? Wo ist er denn?

110. 👈️

Der Liebh. Rüste Dich zur Flucht mit mir. Gleichviel wie unser Asyl heiße, ob Kenilworth, oder – –

111.

Der Liebh. Ich scheide.

112.

Dreizehnter Auftritt.
Das Kammermädchen. Vorige.

113.

Der Liebh. Ein gewagtes Spiel mußt’ ich spielen. Den Alten mußt’ ich sicher machen, der nun zuverlässig Nichts merken wird.

114.

Der Liebh. Hier ist meines Bleibens nicht.

115. 👈️

Die Nichte. Ich bin der Tugend, wie der Liebe treu; also –

[26] 116.

Der Oheim. In’s Himmels Namen!

117.

Der Oheim. Wozu, da Sie hier völlig überflüssig sind?

118.

Der Oheim. Nach Belieben.

119.

Der Oheim. Würde doch nur unnütz seyn.

👉️ 120.

Der Liebh. Zwar habe ich den Prozeß um mein kleines Erbtheil verloren; aber ich kann wirken, um uns zu ernähren – –

121.

Der Oheim. Gehorsamer Diener!

122.

Der Liebh. (Ab.)

Das Kammerm. Der Verschriebene ist da!

Der Oheim. Hieher mit ihm.

Das Kammerm. (öffnet die Mittelthür.)

[27] 123.

Der Diener. Was bedeutet solche Rede? Bin ich Ihnen nicht anständig, nicht gefällig, nicht genehm, nicht willkommen, nicht zusagend, nicht genügend, nicht befriedigend, nicht beschwichtigend, nicht berichtigend genug?

124.

Der Diener. Wie, mein Herr? Was hegen Sie für Gedanken von mir? Komm’ ich Ihnen anders vor wie mir? Wie wäre das möglich? So wie ich von mir denke, soll die ganze Welt von mir denken. Erscheine ich Ihnen nicht lieblich, angenehm, erfreulich, gedeihlich, vortrefflich, excellent, scharmant, frappant, verehrungswürdig, liebenswürdig, vollkommen, unnachahmlich – –

125. 👈️

Die Nichte. Soll ich, indem ich wider meines Oheims Willen heirathe, Gefahr laufen, mein nicht unbedeutendes Vermögen zu verlieren?

Der Liebh. Allerdings, wenn – –

[28] 126.

Der Oheim. Bei meiner Ehre! ich weiß selbst nicht – –

127.

Der Diener. Fehlgeschossen! Auf die Frage antworte ich nimmermehr.

128.

Der Oheim (böse) Nun dann! Wie ist denn Ihr Name?

129.

Der Oheim. Wie? Und dennoch sollt’ ich darnach fragen?

👉️ 130.

Die Nichte. Mögen in manchen Komödien die Mündeln ohne ihr Heirathsgut mit den Liebhabern davon laufen. Ich thue nicht das Eine ohne das Andere; folglich ist es nothwendig – –

131.

Der Diener. Kann es jenem wichtigen Schreiben an der Nennung meines Namens fehlen. [29] Demnach, um Unterschleif, Verwechselung und Betrug zu verhüten, muß ich Sie fragen, wie mein Name ist, also: Wie heiß’ ich, mein Herr – – –

132.

Der Oheim. (böse) Zum Kukuk, Sie heißen ja Herr von **

133.

Der Oheim. Mein Herr, ein Narr kann in Einem Athem mehr fragen, als zehn gescheidte Leute in einer Stunde beantworten können.

134.

Der Oheim. Alle tausend Teufel gegen Ihre vermaledeite Redegewalt und noch vermaledeitere Naseweisheit. Wohlan, wie heißen Sie denn?

135. 👈️

Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Schnell! Schnell! Wollen [30] Sie hier ertappt werden? Der Herr kommt durch den Corridor. Fort! Hier hinaus! (Alle ab.)

136.

Der Diener. Das mußt’ ich fordern; um Ihrer selbst willen. Ich will Sie sobald wie möglich mit mir auf einer und derselben geistigen Stufe wissen. Ich verabscheue allen Kastengeist. Ich liebe meine Mitmenschen über die Maßen, und trage den großen Gedanken mit mir herum, sie alle zu reformiren, wo und worin es nöthig ist. Bei Ihnen mach’ ich den Anfang, indem ich Ihnen zeige, wie närrisch es ist, nach Dingen zu fragen, die man schon weiß.

137.

Der Diener. Errare humanum oder humanum est. Aber besser ist besser. Bleiben Sie nicht im Irrthume. Denken Sie vielmehr an den Brief, den Ihnen mein Vater schrieb.

Der Oheim. Nun, ich denke; aber – –

[31] 138.

Der Oheim. Ei, zum Kukuk! Sie wissen’s ja so gut wie ich, daß Sie der junge Herr von ** sind –

139.

Der Diener. Da haben wir’s! Also wissen Sie es ja. Warum wollten Sie denn fragen? Warum fragten Sie denn? Und dennoch! Erwägen wir es recht, so hätten Sie dessen ungeachtet fragen müssen, wie ich heiße.

140. 👈️

Sechster Auftritt.

Der Oheim (allein; einen zusammengelegten Brief in der Hand.) „Die Austern sind da, der Kaviar ist da, die Pastete ist da; folglich ist Verlobung!“ sagt der berühmte Kotzebue in dem berühmteren Lustspiele: Das Epigramm; das eben darum das berühmteste aller Epigramme ist, weil keines Menschen Ohr es jemals gehört hat. Ich spreche: der Brief ist da, ich bin da, und meine Nichte [32] ist da, und der Bräutigam Thaddäus Bocklümmel wird kommen, heut oder morgen. Also ist morgen Verlobung und damit Punktum! Fräulein Nichte, des Gesperres und Geliebels mit dem Monsieur da, sind wir überdrüßig. – Heda! Wo steckt sie denn? (Er klingelt. Das Kammermädchen tritt ein.) Hurtig! Schaffe Sie mir Ihr Fräulein.

Das Kammerm. Sogleich. (Ab.)

141.

Der Oheim (zieht heimlich einen Schlüssel hervor und steckt ihn dem Kammermädchen zu, indem er ihr etwas heimlich sagt.) Sie sollen sogleich bedient seyn, mein Herr.

Das Kammerm. Ich verstehe. (Ab.)

142.

Der Diener. Kommt es endlich heraus, daß Sie ohne Noth gefragt haben? Oder richtiger: daß Sie doch fragten, weil Sie eigentlich haben fragen müssen?

143.

Der Oheim. Was? Wie wäre das?

[33] Das Kammerm. (heimlich zum Diener) Du gehst zu weit! Eingelenkt!

144.

Der Diener. Es ist doch kein Widerspruch von Seiten Ihrer Fräulein Nichte gegen meine Vermählung mit ihr vorhanden?

145. 👈️

Siebenter Auftritt.
Der Oheim. Die Nichte.

Die Nichte. Sie haben befohlen, Herr Vormund – –

146.

Der Diener. So ist’s. Heirathen wir uns erst und lernen uns hinterher kennen; denn an mir ist viel, sehr viel, außerordentlich viel, unbeschreiblich viel, überaus viel, unsäglich viel, unaussprechlich viel, unbändig viel, ungeheuer viel kennen zu lernen. Ich zweifle daher, daß Sie vor unserer Hochzeit damit fertig werden; also lassen Sie uns ohne Weiteres den Contract abschließen.

147.

Die Nichte. Ich brauche nicht zu Worte [34] zu kommen. Nein ist bald gesagt und also sage ich: Nein, nein, nein!

Der Oheim. Wie? (heimlich zu ihr) Ungerathene!

148.

Der Diener. Durchaus nicht! Wenn ich hören will, hab’ ich genug an, bei, von, mit und aus mir selber zu hören.

Der Oheim. Verstehen Sie doch: Meine Nichte hat ja in dieser Sache gar keinen Willen. Nur mein Wille gilt hier; nur dieser ist es, den der Notar in gebührend abgefaßtem Contracte beibringen und Ihnen zur Unterschrift vorlegen wird.

149.

Der Diener. Müssen? Also Gewalt? Gut! Gewalt geht vor Recht? Dadurch berechtigen Sie mich Ihnen das himmelschreiendste Unrecht anzuthun, und das werd’ ich. So wie ich jenen vermaledeiten Contract werde unterschrieben haben, thue ich Ihnen alles zum Schabernack, was ich nur vermag. Ihr Hühnerhof, ich weiß es, Ihre Fasanerie – im Wirthshause [35] erzählte man mir’s – ist Ihr Sans-Souci, Ihr Mon-Repos. Warten Sie nur! die rührige Jugend des Orts treib’ ich zusammen, und ehe zehn Minuten vergehen, laufen Ihre Fasanen nackt herum und die gerupften Hühner sollen solches Geschrei erheben – –

150. 👈️

Der Oheim. Rund ab, Mamsell Traumgesicht: der Bräutigam ist nicht fern mehr, und so wie er kommt, wirst Du mit ihm verlobt – darnach richte Dich.

151.

Der Diener. Es wird nichts weiter nöthig seyn, als den Contract zu unterzeichnen; denn da Ihr Herz frei ist, wie der Herr Onkel sagt, so werden Sie ohne Weiteres mich wählen.

152.

Der Diener. Sie sind leidenschaftlicher Raucher, das ist stadtkundig. Gut! So wie Sie eine Pfeife in den Mund nehmen, wird sie inwendig mit Aloe und Ipecacuanha bestrichen [36] seyn; den Tabak vergift’ ich nicht, aber ich menge Salpeter d’runter.

153.

Der Oheim. Rasender!

Der Diener. Ihre Gemäldesammlung pinsele ich dermaßen über, daß Rembrandt und Le Sueur aussehen sollen, als hätte der Schornsteinfegerjunge sich Nase und Ohren daran abgewischt.

154.

Sechszehnter Auftritt.
Die Vorigen. Der Liebhaber.

Der Liebh. Aengstliche Besorgniß treibt mich zu Ihnen. Man hört ja den Lärm, der in diesem Hause ist, draußen auf der Gasse. Wer ist der Fremde?

👉️ 155.

Die Nichte. Blitz aus hellen Wolken! Herr Vormund ich beschwöre Sie – –

156.

Der Oheim. Aber aus Barmherzigkeit! So hören Sie doch!

[37] Der Diener. Ich will nichts hören, aber von mir sollen Sie hören, soll dieser Herr hören, sollen Alle hören.

157.

Der Oheim. Sie wollen das im Ernste?

Der Liebh. Auf Mannes Ehre!

158.

Der Liebh. Gleich, wenn Sie wollen.

Der Oheim. Gut! Aber erst Wort gehalten.

Der Liebh. Wie gesagt!

Der Oheim. Adieu! (Ab.)

159.

Der Diener. (sich das falsche Haar abnehmend) Mit Ehren zu melden – mein Werk!

160. 👈️

Der Oheim. Fräulein Zimperlich weint wohl gar?

161.

Der Liebh. Dann haben meine Geliebte und ich längst unsern Wohnort vertauscht.

[38] 162.

Der Diener. Bravo! Mag der Herr Bräutigam vom Lande und aus Paris und London dann sehen, wie er zurecht kommt. Wir bringen unsere Schäfchen in’s Trockne, so daß unser Lustspiel sein Ende findet; denn daß aus meinem Schwank, wenn er ruchbar wird, irgend einer der zahllosen berühmten Theaterdichter Deutschlands ein Lustspiel macht, ist – –

163.

Das Kammerm. Allerdings! Ein Lustspiel. Doch welchen Titel führt es?

Die Nichte. Da gilt nicht langes Besinnen. Es heißt: Der Oheim, der sehend blind ist.

Der Liebh. Das wäre undankbar von uns; besser, wir betiteln’s: Der Liebe widersteht kein Hinderniß.

Das Kammerm. Lange Titel finden auch Liebhaber, also lieber noch: Wie sie’s wollen, nicht wie er’s will.

Der Diener. Richtig, und: „Nach dem [39] Englischen: „As you like it;“ damit doch nicht alle Abende auf dem Comödienzettel stehe: „Nach dem Französischen.“

164.

Ende des Lustspiels.

165. 👈️

Die Nichte. Mein goldner Traum von ehelichem Glücke –

166.

Letzter Auftritt.
Der Liebhaber. Die Nichte. Das Kammermädchen. Der Diener.

Die Nichte. Ist denn eine Verwandlung mit mir vorgegangen?

167.

Ohne List glückt’s keiner Liebe.
Ein Lustspiel in einem Act.

168.

Erster Auftritt.

Die Nichte (allein am Fenster.) Vergebens starr’ ich hinaus in das Frühroth. [40] Ich sehe ihn nicht kommen. Und er weiß doch, daß dies die beste Stunde ist, ein vertraulich Wort mit mir zu kosen. Ach! ich bin recht unglücklich. Freilich soll es schon vielen Mädchen so gegangen seyn, wie mir: Aus hundert und abermal hundert Comödien soll sich das bestätigen. Allein was hilft das mir? Wenn die Zuschauer solche Comödien auch neunhundert neun und neunzigmal mit Entzücken sahen: kann mich das glücklich machen? Kann das die Sehnsucht meines Herzens nach dem Geliebten unterdrücken? (Vom Fenster weg) Wer kommt? Ha! Bist du es?

169.

Das Kammerm. Er naht auf den Flügeln der Liebe.

👉️ 170.

Der Oheim. Des Bräutigams Sache, nicht die meine.

171.

Das Kammerm. Ja, von der Seite her hat Ihr Liebesschifflein schlechten Wind; noch schlechteren wird es haben, wenn der Brief, den der Herr Onkel gestern Abend spät – –

[41] 172.

Personen.

  • Kammerrath Tromsdorff.
  • Ernestine, seine Nichte
  • Riekchen, ihr Kammermädchen
  • Geheimsecretär Höfling.
  • Windig, sein Diener.

(Die Scene ist ein Zimmer.)

173.

Die Nichte. Mein Erwählter!

174.

Die Nichte. An Deiner Brust schwindet alle bange Ahndung. (zugleich)
Der Liebh. Mit dir der Himmel, ohne Dich die Hölle!

175. 👈️

Die Nichte. Aber ich gehöre nicht mehr mir selbst –

176.

Vierter Auftritt.
Die Nichte. Der Liebhaber.

Die Nichte. Laß uns mäßig nippen [42] vom Kelche der Liebe und vor Allem bedenken – –

177.

Der Liebh. Noth ohne Ende!

178.

Die Nichte. Abermals ein Brief –?

179.

Dritter Auftritt.
Vorige. Der Liebhaber.

Der Liebh. (eintretend) Theures Mädchen. (Er umschlingt sie.)

180.

Der Oheim. Vergißmeinnichtgeschichten!

181.

Der Liebh. Was soll denn geschehen? Bin ich nicht unabhängig?

182.

Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Schnell! Der alte Herr kommt. Folgen Sie mir. (Alle ab.)

[43] 183.

Siebenter Auftritt.
Der Oheim. Die Nichte.

Die Nichte. Worin kann ich dienen, Herr Onkel?

184.

Der Oheim. Ohne Umschweife! Dein Bräutigam ist da, oder kommt doch in Kurzem; vielleicht heute noch. Deine Verlobung mit ihm ist vestgesetzt. Schicke Dich also an, ihm das Jawort zu geben.

185. 👈️

Die Nichte. Scheiden also soll ich von der süßen Liebe zu meinem – –

186.

Die Nichte. So geschwind geht das nicht.

187.

Die Nichte. Wirklich also meynst Du, ich handelte unvernünftig, wenn ich mein nicht unbedeutendes Vermögen in meines Oheims Händen ließe, um mit Dir –

[44] Der Liebh. Wäre meine Liebe rein, wenn sie auf Deine Mitgift sähe?

188.

Die Nichte. Aber mein Geliebter – –

189.

Die Nichte. Freilich ging sein Prozeß für ihn verloren; aber er hat – –

👉️ 190.

Der Oheim. Der ein Hasenfuß ist, der keinen Witz, keinen Scharfsinn, vor Allem aber kein Geld hat.

191.

Die Nichte. Meine Hoffnung – –

192.

Der Oheim. Mamsell, halten Sie mich für einen Onkel aus einem Almanachslustspiel, mit dem Mündel und Liebhaber machen können, was sie wollen. Ihr Auserwählter ist ein – –

193.

Der Oheim. Ist Sache Ihres unwiderruflich bestimmten Eheherrn.

[45] 194.

Der Oheim. Hab’ ich nicht deutlich genug gesprochen, Jungfer Mondschein?

195. 👈️

Die Nichte. Mit verlorenem wie gewonnenem Prozesse wird seine Liebe und meine Treue – –

196.

Die Nichte. Sie ermorden mich!

197.

Der Oheim. Ein Mädchen –

198.

Der Oheim. Nein, ein superkluges –

199.

Der Oheim. Hoho! der Herr Bräutigam wird Sie schon munter schreien, herzen, küssen –

200. 👈️

Der Oheim. Gewonnen oder verloren, verloren oder gewonnen: Von meiner Prozedur ist die Rede, und diese befiehlt Dir, zu gehorchen und zwar ohne alle Widerrede.

[46] 201.

Die Nichte. Verderben Sie mich nicht plötzlich. Gönnen Sie mir Zeit, eine kleine Frist.

202.

Das Kammerm. Bring’ ihn; wir müssen Rath halten (der Diener ab) (allein.) Der Alte ist fern; Holland ist in Noth – Hülfe! Rettung!

203.

Die Nichte (auftretend.) Herr Vormund?

204.

Achter Auftritt.
Das Kammermädchen (leise herein.)

👉️ 205.

Die Nichte. Nur noch einige Bedenkzeit; ich beschwöre Sie!

206.

Die Nichte. Rettung! Rettung! O Liebe!

207.

Der Liebh. Grausamer Alter!

[47] 208.

Das Kammerm. Das soll Dir nicht unbelohnt bleiben.

209.

Der Diener. Recht so! Dergleichen wohlstylisirte Rede kann man hundertmal hören und hört Sie dennoch immer gern. (zum Kammerm.) Nun, Du kleine Pfiffigkeit, wie fangen wir es an?

210. 👈️

Der Oheim. Vergebens! Alle Einwendungen hören auf. Auswendig weiß ich Deine Litanei über diesen Gegenstand. Der Himmel mag wissen, wie die berühmten Autoren heißen, aus deren berühmteren Lustspielen Du sie gelernt hast.

211.

Das Kammerm. Freilich, sie ist in Banden.

212.

Das Kammerm. Seyn Sie ruhig. Hier giebt’s nur Ein Mittel, und das muß angewendet werden: es heißt List!

[48] 213.

Der Liebh. Hurtig, heraus damit! – Aber man behorcht uns doch nicht?

214.

Das Kammerm. Ich habe gehorcht. Der vertrackte Bräutigam ist angemeldet, auf morgen, auf heute –

👉️ 215.

Die Nichte. Grausame Väter sind schrecklich; Tyrannische Oheime das Schrecklichste für der Jugend Liebe. Mit Recht bringt man sie in ihrer ganzen Ungestalt auf die Bühne, da das Leben, das wirkliche, wenigstens Ein Exemplar solcher Oheime zählt, und das Exemplar sind Sie!

216.

Der Diener. Hm! „Seyn oder nicht Seyn, das ist hier die Frage!“ hat einmal ein alter Italiener oder Schotte gesagt. Ob ich meinen Plan verrathe? Schwächt das nicht die Catastrophe? Immerhin! mein Beifall ist dennoch golden.

[Ξ]

[Ξ] [49] 217.

Das Kammerm. Wohlan, so sucht man auf unbetretener Bahn das Ziel.

218.

Das Kammerm. Ich brenne vor Begier, Deinen Plan zu durchschauen.

219.

Der Diener. Richtig. Wenn ich auch hinterher den Plan ganz allein durchführe, so ist doch vorher ein Verständniß unter den Partheien nöthig. Das Lustspiel wird dadurch mindestens um Eine Scene verlängert und solche Flickscenen sind die Juwelen in dem Goldreife vortrefflicher Lustspiele. – Also, obwohl ich die Sache allein durchführen werde, will ich sie Euch dennoch vorher vertrauen.

220. 👈️

Der Oheim. Soll das Witz oder Trotz seyn? oder wohl gar Beides? Fräulein! Fräulein!

221.

Der Diener. Wohlan denn! Der Bräutigam [50] Ihrer Geliebten wird nicht mehr erwartet – er ist schon hier!

222.

Der Diener. Betrachte mich, so weißt Du, wie er aussieht.

223.

Das Kammerm. Weiter! Weiter! (zugleich)
Der Liebh. Vernünftig! Vernünftig!

224.

Der Diener. Ich muß zum Schauspieler geboren seyn, denn ich soll einen Menschen darstellen, den ich gar nicht kenne, den ich nie sah, dessen Namen ich nicht weiß, der also eigentlich für mich gar kein Mensch ist und seyn kann.

👉️ 225.

Die Nichte. Sie machen mich vor der Zeit zur Leiche.

226.

Der Diener. Pst! Das hieße das Kind mit dem Bade verschütten. Wer soll hier den Triumph der List davon tragen? Antwort: ich! [51] Sie bekommen nur die Braut und damit müssen Sie sich begnügen.

227.

Das Kammerm. Faselst Du? (zugleich)
Der Liebh. Vortrefflich!

228.

Der Liebh. Halt! Mir fällt etwas ein: der Brief, den der Onkel gestern erhielt, könnte Licht geben; förderlich seyn.

229.

Das Kammerm. (mit Verbeugung ab.)

230. 👈️

Der Oheim. Hoho! wenn von einem rückgängig gewordenen Ball die Rede wäre. Heirathen wollen alle Mädchen gern (trällert) „Das ist der Lauf der Welt“ –

231.

Der Liebh. So laß mich wenigstens wissen – –

232.

Der Liebh. Laufe noch nicht weg. Nimm [52] erst dies Handgeld zu treuem Dienste unter Amors Fahne.

233.

Der Diener. So eile. Ich costumire mich unterdessen. Der Alte soll mich nicht kennen, obschon er mich kennt, und dennoch seine Freude oder seinen Aerger an mir haben.

234.

Das Kammerm. (knixt und geht ab.)

👉️ 235.

Die Nichte. So gelte ich Ihnen für Nichts, als für – –

236.

Der Liebh. Bist doch eine gute Seele! Man kann Dir nicht böse seyn. – Also voran nur!

237.

Der Diener. Erlauben Sie, gnädiger Herr! (Er zieht eine Bürste aus der Tasche, nimmt ihm den Hut aus der Hand, bürstet denselben und giebt ihn mit höflicher Verbeugung zurück.)

238.

Der Liebh. Wie heißt solche Handlung?

[53] 239.

Der Liebh. Was willst du damit sagen?

240. 👈️

Der Oheim. Ein treffliches Modell zu einer Heldinn für eine Almanachs-Erzählung.

241.

Der Liebh. So geh, damit ich wisse, wohin ich zu gehen habe. So folgt denn der Herr dem Diener.

242.

Eilfter Auftritt.
Das Kammermädchen.

243.

Der Liebh. Gewiß, mein Herr. Ich wollte schon vor einer Stunde mit Ihnen reden; aber Sie waren noch nicht sichtbar.

244.

Der Oheim. Herr, ich bin noch nicht sichtbar, das heißt für Sie nicht. Wollen Sie doch nur mir alte, widerliche Lieder vorsingen; Variationen, deren Thema meine Nichte und ihr Geldsack ist.

[54] 👉️ 245.

Die Nichte. Nein. Ein zur klagendsten Romanze Stoff gebendes – –

246.

Der Oheim. Sparen Sie alle Mühe. Ich gehöre zu den Unerbittlichen. Ist Ihnen das nicht aus Comödien bekannt? Also wundern Sie sich nicht, wenn ich bei meinem Nein bleibe.

247.

Der Diener (ab.)

Der Liebh. (hinter ihm her.)

248.

Der Oheim. Gleichviel! Sie bekommen das Mädchen nicht.

249.

Der Oheim. Allerdings werd’ ich das.

👉️ 250.

Der Oheim. Nein, ein widerwärtiges, das mich ärgern will.

251.

Der Liebh. Immerhin! So wie sie frei [55] seyn wird, ist sie verschwunden, und ich bin es mit ihr.

252.

Der Liebh. Wirklich? So ist dennoch die Stunde ihrer Freiheit die Stunde meiner Vermählung mit ihr.

253.

Der Oheim. Wirklich? War ich das? Bin ich das? Es fehlt der jugendlichen Thorheit doch nie an Prädicaten, die sie dem Alter beilegt, wenn dieses sich klüger zeigt, als es der Jugend lieb ist!

254.

Der Oheim. Sie sehen ein, mein Herr, daß Sie hier überflüssig sind.

255. 👈️

Die Nichte. Das wider ihren eignen Willen gezwungen werden soll – –

256.

Der Oheim (an dem Liebhaber vorüber, ihn auf die Seite schiebend.) Aus dem Wege, mein Herr.

[56] 257.

Der Liebh. (heimlich zu ihr) Vorbeugen, einleiten, damit der Alte nicht Argwohn schöpfen mögte.

258.

Das Kammerm. Ich sah es selbst wie er vor dem Gasthof zur Maikatze abstieg, mit dem Wirth ein Paar Worte wechselte, und dann sporenstreichs hieher eilte.

259.

Dreizehnter Auftritt.
Das Kammermädchen. Die Vorigen.

👉️ 260.

Der Oheim. In eines Mannes Arm zu fallen, und drin liegen zu bleiben, bis ihr letztes Stündlein schlägt.

261.

Der Diener. Wie? Mein Herr, wofür halten Sie mich? für einen Ignoranten, Moquanten, Persifflanten, Obscuranten, Pedanten, Maleficanten –

[57] 262.

Der Diener. Mein Herr, mit mir naht Ihr Glück. Wie finden Sie mich?

263.

Der Diener. Da bin ich, mein Herr, den Sie verschrieben haben. Wie gefall’ ich Ihnen?

264.

Der Diener. Lumperei gegen das, was Sie noch an mir gewahr werden können, wenn ich loslege, wenn ich mich Ihnen anstelle, darstelle, aufstelle, hinstelle, vorstelle; wenn ich mich Ihnen verdeutliche, erkläre, erläutre, erschließe, ergieße, analysire, exprimire, communicire, participire, declinire und conjugire; wenn Sie mich erst ganz kennen und nennen und von mir entbrennen; wenn Sie mich erst völlig in rechtem Lichte mit ihrem innern Gesichte sehen, verstehen – dann erst werden Sie mich erhöhen zu den Sternen, in lichten Fernen: denn Sie werden von mir lernen!

Der Oheim. O weh! Er ist toll!

[58] 👉️ 265.

