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Neuere Literatur zur Geschichte Englands im Mittelalter (DZfG Bd. 6)

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Autor: Felix Liebermann
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Titel: Neuere Literatur zur Geschichte Englands im Mittelalter
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 6, S. 113–176.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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Quelle: Scans auf Commons
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[113]
Neuere Literatur zur Geschichte Englands im Mittelalter.


I. Besprechungen einzelner Werke.
Ueber die Verzeichnungen * und 0, das Format und den Druckort s. Bd. V p. 390 u. 418.

Ch. I. Elton, Origins of English hist. 2. ed. rev. 1890. xxiv 450 p., 10 Karten [aus geograph. Büchern des 15. u. 16. Jh.] Verf. sammelt fleissig und klar beste Belege und Literatur [doch fehlen z. B. Seebohm, Pollock, Scrutton, Gomme, Dareste, Loth] für Britanniens früheste Geographie, Mythologie, Ethnologie, Prähistorie und Geschichte unter [114] Kelten, Römern und heidnischen Germanen. Ausführlich behandelt dieser Rechtshistoriker das Erbrecht (nach Localbräuchen von 170 Orten), besonders die Jüngstenfolge, die er einer Vorkeltischen, Finnischen [?] Rasse zuzuschreiben neigt. Und überall, von der Steinzeit bis um 600, wird dies Handbuch dem Culturhistoriker zur ersten allgemeinen Orientirung dienen; im Anhang sind die classischen Stellen über Nordwest-Europa, von Pytheas bis Dicuil, abgedruckt, und die Autoren alphabetisch, mit der Seite wo Verf. sie benutzt, verzeichnet, Orts- und Sachindex sind beigegeben. Ohne zwar selbst Philolog zu sein, beobachtet Verf. mit offenem Auge die Ergebnisse der Sprachforscher, namentlich der Keltisten, wie der Archäologie und Volkskunde. Vollständigkeit (z. B. über die Blutsbrüderschaft) hat er wohl nicht einmal angestrebt. Vorsichtig berichtet er die verschiedenen Theorien, wo er nicht Quellen übersetzt, meist ohne sich fest zu entscheiden. Von den gelehrt erfundenen Sagen des Kelt. MA. ist er kritisch genug, sich gänzlich zu befreien. Der hauptsächliche Mangel des Buches besteht in der völligen Unkenntniss von gegenwärtiger Deutscher Forschung; und wohl desshalb ist das, allein ins MA. reichende, letzte Capitel, über die Germanischen Eroberer und ihre heidnische Cultur, gar so dünn gerathen. Ueber Offa von Angeln z. B. und über Beowulf, über Runen und Sagen der Germanen um 500 weiss Deutsche Alterthumskunde denn doch mehr, als Elton bringt, der meint, deren Kostüm durch Nordische Sagas des 12. Jahrh. von schwerterreichen Seekönigen zu erhellen.


*T. Kerslake [†], Saint Richard, the king of Englishmen and his territory a. D. 700–720; added: The Celt and the Teuton in Exeter. 1890. Clevedon, Selbstverlag. 96 p. – Der um 721 zu Lucca begrabene Vater von Willibald, Wunnibald und Waldburg aus Wessex heisst erst seit dem 11. Jahrh. in Herrieden und Eichstätt König Richard, und sein Cult zu Lucca ward kurz vor 1327 in Eichstätt nachgeahmt. Verf. bringt nur die bekannten Belege bei (Mon. Germ. 7, 262; 15, 90; 25, 594 f.), und nicht in bester Ueberlieferung. Ohne die [neuerdings von Holder-Egger MG 15, 90 gesammelten] Gründe gegen die Authenticität des Namens, der Würde und der Heiligkeit Richard’s zu widerlegen – die Worte der Heidenheimer Nonne passen auf keinen noch so kleinen König –, versetzt er Richard an die Spitze einer Germanischen Ansiedlung in Devonshire, die dem Westsächsischen König vorausgedrungen sei, ohne den Schatten eines Beweises. [Die Hagiographie hat übrigens den Angelsachsen noch einen Prinzen Richard nebst einem König Hugo geschenkt; Mon. Germ. 15, 558 ff.] Auch über die Eltern des Bonifaz baut Verf. luftige Hypothesen; dessen Geburtsort Crediton heisse nach der Scotischen Heiligen Crida [?]; Lundenwic bedeute Sandwich. [Für die gewohnte Deutung London spricht Hlothaeres Gesetz am Schluss.] Zu Bonifaz’ Cultus in England verzeichnet Verf. zwei Winfridkirchen in Devon, einen St. Winfrid’s well zu Crediton [wie alt ist der aber?] und je eine [115] Bonifazkirche zu Bonchurch und Bunbury. Mit Recht betont Verf., dass die Angelsächsischen Annalen [von Winchester] den parteiischen Bericht der Westsächsischen Dynastie darstellen, und weist einstige Keltische Mission aus den Namen der Kirchenpatrone in Devonshire nach. Er meint hier von Südirischen Glaubensboten, im Unterschiede von Columbas Anhängern, Spuren zu erkennen. – Der Ortsgeschichte und der Hagiographie dient auch der zweite, zuerst 1873 erschienene Aufsatz über die Grenze zwischen Westsachsen und Wälschen innerhalb Exeters, dessen Werth für die Erkenntniss der Germanischen Eroberung im Südwesten allgemein geschätzt wird. – Man bedauert, dass dem fleissigen, gelehrten, selbständigen und begabten Alterthümler Kritik und wissenschaftliche Schulung mangelten. Vgl. Antiq. Oct. ’90, 182.