Die Nichte. Füllhorn des Unglücks! wenn es eines giebt: über mich wirst du ausgeschüttet.

266.

Der Diener. Nur mich muß man hier hören! Und mir zuzuhören ist Spielwerk, weil ich als der größte Philosoph meiner Zeit mir Alles, die ganze Welt gleichsam zum Spielwerke gemacht habe. Ich bin Kartenspieler, Würfelspieler, Schauspieler, Drehorgelspieler, Liebes- und Intriguenspieler, Kabinetsspieler, Kriegsspieler. Ich spiele auf dem Lande und in der Stadt, in der Studierstube, im Viehstall und im Ballsaal, auf der Redoute und in der Milchkammer, in der Schöffensession und in der Barbierstube. Ich spiele mit Plastik und Gymnastik, mit Heraldik und Metaphysik, mit Geometrie und Astrologie, mit Todtenköpfen und Homöopathie, mit der Natur und der Hungerkur, mit Rossini und Weber, mit Beefstacke und Gänseleber, mit Instrumenten und Complimenten, [59] mit Meynungen, Erscheinungen und Verneinungen – –

Der Oheim. Herr, wollen Sie ein verfluchtes Spiel mit mir treiben? Lassen Sie die Possen weg.

267.

Der Oheim. Wie? Und doch verlangen Sie, daß ich frage?

268.

Der Oheim. In’s Himmels Namen! Wie ist denn Ihr Name?

269.

Der Diener. Freilich; damit Sie weise werden sollen. Ich habe Pädagogik studirt, müssen Sie wissen. Indem man die Leute auf ihre Fehler, je gröber, je besser, aufmerksam macht, so bessert man sie. Sie aber haben den Fehler gänzlicher Nichtbeachtung Ihrer selbst. Hätten Sie den nicht, so würden Sie nicht nach einer Sache gefragt haben, die Ihnen längst bekannt seyn muß.

270.

Der Oheim. Fort mit Dir in Dein Zimmer, [60] oder ich lasse eine Brücke bauen, wie die weiland, jetzt eingestürzte, Brücke zu Kenilworth und dich mit sammt Deinem Liebhaber hinüber peitschen.

271.

Der Diener. Wie können Sie zweifeln, daß Ihnen mein Name bekannt seyn müsse? Erhielten Sie nicht einen Brief von meinem Vater, gestern, vorgestern, oder doch heute?

Der Oheim. Nun ja; aber – –

272.

Der Oheim. Herr, wie ist’s möglich, daß ich – –

273.

Der Oheim (böse) Donnerwetter! Sie sind ja der junge Herr von ***.

274.

Der Oheim. Das wär’ der Kukuk!

Das Kammerm. (bei Seite) Himmel! wenn er zu weit ginge, wenn der Herr Onkel Etwas merkte. (Sie giebt dem Diener heimliche Winke.)

[61] 275. 👈️

Die Nichte. Wie, Herr Vormund? Meine Freiheit, meine körperliche sogar, tasten Sie an?

276.

Der Diener (das Zeichen verstehend, einlenkend) Doch genug! Ein anderes Mal mehr der Belehrung. Für jetzt gelte die feine Sitte. Ihrer Fräulein Nichte mögte ich vorgestellt seyn, um zu sehen, welchen Eindruck ich auf sie mache. Zweifels ohne einen ganz horrenden – –

277.

Der Oheim. Das wär’ der Teufel!

Das Kammerm. (winkt dem Diener) Du! Du! Sey vorsichtig!

278.

Der Oheim. Wie kommen Sie auf den Gedanken?

279.

Der Diener. Doch lassen wir das. Ich brenne vor Verlangen, Ihre Fräulein Nichte zu [62] sehen, ihr zu gefallen, sie zu heirathen – Führen Sie mich zu ihr.

👉️ 280.

Der Oheim. Marsch, sag’ ich! Du wirst incarcerirt. Claurens neuestes Vergißmeinnicht geb’ ich dir aus Galle, Dein Gebetbuch aus Barmherzigkeit mit. (Er führt sie hinaus.)

281.

Der Diener. Lassen Sie den Notar weg, wo ich zugegen bin. Ich bin Jurist. Contracte kann ich selbst aufsetzen, und da ersparen wir die Gebühren – aber hier braucht’s keinen Contract.

Der Oheim. Doch mein Herr; denn meine Nichte muß; Ihr Herr Vater muß; Sie müssen!

282.

Der Oheim. Himmel! der Mensch ist verrückt!

Die Nichte. Und mit einem Verrückten wollen Sie mich verheirathen?

283.

Der Diener. Nichts Rath annehmen, nichts bedenken, nichts hören, nichts ändern in [63] seinen Entschlüssen; beharren, veststehen, unbiegsam, hartnäckig und eisenköpfig seyn: das ist’s, was der Zeitgeist von einem Jüngling meiner Natur fordert.

Der Oheim. Ei was, weder der Zeitgeist noch das andere dumme Ding, meine Nichte da, wird gefragt: den Augenblick wird der Notar hier seyn.

284.

Der Diener. Gehorsamer Diener! Ja, ich bin Ihr Bräutigam. Machen wir’s kurz. Unsre Pacten sind richtig. Nichts fehlt, als die Unterschriften.

285. 👈️

Achter Auftritt.

Das Kammerm. (steckt erst den Kopf durch die Thür, sieht sich um und tritt dann ein.)

286.

Der Diener. Was muß ich hören? Sie machen mich zu einem Verwiesenen, Verbannten, Verachteten, Verspotteten, Verdrängten, Verschmähten, Vernichteten? Hat Ihr Herr [64] Onkel mich darum verschrieben? Hat er darum Sie gewiß mit den väterlichsten Worten ermahnt, mich mit Liebe zu empfangen? Hat er darum Ihr Vermögen auf die einträglichsten Zinsen gelegt, daß es mir mit sammt Ihrer werthen Person entgehen soll?

Der Oheim. Ei, wer wird solche Reden führen, mein Herr? Meine Nichte ist nur bestürzt, sie wird sich aber erholen, sich besinnen, zu Worte kommen und Ihnen sagen – –

287.

Der Diener. Müssen? Muß – harte Nuß! Ich soll sie knacken? Gut! So will ich Ihnen noch härtere Nüsse zu knacken geben. In dem Augenblicke, in welchem ich mich mit dieser Dame verloben muß, werde ich Ihr tödtlicher Widersacher; Ihr Mephistopheles, Ihr Samiel. Nirgend werde ich Ihnen Ruhe lassen. Jeder Wunsch jede Neigung, jede Hoffnung, jede Freude, jeden Tag, jede Stunde, jede Secunde werde ich Ihnen zu verkümmern bemüht seyn. Ich will sie ärgern, ängstigen, treiben, hetzen, jagen, quälen, martern.

[65] 288.

Der Liebh. (zum Oheim, heimlich) Aber sehen Sie denn nicht, daß der Mensch rasend ist? Können Sie Ihre Nichte in solche Hände geben? Hören Sie doch meine Vorschläge! Sie haben unlängst ein Reitpferd aus dem fürstlichen Marstalle gewünscht: wohlan! es ist mir gelungen eins zu erlangen. Schicken Sie morgen mit dem Frühsten in die Vorstadt ins Hôtel de Wibourg. Viele Fremde, vornehme Gäste, wie Sie wissen, verkehren dort. Unter den Fremden soll ein Bekannter, ein Freund für Sie seyn: ein Schimmel – bester Raçe – –

289.

Der Liebh. Unverzüglich, wenn Sie es genehmigen.

Der Oheim. Adieu! Aber – parole d’honneur! (Ab.)

290. 👈️

Wahrhaftig! Er schließt sie ein. Ach, mein armes Fräulein. – Horch! der Alte brummt Trepp an. Er geht in die Bibliothek – (zur Thür [66] hinaussprechend) Geschwind, komm herein. (Der Diener tritt ein.) Ist Dein Herr mit Dir?

291.

Der Oheim. Herr, wenn ich Sie nun bei’m Worte halte?

Der Liebh. Thun Sie’s.

Der Oheim. Und Sie halten mir Wort?

Der Liebh. Hier meine Hand.

292.

Sechszehnter Auftritt.
Der Liebhaber. Die Vorigen.

Der Liebh. Ist’s möglich, daß in diesem friedlichen Hause ein solcher Mordspectakel Statt finden könne? Wer ist hier in Lebensgefahr? Sind Sie es, (zu der Nichte) meine Angebetete? – Wer ist denn dieser Herr?

293.

Der Oheim. So halten Sie endlich Ihr entsetzliches Maul.

Der Diener. Nimmermehr! Ich will schreien, brüllen über Ungerechtigkeit, Gewalt, Unthat und Verrath!

[67] 294.

Das Kammerm. Richtig. Und das Stück könnte heißen. U. A. z. n., oder: Der geprellte Akte.

Die Nichte. Recht so. U. A. z. n. Unser Alter zankt nicht.

Der Liebh. Ja, ja! U. A. z. n. Uns Allen ziemts nicht; nemlich das Zanken.

Das Kammerm. Oder besser noch: U. A. z. n. Unbändige Autoren zügelt nichts.

Der Diener. Wer wird so anzüglich reden? U. A. z. n. Um Abschied zu nehmen, damit der Vorhang falle und das Parterre gefälligst applaudire.

295. 👈️

Der Diener. Je ja doch. Die Gefangennehmung seiner Schönen hat ihn ganz perplex gemacht.

296.

Ende des Nachspiels.

297.

Der Liebh. Ja. Er ist es, dem ich mein [68] Glück verdanke, der hier die versprochenen Goldstücke empfängt und der sich mit seiner Herzgeliebten da ergötzen mag, wo und wie es ihm beliebt, während wir Beide uns ungestört dem Genusse der Liebe widmen wollen.

298.

Der Diener (z. Kammerm.) Auch wir, Schätzchen?

Das Kammerm. Freilich. Ich denke in der Hauptstadt eine Pensionsanstalt für Töchter anzulegen.

299.

Der Liebh. Ja, ja, Du bist’s, dem ich mein Lebensglück verdanke und Deine Belohnung soll nicht ausbleiben. (zu der Nichte.) Gehen wir, um ungestört unserer Liebe uns zu freuen.

👉️ 300.

Das Kammerm. Ruf’ ihn herein. (Der Diener ab) (allein) Es muß schnell großer Rath gehalten werden. Noch sind wir ungestört, und müssen nach Hülfe ringen. Wie heißt’s in der Oper von Goethe? „Die Ehre ist ausgepfändet, die Krone und das Palladum entwendet!“

[69] 301.

Der Liebh. Kann das uns kümmern? Wir haben Vorsprung. Uns holt Niemand ein.

302.

Ende des Vorspiels.

303.

Das Kammerm. Ganz recht. Als Lustspiel; doch wie sein Titel?

Die Nichte. Nun wie anders als: Die Liebe siegt.

Der Liebh. Richtig! Doch mit dem Zusatze: durch die Liebe.

Das Kammerm. Oder bezeichnender noch: Liebe und Bedientenlist.

Der Diener. Nur nicht am Schluß alle Ehre auf mich allein gewälzt. Ich könnte heraus gerufen werden, und damit wissen unsere Schauspieler so wenig Bescheid, daß die meisten von ihnen schon vorher eine Dankadresse auswendig lernen.

[70] 304.

Erster Auftritt.

Die Nichte. (allein, ein Buch in der Hand.) Ach! Wie früh ich auch aufgestanden seyn mag – es wirbelt mir doch im Kopfe – ich bin ganz verstört – dumm mögt’ ich sagen, wenn ich nicht fürchtete, es könne Jemand hören. Ich mag nicht lesen. Die Buchstaben hüpfen mir vor den Augen und – wie sagt Afanasja oder eigentlich Athanasia? Richtig „Le coeur palpite!“ – Ach, mein Geliebter! Was ist Leben, Aufstehen, Schlafgehen, Lesen und Herzklopfen ohne Dich? – – Ha! Kommst Du endlich, Du treue Vertraute?

👉️ 305.

Neunter Auftritt.
Das Kammermädchen. Der Liebhaber. Der Diener.

306.

Das Kammerm. Ei, wer wird den Muth verlieren?

[71] 307.

Das Kammerm. Davon läßt sich freilich nicht viel Gutes erwarten. Wer weiß auch, was der Brief wieder enthält, den er gestern Abend spät noch – –

308.

Die Nichte. Sprich, kommt mein Geliebter?

309.

Die Nichte. Ach, Mädchen! Werd’ ich ihn je als meinen Gatten an diesen Busen drücken?

310. 👈️

Der Diener. Da hast Du den Herrn und den Knecht. Billig solltest Du an dem Letzteren genug haben.

311.

Vierter Auftritt.
Die Nichte. Der Liebhaber.

Die Nichte. Aber jetzt lass’ uns Rath halten – –

312.

Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Der Liebhaber.

[72] Der Liebh. (hereinstürzend) Engel meiner Seele! (Er fliegt in ihre Arme.)

313.

Das Kammerm. (für sich.) O, des Anblicks voll Wonne! Zwei Liebende, die noch heute eben so gestimmt sind wie gestern Abend, wo sie sich zuletzt sprachen und umarmten.

314.

Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Der Oheim! Geschwind, mir nach in den Garten! (Alle ab.)

👉️ 315.

Der Liebh. Und das Schloß sprang wirklich hinter ihr zu?

316.

Der Oheim. Alles ist richtig. Mache Dich fertig. Der Bräutigam kommt. Der junge Herr von ** kann vielleicht heut noch hier seyn. So wie er kommt, findet Deine Verlobung mit ihm Statt.

[73] 317.

Der Liebh. Wir laufen eher davon.

318.

Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Ich höre den Husten des gnädigen Herrn. Hurtig, in den Vorsaal! (Alle ab.)

319.

Die Nichte. Wie? Du könntest im Ernste wollen, daß ich, mit Dir entfliehend, das Erbtheil verscherzte, das mein Onkel von mir in Händen hat?

Der Liebh. Du bist mein Alles, auch ohne Mitgift.

320. 👈️

Das Kammerm. Ach Gott, ja doch! Sie ist eingekerkert.

321.

Der Oheim. Gleich sollst Du’s hören. Längst bin ich Deines Gepinsels überdrüßig. Morgen nimmt’s aber ein Ende, vielleicht heut noch. [74] Der junge Herr von **, Dein bestimmter Bräutigam, wird nunmehr erscheinen. Mache Dich bereit, Deine Verlobung mit ihm zu feiern.

322.

Die Nichte. Du weißt, daß mein Onkel mich gleichsam an den Sohn seines Freundes verhandeln will.

323.

Die Nichte. Nicht so hastig! Vorgethan und nachbedacht – Du kennst das Sprichwort, das so alt ist, glaub’ ich, wie die alten Classiker, von denen mein Vetter, der Superintendent, so viel Aufhebens macht; also – –

324.

Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Der gnädige Herr hat sein Zimmer verlassen. Fort, ehe er Sie hier gewahr wird! (Alle ab.)

👉️ 325.

Der Liebh. Türke von einem Vormund!

[75] 326.

Der Oheim. Keine Frage von Deiner Seite! Gehorchen ist Alles, was man von Dir verlangt. Der junge Herr von **, der Sohn meines Freundes kommt heute, spätestens Morgen, du reichst ihm dann sogleich die Hand zur Verlöbniß, und damit Punctum!

327.

Der Oheim. Nun, Fräulein Nichte?

328.

Der Oheim. Was kümmert mich sein Prozeß? Ich prozedire: Verlobung – Hochzeit!

329.

Die Nichte. Wie? Ich sollte meinen Freund – –

330. 👈️

Das Kammerm. Ruhig! Was muß helfen in der Comödie, wenn mit Gewalt nichts auszurichten ist? Die List!

331.

Der Oheim. Dafür wird Dein Bräutigam schon sorgen.

[76] 332.

Die Nichte. Sey sein Prozeß gewonnen oder verloren; wir haben auf alle Fälle uns einander geschworen –

333.

Die Nichte. Zerreißen soll ich das süße Band des Herzens, das mich an meinen Geliebten knüpft?

334.

Der Oheim. Nein, ein närrisches – –

👉️ 335.

Der Diener. List? Die hab’ ich zu Kauf! „Wer am meisten bietet, der hat mich!“ sagt einer der Banditen in den Räubern; ich glaube der Kerl heißt Schufterle.

336.

Der Oheim. So wie die Verlobungsstunde schlägt, stehst Du auf von den Todten.

337.

Die Nichte. – ein beklagenswerthes vielmehr –

[77] 338.

Der Oheim. – Ein Romanengeschöpf –

339.

Die Nichte. Pfui, Herr Onkel! Sie würdigen mich nicht mehr, als – –

340. 👈️

Das Kammerm. Hilf, aber denk nicht dabei an Belohnung. Die Großmuth Deines Herrn will nicht gestachelt seyn.

341.

So wahr ich lebe, das Schloß schnappt zu. Was nun anfangen? – Horch! der alte Hausbär geht – die Hausthür klingelt. Er ist fort. (Zur Thür hinaus redend) Geschwind, herein! (zum Diener, der eintritt) Wo ist Dein Herr? Ist er da?

342.

Der Oheim. – Von ihrer Mondscheinsliebelei abzulassen.

343.

Achter Auftritt.
Das Kammermädchen (welches horchte, tritt auf.)

[78] 344.

Der Diener. Wir sind da. Was soll’s geben?

👉️ 345.

Der Liebh. Ohne Sorge! Siehst Du diesen Beutel? Er ist Dein, sobald ich – –

346.

Der Liebh. Ganz gewiß nicht. Der Arbeiter ist seines Lohnes werth. Hundert Luisd’or, wenn Du mir beistehst.

347.

Das Kammerm. Ja doch, sie ist eingesperrt in ihrem Zimmer. Wir haben kein Burgverließ, sonst säße sie drin.

348.

Der Diener. Wie? Doch nicht etwa so wie den Pachter Feldkümmel, von dem er vielleicht ein naher Verwandter ist? Das wäre Nichts; dergleichen ist verbraucht.

349.

Der Liebh. Schalksknecht. – – Aber man belauscht uns doch nicht?

[79] 350. 👈️

Der Diener. Bei solchen Anlässen prickelt’s mich vollends, mein Genie glänzen zu lassen. – Wohlan, Zöfchen! Wie ist des Feindes Stellung?

351.

Der Liebh. Kuppler ohne Gleichen!

352.

Der Diener. Wie? Du fragst? Habe mehr Hochachtung vor meinem Scharfsinn. Du willst doch nicht, daß ich wie Johann in den Prager Schwestern, oder wie Wind in Verlegenheit und List –

353.

Der Diener. Siehe ihn in meiner Person.

354.

Das Kammerm. Zur Sache! (zugleich)
Der Liebh. Wolle uns nicht necken!

355. 👈️

Das Kammerm. Das angedrohte Schicksal bricht endlich herein; es kommt und naht in [80] Gestalt eines Bräutigams, zwar auch eines verschriebenen, doch nicht des vielbeliebten Bräutigams aus Mexico; es kommt morgen, vielleicht heute noch – der Alte sprach es.

356.

Der Diener. Wohlan denn! Erzittert Gebieter! Erbebe, feige Sclavin! Der gefürchtete Bräutigam ist schon hier.

357.

Der Diener. Das schadet nicht. Ich bringe ihn schon heraus, und da wirst Du hören, daß es ein Feldkümmel, oder ein Bocklümmel, oder ein Tippelskircher, oder ein Hans von Birken, oder ein Plumper, oder so ein ähnlicher Name ist.

358.

Das Kammerm. Wohlan! Was mehr? (zugleich)
Der Liebh. Sey nur nicht abgeschmackt.

[81] 359.

Das Kammerm. Ja, wer darauf antworten könnte!

360. 👈️

Der Liebh. O du Onkel voll Rechthaberei und Heirathsstifterei!

361.

Das Kammerm. Vortrefflich! Das sey meine Sorge. Ich mause dem Alten den Brief weg.

362.

Der Diener. Das darf ich nicht. Sie sind jetzt nicht Herr, d. h. nicht in dieser Sache. Ich prädominire; ich lenke die Schlacht; ich stehe am Ruder.

363.

Der Diener. Komm aber bald zurück. – Ich unterdessen stecke mich in die Kleider. Mit dem Costüm zieht ein geübter Schauspieler auch ohne Weiteres die Rolle an, die er zu spielen hat. Im Rocke steckt der Held und der Popanz. Geschwind, den Alten zu bearbeiten!

[82] 364.

Der Liebh. Nun? Wie machst Du das?

👉️ 365.

Das Kammerm. Wie befreien wir meine Gebieterin? Wie verjagen wir die Schicksalsunke?

366.

Der Diener. Verstehen Sie mich! Sind Sie auch jetzt gleichsam nur das Organ, durch welches ich meinen Plan werde reifen lassen, so darf ich doch nicht gänzlich vermeiden, Ihr Bedienter zu scheinen. In solchen Fällen hat man auf dem Theater ein vortreffliches Auskunftsmittel. Man läßt erst den Diener seinem Herrn Sottisen sagen, und hinterher ihn eine Handlung begehen, die in ihm den Knecht und in jenem den Herrn kennbar macht.

367.

Der Liebh. Was meynst Du damit?

368.

Der Liebh. Wohlan, so muß ich Dir folgen, wie der Bock dem Leithammel, der Du gleichsam seyn willst.

[83] 369.

Der Liebh. So gehen wir denn – –

370. 👈️

Der Diener. Wie? Hoffentlich nicht auf einem Wege, den vor mir schon andere verschmitzte Bediente einschlugen.

371.

Der Liebh. Wir gehen also?

372.

Der Liebh. Nur zur Hälfte sprechen Sie wahr. Allerdings ist’s Ihrer Nichte Hand, um die ich Sie wiederhohlt bitte.

373.

Der Oheim. Sie unterstehen sich’s wirklich? Sie beehren mich mit Ihrem Besuche? mich, der ich nichts von Ihnen wissen will? Sie haben wirklich – –

374.

Eilfter Auftritt.
Das Kammermädchen.

[84] 👉️ 375.

Das Kammerm. Nun, so wählen wir ein nagelneues Mittel.

376.

(Zur Seite herein) Erwünscht! Hier ist der Brief. Der Alte hatte ihn richtig mit der Zeitung auf dem Sopha liegen lassen. Hurtig – – doch wo sind sie? Schon fort? Desto besser! so wird der Schlaukopf um so eher zur Comödie da seyn. – Horch! der Alte poltert draußen. Geschwind, ehe er mich hier gewahr wird. (Ab.)

377.

Der Oheim. Herr, ich will auch nicht gesehen, will nicht gesprochen seyn, wenigstens nicht von Ihnen. Was können Sie mir zu sagen haben? Nur, was ich schon hundertmal verneinte; sonst nichts: denn was wollen Sie anders, als mit meiner Mündel die Aussteuer meiner Mündel heirathen?

378.

Der Liebh. Sehr bündig gesprochen.

[85] Der Oheim. Ist einmal meine Art so. Uebrigens ist meine Nichte eingesperrt, folglich für Niemand zu Hause.

379.

Der Liebh. Leider weiß ich es, daß Sie wie ein Tyrann gegen das arme Mädchen verfahren.

380. 👈️

Der Diener. Das ist’s, wonach ich strebe.

(parodirend)

Die schlau’sten Pfiffe zähl’ ich zu den meinen,
Und was ich seyn will, wag’ ich auch zu scheinen!

381.

Der Liebh. Wenn ich Ihnen nun sage, daß ich nicht blos durch meinen Prozeß völlig im Stande bin, eine Frau anständig zu ernähren?

382.

Der Liebh. Und so wie sie frei seyn wird, laufe ich mit ihr davon.

383.

Das Kammerm. (hastig berein) Er kommt!

Der Oheim. Ist er da?

[86] 384.

Das Kammerm. Wie? Sie können zweifeln, daß es der Bräutigam sey?

👉️ 385.

Das Kammerm. Nun? Wie denn?

386.

Das Kammerm. Vom Gasthof zum grünen Esel eilt er herüber zu uns, eben der Landkutsche entstiegen, die noch vor dem Wirthshause hält.

387.

Der Liebh. (Ab.)

Das Kammerm. Da ist der junge Herr!

Der Oheim. Herein, herein mit ihm!

388.

Der Diener. Was wollen Sie damit sagen? Sehen Sie mich für dumm an, für unwissend, für albern, für vorlaut, für unklug, für aberwitzig, für übermüthig, für thörig, für närrisch, für widersinnig, für rasend, für besessen, für – – –

[87] 389.

Der Oheim. Gott befohlen!

390. 👈️

Der Liebh. Ja, ja, sag’ uns – – Wir haben doch keines Horchers Ohren zu fürchten?

391.

Der Diener. Sehen Sie in mir Ihren Glücksengel, den Bräutigam Ihrer Demoiselle Nichte. Wie gefällt Ihnen dieser Bräutigam?

392.

Der Oheim. Das Entzücken, das ich über Ihre endliche Ankunft empfinde, wird ein wenig gemäßigt durch die Verwunderung, mit welcher – –

393.

Der Oheim (böse) Zum Teufel, wenn Sie Ihres Herrn Vaters Sohn sind, so heißen Sie ja Herr von **.

394.

Der Diener. So ist’s. Wären Sie mit sich einig, so würden Sie mich anders behandeln. Aber weil Sie vielleicht meynen, daß [88] die Leute auf dem Theater sich oft setzen, wo sie stehen sollten, und da stehen, wo sie sitzen sollten, so wollen Sie aus mir solchen Comödiennarren machen, deswegen bieten Sie mir keinen Stuhl und fragen nicht einmal: „Mein Herr, mit wem hab’ ich die Ehre?“ –

👉️ 395.

Das Kammerm. Bei einer Scene wie die ist, die wir hier spielen, darf Niemand lauschen, sonst würde manches beliebte Lustspiel längst kein Lustspiel mehr seyn. – Drum, sag’ uns, was Du im Schilde führst.

396.

Der Oheim. Nicht im Geringsten.

397.

Der Oheim. Der ist von Sinnen! – Warum hätte ich nun doch und dann doch wieder nicht fragen müssen? Herr, Sie machen mich rappelköpfisch!

398.

Der Diener. Es findet doch von Seiten [89] Ihrer Nichte keine Unzufriedenheit mit dieser Heirath Statt?

399.

Der Diener. Es wäre ein größeres Unglück für Sie als für mich, wenn Ihre Demoiselle Nichte Nein sagte.

400. 👈️

Der Diener. Du willst mich wie der verlogene Güldenstern den Hamlet auf’s Glatteis führen; ich soll Dir beichten; ich soll Dir angeben von der untersten Note bis zur höchsten: das soll ich. Meynst Du, daß ich leichter zu spielen sey als ein Dudelsack? Dennoch will ich’s thun, will’s sagen; denn mein Genie kennt keine Hindernisse.

401.

Der Diener. Wie, Mamsell? Was hör’ ich? Sie schlagen meine Hand aus? Sie verachten mich? Sie verwerfen mich? Sie schleudern mich von sich? Sie sagen sich los von mir? Sie wollen nichts von mir wissen, hören, sehen, vernehmen, erfahren, empfangen, behalten und es aufbewahren bis Sie’s – –

[90] Der Oheim. Mein Gott, der Mensch räsonnirt fürchterlich! Lassen Sie doch meine Nichte zu Worte kommen, sich besinnen – –

402.

Der Diener. Sie hören’s selbst. Sie will mich nicht heirathen – Gut! So will ich sie auch nicht, durchaus nicht, absolut nicht, platterdings nicht, mit aller Gewalt nicht.

Der Oheim. So hören Sie doch! Nehmen Sie doch Rath an!

403.

Der Oheim. Nein! Da ist kein Ausweg. Der Mensch ist wahrhaftig toll.

Die Nichte. Und doch wollen Sie ihn mir zum Gatten geben?

Der Oheim. Rede Du auch noch drein!

404.

Der Diener. Sie brechen mir das Herz. Was sag’ ich? Sie haben es schon gebrochen. Meine Lippe lallt, meine Zunge starrt, meine Fiebern beben, meine Pulse stocken, meine Nerven [91] zucken bei dem Todeswort, das Sie aussprechen.

(parodirend)

„Ich soll mich Aermster nicht beklagen,
Daß solch ein Leid an mir geschicht?
O, theures Mädchen laß Dir sagen – –

Die Nichte.

Sie sind ein abgeschmackter Wicht.

Der Oheim. Da haben Sie es. Wer wird auch so mit der Thür in’s Haus fallen? Meine Nichte wird, wenn Sie ihr Zeit lassen, bessere Worte finden, und – –

405. 👈️

Das Kammerm. Großsprecher! (zugleich)
Der Liebh. Geck!

406.

Sechszehnter Auftritt.
Die Vorigen. Der Liebhaber.

Der Liebh. Himmel! Geht hier ein Unglück vor? Was will dieser Herr? Wer ist er?

407.

Der Oheim. Tollhäusler!

[92] Der Diener. Ihrer Schachmaschine, die von selber spielt, nehme ich die messingene Seele aus, daß Sie mit dem hölzernen Kadaver nichts, gar nichts weiter zu beginnen wissen sollen, als es in’s Feuer zu stecken.

Der Oheim. Herr! Sie ermorden mich.

Der Diener. Das will ich auch, metaphorice gesprochen.

408.

Sechszehnter Auftritt.
Die Vorigen. Der Liebhaber.

Der Liebh. Verzeihen Sie, daß ich nochmals eindringe. Allein ich wähnte, mußte wähnen, ein kostbares Leben sey hier in Gefahr; solches Getümmel wie – – Dieser Herr hier? Was will er? Wer ist er?

409.

Der Oheim. Sind Sie denn dem Tollhause entsprungen?

Der Diener. Mit nichten! Aber in Ihrem Hause soll’s hergehen, wie in einem Tollhause, so lange ich nemlich darin bleibe.

[93] 410. 👈️

Der Diener. So fassen Sie sich denn mein gnädiger Herr – Du, halte Dich an die Stuhllehne, der Ohnmacht zu widerstehen. Ihrer Geliebten Bräutigam, jener Störenfried, jener finstre Geist, der durch unser Haus ziehen will – ist schon hier.

411.

Der Liebh. Was kümmert das uns. Wir reisen weit – weit!

Die Nichte. Ohne daß man erfahre, wohin.

412.

Der Liebh. Durch seine List sind wir vereint. Nichts trennt uns mehr. (Zum Diener, dem er seine Geldbörse zuwirft) Habe Deinen verdienten Lohn!

413.

Die Nichte. Ach, meine Freundinn! Wann wird er der Meinige werden?

414.

Das Kammerm. Frischen Muth, schönes Fräulein!

[94] 415.

Das Kammerm. Mir wird wirklich nicht wohl. (zugleich)
Der Liebh. Kerl! lüge nicht.

416.

Erster Auftritt.

Die Nichte (den Kopf gestützt, am Tisch, allein) Fließet, meine Thränen, fließet! Was ist auch ein junges Mädchen heut zu Tage werth, die nicht täglich ihre Portion abweint, bevor sie den Geliebten ihres Herzens gesprochen hat? – Doch nein! das Weinen ist den Augen schädlich. Es macht, daß die Wimpern ausgehen. Ich will nicht traurig seyn auf Kosten meines hübschen Gesichts. Mag er ausbleiben so lange er will, der Zögernde. – Doch halt! Man kommt. Nun, bist Du es?

417.

Das Kammerm. Ach ja! Von daher stürmt’s. Wer weiß, welch neues Donnerwetter in dem Briefe steckt, den Ihr Herr Vormund gestern Abend spät erhielt!

[95] 418.

Der Liebh. (sie umfassend) Mein theures Mädchen!

419.

Die Nichte. In deinen Armen vergess’ ich mich selbst.

Der Liebh. Götterwonne an Deinem Busen!

420. 👈️

Der Diener. (auf sich deutend) Hier steht er.

421.

Vierter Auftritt.
Die Nichte. Der Liebhaber.

Die Nichte. Jetzt zu dem Wichtigeren. Erwägen müssen wir – –

422.

Das Kammerm. (bei Seite) Das halte eine Andere aus. Ich gehe, meinem Schatz einen Morgengruß zu bringen. (Ab.)

423.

Der Liebh. Schicksal! Wie soll es mit uns werden?

[96] 424.

Der Liebh. Ich entführe Dich.

👉️ 425.

Das Kammerm. Du wärst es? (zugleich.)
Der Liebh. So dacht’ ich’s.


426.

Siebenter Auftritt.
Der Oheim. Die Nichte.

Die Nichte. Nun, Herr Onkel, da bin ich. Und –

427.

Der Oheim. Geh’ mir vom Leibe mit solchen Exclamationen. Mich rührt solch Romanengepinsel nicht!

428.

Die Nichte. – Ohne mir die geringste Hoffnung zur Erlösung zu lassen; es sey denn durch den Tod –

429.

Das Kammerm. Schnell! Bitt’ ihn herein zu kommen. (Der Diener wieder ab) (allein) Der [97] Hausbär hat sich in den Winkel gezogen; der Schauplatz ist leer und nur dieser pfiffige Bedienter kann ihn wieder füllen. Er muß helfen. Mein Fräulein muß gerettet werden.

430. 👈️

Der Diener. Freilich bin ich’s. Ich bin jener Jammernswerthe, dem die Braut entrissen werden soll, aus der er sich vielleicht nichts macht. (z. Kammerm.) Also „weine nicht, weine nicht, meine Cordelia.“ – Sage mir lieber, wie heißt er?

431.

Der Diener. List? das ist mein Handwerk.

432.

Der Liebh. Also ist es gewiß?

433.

Das Kammerm. Rück’ aus mit Deinen Truppen. Die Belohnung wird Dir nicht entgehen.

434.

Das Kammerm. Höre, was ich erlauschte. Im Briefe steht es. Der Alte läßt den [98] Bräutigam endlich kommen; morgen – heute schon –

👉️ 435.

Das Kammerm. Ja, wer das wüßte!

436.

Das Kammerm. Topp! Wähle, was noch Keiner wählte.

437.

Das Kammerm. Keine Seele ist in der Nähe. (z. Diener) Brenn’ ab deine scharfgeladene Donnerbüchse.

438.

Das Kammerm. Schalksknecht! (zugleich)
Der Liebh. Pfiffikus!

439.

Das Kammerm. Was? (zugleich)
Der Liebh. Schon?

👉️ 440.

Der Diener. Schad’t nichts. Als ob man nicht errathen könnte, wie er heißt! Sein Name wird Plumper seyn, oder Theophilus Feldkümmel, [99] oder Thaddäus Bocklümmel, oder Sebastian Lämmerzahn, oder Hans von Birken, oder wie die ehrlichen Pommern in den Comödien sonst heißen.

441.

Der Diener. Ja, jener Unglückliche, der die versprochene Braut verlieren soll, noch ehe er sie gesehen hat, bin ich. Weine seinem Schicksale eine Thräne! – Sprich, wie heißt er?

442.

Das Kammerm. Wenn die Antwort auf diese Frage der Grundstein Deines pfiffigen Gebäudes werden soll, so beklag’ ich Dich. Der Name ist Geheimniß.

443.

Der Diener. Die Bewunderung, die ich erregen werde, wird ungeheuer seyn. Ich kenne den Menschen nicht; ich weiß nicht wie er heißt, ich habe ihn nie gesehen; dennoch will ich ihn vorstellen.

444.

Das Kammerm. Freilich, freilich! Ich [100] sehe zu, daß ich ihn dem alten Murrkater wegstibitze.

👉️ 445.

Das Kammerm. Sprich weiter! (zugleich)
Der Liebh. Scherze nicht, da die Noth uns drängt.

446.

Der Liebh. Halt, Kleine! Nimm erst diese Kleinigkeit zum Voraus.

447.

Der Diener (ihr nachrufend) Was Du thust, thue schnell. – Der Alte hat mich nie gesehen, also husch in die Kleider und an’s Werk.

448.

Der Liebh. Nun, nun! Nur nicht allzu vorlaut.

449.

Der Liebh. Wie wär’s, wenn wir einen Blick in den Brief werfen könnten, den der Herr Oheim erhielt?

👉️ 450.

Der Diener. Sein Name ist also unbekannt? [101] Sein Character, seine Person sind’s auch? Tant mieux, so repräsentire ich ihn aus dem Stegreife.

451.

Der Liebh. Und solche Handlung bestände – worin?

452.

Der Liebh. Voran denn! Deinen Redensarten gemäß, bin ich der Knecht, Du der Prädominirende.

453.

Der Liebh. Possenreißerei und kein Ende! Marsch! Voran!

454.

Der Liebh. Was für eine Handlung denn?

455. 👈️

Der Liebh. Mir fällt etwas ein. Wie wär’s? Der Brief, den der Onkel erhielt – wenn wir den lesen könnten: der vermögte vielleicht – –

456.

Der Liebh. Nun, voran mit Dir, daß [102] ich dir als meinem Leitstern den schuldigen Respect – –

457.

Der Diener. Mit Ihrer gütigen Erlaubniß! (Er läßt sich hinter ihm auf ein Knie nieder, um etwas an der Fußbekleidung seines Herrn zu ordnen, steht auf, tritt einen Schritt zurück, verbeugt sich und spricht.) So ist’s in Ordnung.

458.

Der Oheim. Bitten Sie, so viel Sie wollen. Unnütze Dinge zu treiben, ist heutiger Jugend Lieblingsbeschäftigung.

459.

Der Liebh. Mit nichten, mein Herr. Die Nichte nur begehr’ ich, nicht das Vermögen; drum komm’ ich, Sie nochmals zu bitten – –

👉️ 460.

Das Kammerm. Ganz recht. Der Brief kann uns nützlich werden. Ich will suchen, ihn zu erwischen.

461.

Der Oheim. In der That, mein Herr; ich weiß nicht, was ich von Ihnen denken soll. [103] Sind Sie von Sinnen? Sie fragen nach mir? Nach mir, der ich Ihnen längst erklärte, daß wir geschiedene Leute wären.

462.

Der Liebh. Wie? Sie verwerfen mich, ohne mir das Warum deshalb zu sagen?

463.

Der Oheim. Wird sich nicht thun lassen. Ein Anderer Halt-sie-vest ist bestellt, und der wird kommen; ja, ja, mein Herr, kommen!

Der Liebh. Wie?

464.

Der Oheim. Darnach haben Sie nicht zu fragen.

465. 👈️

Der Diener. Stiehl mit Glück und dann komm mir nach, neben an, zu der alten Suse; dort wart’ ich auf Dich, während ich mich costümire.

466.

Der Oheim. Allerdings; ich werde sogar [104] mich selbst dazu zwingen, allein keine Minute eher, als es Zeit dazu ist.

467.

Der Oheim. Recht so! Titel, welche die leidige Mode unserer romanhaften, wahrhaftig nicht romantischen Zeit allen vernünftigen Vätern und Pflegevätern giebt, die der jugendlichen Thorheit Zaum und Gebiß anlegen wollen.

468.

Der Oheim. Was schiert das mich? Ich bleibe bei meinem Entschlusse.

469.

Das Kammerm. Bei’m schwarzen Bock hielt ein Karrenwagen. Ein junger Herr stieg aus, sprach mit dem Wirthe und steuerte gerade auf’s Haus los. Da kommt er (am Fenster).

👉️ 470.

Der Liebh. So eile doch nicht so! Nimm erst dieß auf Abschlag meines Dankes (ihr Geld gebend).

471.

Der Liebh. Den Alten sicher zu machen. [105] Er ertappte mich ja mit meinem Diener – –

472.

Der Oheim. Mein Herr, Sie finden hier keine Heimath –

473.

Der Oheim. Nun, junger Herr, was sagen wir nun?

474.

Der Oheim. Wohlan! Wo ist denn der Neuangekommene?

475. 👈️

Das Kammerm. (nimmt, dankt und entschlüpft.)

476.

Der Diener. Das ist noch Nichts! Sie müssen mich hören! singen, räsonniren, declamiren, philosophiren, parodiren, haranguiren, extemporiren, improvisiren; sie müssen mich sehen! fechten, reiten, schießen, jagen, fischen, tanzen, würfeln, boxen, scharmiren, anatomiren, ballotiren, copiren, escamotiren, alligiren, amalgamiren, renoviren, restauriren, chiffoniren –

[106] Der Oheim. Herr, Sie ruiniren mein Gehör – –

477.

Der Oheim. Recht so!

478.

Vierzehnter Auftritt.
Die Vorigen. Der Diener (à l’incroyable gekleidet. Je auffallender, je besser! – Da die meisten unserer Volksschauspieler geborene Menschendarsteller sind, so würde es abgeschmackte Eitelkeit verrathen, wenn der Autor hier mehr als einen kleinen Fingerzeig gäbe.)

Der Oheim. (ihm entgegen.) Gott zum Gruß, mein Ersehnter!

479.

Der Diener. Wer spricht hier, wenn ich rede? Ich, der Dialectiker und Eklectiker? der Pädagog und Demagog? Der Jurist und der Sublimist oder Sublimatist? Ich, der ich in Russland die Lebensgeschichte eines Kaviars und in Berlin einen Taschenalmanach über die sämmtlichen Folianten Deutschlands schrieb? Ich, der ich classisch schreibe wie Clauren, und doch nicht Verfasser des Mannes im Monde bin? Ich der [107] ich besser dichte als Goethe, weil ich noch mehr schreibe als Gustav Schilling? Ich, der ich declamire wie Talma und der deutsche Schuster und agire wie Kean, Macready und die Statisten auf dem Hamburger Theater? Ich der ich commandire wie weiland Rinaldo Rinaldini und excerpire wie die Verfasser von Krünitzens Encyklopädie? Ich, der ich – –

Der Oheim. Herr, Ihre entsetzliche Gelehrsamkeit könnte mich eseldumm machen. Schweigen Sie –

480. 👈️

Zehnter Auftritt.
Der Liebhaber. Der Diener.

481.

Der Diener. Was wollen Sie? Was meynen Sie? Was denken Sie? Was vermuthen Sie? Was ahnden Sie? Was hoffen Sie? Was erwarten Sie? Was wünschen Sie? Was begehren Sie? Was verlangen Sie? Was entdecken Sie? Was bezwecken Sie? Sie haben mich hieher verschrieben – ich bin da, nach Ihrem [108] Willen; drum gilt jetzt auch mein Wille. Auf Ihren Antrieb werden Sie jetzt von mir angetrieben, aufgetrieben, fortgetrieben, ausgetrieben, in die Enge getrieben –

Der Oheim. Alle Wetter! drei Schritt vom Leibe geblieben!

482.

Der Oheim. Drei Schritte vom Leibe!

483.

Der Oheim. Wie, mein Herr?

484.

Der Oheim. (böse.) Nun, zum Wetter! Sie sind ja der junge Herr von **.

👉️ 485.

Der Diener. Aber ohne Verzug! – Ich habe eine brennende Begier den Alten zu bearbeiten. Zwar hat er mich ein Paar Male gesehen; aber das thut nichts. Das ist eben das Pikante bei dergleichen Verkleidungen, wie ich eine vorhabe.

486.

Der Oheim. Und doch machten Sie mir so eben diese Frage zur Pflicht?

[109] 487.

Der Oheim. Sterben will ich, wenn ich darauf zu antworten weiß.

488.

Der Diener. Eben darum. Muß in einem so wichtigen Briefe nicht von mir, nicht von meinem Namen die Rede seyn? Wer hat also hier nach meinem Namen zu fragen? Ich, mein Herr, nicht Sie! Um Sie zu prüfen, ob ich Ihnen der Rechte bin, muß ich fragen: Mein Herr, wie heiß’ ich?

489.

Der Oheim. Wahrhaftig, ich werde irre an Ihnen – –

490. 👈️

Der Liebh. Sage nur, wie Du’s eigentlich anstellen willst.

491.

Funfzehnter Auftritt.
Der Oheim. Der Diener. Die Nichte. Das Kammermädchen.

[110] Der Oheim. (vorstellend) Meine Nichte. – Der junge Herr von **.

492.

Der Diener. Ihre Nichte wird doch nichts gegen eine Verbindung mit mir haben?

493.

Der Oheim. Ei, warum nicht gar!

Das Kammerm. (heimlich zum Diener) Geh nicht zu weit! Er mögte Etwas merken –

494.

Der Oheim. Herr, wollen Sie mich ganz confus machen? Fragen, und doch nicht fragen – nicht fragen und doch fragen?

👉️ 495.

Der Diener. Wie heißt die Redensart in vielen Comödien? „Folgen Sie mir, daß ich Ihnen unterwegs meinen Plan mittheile.“ Da fügt sich’s denn, daß der Herr dem Diener nachgeht.

496.

Der Oheim. Sogleich soll meine Nichte [111] hier seyn. (Heimlich zum Kammerm.) Geschwind! Ich habe Sie eingeschlossen. Hier ist der Schlüssel; hole sie!

Das Kammerm. Ich gehe. (Ab.)

497.

Der Diener. Richtig, so heiß’ ich. Sie wissen’s also und fragten doch? Wieder richtig, denn es ist richtig, daß Sie doch gefragt haben, weil es richtig ist, daß sie eigentlich haben fragen müssen.

498.

Der Diener. Da hören Sie’s! Sie will mich nicht. So will ich sie auch nicht. Ich stoße meines Vaters Willen um, ich stoße Ihren Willen um, ich setze meinen bisherigen Willen hinten an und nehme einen neuen Willen an, der da spricht: Ich will die Mamsell nicht!

499.

Der Oheim. Sind Sie von Sinnen, Herr?

Der Diener. Nein; aber ich will Sie von Sinnen bringen. Ich gebe Sie an als einen Carbonaro, zu deutsch Kohlenbrenner, als [112] einen Häuptling irgend einer entsetzlichen Verschwörung, die Sie erst anzetteln wollen, und geht’s gut, so habe ich Sie nach kurzer Frist in die Bleikammern von Venedig gebracht. Mögen Sie’s dann machen, wie Casanova – wahrheitsliebenden Andenkens – ich will Sie nicht daran hindern, aber unters Blei sollen und müssen Sie –.

👉️ 500.

Der Liebh. Spitzbube!

501.

Die Nichte. Nie werd’ ich Ihre Gattinn! Nie!

Der Oheim (leise zu ihr.) Ich rathe Dir es, zieh’ andere Saiten auf, oder – –

502.

Die Nichte. Ich habe nichts mehr zu sagen. Mein Nein war deutlich genug ausgesprochen.

Der Oheim. Abgeschmackte Romanennärrinn!

[Ξ]

[Ξ] [113] 503.

Der Diener. Bon! Sie thun das Aeußerste, das Gewaltigste, das Unerhörteste, das Incroyabelste an mir? Bon! So thue ich nun das Unerhörteste, das Gewaltigste, das Aeußerste, das Incroyabelste an Ihnen. Sie wollen mich nicht? Gut! So will ich Sie auch nicht – Taille faite!

Der Oheim. Lassen Sie Ihre incroyable Taille aus dem Spiele und nehmen Sie Raison an; lassen Sie sich rathen; hören Sie!

504.

Der Liebh. Heute noch, wenn Sie es erlauben.

Der Oheim. Gott befohlen! Nur Wort gehalten – und, glückliche Reise! (Ab.)

505. 👈️

Der Diener. Nur gnädig, mein Gebieter. In der Regel muß der Liebhaber in der Comödie dem verschmitzten Diener, der ihm aus der Klemme helfen soll, Etwas zu Gute halten.

[114] 506.

Der Oheim. Ist das Ihr Ernst?

Der Liebh. Mein völliger. Sie unterzeichnen also den Heirathscontract mir zu Gunsten?

507.

Der Liebh. (zum Oheim.) Und mit solchem Unsinnigen können Sie sich einlassen? Geben Sie ihm doch den Laufpaß, ehe er Sie, Ihre Nichte, mich, uns Alle mit seiner Raserei ansteckt. Das Gütchen Walldorf, mein einziges Erbtheil – es hat Ihnen stets gefallen: wohlan! Ich überlasse es Ihnen für einen Spottpreis, für das Vermögen Ihrer Nichte. Geben Sie mir Ihre Mündel mit dem ihr gehörenden Capitale und Walldorf ist Ihr Eigenthum.

508.

Der Liebh. Noch ehe es dunkel wird.

Der Oheim. Und Ihr Versprechen?

Der Liebh. Geht pünktlich in Erfüllung.

Der Oheim. Adieu. Glückliche Reise! (Ab.)

[115] 509.

Der Oheim. O weh! Sie bringen mich um.

Der Diener. Das will ich auch! Denn Sie haben mich ermorden wollen, indem Sie meinen Willen, das Höchste im Menschen, schmählich angetastet haben. Was ist der Mensch, wenn sein Wille nicht mehr frei ist? Nichts! Sie haben mich also zu Nichts machen wollen; darum will ich Sie zur Leiche machen.

510. 👈️

Der Liebh. Wir entfernen uns also?

511.

Der Diener. Eine Frage, die zur Unzeit kommt, weil sie nur mir hier ansteht. Nur ich habe hier zu fragen: Wer sind Sie? was wollen Sie? was beabsichtigen Sie? was bezwecken Sie? was begehren Sie? was fordern Sie? was heischen Sie? was verlangen Sie? worauf trotzen Sie? worauf pochen Sie?

512.

Der Diener. Dann mag der Herr Bräutigam [116] noch ein Lustspiel nach meinem Lustspiele spielen; denn daß mein heutiger Schwank auf die Bühne kommt, ist gewiß. Er ist genau so interessant, als wär’ er aus dem Französischen übersetzt.

513.

Letzter Auftritt.
Der Liebhaber. Die Nichte. Der Diener. Das Kammermädchen.

Die Nichte. Aber sage mir, ist ein Wunder geschehen?

514.

Der Diener. Mit Verlaub! Wir haben Vorsicht zu gebrauchen gegen den rechten Bräutigam. Er soll ja morgen eintreffen.

515.

Der Diener. Wenn’s Ihnen gefällig ist, sogleich.

516.

Der Diener. Allerliebst! Mag dann der rechte Herr Bräutigam vor leeren Schalen sich zu Tische setzen, wie Banquo’s Geist im Trauerspiele. [117] Wir tunken in die süßgewürzte Schüssel der Liebe, damit aus dem heutigen Hokus Pokus ein Lustspiel werde.

517.

(Der Vorhang fällt.)

518.

Der Diener. Und Du? Willst Du’s mit mir wagen?

Das Kammerm. Zwar ist’s gefährlich; jedoch – wagen gewinnt!

519.

Personen.

  • Der Onkel.
  • Die Nichte.
  • Deren Kammermädchen.
  • Der Liebhaber der Nichte.
  • Dessen Diener.

(Die Scene ist ein Zimmer.)

520. 👈️

Der Liebh. So geh denn voran, Du, der Du die verkehrte Welt mit mir spielst, indem [118] Du mich zum Knechte machst und Dich den Herrn nennst.

521.

Die Liebe siegt.
Ein Vorspiel in Einem Act.

522.

Zweiter Auftritt.
Die Nichte. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Ich bin’s. Wohl ist’s an mir, jetzt aufzutreten.

523.

Die Nichte. Treue Seele! Wird sein Kommen mir Versichrung, daß ich ihn einst ganz besitzen werde?

524.

Erster Auftritt.

Die Nichte (ein Notenblatt in der Hand.) „Es seufzt’ einmal um Mitternacht –“ Ei was! (das Blatt wegwerfend) Das paßt ja gar nicht auf meinen Zustand. Es ist jetzt heller Tag und ich seufze – muß seufzen; ach! Sollt’ er [119] treulos geworden seyn? Seit gestern sah’ ich ihn nicht, und die Stunde des Wiedersehens hat doch schon geschlagen! Aber er kommt nicht – – Bist Du es, getreue Aja?

525. 👈️

Der Diener. Das wäre ich freilich: jedoch alle dehors muß man nicht verletzen.

526.

Das Kammerm. (für sich) Ich lasse sie allein. Wahrscheinlich steht mein Schatz auch schon auf der Lauer.

527.

Der Liebh. Noch ringe ich mit Zweifeln.

528.

Die Nichte. Wieder ein Brief?

529.

Die Nichte. Halt ich Dich endlich wieder in meinen Armen?

530. 👈️

Der Liebh. Was soll das heißen?

[120] 531.

Vierter Auftritt.
Die Nichte. Der Liebhaber.

Die Nichte. Lass’ uns haushälterisch mit unserer Zärtlichkeit seyn. Bedenke mein Theurer – –

532.

Die Nichte. O, daß ich Dich immer so umschlungen halten könnte!

533.

Siebenter Auftritt.
Der Oheim. Die Nichte.

Die Nichte. Herr Vormund, Sie befehlen –?

534.

Die Nichte. Schäme Dich solcher Rede!

👉️ 535.

Der Diener. Gehorsamer Diener! Mag ein pfiffiger Bedienter in oder außer der Comödie noch so ungeschliffen gegen seinen Herrn seyn; kein Herr, folglich auch kein Publikum darf’s [121] ihm übel nehmen; sobald er nur zu rechter Zeit, auf dem Theater, etwa kurz vor seinem Abgehn, einlenkt, und irgend eine Handlung begeht, die ihn ersichtlich von seinem Herrn geziemend unterscheidet.

536.

Sechster Auftritt.

Der Oheim (tritt ein, die Hände auf dem Rücken, auf und ab.) Keine Minute mehr sollt’ ich der Närrinn Bedenkzeit geben. Kann Frau werden und ziert sich. Und wessen Frau? wessen Schwiegertochter? Die Frau des vortrefflichen Hans von Birken, der sich in allen Wissenschaften, so wie auch im Landbau und Gott weiß worin sonst noch, umgesehen hat; der der Sohn eines ehrlichen Deutschen ist, dem ich mein Wort gegeben habe. – – Also, keine Geduld mehr! (Einen Brief hervorziehend) Nach diesem Briefe keine Geduld mehr! keine! (klingelt. Das Kammerm. tritt ein) Meine Mündel, das Fräulein! Sogleich! (Das Kammerm. ab.) Warten Sie, Mamsell, hier gilt’s kein Maulspitzen, hier muß gepfiffen seyn.

[122] 537.

Der Liebh. Zu leben haben wir, also – –

538.

Siebenter Auftritt.
Der Oheim. Die Nichte.

Die Nichte. Sie haben mich rufen lassen, Herr Onkel?

539.

Die Nichte. Mein – unser Unglück ist gewiß, wenn meine Heirath mit dem Sohne des alten Freundes meines Vaters wirklich vollzogen werden soll.

👉️ 540.

Der Liebh. Und welche Handlung, zum Beispiel.

541.

Der Oheim. Der ein Sausewind ist – ein Johann ohne Land – –

542.

Die Nichte. Mein Herz ist aber schon verschenkt.

[123] 543.

Der Oheim. Nun, zärtliche Daphne?

544.

Die Nichte. Sie verlangen, daß ich mich opfern, meinem Geliebten entsagen soll?

545. 👈️

Der Diener. Sie heißt: stummes Spiel. (Er ordnet mit vieler Ceremonie Etwas an der Kleidung seines Herrn, tritt dann zurück und verbeugt sich, als wolle er sagen: „Ich bin fertig.“)

546.

Die Nichte. Erfahren Sie, daß der Prozeß meines Geliebten – –

547.

Die Nichte. Geben Sie mir keine Frist?

548.

Die Nichte. Sie bringen mich um’s Leben.

549.

Die Nichte. Herr Vormund, Sie mißbrauchen Ihre Gewalt über mich!

[124] 👉️ 550.

Der Liebh. Ei, ei! Du hast Deinen Character ja gut studiert; fast zu gut für einen gewöhnlichen Intriguenspieler in den Comödien: denn die haben selten Character. Nun – voran!

551.

Die Nichte. Immerhin, wenn es Ihnen Vergnügen macht; jedoch zugleich bin ich auch ein bejammernswerthes – –

552.

Der Oheim. Hüte Dich, wenn ich erst Gewalt – –

553.

Der Oheim. Nein, nein, nein! ein widerspenstiges –

554.

Die Nichte. Herr Onkel?

👉️ 555.

Der Diener (geht ab)

Der Liebhaber (folgt ihm.)

556.

Der Diener. Er steht vor der Thür.

[125] 557.

Der Oheim. Fort, in’s Carcer! sagte mein hochseliger Rector, wenn ich ihm weißnasig über den Schnabel gefahren war. Fort, auch in’s Carcer mit Dir! Eingesperrte Vögel – zahme Vögel! Marsch!

558.

Die Nichte. – das sie in’s Verderben bringen wollen.

559.

Das Kammerm. Herein mit ihm, und Du komm’ auch wieder. Man braucht Dich, man braucht mich – (der Diener ab) (allein.) Ach! was braucht der Mensch nicht Alles! Wir brauchen Entwicklung, denn die Verwicklung hat hier schon tüchtig überhand genommen.

560. 👈️

Eilfter Auftritt.
Das Kammermädchen.

561.

Der Oheim. – Sich einem Manne hinzugeben. [126] Wie viele tausend Mädchen haben das schon gethan!

562.

Der Diener. Herr, der Ihrige mit Leib und Seele! (zu dem Kammerm.) Sprich, Du Orakel uns’rer List. Was ist zu thun?

563.

Der Diener. List? Das ist Wasser auf meine Mühle.

564.

Der Diener. Da sind wir.

👉️ 565.

(Sie kommt aus dem Kabinette.) Wenn ich so fortfahre, werde ich der Kammermädchen vorzüglichstes; würdig daß ein Dichter eigends für mich ein Almanachslustspiel schreibt, um mich unsterblich zu machen. Kaum wird’s nöthig, einen Brief zu stehlen – husch! hab’ ich ihn weg. Wie ich es gemacht habe, das ist nicht nöthig anzugeben: Genug, ich habe ihn gestohlen und – da ist er! Fort damit an den Ort seiner Bestimmung! (Ab.)

[127] 566.

Der Liebh. Gewiß nicht! Ein mattherziger Liebhaber, der in solchem Falle ein Paar hundert Dukätchen springen zu lassen scheuet!

567.

Das Kammerm. Nur nicht getobt! Damit wird uns nicht geholfen. List allein – –

568.

Der Liebh. Also wirklich gefangen die Königinn meines Herzens?

569.

Das Kammerm. Nicht doch! nicht doch! (zum Diener) Sage nur, sprich nur – –

570. 👈️

Zwölfter Auftritt.
Der Oheim. Der Liebhaber.

(Beide zur Mittelthür herein.)

571.

Das Kammerm. Wie entledigen wir uns des Kommenden?

[128] 572.

Der Diener. Das werd’ ich. Ein Genie, wie ich bin, wandelt eigene Wege.

573.

Das Kammerm. So sag’ endlich, wie willst Du’s anfangen?

574.

Der Diener. Soll ich’s aussprechen? Soll ich meinen Plan entdecken, bevor ich ihn noch ausführe? Kann es meinem Rufe schaden? „Hannchen hier – die berühmte Sängerin spricht abwägend der berühmte Stadtcommandant Rummelpuff. Mein Genie hängt sich an die Eine Schaale – sie sinkt! Wohlan ich entdecke meinen Plan und setze ihn doch durch.

👉️ 575.

Der Oheim. Herr! halten Sie mich für einen albernen Comödienonkel, mit dem Sie machen können, was Sie wollen? Hab’ ich Ihnen nicht jede Hoffnung auf die Hand meiner Nichte längst benommen? Dennoch suchen Sie mich auf?

[129] 576.

Das Kammerm. Nun, so entschließe dich zu einem noch nie erhörten Mittel.

577.

Das Kammerm. Weiter! (zugleich)
Der Liebh. Was sollen die Possen?

578.

Das Kammerm. Ja, das weiß ich nicht.

579.

Der Liebh. Narr! (zugleich)
Das Kammerm. Gaudieb!

580. 👈️

Der Liebh. Ja, mein Herr! Ich war schon einmal hier, Sie zu sprechen. Sie waren aber noch nicht sichtbar.

581.

Der Diener. Lerne ihn sogleich in meiner Person kennen.

582.

Der Diener. Das macht nichts aus. Ich [130] mystificire den Alten, da nennt er mir den Namen, ohne daß er’s weiß. Das ist ein noch nicht ganz abgenutzter Kunstgriff, dessen ich mich also nicht zu schämen habe.

583.

Der Liebh. Tollhäusler! (zugleich)
Das Kammerm. Doppelzüngler!

584.

Zehnter Auftritt.
Der Liebhaber. Der Diener.

👉️ 585.

Der Oheim. Herr, ich bin es noch jetzt nicht, für Sie nicht, für Ihr Anliegen nicht, das mir zur Genüge bekannt ist. Sie wollen meine Nichte heirathen, und mit derselben ihr nicht unbedeutendes Vermögen.

586.

Der Diener. Will sich nicht kund geben lassen. Die Leitung des Planes ist allein mein Werk. Sie sind die mir folgende Person.

587.

Der Liebh. Einen Augenblick! Der Brief, [131] dessen vorhin erwähnt ward, könnte uns vielleicht Licht geben; hätten wir ihn nur!

588.

Das Kammerm. (entfernt sich, dankend)

589.

Der Liebh. Aber willst Du mir nicht vorher sagen – –

590. 👈️

Der Liebh. Ihr Wort in Ehren, wenn es wahr wäre; allein es ist nur halb wahr. Ich will nur Ihre Nichte und bitte – –

591.

Das Kammerm. Herrlicher Einfall! Fort, ob ich ihn dem Alten wegmausen kann.

592.

Der Diener. O, nehmen Sie es ja nicht übel! Ich dachte eben, wir ständen auf dem Theater, und da pflegts in einer Situation, wie die unserige, nicht selten so zwischen Herrn und Diener her zu gehen.

593.

Der Diener. Nach Ihrem Gefallen.

[132] 594.

Der Diener. Allerdings bin ich das; doch muß man das Pflichtgefühl nicht total verletzen.

👉️ 595.

Der Oheim. Ist unnütze Mühe; denn ich will unerbittlich seyn, und wenn Sie sich auf den Kopf stellen.

596.

Der Diener (nimmt des Herrn Hut und Stock, welche dieser auf den Tisch gelegt hatte, wischt mit dem Aermel über den Hut, reicht ihm beides hin und fragt:) Befehlen Sie sonst noch Etwas?

597.

Der Diener. „Aufzuwarten!“ Schon durch dieses Wort kann ein verschmitzter Diener sein loses Maul gegen seinen Herrn rechtfertigen. „Aufzuwarten!“ sagt er und begeht dabei irgend eine Handlung, die seinen Abstand von seinem Herrn bewahrheitet.

598.

Der Oheim. Wie, mein Herr? Sie haben [133] die Frechheit hieher zu kommen? sogar nach mir zu verlangen?

599.

Der Liebh. Warum das eben?

600. 👈️

Der Liebh. Was haben Sie an mir auszusetzen?

601.

(Zur Seite herein.) Glücklich erschnappt! Ein Kammermädchen, das ihres alten Hausherrn Schwächen nur zur Hälfte kennt, muß dergleichen unschuldige Diebesgriffe im Blinden machen können. – Wo ist denn mein Comödienspieler? Schon fort? – – O weh! ich höre Lärm. Es ist der Alte. Fort durch die Hinterthür, ehe er mich mit dem Briefe gewahr wird. (Ab.)

602.

Der Diener. (Ab.)

Der Liebh. (folgt ihm nach.)

603.

Zwölfter Auftritt.
Der Oheim. Der Liebhaber.

(kommen Beide zugleich.)

[134] 604.

Der Liebh. Ich beschwöre Sie, meinen Bitten nachzugeben. Ich bin im Stande meine künftige Frau zu ernähren –

👉️ 605.

Der Oheim. Sie sind mir unausstehlich!

606.

Der Liebh. Ich aber nehme die Flucht mit ihr, sobald sie frei seyn wird.

607.

Der Oheim. Noch lange nicht so sehr, als ich es seyn müßte, um Euren Comödienvormündern zu gleichen.

608.

Der Oheim. Das will ich für mich behalten.

609.

Der Oheim. Das werd’ ich; doch nimmermehr auf Ihren Befehl.

👉️ 610.

Der Liebh. Sie sind sehr kurz angebunden.

[135] Der Oheim. Bin nun einmal so, und um diesem Gespräch ein Ende zu machen, erfahren Sie, daß Ihre Dulcinea eingesperrt bleibt, bis – –

611.

Das Kammerm. Der Bräutigam.

612.

Der Diener (der sich in seiner wahren Gestalt zeigt) Ihres gehorsamsten Dieners schlaues Werk.

613.

Das Kammerm. (heimlich zum Liebh.) Was wollen Sie denn hier?

614.

Das Kammerm. (heimlich zum Liebh.) Wie? Sie hier? Jetzt?

615. 👈️

Der Liebh. Sie sind ein Grausamer, ein Unchrist, ein Türke, ein Tyrann!

616.

Der Liebh. Ich ziehe mich zurück –

[136] 617.

Der Oheim. Warum zögert denn der Herr Bräutigam einzutreten? Soll ich ihm etwa entgegen gehen?

618.

Vierzehnter Auftritt.
Der Oheim. Das Kammermädchen.

Der Diener (abentheuerlich gekleidet; je auffallender, je besser, wäre sein Costüm auch noch so unwahrscheinlich, ja sogar abgeschmackt: dergleichen gefällt. Das Nach-Außengestalten führt auf die höchste Staffel der Kunst.)

Der Oheim. Willkommen, willkommen! Sie sind – –

619.

Der Liebh. (ab)

Das Kammerm. (die Thür öffnend) Der junge Herr kommt –

Der Oheim. Näher! näher!

👉️ 620.

Der Oheim. Herr, ich begreife Sie nicht. Gehe ich nicht ganz ein in das Wesen heutiger Moden- Romanen- und Comödien-Welt? Thue [137] ich nicht Alles, was ein Onkel und Vormund thun muß, um interessant zu seyn?

621.

Der Liebh. – aber ich kehre zurück.

622.

Der Liebh. (ab)

Das Kammerm. Der Bräutigam tritt in’s Haus.

Der Oheim. Führ’ ihn herein zu mir.

Das Kammerm. (öffnet.)

623.

Der Oheim. Wiewohl ich entzückt bin über Ihre pünktliche Ankunft, so bin ich doch ein wenig verwundert über – –

624.

Der Liebh. (ab.)

Das Kammerm. Der Freier tritt schon ins Haus.

Der Oheim. Hieher! In dies Zimmer! Oeffne!

Das Kammerm. (thut es.)

[138] 👉️ 625.

Der Liebh. Lassen Sie sich erbitten. Mein Prozeß ist zwar noch nicht gewonnen, aber dennoch habe ich Unterhalt für meine künftige Frau. – –

626.

Der Diener. Daß ich ein Narr wäre, und auf solche Frage antwortete.

627.

Der Diener. Allerdings! um Sie über sich selbst zu belehren. Kann es wohl vernünftig von Ihnen gehandelt seyn, wenn Sie mich noch nach einem Namen fragen, den Sie schon wissen müssen? Ein unnützer Frager, mein Herr, ist der abgeschmackteste Pedant – –

628.

Der Diener. Unbezweifelt wissen Sie, wie ich heiße. Ein Schreiben meines Vaters ist seit gestern oder seit vorgestern in Ihren Händen –

Der Oheim. Nun ja doch, aber – –

[139] 629.

Der Diener. Fiekchen troll Dich! Auf solche Frage antwortet kein Mensch, der, wie ich, die Welt von hinten und von vorn gesehen hat.

630. 👈️

Der Oheim. Und stäcken Sie im Golde bis über die Ohren. Ich habe Charactervestigkeit, bin also kein Comödienonkel, und gebe ihnen die Dirne nicht.

631.

Der Diener. Sie zweifeln noch, daß Ihnen mein Name bekannt sey? Als ob Ihnen mein Vater nicht erst kürzlich geschrieben hätte!

Der Oheim. Wohl, wohl; jedoch – –

632.

Der Oheim. Unsinn und kein Ende! Doch wollten Sie diese Frage aus meinem Munde hören?

633.

Der Diener. Sehen Sie wohl! Und dennoch hätten Sie wieder mich fragen müssen, wie ich heiße.

[140] 634.

Der Diener. Als ob nicht ein Anderer mich vorstellen könnte, um Sie zu betrügen, mich zu hintergehen, uns Beide zu täuschen –?

👉️ 635.

Der Liebh. Mein Herr, Ihr lakonisches Wesen wird ein Ende nehmen. Nothwendigkeit wird Sie zwingen, den Kerker meiner Geliebten zu öffnen.

636.

Der Oheim. Nicht im Geringsten.

637.

Der Diener (einlenkend) Doch allen Zwist bei Seite. Ich soll die Ehre haben, mit Ihnen verwandt zu werden. Da könnt’ ich nun wieder belehrend bemerken, daß dazu Ihre Fräulein Nichte nothwendig sey, und daß Sie mich derselben noch nicht einmal vorgestellt haben. Aber sicher wollen Sie mich jetzt zu ihr führen.

638.

Der Oheim. Herr, Sie wollen mich rasend machen.

639.

Der Oheim. Zu dienen, mein Herr. Meine Nichte soll gleich hier seyn. Rufe sie her! [141] (Er spricht dem Kammermädchen in’s Ohr und reicht ihr heimlich einen Schlüssel)

Das Kammerm. Augenblicklich werde ich wieder hier seyn. (Ab.)

640. 👈️

Der Oheim. O ja, das werd’ ich. Aber keine Secunde eher, als ich es für gut finde.

641.

Der Diener. Ein Mensch wie ich, zieht nur sich zu Rathe. Sie aber haben auf mich zu hören.

Der Oheim. Nein, sag’ ich; denn meine Nichte wird mir folgen, wird Ihnen die Hand reichen, und der Notar soll sogleich – –

642.

Der Diener. Wie? Sie halten es nicht der Mühe werth, mich zu lieben? Mich nicht? Wissen Sie, wer ich bin? Ich bin der junge Herr von **, der beste, vortrefflichste, gelehrteste, belesenste, erfahrenste, liebenswürdigste, unvergleichlichste, unnachahmlichste, vollkommenste [142] Sohn meines Vaters; denn ich bin sein einziger Sohn, also – –

Der Oheim. Nur gelassen mein Herr. Meine Nichte wird sich besinnen, lassen Sie sie nur Worte finden.

643.

Der Diener. Ihr verschriebener, aus allen Theilen der Welt verschriebener Bräutigam; denn ich bin in allen Theilen der Welt gewesen, und kann die Zeit nicht erwarten, der Ihrige zu werden. Schlagen Sie also ein, und – –

644.

Der Oheim. Mit dem Menschen ist kein Auskommen.

Die Nichte. Doch wollen Sie mich mit ihm verheirathen?

👉️ 645.

Der Liebh. Alles ist zu meiner Flucht mit ihr bereit. So wie sie frei ist, fahre ich mit ihr an die Grenze und lasse mich mit ihr copuliren.

646.

Der Diener. Was Contract? Was Notar? [143] Meine Hand wird nur durch die Liebe verschenkt, nicht durch einen Bogen Papier, und wenn alle Behörden der Welt ihre Stempel drauf gedrückt hätten.

Der Oheim. Das wollen wir sehen, junger Herr. Sie sind kurz angebunden; ich will noch kürzer angebunden seyn. Sie wollen meine Nichte nicht? Das wird sich finden. Gegen Ihren Herrn Vater werden Sie sich doch hoffentlich nicht empören? Und der will diese Heirath, drum müssen Sie sich darein fügen.

647.

Der Diener. Ganz recht. Bräutigam und Braut. Machen Sie schnell, daß Mann und Frau daraus werden.

648.

Die Nichte. Lassen Sie den Herrn immer fort sprechen. Er hat mein Nein gehört, und weiter hab’ ich ihm Nichts zu sagen.

Der Oheim. Widerspenstige Thörinn!

649.

Der Oheim. Herr, lassen Sie sich doch bedeuten –

[144] Der Diener. Ich mag nicht, ich will nicht, ich thu’s nicht!

👉️ 650.

Der Oheim. Verrückter Plan, an welchem nichts Kluges ist, als daß Sie mir ihn vorher verrathen. Doch erfahren Sie, daß ein ganz Anderer meine Nichte heimführen wird, daß derselbe verschrieben ist, und daß er kommt.

Der Liebh. Wie?

651.

Der Oheim. Gehen Sie mir vom Leibe.

Der Diener. Das werd’ ich bleiben lassen. Auf Sie losgehen werde ich. Sie haben mich verschrieben und ich bleibe, weil ich da bin. Das Recept zu Ihrer letzten Stunde haben Sie sich selbst mir in die Feder dictirt; als geschickter Pharmaceut rühre ich Ihnen das Tränkchen ein, wodurch Sie in einen Leichnam verwandelt werden sollen –

652.

Der Diener. Sie haben einen Marstall, ich weiß es, einen köstlichen: Gut! An meinem [145] Hochzeittage vernagele ich Ihre sämmtlichen Pferde, und will Ihnen nichts zum Ersatz lassen, als die lahmste Stute, die ich zehn Meilen in der Runde auftreiben kann.

Der Oheim. Unsinniger!

Der Diener. Und glückt mir das nicht, so schmiere ich den Pferden Butter in’s Heu –

653.

Der Oheim. Herr, ich werde Sie zum Hause hinaus werfen.

Der Diener. Das ist etwas anderes. Das lass’ ich mir gefallen, denn alsdann brauch’ ich die Mamsell nicht zu heirathen. Fangen Sie also an; werfen Sie!

654.

Der Diener. Seyn Sie unbesorgt! Noch haben Sie das letzte Hemd nicht an; aber ich werde den Wunsch nach demselben in Ihnen rege zu machen wissen. Alle Lebensfreude werde ich Ihnen versalzen, verpfeffern, vergällen, verbittern! Ich weiß es, Sie sind kein Freund von Blaseinstrumenten, Sie bekommen Krämpfe, [146] wenn Sie dieselben hören: Gut! Ich blase das Waldhorn – Trurutrutru! Ich will Sie schon ängstigen.

👉️ 655.

Dreizehnter Auftritt.
Die Vorigen. Das Kammermädchen.

656.

Der Diener. Ihr Register hat ein Loch! sagt Spiegelberg oder Glasberg. Sie haben den Bräutigam weggelassen. Wie? wenn der nun kommt?

657.

Der Diener. (z. Kammerm.) Wir Beide werden wahrhaftig nicht hier bleiben.

Das Kammerm. Gewiß nicht!

658.

Letzter Auftritt.
Der Liebhaber. Die Nichte. Das Kammermädchen. Der Diener.

Die Nichte. Wie kam denn das so plötzlich?

659.

Der Liebh. Einerlei! uns hohlt er nicht ein: wir sind dann längst fort –

[147] Die Nichte. Weit hin, zur Freistatt der Liebe!

660. 👈️

Das Kammerm. Schon ist er da.

Der Oheim. Himmelsbotinn! Nimm dies Achtgroschenstück für diese Kunde. Er ist es doch wirklich?

661.

Das Kammerm. Freilich, freilich! In Einem Act, und betitelt?

Die Nichte. Ohne Weiteres: Der Liebhaber und sein Diener.

Der Diener. Zu viel Ehre für mich.

Der Liebh. Nun dann: Lakaienwitz und Zofenschlauheit.

Das Kammerm. Mich bitt’ ich aus dem Spiele zu lassen. Ich habe nichts dabei gethan, als einen Brief gemauset, den wir nicht einmal brauchten.

Der Diener. Und was ich dabei that, geschah hauptsächlich um Deine Hand, Du allerliebste Schelminn, dadurch zu gewinnen. Also heiße das Stück: Alles für sein Mädchen, [148] nach dem Spanischen: Todo por su dama. Das wird den Leuten spanisch vorkommen. Aber um so eher applaudiren sie wohl.

662.

(Der Vorhang fällt.)

663.

Zweiter Auftritt.
Die Nichte. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Freilich bin ich’s, meine Gebieterinn.

664.

Die Nichte. Theure Vertraute, werde ich ihn je besitzen?

👉️ 665.

Das Kammerm. Ei freilich; der Bräutigam –

666.

Die Nichte. Meines Onkels Absicht – –

667.

Zweiter Auftritt.
Die Nichte. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Da bin ich. Ohne mich geht es nicht.

[149] 668.

Das Kammerm. Das Glück will Zeit haben. –

669.

Personen.

  • Der alte Kommerzienrath.
  • Blanka, dessen Nichte.
  • Dorette, ihr Mädchen.
  • Von Wangenheim.
  • Schnurr, dessen Diener.

(Die Scene ist ein Zimmer.)

670. 👈️

Der Oheim. Hörten Sie die Botschaft aus diesem schnippischen Munde? Was nun, junger Herr?

671.

Die Nichte. Ja, wenn mein strenger Oheim nicht –

672.

Der Liebh. Ach! ich sehe auf Deine Weise keinen Ausweg.

673.

Die Nichte. Laß Dich umarmen!

[150] 674.

Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Der Liebhaber.

Der Liebh. (hereineilend, umfaßt sie) Heißgeliebte!

👉️ 675.

Das Kammerm. (heimlich zum Liebh.) Aber mein Himmel, warum sind Sie hier?

676.

Die Nichte. Die fatalen Briefe des Onkels!

677.

Die Nichte. Trauter, bist Du mir denn noch gut?

678.

Vierter Auftritt.
Die Nichte. Der Liebhaber.

Die Nichte. Uebermaaß schadet, auch in der Liebe. – Prüfen wir jetzt vielmehr – –

679.

Die Nichte. Mit nichten. Ich will klüger seyn, als manche andere verliebte Mädchen. [151] Ich will meine reiche Mitgift nicht leichtsinnig in die Schanze schlagen. Also laß uns auf Mittel sinnen.

680. 👈️

Der Liebh. Aus Vorsicht, daß der Alte nichts merken sollte, der mich mit meinem Bedienten auf der Treppe ertappte.

681.

Siebenter Auftritt.
Der Oheim. Die Nichte.

Die Nichte. Was steht zu Ihren Diensten, Herr Oheim?

682.

Die Nichte. Der Sohn seines Freundes soll durchaus meine Hand erhalten: so will es mein Oheim.

683.

Die Nichte. Still! Ich bin keine blöde Liebhaberinn aus Jüngers Entführung. Ich habe Tendenz, und Tendenz will das haben, was ihr zukommt, ich also mein Heirathsgut. Darum müssen wir nachsinnen.

[152] 684.

Der Liebh. Laß uns fliehen; eine Freistatt suchen, wo die Liebe ungestört – –

👉️ 685.

Der Oheim. Aber wo ist denn der junge Herr?

686.

Sechster Auftritt.

Der Oheim (einen offnen Brief in der Hand, tritt auf) Das ist wahr: Mein alter Freund von Eschen geht langsam, aber sicher. Wie schreibt er da, wie er sein Söhnlein herausstaffirt hat, ehe er ihn auf die Freyte schickte? Willkommen denn, junger Herr Jeremias! Morgen, vielleicht heute noch sollen Sie eintreffen? Immerhin! ich wollte Sie wären schon hier, daß das Gezier meiner Mündel ein Ende hätte; denn nehmen muß sie Sie, mein Herr Jeremias. Sie sind brav, reich, gut erzogen, strotzen gleichsam von Kenntnissen aller Art – welche treffliche Partie für meine Nichte. – Aber wo ist sie denn? Sie pflegt doch sonst um diese Zeit hier zu seyn? [153] – Holla! (Er klingelt. Das Kammermädchen tritt in die Thür) Meine Nichte will ich sprechen, unverzüglich!

Das Kammerm. Wie Sie befehlen. (Ab)

Der Oheim. (allein) Will ihr kurz und rund mein Ultimatum in dieser Sache zu verstehen geben.

687.

Die Nichte. Bester Herr Onkel – –

688.

Der Oheim. Nun, nehmen Sie sie hin, aber schaffen Sie mir den da (auf den Diener zeigend) vom Halse.

Der Liebh. Mit Vergnügen.

Der Oheim. Und auch Sie reisen ja wohl bald mit Ihrer cara amata? –

689.

Die Nichte. Mein Lebensglück – –

690. 👈️

Das Kammerm. Schnetterdeng! blies der Postillion. Die Passagiere stiegen ab, ein junger Herr fragt mit flüchtigen Worten den [154] Schirrmeister nach Etwas; dieser zeigt mit dem Finger und der junge Herr bewegt sich auf unser Haus zu.

691.

Der Oheim. Larifari!

692.

Der Oheim. Doch wohl nicht gar Thränen, Mamsell?

693.

Die Nichte. Sein Prozeß ist entschieden, gleichviel ob zu seinem Gunsten oder Nachtheil; denn in jedem Falle – –

694.

Der Oheim. – Liegt in den Händen Ihres mit jeder Secunde näher kommenden Verlobten –

👉️ 695.

Der Oheim. Ich bedauere Sie. Sie gingen nach Wolle und kommen geschoren nach Hause. Aber warum gingen Sie auch nach Wolle, wo für Sie keine Schäfchen zu scheeren sind?

[155] 696.

Der Oheim. Sey ruhig. Wenn das Brautkleid fertig ist, schlägt auch die Stunde Deiner Auferstehung.

697.

Die Nichte. Sagen Sie ein unglückliches, ein beispiellos unglückliches –

698.

Die Nichte. Sie weihen mich dem Tode.

699.

Die Nichte. Nur noch Aufschub, bester Onkel.

700. 👈️

Der Liebh. Ich trete ab –

701.

Der Oheim. Faxen! „Jungfer, will Sie anwesenden Herrn von ** zum ehelichen Gemal?“ – Aufgewacht ist die Todte! Antwort: Ja!

702.

Der Oheim. Mit nichten! Ein abgeschmacktes.

[156] 703.

Die Nichte. (weinend) Sähe meine gute Mutter, wie Sie mit mir umgehen!

704.

Die Nichte. – elend zu werden –

👉️ 705.

Der Oheim. Adieu!

706.

Der Diener (in der Thür) Freilich!

707.

Der Oheim. Fort, Mamsell, man wird mit Ihnen Rechtens verfahren.

708.

Die Nichte. – Das sich in Ihr tyrannisches Machtgebot fügen soll –

709.

Die Nichte. Herr Onkel, ich beschwöre Sie! ist das ein gerechtes Verfahren?

👉️ 710.

Der Liebh. Aber ich komme wieder.

[157] 711.

(hinausredend) Nur einen Augenblick. Er ist fort. Gleich rufe ich, wenn nemlich die Luft ganz rein ist. (am Kabinet) Ja, der Alte ist hinaufgegangen. Es ist seine Stunde, in welcher er die Zeitung zu lesen pflegt. – Flink! Nur näher! Ist dein Herr bei Dir?

712.

Der Oheim. So nehmen Sie sie hin, damit ich Ruhe vor dem Rasenden habe. – Adieu, mein Herr. Auch Ihr reiset wohl bald, lieben Kinder?

713.

Der Oheim. Allergnädigste Prinzessin Widerspruch, die Comödie geht zu Ende; machen Sie, daß Sie nicht ausgezischt werden. Seyn Sie vernünftig!

714.

Neunter Auftritt.
Das Kammermädchen. Der Liebhaber. Der Diener.

[158] 👉️ 715.

Der Oheim. Dessen bedarf es nicht.

716.

Das Kammerm. Leider! ihre schöne Freiheit ist hin.

717.

Das Kammerm. Gelassen! Wo Liebe ist, da findet sich auch List; auch manchmal Verlegenheit: das hat schon Kotzebue gewußt, was sollten wir’s nicht wissen?

718.

Der Diener. Da sind Herr und Diener!

719.

Das Kammerm. Hilf und baue auf die Großmuth deines Herrn. Wenn ich sogar ein Uebriges an Dir thun will, wird er gewiß nicht unterlassen Dich reichlich zu belohnen.

👉️ 720.

Der Liebh. (Ab.)

Das Kammerm. Der junge Herr tritt ins Haus.

[159] Der Oheim. Herauf mit ihm!

Das Kammerm. (hält die Thür geöffnet.)

721.

Neunter Auftritt.
Der Kammerdiener. Der Liebhaber. Der Diener.

722.

Das Kammerm. Geschwind, laß hören –

723.

Der Diener. Nicht etwa wie dem Junker Hans von Birken will ich dem Freier ein Rührspiel vorspielen. Nichts da! Ich weiß bessern Rath.

724.

Das Kammerm. Mein Ohr lauschte, mein Herz pochte, vor Aerger nemlich. Denke nur nicht gar, es pochte von etwas Anderem. Der Verlobte unserer Mamsell naht, morgen – heute schon vielleicht.

725. 👈️

Der Oheim. Das Kammermädchen.

[160] Der Diener (in ridikülem Aufzuge, der aus allen Modejournalen Europa’s stückweise entlehnt seyn kann, ganz nach dem Modell unserer unbärtigen Aesthetiker und schönen Geister, die bekanntlich die Gesetze der Einheit im Gebiet des eigentlich Schönen als Hirngespinnste eines veralteten Klassikers Griechenlands verachten, weil ein wahrer Aesthetiker, wie man weiß, kein Griechisch zu verstehen braucht.)

Der Oheim. Wie glücklich bin ich, daß ich Sie endlich kann willkommen heißen.

726.

Der Diener. So denk’ ich auch. Ich werde einen edeln Kampf kämpfen für meinen Herrn und Gebieter.

727.

Der Liebh. Ja, ja, laß uns wissen – – Die Wände haben hier doch keine Ohren?

728.

Das Kammerm. Wie verleiden wir es dem Junker, in die dargebotene Schüssel zu tauchen?

729.

Der Diener. Ja. Hier steht er. Ich bins, ich spiele den feinen Herrn von ** – – Wie heißt er?

[Ξ]

[Ξ] [161] 730. 👈️

Der Diener. Mein Herr, ich komme Sie zu beglücken. Betrachten Sie mich. Vernehmen Sie mich. Hören Sie mich. Wie gefalle ich Ihnen?

731.

Der Liebh. Witzbold! (zugleich)
Das Kammerm. Spitzbube!

732.

Der Oheim. Um Gottes willen! schonen Sie meiner!

Der Diener. Nimmermehr, wenn Sie nicht nachgeben. Sie wollen sich selbst nicht verschonen, wie soll ich Ihrer schonen?

733.

Das Kammerm. Wer hat sich um den Namen gekümmert!

734.

Das Kammerm. Prahlhans! (zugleich)
Der Liebh. Possenreißer!

735. 👈️

Der Oheim. Mein Herr, ein wenig Verwunderung, [162] die Sie mir einflößen, abgerechnet, bin ich entzückt – –

736.

Das Kammerm. Du also? (zugleich)
Der Liebh. Guter Einfall!

737.

Der Diener. Einerlei! Auch heißen solche Wichte gewöhnlich von Birken oder Bocklümmel, oder Feldkümmel –

738.

Der Diener. Thu’ es; aber es muß flink geschehen. Wenn Du ihn hast, wirf ihn mir über die Gartenmauer.

739.

Zehnter Auftritt.
Der Liebhaber. Der Diener.

👉️ 740.

Der Diener. Verwunderung? Entzücken? Was will das heißen? Wie sagt der Franzose? Was müssen Sie werden durch meinen Anblick? troublé, cajolé, écrasé, mortifié, massacré, [163] transformé, analysésacré nom de Dieu! Wie sagt der Engländer? troubled, bubbled, coaxed, boxed, plucked, sucked, huddled, puddled, washed, plashedBless my soul!Good morning, SirAs you like itAll in the wrongMeasure for measure! (paukt auf den Tisch.)

Der Oheim. Herr, lassen Sie uns vernünftiges Deutsch reden.

741.

Der Diener. Läßt sich nicht sagen. Sie haben hier Nichts zu thun, als mir zu folgen.

742.

Der Liebh. Mir kommt ein Einfall. Wie? wenn wir des Briefes Herr wären, den der Oheim meiner Geliebten gestern erhielt?

743.

Das Kammerm. Ei, Sie allerliebster Herr! (Ab.)

744.

Der Liebh. Wie aber? Was hab’ ich bei der Sache zu thun?

[164] 👉️ 745.

Der Diener. Nur Geduld, mein Herr! Hier redet jetzt Niemand außer mir. Wissen Sie’s, mein Herr, daß ich die Welt habe kennen gelernt, wie meine Zahnstocherbüchse? Die berühmtesten Staatsmänner, z. B. der Herausgeber der alten oder neuen Feuerbrände, die berühmtesten Schriftsteller, z. B. der Herausgeber der Berliner Schnellpost, sind mit mir auf Du und Du. Als jene berühmten Doctoren und Männer vom Verdienstorden – pour le mérite – nach Brasilien reiseten, schrieb ich ihnen Beiträge über die Länder- und Völkerkunde jenes uralten Kaiserreichs. Und wo saß ich als ich diese Beiträge schrieb? Herr, auf meines Vaters Landgute Zippelsdorf in Hinterpommern im Kuhstall, weil ich zu der Zeit gerade eine Milchkur gebrauchen mußte –

Der Oheim. Herr, zuviel ist zuviel! Ich wollte Sie säßen noch da.

746.

Der Diener. Freilich geziemt mir das [165] Prädicat Herr hier; jedoch ich werde bescheiden seyn.

747.

Der Liebh. Narr! und doch eben keiner von den schlimmen. Geh voran nur!

748.

Der Diener. Muß nicht in Comödien der Diener ein loses Maul gegen seinen Herrn haben? Indessen wollt’ ich’s mit Ihnen nicht so gemeynt haben. Verzeihen Sie!

749.

Der Diener. Beliebt’s Ihnen? Ja!

750. 👈️

Der Diener. Welche Einwürfe! Welche Zwischenrede! Erfahren Sie, daß ich hier – wenigstens für diesen Augenblick – die Hauptrolle zu spielen habe. Wenn ich nicht gekommen wäre, so wäre ich nicht hier; wenn ich nicht hier wäre, könnte ich Ihre Demoiselle Nichte nicht heirathen; wenn ich Ihre Demoiselle Nichte nicht heirathe, wird sie höchst wahrscheinlich eine alte Jungfer; wenn sie eine alte Jungfer wird, [166] so wird sie unstreitig abgeschmackt, albern, bigott, lästermäulig, habsüchtig, neidisch, geizig, zänkisch! Wer also ist hier die Hauptperson? Warum fallen Sie mir also in’s Wort?

751.

Der Diener. Ehre, die ich noch erst verdienen muß. Drum will ich auch noch so eigentlich keinen Gebrauch davon machen.

752.

Der Diener. das ist das Vorrecht eines verschmitzten Bedienten in den Comödien, nasenweis zu seyn. Wenn wir nun hier auch keine Comödie spielen, so sieht es doch aus, als ob wir’s thäten.

753.

Der Oheim. Bin’s auch noch nicht. Wenigstens für Sie nicht. Ich weiß, was Sie wollen. Meine Mündel und mit derselben ihr nicht unbedeutendes Vermögen.

754.

Der Diener (ab)

Der Liebhaber (folgt ihm.)

[167] 755. 👈️

Der Oheim. Ich weiß wahrhaftig nicht – –

756.

Der Oheim. Auch bin ich es noch nicht; wenigstens für Sie nicht. Weiß ich doch, ohne daß Sie ein Wort reden, was Sie wollen. Sie wollen Geld und nebenher ein Mädchen, meine Mündel, heirathen.

757.

Der Oheim. Und wenn Sie knieend bäten; sich bittend wund knieeten – Ich sage Nein! Nein! Nein!

758.

Der Oheim. Albernheiten! Ganz andere Leute sind zu solcher Kerkeröffnung außer Ihnen und mir vonnöthen. Kennen Sie den jungen Herrn von **? Er wird kommen.

Der Liebh. Was sagen Sie da?

759.

Der Liebh. Nun ja doch, mein Herr! Ich muß mit Ihnen reden. Schon einmal fragt’ ich heute nach Ihnen. Ich fand Sie nicht sichtbar –

[168] 👉️ 760.

Der Diener. Traurig genug! Hätten Sie, wie ich, klares Auffassungsvermögen und sichere Darstellungsgabe, so würden Sie anders mit mir verfahren. Vor Allen würden Sie mich längst gefragt haben: Mein Herr wer sind Sie? Wie ist Ihr werther Name?

761.

(tritt aus dem Kabinet) „Wer stehlen will, muß die Wege kennen, so hat er halbe Arbeit!“ ist eine Stelle aus dem Tugendspiegel für Kammerjungfern, gezogen aus vielen einactigen Lustspielen berühmter Autoren. Ob ich die Stelle begriffen habe? Ich sollt’ es meynen, denn der Brief ist in meinen Händen. Der Alte legte ihn neben seine Pfeife. – Doch wo sind Herr und Diener? Schon fort? Da muß ich nach. Geschwind über die Hintertreppe! (Ab.)

762.

Der Liebh. Nun dann, sobald sie frei seyn wird, gehe ich mit ihr durch.

[169] 763.

Der Oheim. Ich kann Sie nicht leiden.

764.

Der Liebh. Achten Sie auf mich. Ich mache Ihnen ja die vernünftigsten Vorstellungen. Zwar bin ich nicht reich, aber doch im Stande eine Frau in jeder Hinsicht glücklich zu machen.

765. 👈️

Der Oheim. Potz tausend Element! Mir steigt die Galle auf. So nennen Sie Ihren Namen.

766.

Der Liebh. Sehr kategorisch!

Der Oheim. Meynen Sie das? Ich meyne es auch. So sind wir ja einerlei Meynung, und da wird es Ihnen lieb seyn, zu vernehmen, daß Ihre zärtliche Schäferinn Stubenarrest hat.

767.

Der Oheim. Das werd’ ich; jedoch nicht, weil Sie es wünschen. Ganz andere Beweggründe werden dazu vorhanden seyn.

[170] 768.

Das Kammerm. Er ist da!

Der Oheim. Wer?

769.

Das Kammerm. In der Schwindlergasse hielt eine Landkutsche. Ein junger Herr stieg aus. Zwei Worte nur flüsterte er dem Wirth zum Einhorn in’s Ohr, da deutete dieser mit dem Finger auf unser Haus, gegen welches nun der junge Herr sich mit hastigen Schritten herbewegt.

👉️ 770.

Der Diener. Daß ich ein Narr wäre, und auf solche Frage Antwort gäbe!

771.

Das Kammerm. Ei gewiß ist’s Ihr Verschriebener!

772.

Der Oheim. Mein Herr, jetzt ist’s Zeit, daß Sie anderswo Ihre Fortüne suchen.

773.

Das Kammerm. Er ist schon gekommen.

[171] Der Oheim. wirklich? Was sagst Du?

774.

Das Kammerm. (heimlich zum Liebh.) Warum kommen Sie denn nochmals hieher?

775. 👈️

Der Oheim. Das ist zum Rasendwerden! Warum wollten Sie denn, daß ich Ihnen diese, eben diese Frage vorlegte?

776.

Der Oheim. Ich betrachte Sie mit freudigem Entzücken und mit Verwunderung.

777.

Der Liebh. Jedoch ich komme wieder.

778.

Der Diener. Ihr Glück, Ihr dauerndes, zieht mit mir in Ihr Haus. – Wie erscheine ich Ihnen?

779.

Der Diener. Was soll das? Wollen Sie mich ignoriren, verkennen, verlachen, verhöhnen, [172] verspotten, verachten, hintansetzen, geringschätzen –?

👉️ 780.

Der Diener. So ist’s. Alle wollen Alles kennen, Keiner will sich selbst erkennen. Kennten Sie sich gehörig selbst, so würden Sie Ihr Gedächtniß nicht zu einer Polterkammer machen, in welche Sie die Begriffe über Hals und Kopf hineinwerfen, so daß in entscheidendem Augenblick Sie nie den richtigen finden können. Freilich haben Sie darin einige Aehnlichkeit mit manchem deutschen Philosophen; aber mir gegenüber sollten Sie sich dessen schämen. Ihr Gedächtniß hätte Ihnen billig meinen Namen nennen sollen, noch ehe Sie darnach fragten.

781.

Vierzehnter Auftritt.
Der Oheim. Das Kammermädchen.

Der Diener. (Letzterer in lächerlicher von den Gesetzen der jüngsten Mode dictirten Kleidung, die an Handels- oder sonstigen Lehrjungen, auch an angehenden jugendlichen Aesthetikern aus Quarta oder Tertia, auch an etlichen solcher jungen Herren abzunehmen ist, denen schon in der Wiege eine [173] väterliche oder mütterliche Erbschaft von achtzig bis hunderttausend Thalern garantirt worden ist.)

Der Oheim. Zieh ein, Du Gesegneter, in mein Haus!

782.

Der Liebh. Aber, wenn ich zurückkehre –

783.

Der Diener. Ganz recht; denn Sie haben Sich noch nicht einmal nach mir erkundigt. Warum fragen Sie nicht, wie ich heiße?

784.

Der Diener. Ganz recht, um Ihnen tout bonnement zu beweisen, wie sehr Sie meines Umgangs, meiner Belehrung, meines Unterrichts, meiner Anleitung, meiner Forthülfe bedürfen; denn bedürften Sie dessen Alles nicht, so hätten Sie nicht gefragt, indem Sie die Antwort auf Ihre Frage schon vorher wissen konnten.

785.

Der Oheim. Herr, wie das? Wie kann ich Ihren Namen wissen?

[174] 786.

Der Oheim. In der That, ich kann’s nicht sagen.

787.

Der Diener. Nun also! Und Sie halten mich für so einfältig, daß ich nicht wüßte, ob mein Vater bei einer so wichtigen Angelegenheit in solchem Briefe meines Namens erwähnte, oder nicht? Sie wollen das ignoriren? Herr, das müssen Sie auf der Stelle wieder gut machen und mir sagen, wie ich heiße.

788.

Der Diener. Wie könnt’ es auch anders seyn? Sie mögten gern mich für confus halten und scheinen doch selbst es ein wenig zu seyn; sonst würden Sie vor allen Dingen nach meinem Namen gefragt haben.

789.

Der Diener. Ergo! zu deutsch eigentlich: Aergre Dich! Muß ein so wichtiger Brief nicht meinen bedeutungsvollen Namen enthalten? Wie? d’rum, damit Sie mich und auch keinen [175] Andern, auch uns Beide nicht hintergehen, ist’s an mir zu fragen. Also mein Herr, wie heiß ich?

790. 👈️

Der Diener. Allerdings. Haben Sie nicht gestern, oder wenn es der Postlauf zuließ, schon vorgestern, einen Brief von meinem Vater erhalten?

Der Oheim. Nun ja!

791.

Der Diener. Ganz natürlich! Kann sich nicht ein Betrüger, ein verkleideter Liebhaber für mich ausgeben, und Sie hinter’s Licht führen?

792.

Der Diener. Ganz recht! Das Jüngferchen da will mir zureden; aber ich verstehe sie schon ehe sie spricht. Sie will mir sagen, es sey Zeit meine Braut zu begrüßen. – Alter Herr, machen Sie geschwind, und führen Sie mich zu ihr.

793.

Funfzehnter Auftritt.
Der Oheim. Der Diener. Die Nichte. Das Kammermädchen.

[176] Der Oheim. (vorstellend) Hier die Braut – hier der Bräutigam –

794.

Der Oheim. (für sich) Er soll doch nicht erfahren, daß ich sie einsperrte. (laut) Sogleich, mein Herr. (Steckt verstohlen dem Kammermädchen einen Schlüssel zu, und giebt ihr einen Wink.)

Das Kammerm. Zu Befehl, gnädiger Herr. (Ab.)

👉️ 795.

Der Diener. Demnach! Kann ein so wichtiger Brief wohl meinen Namen verschweigen? Nimmermehr, mein Herr! Warum aber vorenthalten Sie ihn mir? Warum thun Sie, als ob Sie ihn nicht wüßten? Das ist ein Affront. Was wäre mancher Mensch, mancher Autor ohne Namen? Der Name ist des Menschen eigentliches Eigenthum, drum ist kein Mensch zu tadeln, wenn er mit seinem guten Namen liederlich umgeht; denn der Mensch kann mit seinem Namen machen, was er will. Warum aber tasten Sie mein Eigenthum an? Geschwind, [177] geben Sie es zurück und sagen Sie mir, wie ich heiße.

796.

Funfzehnter Auftritt.
Der Oheim. Der Diener. Die Nichte. Das Kammermädchen.

Der Oheim. (vorstellend) Beliebt es, Bekanntschaft zu machen, wie es künftigen Eheleuten ziemt?

797.

Der Oheim. Wie? Was sagen Sie?

Das Kammerm. (bei Seite) Er geht zu weit! Wahrhaftig, er wagt zu viel. (leise zum Diener) Vorsichtig!

798.

Die Nichte. Nimmermehr!

Der Oheim. Wie? Du weigerst Dich noch?

799.

Die Nichte. Zum Nein sagen braucht es keine sonderliche Bedenkzeit; und ich habe Nein gesagt, werde Nein sagen – ewig!

Der Oheim. Thörinn, die Du bist!

[178] 👉️ 800.

Der Oheim. (böse) Herr, was schwadroniren Sie denn? Mein ganzes Haus weiß es ja, daß Sie der junge Herr von ** sind!

801.

Der Diener. Was ist das? Sie wollen mich zwingen? Sie wollen das Fräulein zwingen? Sie wollen uns Beide zwingen? Mein Vater soll Ihnen dabei zu Hülfe kommen? Gut! Einem Vater mich zu widersetzen ist mir unmöglich. Ich heirathe das Fräulein.

Der Oheim. Aha!

Das Kammerm. (bei Seite) Wie? Er wird doch nicht? Ist er besessen?

Der Diener. Aber mein Hochzeittag wird Ihr Todestag! Ich weiß es, Sie sind ein Liebhaber von der Jagd. Ich könnte Ihnen wie Hugo Uhu dem Carlos in der Schuld auflauern – „da blitzt es auf vom Schloß“ – und weg wären Sie. Hinterher thäte ich als entleibte ich mich selbst und die Sache würde als veraltet bei Seite gelegt; aber nein! Ich habe [179] solidere einfachere Mittel, Sie todt zu ärgern. Ich drehe z. B. Ihrem Lieblingshunde, dem Waldmann – der Wirth bei dem ich abstieg, hat ihn mir genau beschrieben, den Hals um – weg sind Sie, Sie sterben am Gallenfieber; oder kürzer noch, ich pfropfe Ihre Kugelbüchse mit einem Talglichtstumpf, daß Sie beim Losbrennen einen Brummer kriegen, der Sie auf’s Siechbette und kurz nachher in’s Grab donnert.

802.

Der Diener. Mamsell, hör’ ich recht? Sie wollen einen Roman mit mir spielen? und noch dazu einen abgeschmackten, worin der ächte Liebhaber der betrogene seyn soll? Bin ich nicht Ihr ächter Liebhaber? Hat Ihr Herr Onkel mich nicht verschrieben? Mich? ein Exemplar eines vollkommenen Jünglings, das sich nicht alle Tage so verschreiben läßt, wie das Recept manches Arztes, das eigentlich eine Anweisung auf den Todtengräber, à vista zahlbar, ist?

Der Oheim. Nun, nun! Sie fallen ja [180] mit der Thür in’s Haus. Wann meine Nichte sich wird gefaßt und Worte gefunden haben so – –

803.

Die Nichte. Machen Sie sich keine Hoffnung. Noch am Altare werd’ ich Nein sagen.

Der Oheim. Hören Sie nicht auf das Geschwätz der albernen Romanen-Närrinn!

804.

Der Oheim. Plagt Sie die Hexe?

Der Diener. Keineswegs, aber Sie sollen glauben, Sie wären behext, so arg will ichs mit Ihnen treiben. Ein Epigramm will ich auf Sie machen, das will ich drucken lassen, das stachlige, in die Morgen- Mittag- Abend- und Mitternachtzeitung; ferner will ich es selbst in Musik setzen, es auf der Gasse mit der Drehorgel absingen lassen und auf dem Titelblatte der Broschüre, die ich zu Tausenden gratis vertheilen will, steche ich Ihr wohlgetroffenes Portrait in Zinn oder Kupfer.

👉️ 805.

Der Diener. Sehen Sie Ihren Irrthum [181] ein? Oder vielmehr sehen Sie’s ein, daß Ihr Irrthum eigentlich doch kein Irrthum war? daß Sie doch hätten fragen müssen?

806.

Der Oheim. Unsinniger!

Der Diener. Oder nein! Ich will nicht, daß es von mir heiße wie im Trauerspiel: Dein Geruch ist Mord! Aber todt ärgern will ich Sie, ehe Sie noch Ihren Geburtstag wieder feiern.

807.

Der Liebh. (zum Oheim) Wie? dieser Mensch ist ja ein vollendeter Geck? Ich höre, ihm wollen Sie Ihre Mündel zur Frau geben? Ist’s möglich? Hören Sie doch mich! Ich füge mich ja in Alles, was möglich ist. Ich weiß es, die Vormundschaftsrechnung (leise) genirt sie. Hier ist meine Hand, daß ich Ihnen einen Revers schreibe, daß ich das Vermögen Ihrer Nichte bereits bei Heller und Pfennig erhalten habe. Nun? Willigen Sie endlich in meine Heirath mit ihr?

808.

Die Nichte. – Mein Wunsch nach –

[182] 809.

Der Oheim. Nehmen Sie das Mädchen hin auf diese Bedingung. Sie aber, junger Sausewind – fahren Sie aus! gleich! Und Sie und Du? Wann reiset Ihr?

👉️ 810.

Der Oheim. Der Kerl ist toll, rein toll. Warum denn nicht Sie, sondern ich; warum denn ich und nicht sie?

811.

Der Diener. Wer hat hier zu fragen? Nur ich, mein Herr. Ich bin hier der Verschmähte, der Verhöhnte, der Verspottete, der Geneckte, der Gefoppte, der Gehudelte, der Verletzte, der Zerfetzte, der Beengte, der Bedrängte –

812.

Der Liebh. Wie? Mein Herr, Sie wagen solche Rede mir ins Angesicht? (zum Oheim) Sehen Sie denn nicht ein, daß der Mensch den Verstand verloren hat? Gehen Sie doch in sich! Lassen Sie doch den vermaledeiten Heirathsplan [183] fahren! Geben Sie mir die Hand Ihrer Mündel und – (leise) über die Hälfte des Brautschatzes stelle ich Ihnen eine Schenkungsacte aus.

813.

Sechszehnter Auftritt.
Der Liebhaber. Die Vorigen.

Der Liebh. Mein Himmel ich höre, ein Fremder habe sich in’s Haus geschlichen. Vielleicht ein zweiter Sand – Wo ist er? (zu Oheim und Nichte) Sie sind doch nicht verwundet? – Wer ist der Herr hier?

814.

Der Diener. Nur Geduld, nur Geduld, Sie tyrannischer alter Vormund! Ich werde Krieg mit Ihnen führen, weil Sie mir den Krieg angekündigt haben. Alle Ihre Lieblingsneigungen greif’ ich an: Ihre Gartenarbeit, Ihre Bibliothek, Ihre Gemäldesammlung, Ihre Pfeifenköpfe, und das auf unerhört sinnreiche Weise; selbst Ihr Jagdhund, die Melusine, soll keinen Frieden vor mir haben.

[184] 👉️ 815.

Der Diener. Allerdings! Wenn ich nun ein vermummter Liebhaber Ihrer Nichte wäre, der sie dem Bräutigam wegschnappen mögte, und zu dem Ende mich unter erborgtem Namen hier einschliche? Wie, mein Herr? Hätten Sie da nicht vorsichtig – –

816.

(Der Vorhang fällt.)

817.

Der Diener. Halt! Sagen Sie nicht zu viel. Ich meyne, ich habe unser Spiel schlecht gekartet. Wie? Wenn nun morgen der rechte Bräutigam erscheint?

818.

Der Diener. (der sich zu erkennen giebt) Mir haben Sie dieses zu danken.

819.

(Der Vorhang fällt.)

👉️ 820.

Der Oheim. Sapperment! Was reden Sie?

[185] Das Kammerm. Alle Tausend! Er geht zu weit; wenn’s der Alte nur nicht merkt. (Sie winkt verstohlen dem Diener)

821.

Letzter Auftritt.
Der Liebhaber. Die Nichte. Der Diener. Das Kammermädchen.

Die Nichte. Sagt mir doch. Was brachte diese schnelle Veränderung hervor?

822.

Der Diener. Sie vergessen den rechten Bräutigam. Wenn der nun kommt? Bedenken Sie, wir spielen hier keine Comödie; wir sind in der wirklichen Welt.

823.

Das Kammerm. Hoffen Sie Alles!

824.

Das Kammerm. Streng ist er, das ist wahr, und seine Absichten sind höchst ungünstig für Sie. Dazu hat er gestern Abends spät wieder einen Brief –

[186] 👉️ 825.

Der Diener. (einlenkend) Hm! hm! Kein Wort mehr von unserm Zwist. Stellen Sie mich Ihrer Nichte vor, so werden Sie sehen, daß ich kein verkleideter Liebhaber von derselben bin.

826.

Die Heirath durch List.
Ein Nachspiel in Einem Act.

827.

Das Kammerm. Sogleich wird er hier seyn.

828.

Zweiter Auftritt.
Die Nichte. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Allerdings, und ich komme gerade zu rechter Zeit.

829.

Schlauer Knecht hilft dem Herrn zurecht.
Ein Vorspiel in einem Act.

[187] 830. 👈️

Der Oheim. (bei Seite) Alle Wetter! und sie ist eingesperrt! Du! (Er winkt der Zofe) – Sogleich soll meine Nichte erscheinen, mein Herr! (heimlich in’s Ohr des Kammermädchens) Schließ auf, das grüne Zimmer. Hier ist der Schlüssel. (laut) Geh, Kind, führe meine Nichte zu uns her.

Das Kammerm. Sogleich, gnäd’ger Herr. (Ab.)

831.

Das Kammerm. Leider ist von da her nicht viel Erfreuliches zu hoffen; zumal wenn der Brief, den der Postbote gestern Abends spät noch brachte – –

832.

Das Kammerm. Lassen wir das jetzt. Ihr Angebeteter kommt.

833.

Der Liebh. Nun?

Die Nichte. Unser gemeinschaftliches Interesse –

834.

Das Kammerm. Glühende Liebe, die [188] seit gestern Nachmittag, wo sie sich zuletzt sprachen, bis heute so hoch sich steigerte! (für sich)

👉️ 835.

Der Diener. Ihre Nichte hat doch nicht etwa schon anderweitig ihr Herz versagt?

836.

Das Kammerm. Quälen wir uns nicht vor der Zeit; die Arme Ihres Geliebten winken Ihnen.

837.

Die Nichte. Glück der Liebe, wie beseligst Du! (zugleich)
Der Liebh. Laß diese Umarmung für mich reden!

838.

Das Kammerm. Der Liebesgott wird uns beistehen. Drücken Sie Ihren Geliebten ans Herz.

839.

Der Liebh. Ich schlage den Freier todt.

[189] 840. 👈️

Der Oheim. Keinesweges. (v. S.) Er darf die Wahrheit nicht erfahren.

841.

Die Nichte. Soll ich wie eine thörige Jungfrau meiner Hauslampe das Oel entziehen, womit ich sie versorgen kann, wenn ich suche, meinen Oheim für mich zu stimmen?

Der Liebh. Ich sehe nicht ein, wie Du Dich noch einen Augenblick besinnen kannst, in meinen Plan einzugehen.

842.

Die Nichte. Welch toller Einfall!

843.

Sechster Auftritt.

Der Oheim. (tritt ein, einen offenen Brief in der Hand.) Willkommener Brief, der meinem Werke endlich die Krone aufzusetzen bestehlt. Der Bräutigam kommt, heute, morgen – wohlan! Jetzt muß ich, jetzt will ich mein Wort lösen, das ich [190] meinem ehrlichen Degenknopf, meinem guten alten Freunde Plumper gegeben habe. Sein Sohn Hans oder Michel oder Lebrecht, oder wie er sonst heißen mag, soll meine Mündel haben, und das Dirnchen soll mir nicht mucksen. – Heda! Fräulein Nichte! Wo steckt sie denn? (Er klingelt. Das Kammermädchen tritt ein) Meine Mündel, das Fräulein! Ohne Verzug hieher!

Das Kammerm. Zu dienen. (Ab.)

Der Oheim. Bin des sentimentalen Gezieres überdrüßig. – Nun, Fräulein Nichte?

844.

Der Liebh. Fahre auch das Wenige, was ich mein nenne, dahin. Mit Dir bin ich in allen Lebensverhältnissen glücklich.

👉️ 845.

Der Diener. Eigensinn bei Frauenzimmern ist mir verhaßt; jedoch Zwang der Vormünder ist mir noch verhaßter. „Der Mensch ist frei geboren, ist frei; kann heirathen, wen ihm beliebt!“ sagt ein berühmter Dichter, den ich verbessert heraus zu geben gedenke, in Gotha [191] oder Stuttgardt, wo verbesserte Uebersetzungen berühmter ausländischer Klassiker erscheinen. – Ah, gewiß Ihre Demoiselle Nichte!

846.

Die Nichte. Kannst Du scherzen, wenn mir das Herz blutet?

847.

Der Oheim. – Kümmert mich nicht.

848.

Der Oheim. – Der mit Recht ein Gimpel genannt werden muß, ein Nirgendan und Obenhinaus.

849.

Der Oheim. – wird Ihres Bräutigams Sorge seyn.

850. 👈️

Funfzehnter Auftritt.
Der Oheim. Der Diener. Die Nichte. Das Kammermädchen.

Der Oheim. (vorstellend) Lernt Euch kennen und das sogleich, damit mein Segen Euch in’s Brautgemach geleite.

[192] 851.

Die Nichte. O, mein Himmel! Herr Vormund!

852.

Der Oheim. Romanenpossen!

853.

Die Nichte. Hab’ ich recht gehört? O, Unglück sonder Gleichen! – Theuerster Oheim!

854.

Der Oheim. Nichts da! Keinen Tag, keine Stunde!

👉️ 855.

Der Diener. Zu dienen, mein Fräulein, ich bin da Sie zu heirathen.

856.

Die Nichte. Sie denken, ich sey – –

857.

Der Oheim. Durchaus nicht! Keine Frist! Beschlossen – abgeschlossen!

858.

Die Nichte. Sie machen, daß meine letzte Stunde schlägt

[193] 859.

Die Nichte. – ein bejammernswürdiges, ein am Herzen zerfleischtes.

860. 👈️

Die Nichte. Mit nichten, mein Herr.

Der Oheim. Was? (leise zu ihr) Untersteh Dich!

861.

Die Nichte. Sie öffnen das Grab meiner Jugendblüthe.

862.

Der Oheim. – glücklich zu seyn –

863.

Achter Auftritt.
Das Kammermädchen (schleicht herein)

864.

Der Oheim. – eine Hausfrau zu werden, wenn sie übrigens Geschick dazu hat.

865. 👈️

Der Diener. Weh mir Unseligen! Was muß ich hören? Sie verschmähen mich? Ich [194] kniee gleichsam vor Ihnen wie Graf Lester vor der Königin Elisabeth; ich stehe gleichsam demüthig und doch hochnasig vor Ihnen, wie Essex vor eben derselben; ich bin besser gegen Sie gesonnen als Hamlet gegen die Ophelia, denn ich sage nicht zu Ihnen: „Geh’ in ein Nonnenkloster.“ Wären wir hier bei Nacht und in einem Garten, ich würde wie Romeo gegen Julia zärtlich gegen Sie seyn, aber bei hellem Tage und im Beiseyn Ihres Herrn Onkels wäre das gegen den Respect: dennoch, dennoch verschmähen Sie mich, Grausame?

Der Oheim. Nur gelassen, nur ohne Pathos. Meine Nichte wird, sobald sie Worte findet, Ihnen sagen – –

866.

(hinter sich redend) Bleibe noch draußen. Ich speculire erst. Richtig! das Fräulein ist eingesperrt und der alte Herr geht in den Bildersaal. (hinausrufend) Geschwind komm herein. Dein Herr blieb doch noch?

867.

Der Oheim. Fort, sag’ ich! dergleichen [195] Rotomontaden kennen wir. Eingesperrt – Hunger – Bedenklichkeit – Nachgiebigkeit – Gehorsam! Punctum!

868.

O weh, o weh, Arme Prinzessin! Grausamer, barbarischer, tückischer, türkischer Herr Oheim – aber er hört mich nicht. Er poltert hinab ins Hinterhaus. – Geschwinde, komm herein! Dein Herr ist auch da?

869.

Das Kammerm. Ach Gott ja; ich glaube gar, sie liegt in Ketten.

870. 👈️

Die Nichte. Was brauche ich zu Worte zu kommen? Ich habe nur ein Wort zu sagen, und das heißt Nein!

Der Oheim. Ha! du Undankbare!

871.

Der Liebh. Gewiß nicht! Zweihundert Ducaten sind Dein, dann kannst Du Dich sorgenfrei mit Deinem Mädchen kopuliren lassen.

[196] 872.

Neunter Auftritt.
Das Kammermädchen. Der Liebhaber. Der Diener.

873.

Das Kammerm. Leider! Sie ist eingesperrt.

874.

Der Diener. Herr, ich bin gerührt, und wenn ich das bin, so thue ich, was man von mir haben will. – Sprich, Schelmenauge! „Wann, wie, wo soll ich ihn schlagen?“

👉️ 875.

Der Diener. Wie? Sie wollen mich nicht? wollen mich wirklich, wahrhaftig, zuverlässig, in der That, ganz gewißlich nicht? Gut! Gut, mein schönes Fräulein! so will ich Sie auch nicht, wahrhaftig nicht, wirklich nicht, zuverlässig nicht, in der That nicht, ganz gewißlich nicht!

Der Oheim. Erzürnen Sie sich doch nicht! Bedenken Sie, werther Herr von **, daß hier [197] vom Willen gar nicht die Rede seyn kann. Hören Sie nur Ihres Herrn Vaters Willen und den meinigen.

876.

Der Liebh. Barbarischer Mädchenquäler!

877.

Das Kammerm. Höre nur! Ich lauschte: Der verwünschte Junker soll morgen, vielleicht noch heute kommen.

878.

Das Kammerm. Gewiß nicht. Lassen Sie ihn nur reden. – Sprich nur!

879.

Das Kammerm. Wie werden wir den Bedränger los?

880. 👈️

Der Diener. Nichts von Rath und nichts von Hören! Mein Spruch ist ein votum Dei gleichsam; denn Deus in me, das hören Sie aus allen meinen Reden.

Der Oheim. Possen! Ihres Herrn Vaters [198] Ausspruch gilt, und der meinige in dieser Sache. Meine Nichte aber wird nicht gefragt und der Contract liegt schon unter der Feder meines Notars.

881.

Das Kammerm. Wer sollte lauschen? Das wäre ja indiscret, wenn Jemand lauschte, wo ich mich befinde. Lassen Sie den Spitzbuben nur reden.

882.

Das Kammerm. Ich habe den Alten belauert. Da hört’ ich denn, daß der Bräutigam vielleicht heute noch, morgen jedoch ganz gewiß kommen soll.

883.

Der Diener. Nicht etwa mit dem Freier will ich Etwas vornehmen. Das ist hundertmal da gewesen. Mag sich der kratzen, dem’s juckt, wir haben eine glatte Haut, sagt Einer in der Tragödie, gerade in einem Augenblicke wo die Tragödie wie eine Posse aussieht und eben deswegen eine wahre Tragödie ist.

[199] 884.

Der Liebh. Wie? (zugleich)
Das Kammerm. Was sagst du?

885. 👈️

Der Diener. Was Contract? Was Notar? Ich bin Notars genug; ich habe die Pandecten durchgesehen, die peinliche Halsordnung, die Sancta Carolina hab’ ich studirt; zum Teufel mit allen Notarien, wenn ich da bin; zudem braucht es hier keines Contractes.

Der Oheim. Freilich! Freilich! Die Sache ist zwischen Ihrem Herrn Vater und mir berichtigt. Nichts in derselben kann rückgängig werden und kurz und gut: Sie müssen meine Nichte heirathen.

886.

Der Diener. Pah! Gleichviel! Wie heißen gewöhnlich solche Dorftölpel in den Comödien? Sebastian Lämmerzahn oder Thaddäus Bocklümmel, Theophilus Feldkümmel oder Hans von Birken, oder Jeremias von Eschen oder Plumper schlecht weg.

[200] 887.

Das Kammerm. Du? (zugleich)
Der Liebh. Hahaha!

888.

Das Kammerm. Nun? Was weiter? (zugleich)
Der Liebh. Zur Sache!

889.

Der Diener. Betrachte mich, und Du hast ihn gesehen.

👉️ 890.

Der Diener. Was sagen Sie? Müssen? Mein Herr, wer muß? Niemand muß! Das Wort hat irgend ein Despot ersonnen, ein Tyrann, ein Zelot! und Einfalt hat es nachgeplärrt, und einen Glaubensartikel daraus gemacht. Halten Sie mich für einfältig? Wie? Sie sagen, ich muß Ihre Nichte heirathen. Nein, ich muß sie nicht heirathen; aber nun will ich sie heirathen.

Der Oheim. Aha! Fügen wir uns?

[201] Das Kammerm. Wie? Ist er nicht wohl gescheidt? (bei Seite)

Der Diener. Aber warum will ich sie heirathen? Um hier im Hause zu bleiben, hier, bei Ihnen, wo ich tausend Gelegenheit finden werde Sie so zu ärgern und zu quälen – –

891.

Der Diener. Greift zu den Waffen! Der Feind ist da! Vorwärts! Attakirt! Der Bräutigam, der uns Verhaßte – er ist schon hier!

892.

Der Liebh. Aber wie willst Du es möglich machen?

893.

Das Kammerm. Vortrefflich! den Brief stehle ich, wenn es mir irgend möglich ist.

894.

Der Diener. Nur geschwind. Ich muß mich umkleiden.

895. 👈️

Der Oheim. Herr, plagt Sie der Teufel?

Der Diener. Nein, aber ich will Sie plagen.

[202] Der Oheim. Gehen Sie, verlassen Sie uns.

Der Diener. Nimmermehr! Jetzt bleib ich hier und heirathe, und dann ärgre ich Sie zu Tode. Ich bin expedit, lange sollen Sie’s nicht machen.

896.

Der Diener. Nun, so stiehl, aber laß Dich nicht ertappen, und bringe mir deine Beute nach, in die große Weinrankenlaube im Garten.

897.

Der Liebh. Laßt Euch auf Etwas aufmerksam machen. Durch den Brief, den der Onkel deines Fräuleins gestern erhielt, wären wir vielleicht im Stande – –

898.

Zehnter Auftritt.
Der Liebhaber. Der Diener.

899.

Der Liebh. So gehen wir also?

👉️ 900.

Der Oheim. Bei dem Menschen ist’s im Oberstübchen nicht richtig.

[203] Die Nichte. Dennoch soll ich ihn heirathen?

Der Oheim. Ich wollte Du hättest ihn, und säßest mit ihm am Ende der Welt.

901.

Der Diener. Wenn es Ihnen beliebt –

902.

Der Diener. Mit einem Worte, ich begehe eine Handlung, wodurch ich deutlich zu erkennen gebe, daß obschon ich Reden gegen Sie führte, die sich nicht ziemen, ich dennoch der Diener bin, und daß Sie der Herr sind, das nennt man scharfe Zeichnung der Charactere.

903.

Der Liebh. Nobel. Fast zu nobel für einen Bedienten. Daß es nur am Ende nicht heraus kommt, Du habest wirklich Erziehung genossen. Geh voran!

904.

Der Diener. Vorrechte eines verschmitzten Dieners, wie ich ihn jetzt vorstellen soll. Nach geendigtem Lustspiel sind sich die Comödianten wieder alle gleich.

[204] 👉️ 905.

Der Diener. Sie lesen. Sie haben eine kostbare Bibliothek. Gut! Ich leime alle Blätter Ihrer Bücher zusammen, so daß die Bücher gleichsam gar keinen Inhalt haben, welches ohnehin schon bei den meisten so der Fall ist.

906.

Der Liebh. Welch ein Einfall!

907.

Zwölfter Auftritt.
Der Oheim. Der Liebhaber.

(Beide durch die Mittelthür.)

908.

Der Liebh. Freilich, mein Herr! Es ist nicht das erste Mal, daß ich heute hier bin, um mit Ihnen zu sprechen. Sie waren vorhin noch nicht zu sprechen.

909.

Eilfter Auftritt.
Das Kammermädchen.

👉️ 910.

Der Oheim. Ich armer, gequälter Mann!

[205] Der Diener. Hoffen Sie kein Mitleiden vom Publikum. Das Publikum hat noch nie Mitleiden mit einem eigensinnigen Onkel gehabt, der in der Comödie tüchtig hergenommen ward. Ich will solche Comödie mit Ihnen spielen. Ich will Ihre Bildergallerie dermaßen verschönern, daß Sie die Gemälde umgekehrt an die Wand hängen müssen. Ihrer Flora mahle ich einen Haarbeutel und Ihrem Apollo ein Paar Ypsilantihosen an; Ihre Seeschlacht steck’ ich mit Phosphor in Brand und den Plauenschen Grund colorir’ ich caca-dauphin

911.

Der Oheim. Welche Frechheit: habe ich Ihnen nicht längst unumwunden meine Meynung gesagt? Dennoch kommen Sie zu mir hieher?

912.

Der Liebh. Mit Verlaub! Auch erfahrene Männer, wie Sie einer sind, können irren, Sie haben sich geirrt. Ich wünsche hier nur Eines: die Hand, nicht das Vermögen Ihrer Nichte, ich bitte also – –

[206] 913.

Der Liebh. Und warum nicht? Sind Sie nicht der Vormund Ihrer Fräulein Nichte? Ich bin zum zweitenmale heute hier, und verlange Sie zu sprechen, weil Sie vorhin noch nicht sichtbar waren.

914.

Der Liebh. Ich hörte schon von diesem abermaligen Beleg zu Ihrer tyrannischen Grausamkeit.

👉️ 915.

Der Oheim. Zum Hause hinaus lass’ ich Sie werfen.

Der Diener. Das lass’ ich mir gefallen; doch nur unter der Bedingung, das ich das Fräulein dann nicht heirathe. Sind Sie damit zufrieden, so lassen Sie mich werfen.

Der Onkel. Das kann geschehen, sobald Sie meine Nichte geheirathet haben.

916.

Der Oheim. Possen! Man wird sie nicht eher frei geben, als bis sie in neuen Ketten und [207] Banden liegt, nemlich in den Armen Dessen, der da kommen wird –

Der Liebh. Wie?

917.

Der Liebh. Sehr concis gesprochen!

Der Oheim. Bin nun so, will nun so seyn, auch wenn ich nicht so wäre. Zudem ist die Sache abgemacht; meine Nichte ist incarcerirt, bis sie – –

918.

Der Liebh. Frei muß meine Geliebte seyn, frei wird sie werden, und Sie mein Herr, Sie sind es, der ihre Kerkerpforte selber öffnen wird.

919.

Der Liebh. In der That, mein Herr, Sie sind kurz von Worten.

Der Oheim. Wirklich? Finden Sie das? O ja, ich bin mit mir zufrieden, und damit meine schmachtende Nichte auch mit mir zufrieden sey, habe ich sie eingesperrt und lasse sie nicht eher frei, bis – –

[208] 👉️ 920.

Sechszehnter Auftritt.
Die Vorigen. Der Liebhaber.

Der Liebh. Mein Himmel, was geht hier vor? Man hört ja draußen schon das entsetzliche Getöse, das hier ist. Wer ist der Herr?

921.

Der Liebh. Leider! Ich gehe.

922.

Das Kammerm. Er ist da?

Der Oheim. Wirklich? Wer? Er?

923.

Der Liebh. (heimlich) Mußt’ ich nicht suchen, den Alten einzuschläfern? Er sah ja unsern Verbündeten bei mir.

924.

Dreizehnter Auftritt.
Die Vorigen. Das Kammermädchen.

👉️ 925.

Der Diener. Das Fragen kommt mir zu. Wer sind Sie? Irgend ein Marder im [209] Hühnerstall; ein Liebhaber, der wahrscheinlich kommt, sich für mich auszugeben? Nicht wahr? (ihn äffend) Sie sind der junge Herr von **, den sein Herr Vater her schickt, um das gnädige Fräulein dort zu heirathen – Hoho! Wir wissen Alles! Sie sind entdeckt, der Rechte ist schon hier, und Sie müssen das Feld räumen – –

926.

Der Liebh. (leise zu ihr) Ich wollte den Alten sicher machen; und ich meyne, es sey gelungen.

927.

Das Kammerm. Er braucht nicht mehr zu kommen; er ist schon da.

Der Oheim. Haha! da haben wir’s. Jetzt trollen sich Ew. Wohlgeb.

928.

Der Oheim. Bemühen Sie sich nicht.

929.

Der Oheim. Mit Freuden seh’ ich Sie; mit Entzücken, wiewohl auch mit ein wenig Verwunderung.

[210] 👉️ 930.

Der Oheim. Aber so nehmen Sie doch Vernunft an.

Der Diener. Nimmermehr! Durchaus nicht! Absolut nicht! Platterdings nicht!

931.

Der Oheim. Weshalb? Neue tolle Ideen!

932.

Der Oheim. In der That, mein Herr, ich bin ein wenig über Ihr Aeußeres verwundert, wiewohl entzückt –

933.

Der Liebh. Doch werde ich noch einmal erscheinen.

934.

Der Diener. Nun, mein Herr, dieser Willkommen läßt mich hoffen, daß ich Ihnen immer mehr und mehr gefallen werde.

👉️ 935.

Der Liebh. Und diesem Rasenden wollen Sie Ihre Mündel opfern? Herr, bedenken Sie doch Ihr Gewissen, Ihre Ruhe, Ihr Lebensglück! [211] (leise) Die spanischen Schafe, 200 an der Zahl, auf meinem Gütchen: sie gefielen Ihnen stets; geben Sie mir Ihre Nichte, und die Schafe sind die Ihrigen.

Der Oheim. Zweihundert Schafe für ein einziges Schäfchen – ein guter Handel.

Der Liebh. Nun so schlagen Sie zu –

936.

Der Diener. Muß denn nicht meines Namens in solchem wichtigen Documente erwähnt seyn? Also muß ich Sie fragen, wie ich heiße, damit keine Verwechselung vorfallen, kein Betrug Statt finden könne. D’rum, mein Herr, wie heiß’ ich?

937.

Der Diener. Natürlich! Ganz nach Art moderner Schriftler; ans Nöthige denken Sie nicht, an’s Unnütze fesseln Sie sich; sonst hätten Sie längst nach meinem Namen gefragt.

938.

Der Oheim. Herr, wie kann ich – –

[212] 939.

Der Diener. Zuverlässig, weil Sie nicht einmal mit sich, geschweige denn mit mir auf dem Reinen sind. Wären Sie’s, so hätten Sie sich längst nach mir selbst bei mir erkundigt, hätten gefragt, wer ich sey, wie ich heiße – –

👉️ 940.

Der Oheim. Wahrhaftig?

Der Liebh. So wahr ich ehrlich bin!

941.

Der Diener. Und Sie halten mich für so pinselhaft, daß Sie glauben, ich werde darauf antworten?

942.

Der Oheim. Donnerwetter! Wie kann ich wissen, wie Sie heißen?

943.

Der Diener. Ich mögte nicht, daß sie durch Zwang meine Gattinn würde; Zwang ist mir verhaßt. – Ha! dort kommt sie wohl?

944.

Der Diener. (einlenkend) Doch für diesmal [213] genug zu Ihrer Belehrung. Lassen Sie Ihre Fräulein Nichte rufen und stellen Sie mich ihr vor.

945. 👈️

Der Oheim. Mit Vergnügen! Habt Euch! Und Sie mein Herr Vielwisser, Räsonneur und Schwadronneur – verlassen Sie mein Haus. Auch Ihr reiset wohl bald, Kinderchen?

946.

Der Diener. Nun dann, so wissen Sie’s ja! Und doch fragten Sie? Und dennoch, erwägen wir es recht, so haben Sie dennoch fragen müssen.

947.

Der Diener. Versteht sich. Man hat Exempel – verkleidete Liebhaber, die den Namen eines Bräutigams stehlen – die den Vater, Oheim oder Vormund hinter’s Licht führen; also hätten Sie forschen müssen.

948.

Der Diener. Ihre Nichte ist doch nicht abgeneigt gegen eine Heirath mit mir?

[214] 949.

Der Oheim. Alle tausend Teufel! Herr, warum bringen Sie mich zum Fluchen? Was soll ich denn eigentlich? Fragen und dann wieder nicht fragen? Nicht fragen und doch wieder fragen?

👉️ 950.

Der Liebh. Noch heute. Verlassen Sie sich darauf.

Der Oheim. Und auf Ihr Versprechen. Adieu, wir sehen uns noch. (Ab.)

951.

Die Nichte. Ich habe nichts weiter zu sagen als Nein, und Nein werde ich, muß ich, will ich sagen, so lange ich eine Zunge habe.

Der Oheim. Verblendete!

952.

Der Diener. Das wär’ der Teufel! selbst wenn Ihre Nichte zehnmal ein Engel wäre. Sie wollen uns also zwingen? Gut, ich gebe nach –

Das Kammerm. Wie? Plagt ihn der Kukuck? (bei Seite)

[215] Der Diener. Sie sind Botaniker. Ich weiß es, Sie haben sogar Ruf als Botaniker, der Ritter Linné soll von Ihnen vieles gelernt haben, vielleicht noch bei Ihnen in die Schule gehen. – Gut! Zwingen Sie mich, so lasse ich aus Ihrem Herbarium mir die Hochzeitssuppe kochen.

953.

Die Nichte. Sie irren mein Herr, ich wähle Sie nicht zum Manne.

Der Oheim. Was ist das? (heimlich zu ihr) Ich warne Dich!

954.

Der Diener. Also wirklich? Sie beharren bei diesem übereilten, unbedachten, unüberlegten, unerwogenen, voreiligen, für mich schrecklichen, empörenden, rasend machenden Nein? Gut, meine schöne Spröde. – Manus manibus laxat! oder wie das Sprichwort heißen mag – Wie Du mir, so ich Dir – Wurst wider Wurst – Wie man in den Wald schreit, hallt’s wieder – Kommst du mir so, komm’ ich Dir so! Erfahren [216] Sie also die Folge Ihres Nein. Diese ist: Ich will Sie auch nicht!

Der Oheim. Aber, mein Himmel, Ihren Herrn Vater, mich, meinen Rath müssen Sie hören.

👉️ 955.

Letzter Auftritt.
Die Vorigen ohne den Oheim.

Die Nichte. Aber mein Gott, dieser schnelle Wechsel –

956.

Der Diener. Was soll der Schwarzrock hier? Hier, wo es kein Geschäft für ihn giebt?

Der Oheim. Allerdings giebt’s Geschäfte für ihn. Er soll die Sache zwischen Ihnen und meiner Mündel in Richtigkeit bringen, wie Ihr Herr Vater es will, wie ich es will, und wie meine Nichte es soll und wie Sie es müssen; ja mein Herr, müssen!

957.

Die Nichte. Nein, mein Herr, nein! Tausendmal nein!

Der Oheim. Unsinnige, Du unterstehst Dich?

[217] 958.

Die Nichte. Nun, ist mein Geliebter endlich gekommen?

959.

Personen.

  • von Bellheim.
  • Seine Nichte.
  • Deren Kammermädchen.
  • von Waltersdorf.
  • Husch, dessen Diener.

(Die Scene ist ein Zimmer mit Seitenthüren.)

960. 👈️

Der Diener. (indem er die falsche Haartour abnimmt) Ein Pfiff von meiner Erfindung.

961.

Die Nichte. Rede! Naht er sich?

962.

Erster Auftritt.

Die Nichte. (allein, am Stickrahmen.) Wie diese Rose sich glühend über dies Vergißmeinnicht bückt – so, Liebe, sollst Du stets [218] in meinem Herzen das Andenken an meinen Erwählten bewachen. – Aber wo bleibt er? Es ist doch kein Hinderniß vorgefallen? Er weiß doch die Stunde! Warum kommt er denn nicht? Doch still! ich höre Tritte – Nun? Bist Du es endlich?

963.

Die Nichte. Vergessen ist jetzt aller Gram! (zugleich)
Der Liebh. Bei Dir bin ich glücklich!

964.

Das Kammerm. Ich höre nie auf zu hoffen.

👉️ 965.

Der Liebh. Der Spitzbube hat so vortrefflich gespielt, daß ihm im Schauspiel die verschmitzten Bedientenrollen und überhaupt die Intrigants gar nicht entgehen können.

966.

Das Kammerm. Nachher mehr davon. Jetzt ist es Zeit, den Geliebten zu empfangen.

[219] 967.

Der Liebh. Was meynst Du?

Die Nichte. Die Gefahr, die unsrer Liebe droht –

968.

Das Kammerm. Triumph der Liebe! Was sich erst gestern Nachmittag sprach und herzte und küßte, umfängt sich heute noch mit derselben Innigkeit, mit derselben Glut der Leidenschaft!

969.

Das Kammerm. Später davon; jetzt umarmen Sie Ihren Freund.

970. 👈️

Der Diener. Wie? Sie wollen gehen? Noch nicht! Die Comödie ist nicht aus; denken Sie gefälligst nach, was fangen wir an, wenn der rechte Bräutigam kommt?

971.

Die Nichte. Freude des Wiedersehens, wie beglückend für mich! (zugleich)
Der Liebh. Fühle meine Liebe in diesem Kusse!

[220] 972.

Die Nichte. Ohne meines Vormunds Einwilligung in unsere Heirath geht mein Vermögen verloren – –

Der Liebh. Immerhin!

973.

Sechster Auftritt.

Der Oheim. (allein, hastig herein.) Die Zeit ist da! Der Bräutigam kommt. Es soll nicht länger Anstand haben. Meine Mündel muß sich endlich fügen. Soll ich meinem alten Freunde umsonst mein Wort gegeben haben? Nein, mein ehrlicher Feldkümmel! Unsereins hält was es verspricht. Dein Junge soll guter Art seyn, passabel hübsch seyn und das Seinige gelernt haben. Also topp! – He! Mamsell Nichte! (klingelt; zur Zofe die eintritt) Rufe Sie Ihr Fräulein! (das Mädchen ab) – Sie wird sich sperrn; allein es hilft ihr nichts, gar nichts! – Nun Fräulein Nichte?

974.

Die Nichte. Nicht zu rasch. Vorsicht kann [221] niemals schaden. Die Liebe soll mich nicht blind machen. Ohne meine Mitgift folg’ ich Dir nicht; drum lass’ uns – –

975. 👈️

Der Liebh. Dann bin ich mit meiner Braut über alle Berge.

976.

Der Liebh. Ehe wollen wir bei Nacht und Nebel –

977.

Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Das Kammermädchen.

Das Kammerm. Soll der Herr Onkel Sie überraschen? Links um, junger Herr! Kommen Sie, mein Fräulein!

978.

Der Oheim. Nichts gefragt! Mich angehört! Aufgepaßt! Sich ins Zeug geworfen! Gefallen sollst Du, gefallen mußt Du. Wem? dem jungen Herrn von ** Er kommt heute, spätstens morgen, und so wie er kommt, bist Du seine Braut.

[222] 979.

Der Oheim. – Erfüllt der Herr Bräutigam!

👉️ 980.

Der Diener. (zum Kammerm.) Was thun wir, Mäuschen?

Das Kammerm. Ich denke wir machen’s wie die gescheidten Leute, d. h. die Verliebten.

981.

Die Nichte. Theuerster Herr Oheim und Vormund –

982.

Der Oheim. – Der mich zu einem Comödiennarren machen mögte, damit ich Ja sagen muß –

983.

Der Oheim. Was soll’s, Fräulein Zierpuppe?

984.

Die Nichte. Schon in Liebe hingegeben zu ihm – –

👉️ 985.

Der Diener. Vortrefflich! Wir jubiliren. [223] Der Herr Bräutigam mag sich dem Kummer hingeben. Aber er wirds nicht thun. Ich hörte, er habe Paris und London gesehen. Dort lernt man allerlei Lebensweisheit. So wird er über meinen Schwank lachen, selbst wenn er ihn auf’s Theater gebracht sähe, und auf’s Theater kommt er gewiß, da der Mangel an einactigen Vor- und Nachspielen so unaussprechlich groß ist.

986.

Die Nichte. Das Glück meiner Jugend – –

987.

Die Nichte. – ein unglückliches, wie keines war –

988.

Der Oheim. Mädchen, ärgere mich nicht. Du weißt, daß mein Podagra dann schlimmer wird und daß wenn der Zorn mich übernimmt –

989.

Die Nichte. So wäre ich nach Ihrer Meynung –

[224] 👉️ 990.

Das Kammerm. Richtig. Ein Lustspiel in einem Act. Wie aber taufen wir es?

Die Nichte. Ei nun; Der Liebe Leid und Lohn.

Der Liebh. Oder: Eine Heirath ohne den Bräutigam.

Die Nichte. Oder: Ein Bräutigam ohne Braut.

Das Kammerm. Oder: U. A. z. n. Unser Applaus zögert nicht.

Der Diener. Oder: Das Lustspiel mit zwei Hochzeiten

Der Liebh. Oder: Er, Sie und der Alte.

Der Diener. Oder: Der Alte, Er und Sie.

Die Nichte. Oder: Sie, Er und der Alte.

Das Kammerm. Oder: Der Alte, Sie und Er.

Der Liebh. Oder: Sie, der Alte und Er.

[Ξ]

[Ξ] [225] Der Diener. Oder: Er, der Alte und Sie. – Das Stück muß ungeheuer vortrefflich werden, denn es verträgt wohl hundert Titel. Nicht wahr, meine Herren und Damen?

991.

Der Oheim. Mamsell, mäßigen Sie sich, oder – –

992.

Die Nichte. Schonen Sie meiner! Geben Sie mir Frist! Nur etliche Monate, etliche Wochen wenigstens –

993.

Der Oheim. Späßchen! Bei einer Verlobung sterben heut zu Tage keine Mädchen; sobald nur von einem Bräutigam mit Fleisch und Bein dabei die Rede ist –

994.

Ach und Weh! mein armes Fräulein! Fürwahr, er schließt sie ein! (Sie horcht am Kabinette) Ja, ja, er zieht den Schlüssel ab. – Was nun anfangen? (hinaus sprechend) He! Schatz! Komm herein! Ist dein Herr auch da?

[226] 👉️ 995.

(Der Vorhang fällt.)

996.

Die Nichte. – dem sie Gewalt anthun –

997.

Der Oheim. Hinweg, Mißrathene, die meiner väterlichen Sorgfalt nicht unterwürfig zu seyn glaubt!

998.

Der Oheim. Declamire was Du willst; ich sperre Dich doch ein. Mache Du eine Tragödie aus der Geschichte; ich gehe meinem Plane nach und nehme sie von einer lustigen und dennoch ernsthaften Seite – Vorwärts, Mamsell! (Er führt sie hinaus.)

999.

Der Oheim. – Ferner nicht zu glauben, Sie ständen mit mir auf dem Theater.

👉️ 1000.

Ende des Vorspiels.

1001.

Die Nichte. Wie? Soll ich gleich der [227] unschuldigen schottischen Königinn um meiner Liebe willen dem Tode geopfert werden?

1002.

Der Diener. Nun, Schätzchen?

1003.

Das Kammerm. Fassen Sie sich! List muß uns helfen.

1004.

Der Liebh. Eine gespickte Börse soll Dir Beweis seyn, wie ich denke.

1005.

Der Diener. List? Damit kann ich dienen.

1006.

Neunter Auftritt.
Das Kammermädchen. Der Liebhaber. Der Diener.

1007.

Der Liebh. Garstiger Komödienonkel!

1008.

Der Liebh. Nimmermehr, und müßte ich [228] mich selbst in Gold verwandeln. Für die Freiheit meiner Geliebten opfre ich Alles –

1009.

Das Kammerm. Wie treiben wir den unwillkommenen Gast weg?

1010.

Das Kammerm. Wohlan, so theile uns mit – –

1011.

Das Kammerm. Nun, so wählt man ein andres Mittel –

1012.

Der Liebh. Barbarischer, kupplerischer Bräutigamsverschreiber!

1013.

Der Diener. Das ist mein Plan. Ihn ausführen, da meine Belohnung schon abgezählt ist, ist eine Kleinigkeit.

1014.

Der Liebh. Wohlan, rede Du Erzschelm! – Uns belauscht doch Niemand?

[229] 1015.

Das Kammerm. Wie? Du? (zugleich)
Der Liebh. Nun?

1016.

Der Diener. Da mir die Sache schwierig gemacht wird, muß ich meinen Scharfsinn doppelt nehmen.

1017.

Der Liebh. Wahrhaftig? (zugleich)
Das Kammerm. Entsetzlich!

1018.

Der Diener. Ihn leibhaftig vorzustellen, sey meine Sorge.

1019.

Der Liebh. Sprich, was beabsichtigst Du?

1020.

Der Diener. Meinetwegen. Streck die Finger aus und greif richtig und schnell. Beim Treibhause im Garten erwart’ ich Dich.

1021.

Das Kammerm. Glücklicher Gedanke! [230] der Brief muß dem Alten gestohlen werden. Ich will mein Talent daran probiren.

1022.

Der Liebh. Da, kleine allerliebste Spitzbübinn, nimm erst dies zum Beweise meiner Erkenntlichkeit. (Er giebt ihr Geld.)

1023.

Der Diener. Das Parterr – vorausgesetzt, ich stände vor einem solchen – sieht freilich in mir das Genie, durch welches das ganze Lustspiel gelenkt wird; aber deshalb darf ich doch nicht aufhören, Ihr Diener zu seyn. Wenn ich also auch ex. gr. als Leithammel vor Ihnen hergehe, so muß ich doch vorher eine Handlung begehen, wodurch ich Sie als den Herrn, mich als den Knecht bezeichne.

1024.

Der Liebh. Also entfernen wir uns?

1025.

Der Diener. Zuverlässig gebührt mir diese Ehre, aber ich werde keinen Gebrauch davon machen.

[231] 1026.

Der Liebh. Solche Handlung wäre –?

1027.

Der Diener. Zu Ihren Diensten: ja!

1028.

Der Oheim. Und bäten Sie bis Sie graue Haare bekämen: ich bleibe bei meinem Nein!

1029.

Zwölfter Auftritt.
Der Oheim. Der Liebhaber.

(Beide zugleich herein.)

1030.

Der Oheim. Bitten mögen Sie nach Herzenslust; ich aber verneine nach Herzenslust.

1031.

Der Diener (ab.)

Der Liebh. (folgt ihm.)

1032.

Zwölfter Auftritt.
Der Liebhaber. Der Oheim.

(Beide zugleich hastig durch die Mittelthür.)

[232] 1033.

Der Liebh. Sie thun mir Unrecht. Ich wünsche nur das Mädchen; nicht des Mädchens Vermögen; also lassen Sie sich erbitten.

1034.

Der Liebh. Ihre Nichte wird frei werden; Sie werden sie frei lassen müssen.

1035.

Der Liebh. Schon vernahm ich es, wie Sie abermals dem armen Kinde mit Ihrer Barbarei zusetzten. Tyrann, der Sie sind!

1036.

Der Liebh. Herr, Sie wollen mich rasend machen! allein es soll Ihnen nicht gelingen. Ich werde Ihre Nichte befreit sehen, denn Sie werden gezwungen werden, sie frei zu lassen.

1037.

Der Oheim. So recht. Wer der Thorheit der Jugend nicht den Zügel schießen lassen will, der ist ein Tyrann, ein Barbar, ein Türke –

1038.

Der Oheim. Geht mich nichts an. Gesagt [233] – gethan! Das Mädchen bekommen Sie nicht.

1039.

Der Liebh. Grausamkeit, die Ihnen leider! zur Gewohnheit geworden seyn muß; denn Sie sind ein Tyrann!

1040.

Der Oheim. Wo? Wo ist er denn?

1041.

Das Kammerm. Nun, der Verschriebene!

1042.

Das Kammerm. Vor’m Gasthofe zum rothen Hahn hält der Wagen. Der junge Herr, der sich aus demselben herausschachtelte, kommt auf unser Haus zu.

1043.

Das Kammerm. Nun, wer sonst? Er selber ist’s und muß es seyn.

1044.

Der Oheim. Da hören Sie’s! Hier ist Nichts für Sie zu thun.

[234] 1045.

Der Oheim. Aetsch! So führt man nasenweise Freyer an. Er ist da – hörten Sie’s?

1046.

Der Diener. Herr, ich habe die Welt gesehen. Ich bin gewesen in London, Buxtehude und Katzenelnbogen, in Paris, in Querfurt und auf dem Hundsrück, in Schweinfurt und in Hirschberg, in Schafshausen und auf Vogelsand, in Mölln und auf der Insel Felsenburg, in Eipeldau und in den Vierlanden bei Hamburg, in Prenzlau, Pesth und Ofen, in Oczakow und in den Vereinigten Staaten, in Siebenbürgen und in Zweibrücken, in Hinterpommern und im Lande Wurste in Darmstadt und auf der Lüneburger Haide –

Der Oheim. Schreien Sie nur nicht so, und bedenken Sie, wo Sie jetzt sind –

1047.

Der Oheim. Das Kammermädchen. Der Diener.

(Der Letztere ist auffallend als Stutzer gekleidet. Er spricht [235] im Berlinischen, sächsischen, pommerschen oder im Mecklenburger-Bauern-Dialekt; wie es dem berühmten Schauspieler, der diese Rolle zu seinem unabläßigen Studium macht, am bequemsten oder eigentlich am maulgerechtesten ist. Auch kann er alle beliebigen Dialecte durch einander sprechen; wenn’s nur Effect macht; denn vom Effect allein hängt der Werth eines Lustspiels ab.)

Der Oheim. (ihm entgegen) Tausendmal willkommen!

1048.

Der Diener. Hoho! Es muß noch ganz anders kommen. Erst wenn Sie meine Anlagen, meine Fähigkeiten, meine Talente, meine Vorzüge, meine Fürtrefflichkeiten, meine Eigenthümlichkeiten, meine Ansichten, Einsichten, Aussichten, Absichten, Uebersichten, Rücksichten mit allen meinen Geschichten und Gedichten, meine Compositionen, Modulationen, Connexionen, Oppositionen, Improvisationen und Approbationen, meine Partituren und Colloraturen, meine Technik, Polytechnik und Mechanik, Praktik und Taktik, Aesthetik und Poetik, Logik und Demagogik, Ornitologie, Periphrasie und Allegorie, meine Rotomondaten und Jeremiaden, meine Plastik und Gymnastik kennen –

[236] Der Oheim. Hören Sie auf! Lassen Sie andere Leute auch zu Worte!

1049.

Der Liebh. Aber ich werde wieder hervortreten aus dem Hintergrund, in den Sie mich stellen.

1050.

Der Diener. Herr, ich habe hier zu reden, und nur ich! Denn ich bin reich, weil ich Geld habe und überdies belesen bin. Und was hab’ ich gelesen? Schillers Theater und Sieben Mädchen in Uniform, die als sie nach Pesth kamen zu dreizehn anwuchsen, oder sonst sich bis zu dieser Anzahl vermehrten. Ich habe Goethes Werke gelesen und Kurländers Almanachslustspiele; Newtons Schrift und Cramers Romane; Voltär’s Pücelle und Klopstocks Oden; Schakespears Coriolan und die unruhige Matrone von Pfyrt; Hufelands Makrobiotik und Schillings Weib wie es ist; Dante’s Hölle und die Gedichte des Improvisators Wolff; die Minnelieder und die Berliner in Wien; die Lehre vom Unendlichen und Jean Pauls Flegeljahre; Krusensterns [237] Reise um die Welt und das berühmte Lustspiel „Komm her!“ Gedichte der Magyaren und von Heß topographische Beschreibung der Stadt Hamburg; Tieks gestiefelten Kater und den Hund des Aubry; Engelmanns Lithographie und die Berliner Schnellpost –

Der Oheim. Herr, machen Sie mich nicht wirbeln!

1051.

Der Diener. Hoho! Ein Narr müßt’ ich seyn, ihn jetzt noch zu nennen.

1052.

Der Oheim. Aber zum Teufel, wie kann ich denn –?

1053.

Der Oheim. Nun, zum Kukuk! Wie ist denn Ihr werther Name?

1054.

Der Diener. Ich hoffe, daß Ihre Nichte nichts einwenden wird –

1055.

Der Oheim. Der Kerl macht mich confus! [238] Und warum denn nun wieder ich und nicht Sie? und nicht Sie, sondern ich?

1056.

Der Oheim. (für sich) Fast hätte ich vergessen, daß sie eingesperrt ist. (laut) Gleich, gleich, mein Herr. (Mit einem Wink, indem er dem Kammermädchen einen Schlüssel reicht.) Hier ist der Schlüssel zu meinem Zimmer, führe das Fräulein durch dasselbe auf dem nächsten Wege hieher.

Das Kammerm. Soll geschehen. (Ab.)

1057.

Funfzehnter Auftritt.
Der Oheim. Der Diener. Die Nichte. Das Kammermädchen.

Der Oheim. (vorstellend) Liebt Euch, heirathet Euch und lernt Euch dann kennen. Ihr seyd Brautleute.

1058.

Der Diener. Ja, ja, mein Herr, aus Vorsicht. Wenn ich nun nicht ich wäre? Wenn ich nun ein verkleideter Liebhaber des Fräuleins [239] wäre? Wenn ich nun auf solche Weise Ihre Nichte erschnappen wollte?

1059.

Der Oheim. (stutzig) Warum meynen Sie das?

1060.

Der Diener. Wegen Ihrer Vormundschaft werfe ich Ihnen ein Prozeß an den Hals, diesen Prozeß führe ich selbst, diesen Prozeß gewinne ich, so komme ich zu Schadenersatz und Sporteln und Sie müssen zahlen.

1061.

Der Diener. Nichts da! Ich will nichts hören; ich will keinen Rath annehmen.

Der Oheim. Doch, doch! Meine Nichte, diese alberne Person, wird ja gar nicht gefragt. Der Notar ist schon unterwegs hieher mit sammt dem Contracte.

1062.

Der Diener. Ha! so ist mein Schicksal denn bestimmt. Sie wollen mich nicht, Mamsell, gut! so will ich Sie auch nicht! und keine [240] Macht der Erde soll mich je vermögen von diesem meinen eben gefaßten, vesten, unabänderlichen, unumstößlichen Entschlusse auch nur um den tausendmillionsten Theil eines Seidenhärchens abzuweichen. Da haben Sie meinen rectificirtesten Schwur!

Der Oheim. Rectificiren Sie Ihre Pflicht und Schuldigkeit, und nehmen Sie Rath an.

1063.

Der Oheim. Ich fahre aus der Haut! Der Mensch ist verrückt.

Die Nichte. Und einem Verrückten wollen Sie mich zur Gattinn geben?

Der Oheim. Ja, damit er vernünftig, oder vollends rasend werde.

1064.

Der Diener. Weg mit allen Allotrien! So ein Notar unter unsern Verhältnissen wird allerdings dazu gerechnet.

Der Oheim. Nein, mein Herr. Der Notar ist hier höchst wichtig. Ich weiß, was ich mit Ihrem Herrn Vater wegen des Heirathsgutes [241] meiner Mündel stipulirt habe; das wird der Herr Notar bekräftigen, und Sie werden meine Nichte heirathen müssen.

1065.

Der Oheim. Herr, sind Sie besessen?

Der Diener. Noch nicht; aber wenn Sie mich toll machen, fordre ich sie auf Pistolen. Sie schießen – ich bin kugelvest; ich schieße – Sie fallen!

1066.

Der Oheim. Topp! Sie halten Wort?

Der Liebh. Auf meine Ehre. Jetzt nur Ihren Namen unter den Contract.

1067.

Der Diener. Billig sollt’ ich darnach fragen. Sicher sind Sie der Liebhaber, der begünstigte, dieser Dame. Der Quidam, der in Comödien am Schlusse noch einmal vorkommt um seine Herzallerliebste heimzuführen, nachdem andere Leute ihn aus der Klemme halfen.

1068.

Der Oheim. Lassen Sie mich!

[242] Der Diener. Nein! Ich lasse Sie nicht! Sie wollen mich mit dieser Dame verheirathen, die mich nicht will: so will ich Sie mit dem blaßgelben Aerger vermälen, bis Sie zur Leiche werden.

1069.

Der Oheim. Ist’s Ernst?

Der Liebh. Positiv!

1070.

Der Liebh. In dieser Stunde noch.

Der Oheim. Erst nach gelösetem Worte.

Der Liebh. Allerdings.

Der Oheim. Bon voyage! (Ab.)

1071.

Der Oheim. Wollen Sie mich ermorden?

Der Diener. Nicht Tag, nicht Nacht will ich Ihnen Ruhe lassen. Eben weil Sie die Hörnermusik nicht leiden können, will ich Nachts unter Ihrem Fenster blasen bis die Lerche steigt oder die Krähen zur Stadt hinaus krächzen. Erst wenn die Sonne scheint, oder der Morgennebel immer dicker wird, sollen Sie ein Stündchen Schlaf finden können.

[243] 1072.

Der Liebh. Ja, der Schalk hat vortrefflich gespielt und alle Partheien vollkommen befriedigt.

1073.

Der Diener. Recht so! Was nach der Beendigung des Lustspiels aus der handelnden Personen Schicksal wird, das kümmert einen berühmten Autor nicht! Hat er doch sein Stück zu Ende gebracht! Selbst Trauerspieldichter giebt es, die darauf weiter nicht Rücksicht nehmen. Und mein heutiger Schwank giebt doch höchstens nur zu einem Lustspiel Stoff.

1074.

Ende des Vorspiels.

1075.

Letzter Auftritt.
Der Liebhaber. Die Nichte. Der Diener. Das Kammermädchen.

Die Nichte. Bin ich behext? Was ist das?

1076.

Der Diener. (zum Kammerm.) Wir doch auch?

[244] Das Kammerm. Es wird wohl nicht anders werden.

1077.

Der Diener. (die Perücke abnehmend) Erkennen Sie in mir die Ursache dieser Catastrophe.

1078.

Das Kammerm. Ich sah’ ihn kommen.

1079.

Die Nichte. Die Strenge meines Vormunds –

1080.

Die Nichte. Liebes Mädchen, werd’ ich mich jemals seines Besitzes erfreuen?

1081.

Den Alten geprellt, so will es die Welt.
Ein Lustspiel in Einem Act.

1082.

Das Kammerm. Ich winkte ihm. Gleich tritt er ein.

[245] 1083.

Die Nichte. Geschwind! Ist er da?

1084.

Die Nichte. Welchen Brief?

1085.

Das Kammerm. (für sich) Sollte man nicht glauben sie hätten sich in sieben Jahren nicht gesehen, und doch sprachen und umarmten sie sich noch gestern.

1086.

Das Kammerm. (bei Seite) Süße Sympathie der Herzen, wie ziehst Du mich hinaus zu meinem Getreuen, der sicher schon auf der Lauer steht!

1087.

Der Liebh. Erleichtere Dein Gefühl durch Worte.

Die Nichte. Meines Oheims Absichten –

1088.

Die Nichte. Nur gemach! Mein Heirathsgut muß ich mit haben, wenn ich Dir folge. Es könnte bei einem so jungen Sausewind, wie [246] du bist, leicht einmal die Frage aufgeworfen werden: Was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden? Dann sind meine sechstausend Thaler gute Rathgeber; drum lass’ uns vorsichtig bedenken – –

1089.

Sechster Auftritt.

Der Oheim. (tritt auf, einen Brief in der Hand) Ja, ja! Sie muß. Alter Freund, mit dem ich so manche frohe Stunde verlebte, ich will Dir mein Wort nicht brechen. – Schreibt er mir doch, der Junge sey brav und habe etwas Tüchtiges gelernt. Nun, nun! Wir wollen ihm schon auf den Zahn fühlen; wiewohl das kaum nöthig seyn wird. Mein alter Freund Michael Balthasar Lämmerzahn lügt nicht. Frevel also wäre es, seinem jungen Lämmerzahn auf den Zahn fühlen zu wollen. (Er klingelt. Das Kammermädchen tritt ein) Meine Nichte soll kommen.

Das Kammerm. Wie Sie befehlen. (Ab)

Der Oheim. Kurzer Prozeß soll gemacht werden. – Ha! das Bräutchen! Nun, Fräulein Nichte?

[247] 1090.

Der Oheim. Von meinem Prozeß ist die Rede und den Spruch fäll’ ich selbst; heirathen Mamsell!

1091.

Der Oheim. Geht mich nichts an.

1092.

Der Oheim. Was kümmert mich sein Prozeß? Ich prozessirte mit Dir, und Du hast verloren. Du vermählst Dich nach meinem Willen, das ist meine Sentenz!

1093.

Die Nichte. Mein Herz gehört aber schon – –

1094.

Der Oheim. Was Prozeß! Fürchte meine Prozedur, wenn Du nicht gehorchst –

1095.

Der Oheim. Davon wird keine Notiz genommen.

[248] 1096.

Der Oheim. Ich glaube gar, das Jüngferchen droht.

1097.

Die Nichte. Herr Onkel, bedenken Sie – –

1098.

Der Oheim. – ein albernes Kind –

1099.

Die Nichte. Herr Oheim, ich kann nicht glauben, daß Sie je meines guten Vaters leiblicher Bruder waren –

1100.

Der Oheim. – ein verdrehtes Köpfchen, das man zurecht setzen muß.

1101.

Der Oheim. Fort, ich schließe Dich ein. Du mußt in’s Dunkle, denn du bist eine thörige Jungfrau, die Oel in ihre Lampe bekommen kann und keins haben will. Marsch! bis Du dich eines Klügeren besonnen haben wirst. (Er führt sie hinaus)

[249] 1102.

Die Nichte. – im Jammer umzukommen –

1103.

Das Kammerm. Ohne Verzug ruf’ ihn, daß wir überlegen, was zu thun sey. Der Alte ist fort gegangen. (Der Diener ab) – O Elend über Elend! Gut, daß wir nicht Comödie spielen, wir müßten sonst vor lauter Verwirrung den Vorhang fallen lassen.

1104.

Die Nichte. – vor Gram zu vergehen –

1105.

Der Oheim. Hinweg! Du wirst eingesperrt, bis Du gehorchst. Singe meinetwegen aus der Oper: „Vous qui protégez les amours, venez, venez à mon secours!“ Wollen’s die Leute draußen noch von Dir hören – meinetwegen; mich rührt es nicht. Nur Gehorsam macht Dich frei.

1106.

Die Nichte. – das den Kelch des Leidens leeren soll –

[250] 1107.

Der Diener. Ich knöpfe Ihnen z. B. diese verschobene Weste zurecht, mache mein Compliment, und spreche: Zu Ihrem Befehl.

1108.

Der Liebh. Wie verstehst Du das?

1109.

Der Diener. Zu Befehl! Gnädiger Herr, die Schnalle an Ihrem Hute hat sich verschoben. – Erlauben Sie! (Er ordnet, giebt den Hut zurück und verbeugt sich stumm.)

1110.

Der Diener. Ja, wenn Sie anders nichts dagegen haben.

1111.

Der Oheim. Bin’s auch noch nicht, das heißt für Sie nicht. Ihr Besuch ist mir, seinem Zwecke nach, klar; denn dieser Zweck ist ein Frauenzimmer und ein ansehnlicher Beutel Geld.

1112.

Der Liebh. Was haben Sie gegen mich?

[251] 1113.

(Von der Seite herein) Des Herrn Schreibtisch und der Mamsell Strickbeutel sind zwei Gegenstände, die ein schlaues Kammermädchen von innen und von außen kennen muß. Hier der Beweis meiner Kenntniß: ich habe den Brief! – – Doch wo sind meine Alliirten? Schon fort? Da muß ich sie schleunig aufsuchen, damit die Posse beginnen möge.

1114.

Der Liebh. Wie, mein Herr? Gefall’ ich Ihnen nicht?

1115.

Der Liebh. Erhören Sie mein Flehen. Ich habe Vermögen genug, eine Gattinn zu ernähren. – Ich – –

1116.

Der Oheim. Allerdings werd’ ich das, und zwar – –

1117.

Der Liebh. Ein Bescheid, den nur ein Mann wie Sie geben kann.

[252] Der Oheim. Ganz recht! soll so seyn; will’s so, und um alle dem nutzlosen Hin- und Herreden ein Ende zu machen, sperrt’ ich die widerspenstige Comödienliebhaberinn ein, damit sie – –

1118.

Der Liebh. Aber wenn ich Ihnen nun sage, daß wenn ich meinen Prozeß auch nicht gewonnen hätte, ich doch ein ansehnliches Vermögen besitze. Wie dann?

1119.

Das Kammerm. (zum Liebh., heimlich) Was machen Sie denn hier?

1120.

Der Liebh. Ich entferne mich.

1121.

Dreizehnter Auftritt.
Die Vorigen. Das Kammermädchen.

1122.

Der Oheim. Nun? Wo bleibt denn der angekommene Bräutigam meiner Nichte?

[253] 1123.

Der Oheim. Ei, ei, mein Herr Adonis, wie schmeckt’s?

1124.

Der Oheim. Nun wohl, mein Herr; ich bekomme einen Gast – mein Haus, meine Zimmer werden mir zu enge, also – –

1125.

Der Diener. Was Verwundrung? Was Entzücken? Sie sollen noch, so wie Sie nur erst anfangen mich einigermaßen zu kennen, außer sich gerathen; Sie sollen besessen werden von tausend Dämonen der Erstarrung, der Hinsterbung, der Verschmachtung, des Vergehens und Verschwimmens im Meere der Ehrfurcht, welches das Felsenriff meiner ungeheuren Kenntnisse umfließt.

Der Oheim. Alle Wetter! eine schroffe Kenntniß.

1126.

Vierzehnter Auftritt.
Der Oheim. Das Kammermädchen. Der Diener.

[254] (Letzterer in lächerlichem Aufzuge, der ihn als Modenarren der jüngsten Zeit characterisirt. Da nun nichts schneller veraltet als die Mode, so wird der Verf. dieses Lustspiels sich wohl hüten hier eine Costümsvorschrift zu geben.)

Der Oheim. (mit einer Umarmung) Willkommen, willkommen!

1127.

Der Diener. Freilich wissen Sie meinen Namen; denn Sie erhielten kürzlich abermals ein Schreiben von meinem Vater.

Der Oheim. Nun ja, aber – –

1128.

Der Oheim. Nun, zum Geier! Wie heißen Sie?

1129.

Der Oheim. Alle Teufel, Herr! warum verlangten Sie denn, daß ich so fragen sollte?

1130.

Der Diener. Widerspruch duld’ ich nicht. Der Jugend gehört die Welt, hat ein berühmter Schriftsteller gesagt; ich glaube Lavater, Schikaneder oder – –

1131.

Der Diener. Nun ja! Als ob ich nicht [255] ein Anderer oder vielmehr ein Anderer ich seyn könnte oder seyn wollte, um sich hier einzuschleichen und Ihnen, als verkappter Liebhaber, Ihre Nichte wegzuschnappen.

1132.

Der Oheim. Durchaus nicht, durchaus nicht –

1133.

Der Diener. Es wäre Schade, wenn sie nicht gleich einwilligte. Ein Mann findet sich zwar alle Tage; jedoch kein Mann wie ich. Hoffentlich aber wird Ihre Demoiselle Nichte sich nicht selbst im Lichte stehen.

1134.

Der Diener. Wie? Ich muß? Gut dann! Aber es soll Ihnen theuer zu stehen kommen. Sie lieben die Gärtnerei, ich weiß es, denn alle Welt weiß es – gut! An meinem Hochzeitstage verwüste ich Ihren Garten, daß er aussehen soll, wie die Perücke eines Dorfschulmeisters, die von den ABC-Buben zerzaus’t wurde.

[256] 1135.

Der Oheim. Der Unglückliche hat den Verstand verloren.

Die Nichte. Und doch soll ich seine Frau werden? O, ich Bejammernswerthe!

Der Oheim. Schweig, Du Urheberinn all’ dieses Elends!

1136.

Der Diener. Zum Teufel mit Contract und Notar!

Der Oheim. Nicht zum Teufel; denn ich bin nicht der leidige Gott sey bei uns! Und hieher zu mir soll der Notar den Contract bringen und ich werde ihn unterschreiben und meine Nichte soll ihn unterschreiben und Sie müssen ihn unterschreiben.

1137.

Der Oheim. Sind Sie toll?

Der Diener. Nein, mein Herr; aber Sie sollen es werden. Ich will Ihnen den Kopf so warm machen, daß selbst kein Tropfbad Sie kuriren soll.

[257] 1138.

Der Diener. Ich will keinen Rath. Ich will nichts hören. Philosophen – und ich bin ein Philosoph, das können Sie aus meinem ganzen Wesen abnehmen – Philosophen, sag’ ich, nehmen keinen Rath an und hören Niemand an, als sich selbst.

Der Oheim. Aber meine Nichte muß ja. Alles ist ja zwischen uns richtig; der Notar ist ja mit dem Contracte schon beschäftigt –

1139.

Der Diener. Wer sind Sie? könnt’ ich billig fragen? Doch mein Scharfsinn erräth das schon. Sie sind dieser Dame Liebhaber. – Hoho! Sie wollen den Triumph haben und es mit ansehen, wie diese Demoiselle sich ihrem Onkel fügt, wie sie mir die Hand reicht und mich am Narrenseil hält, indem sie mich zwingt Sie zu meinem Hausfreunde zu machen. Fehlgeschossen mein Herr! Ich heirathe diese Demoiselle nicht. Lieber will ich auf dem Fleck jene Jungfer zur Frau nehmen, die mir ohnehin noch unberathen zu seyn scheint.

[258] 1140.

Der Oheim. Zuverläßig! Meine Nichte ist die Ihrige. – Und Sie, abgeschmackter Reisender, Philosoph und Ornitolog oder was Sie sonst noch Alles seyn wollen – verlassen Sie ungesäumt mein Haus. (zum Liebhaber.) Sie reisen ja wohl auch bald mit Ihrer Braut?

1141.

Der Oheim. Mein Himmel, so lassen Sie sich doch sagen – –

Der Diener. Sie hören’s, daß ich nichts hören will, und daß ich nicht eher aufhören werde Sie zu ärgern, bis Ihnen Hören und Sehen vergangen seyn wird –

1142.

Der Diener. Oho, mein Herr! Ich kenne Ihre Lieblingsneigungen, u. A. Ihre Muscheln- und Schmetterling-Sammlung. Gut! An meinem Hochzeitstage stampf’ ich Ihre Muscheln zu Pulver und gebe Sie Ihnen in Madeira-Wein zu trinken; Ihre Schmetterlinge lass’ ich ausfliegen, daß die Gassenbuben zu sammeln haben.

[259] 1143.

Der Oheim. Nun, in einer Stunde schließen wir schriftlich ab. Nehmen Sie das Mädchen – Gott segne Euch! Die Post fährt heute noch ab. Zu Ihrer Nachricht Herr Philosoph und schwadronirender Improvisator. – Wann reisen Braut und Bräutigam?

1144.

Der Diener. Haben Sie ein Recht darnach zu fragen? Warum mischen Sie sich hier in die innigsten Familienverhältnisse? Dies ist meine Braut – dies ist der Braut Onkel, mein zweiter Vater gleichsam, der mir das höchste Glück des Lebens zugedacht hat, und dem ich dafür das Erdenleben zur Hölle machen will, weil er – –

1145.

Der Liebh. Um Gotteswillen, der Mensch ist rasend! Ich kenn’ ihn – (heimlich zum Onkel) Er ist in Bückeburg schon vor zwei Jahren wegen (er deutet auf die Stirn) – eingesperrt gewesen.

Der Oheim. Was Sie sagen!

Der Liebh. Ei freilich! Lassen Sie ihn [260] doch laufen. Hören Sie lieber mich. Ich will ein Uebriges thun, ich will Ihre Nichte ohne alle Aussteuer nehmen. Sind Sie nun zufrieden? Willigen Sie ein?

Der Oheim. Sie stellen mir darüber eine Acte aus?

Der Liebh. Noch heute.

1146.

Der Diener. (zum Kammerm.) Und wir Beide hoffentlich auch?

Das Kammerm. (bejaht es.)

1147.

Der Diener. (der sich kund giebt) Ja, das war eins von meinen Schwänkchen.

1148.

(Der Vorhang fällt.)

1149.

Der Liebh. Gleichviel, sind wir dann doch über alle Berge.

Die Nichte. Nach der Schweiz!

Der Liebh. In’s Land der Freiheit.

1150.

Der Oheim. Wollen Sie mich rasend machen?

[261] Der Diener. Ja, mein Herr, das will ich. Ich will in Ihrem Hause das Unterste zu oberst kehren. Ich will Sie ängstigen, quälen, verfolgen, todt ärgern –

1151.

Das Kammerm. Unbezweifelt. Nur der Titel fehlt uns noch.

Die Nichte. Kleinigkeit! das Lustspiel heißt: Liebesglück und Liebesleid.

Der Diener. Oder: Liebesleid und Liebesglück.

Der Liebh. Oder: Wer’s Glück hat, führt die Braut heim.

Der Diener. Oder: Wer die Braut heim führt, hat’s Glück.

Das Kammerm. Nicht immer! drum schlag’ ich vor: Der Brief aus Zimpelshausen, oder: Der Bräutigam unterwegs.

Der Diener. Oder: Der Bräutigam ohne Braut – doch genug des Oders. Das verehrte Publikum mag selbst wählen. Titelmachen kann Jeder; mit dem Stücke, besonders mit dem Lustspiel haperts oft. Man sehe die kritischen [262] Journale, Artikel: Schöne Künste u. a. a. O.


1152.

Der Liebh. Wundere Dich nicht mehr, Geliebte. Durch den Pfiff dieses Schalks ist es gelungen, alle Hindernisse zu beseitigen, die unserer Verbindung im Wege waren.

1153.

Der Diener. Herr, habe ich meinen Lohn auch verdient? Wie, wenn der junge Herr von ** wirklich kommt?

1154.

Der Diener. Köstlich! So errang ich den Hauptzweck meiner List, dies allerliebste kleine Patschchen nemlich. Mag der Herr Bräutigam, wenn er wirklich ankommt, sein Vögelchen ausgeflogen finden. – Was kümmert’s uns? Für uns geht die Sache als Lustspiel zu Ende?

1155.

Das Kammerm. Nur Geduld, er ist nicht fern mehr.

[263] 1156.

Der Liebh. Was denn?

Die Nichte. Was uns Beiden am Herzen liegt.

1157.

Das Kammerm. (für sich) Fort! Hinaus zu meinem harrenden Seladon, daß ich eben so mit ihm der Liebe Manna theile. (Ab.)

1158.

Der Oheim. Wischiwaschi ! Ihr Herzblatt, der Herr ** ist nicht mein Mann; ist einseitig, hat wenige Mittel so im Kopf, wie im Beutel –

1159.

Die Nichte. Wie? Sie betrachten mich als – –

1160.

Die Nichte. Herr Vormund, ich bin keine Dirne, sondern ein – –

1161.

Der Oheim. Nichts von Frist, nichts von Aufschub, nichts von Bedenkzeit. Ich habe keinen Sinn für dergleichen neupoetische Floskeln. [264] Zu meiner Zeit lernten Kinder und Untergebene gehorchen. Heut zu Tage sind sie nicht selten superklug und spotten des Alters.

1162.

Der Oheim. Fort! Du wirst eingesperrt. Wäre Dein Liebhaber ein Skelett, so macht’ ich’s mit Euch wie in der Ballade, bände Euch aufeinander und schmisse Euch in den Kerker.

1163.

Achter Auftritt.

Das Kammerm. (durch die Mittelthür lauschend, dann tritt sie ein.)

1164.

Der Diener. Zuverlässig, er wartet.

1165.

Der Diener. Was sollt’ er nicht? Er steht wie angenagelt draußen.

1166.

Achter Auftritt.

Das Kammerm. (kuckt erst durch die Thür, dann tritt sie ein.)

1167.

Das Kammerm. Geduld! Nur List kann uns retten.

[265] 1168.

Das Kammerm. So dacht’ ich’s. Und gelingt Dir es, so soll es Dein Schaden nicht seyn.

1169.

Der Liebh. So hat er sie wirklich – –

1170.

Der Diener. Das heißt wie ein ächter Liebhaber gesprochen.

1171.

Der Liebh. Tyrannischer Oheim!

1172.

Das Kammerm. Hilfst Du, so sorge nicht für Belohnung.

1173.

Der Liebh. So sitzt sie gefangen?

1174.

Der Diener. List? – Pomade für mich!

1175.

Das Kammerm. Nun, so kann man ja wohl durch andere Mittel – –

1176.

Der Liebh. Verhaßter Kuppler!

1177.

Das Kammerm. Behüte, das verdürbe [266] ja unsern ganzen Plan. – Gieb’s nur von Dir, Schelm!

1178.

Der Diener. Wie? Nur nicht, daß meine Reputation darunter leidet; nur nicht durch eine abgenutzte Comödienlist –

1179.

Das Kammerm. Wie fangen wir es an, den Junker Bräutigam wegzutreiben?

1180.

Der Liebh. Der Alte will mich wahnsinnig machen mit seinem verschriebenen Bräutigam.

1181.

Der Diener. Thut nichts. Ich errathe seinen Namen schon. Thaddäus Bocklümmel oder Bastian Feldkümmel oder Theophilus Lämmerzahn oder Plumper schlecht weg – ja so muß er heißen. –„Es muß blitzen!“ sagt Johanna von Montfaucon, die bekanntlich nur klassische Worte im Munde führt.

1182.

Das Kammerm. Wär’s möglich? (zugleich)
Der Liebh. Himmel!

[267] 1183.

Der Liebh. Was soll das? (zugleich)
Das Kammerm. Ich merke!

1184.

Das Kammerm. Ja, wer weiß das!

1185.

Der Diener. Das Außerordentliche ist geschehen; dennoch liegt in der Noth selbst die Rettung. – Du, die Du eigentlich nichts weißt, wisse: daß jener verschriebene Bräutigam bereits hier ist.

1186.

Der Diener. Bin’s! Bin der Verlorenen Einer, der nach Wolle gehen soll und geschoren nach Hause kommen wird. „Das ist Loos des Schönen auf der Erde!“ – Wie heißt er doch, der schöne Verschriebene?

1187.

Das Kammerm. (verneigt sich und geht ab.)

1188.

Der Liebh. (zum Kammerm.) Hier auf Abschlag Etwas von meiner Dankbarkeit. (Er giebt ihr Geld.)

1189.

Zehnter Auftritt.
Der Liebhaber. Der Diener.

[268] 1190.

Der Liebh. (zum Kammerm.) Hier, hier! Nimm erst dies zur Aufmunterung in Deinem edlen Gewerbe.

1191.

Der Diener. Unmöglich ist es, Ihnen das zu sagen. Dem Kammermädchen hätt ich’s vertrauen können. Ihnen darf ich’s nicht vertrauen; das hieße Sie mündig machen bei einer Sache, bei welcher Sie vor der Hand unmündig bleiben müssen.

1192.

Der Liebh. Nun? Welche Handlung aber – –

1193.

Eilfter Auftritt.
Das Kammermädchen.

1194.

Der Liebh. Sie werden gezwungen seyn, Ihre Nichte wieder in Freiheit zu setzen.

1195.

Das Kammerm. (heimlich zum Liebh.) Was zum Henker machen Sie denn hier?

[269] 1196.

Der Diener. Gelassen mein Herr; denn nur ich habe hier zu reden! Wer bin ich? Ein Rhetoriker und Historiker, ein Platoniker und Anatomiker und Mnemoniker, ein Magister und Polyhistor, ein Kenner und ein Gönner, ein Kritiker und Polikiker, ein Belletrist und ein Purist und ein Antagonist. – Ich habe auf dem Brocken gefrühstückt und am Vesuv zu Mittag gespeiset, habe in Sanct Helena Weintrauben und an den Scheren Klippfisch gegessen, habe in London Porter und in Paris Chateau-neuf getrunken, habe das Ballet in Neapel und in Pesth die sieben Mädchen in Uniform gesehen, habe eine Reise durch die Panoramen der Gebrüder Suhr gemacht und bin auf der Treckschuit von Amsterdam nach Mastricht gefahren; also – –

Der Oheim. Herr, ich wollte Sie führen gleich wieder ab.

1197.

Der Diener. Wie weise Sie sich stellen und wie wenig Sie es sind! Mein Herr, ich bin nicht abgeneigt, Sie für einen Moralphilosophen [270] zu halten, der der Modewelt eine Lobrede hersagt. Müssen Sie meinen Namen doch wissen! Warum stellen Sie sich denn, als wüßten Sie ihn nicht? Warum verleugnen Sie Ihr eigentliches Selbst, ihre eigenthümliche Natur, Ihr wahres Wesen, Ihr ideales oder reales Ich, Ihren innern Menschen?

1198.

Funfzehnter Auftritt.
Der Oheim. Der Diener. Die Nichte. Das Kammermädchen.

Der Oheim. (vorstellend) Der junge Herr von ** – Meine Nichte –

1199.

Der Diener. Ei nun, ich orientire, verwahre, verpallisadire, verschanze, verproviantire mich gern von allen Seiten, nach allen Seiten, gegen alle Seiten – –

1200.

Ende des Lustspiels.


[271]
Schreiben des Verfassers
an den Buchbinder dieses Almanaches.

Mein lieber Meister!

Berühmtere Leute und zu gleicher Zeit erbärmlicheres Volk, als auf den fünf Kupfertäfelchen zu den neunhundert neun und neunzig Almanachs-Lustspielen stehen, hat er in Seinem ganzen Leben noch nicht eingebunden aus Seiner Werkstatt hervorgehen lassen. Er merkt nun wohl, daß es mit diesen Leuten eine eigene Bewandtniß haben muß. Und dem ist auch so.

Da nun nirgend im Büchlein angegeben werden sollte, zu welchen Seitenzahlen Er die fünf Küpferchen zu binden hat, Er aber ohne Rücksprache deshalb in Verlegenheit gerathen mögte, so lasse Er sich sagen, wie ungeachtet ihrer inneren Nichtigkeit diese Leute mit allen ihres Gleichen sich so wichtig zu machen gewußt haben, daß jede Stelle, wo sie stehen, durch sie bedeutend wird. Frage Er deshalb nur die Theaterkritiker in allen sogenannten ästhetischen Zeitschriften, von den hamburgischen wankelmüthigen dramaturgischen Blättern an bis zu der letzten Berliner Klatschzeitung, die von solchem Volke unaufhörlich referiren, rapportiren und Lobhudeleien schmieren, daß kaum Löschpapier genug dazu angefahren werden kann.

So also braucht Er sich keine Sorge zu machen, wohin im Büchlein er jedes der Küpferchen binde. Das Wohin bleibt diesmal ganz und gar dem Zufall [272] anheim gestellt, und damit auch Er einmal erfahre was Alles aus einem Menschen werden kann, so soll Er dabei den Zufall vorstellen. Fehlgriffe sind dabei gar nicht zu machen, auch wenn er die Bilderchen über Kopf einbände, denn was der Zeichner auch sich Mühe dabei gegeben habe, so ist es doch noch sehr die Frage, ob eine einzige dieser Figuren einen Kopf habe, oder ob sie wirklich richtig im Kopfe sey. Doch das ist nicht Seine, sondern meine und einer Gesellschaft artiger Herren Sache, die man Recensenten nennt, und mit denen ich mich hiemit auf freundschaftlichen Fuß gestellt wissen will.

Ich grüße Ihn freundlich

      Simplicius.
d. fr. K. Magister.
Hamburg
im Julii 1828.



Schneeberg,
gedruckt in der C. Schumann’schen Buchdr.

Anmerkungen

  1. Will etwa Herr M. Simplicius gleich von vorn herein zu verstehen geben, daß er auch französisch versteht? Du liebe Zeit! das kann heut zu Tage jede Stubenmagd. Anm. d. Setzers.
  2. Die Kunst ernste und scherzhafte Glückwunsch-Gedichte durch den Würfel zu verfertigen. Ein Spiel von Georg Nicolaus Bärmann, d. W. W. Doctor u. d. fr. K. Magister. In der Vereinsbuchhandlung, Berlin. 1826. Anm. d. Verf.
  3. Der Herr Verf. ist hier offenbar ein wahrer Simplicius, denn er scheint nicht einmal zu wissen, daß man heut zu Tage von Moral nichts auf dem Theater wissen will und daß wenn der Spruch „artes meliorant mores“ auch einmal über einem Schauspielhause stand, solcher Spruch doch in Betreff der dramatischen Kunst längst in Rauch aufgegangen ist. Anm. d. Setzers.
  4. M. s. Intelligenzbl. d. Leipz. Lit. Zeitung Nr. 12. v. J. 1826.
  5. Ei, Ei! der Herr M. Simplicius ist hier ein Pfiffikus. Gewiß hat er Wind davon erhalten, daß ein berühmtes seit noch nicht langer Zeit neu erbautes deutsches Theater den heroischen Entschluß gefaßt hat, einactige Stücke gar nicht mehr honoriren zu wollen. Herr Simplicius hätte hier an die Fabel vom Fuchs und den Trauben denken sollen! Anmerk. d. Setzers.
  6. Ist auch gar nicht nöthig, Herr Magister! Anm. d. Setzers.
  7. Das mögen die Berühmten entscheiden! Anm. d. Setzers.

Anmerkungen (Wikisource)