*C. Gross, The Gild merchant; a contribution to British municipal history. 2 Bde. Oxford 1890. xxiv 332, xij 447 p.

Dies Werk fördert die Brit. Geschichte der Genossenschaft, Stadt, Wirthschaft und der meisten einzelnen Städte höchst bedeutend. Grossentheils schafft es erst die Grundlage der eigenen und aller künftigen Forschung durch Feststellung einer Riesenmenge von Einzelthatsachen. Der ganze zweite Band enthält nämlich Urkunden für 93 Städte, vom 12.–18. Jahrh., darunter Ungedrucktes allgemeiner Wichtigkeit, aus Londoner und Bodley’s Bibliotheken und zehn Stadtarchiven. [Leider fehlt eine Anordnung naoh Zeitfolge.] Auch wo Drucke vorlagen, brachte Nachvergleichung manche Besserung, selbst an Arbeiten der Record-Commission. Neben den Quellen beherrscht aber der Verfasser in einer für Englische Bücher beispiellosen Weite die Literatur auch des Festlandes [natürlich ohne die neuesten, besonders juristischen Arbeiten, die 1888 noch nicht nach der Harvard-Universität, wo er Geschichte lehrt, gedrungen sein konnten; vgl. DZG II, 513]. Seine Literaturliste füllt I p. 301–32; und seiner in Aussicht gestellten Bibliotheca von 4000 Büchertiteln darf man um so gespannter entgegensehen, als man bedeutendere Werke, z. B. Schottischer Antiquare, bei uns kaum dem Namen nach kennt.

Wie bei einem Schüler Göttingens zu erwarten, zollt er nicht nur Höhlbaum die verdiente Anerkennung, sondern versteht die festländischen Forschungen über Deutschlands und Nordfrankreichs Stadt und Wirthschaftsgenossenschaft gründlich: er vergleicht, natürlich ohne für Deutschland neue Ergebnisse, in Kürze „Die Kaufgilde des Festlands“ (I, 282–300), die Bewidmung mit dem Rechte einer älteren Stadt und den Rechtszug an den Oberhof der Mutterstadt (267–300), und behandelt ausserdem Flandrische und Hanseatische Beziehungen 108 f., 150, 192–9, 214. Um so mehr ist zu rühmen, dass er sich von den Theorien eines Deutschen Volkswirths, der nur vereinzelte [116] Erscheinungen, ja die blosse Ausnahme, zur allgemeinen Regel machte, überhaupt von den Vorurtheilen früherer Darsteller, die er scharf nachprüft, und von den Analogien mit fremden Ländern nicht irre führen lässt. Seine heftige Sprache gegen die Vorgänger klingt nur zu – Deutsch.

Für die drei Jahrhunderte nach 1150 ist Verfasser zu klaren abschliessenden Ergebnissen gelangt; auf den Gebieten, wo die Quellen reichlich fliessen, wo der Historiker mehr fleissig zu sammeln, übersichtlich zu ordnen und deutlich wiederzugeben hat, liegt des Verfassers Stärke: der Jurist wird manches abstracter formuliren, und der Volkswirth zu vielen Erscheinungen die wirthschaftlichen Ursachen und Folgen genauer aufspüren und über die Monopolsucht der Gilde und ihre Unterdrückung des Unternehmungsgeistes, in Anbetracht der damaligen Kindheit des Verkehrs, der fester Formen bedurfte, weniger vom Standpunkte des modernen Freihandels aburtheilen. [Vgl. Sombart, Jbb. f. Nat.-Oekon. 3 F. I, 756: die Politik musste den noch spärlichen Waarenstrom stauen, um ihn überhaupt lebendig zu erhalten.]

Die Kauf(manns)gilde auf den Britischen Inseln kommt [unter diesem Namen] in Urkunden vor, die sicher seit 1108, wenn nicht einige Jahre früher, datirbar sind; deren vielleicht früheste ist die für Canterbury [1106–8 laut Anselm’s Epist. IV, 59; 61]; wenig früher können die Urkunden für Wilton, Burford und Leicester sein; es folgen Beverley [1126–33 begrenzbar] und York 1130/1. Verf. nennt 102 Städte in England, die eine Kaufgilde hatten, 30 in Wales, seit 1227, und 38 in Irland, seit 1192. Unter Edward I. hat mehr als ein Drittel aller zum Parlament berufenen 166 Städte eine Kaufgilde; doch nicht immer die wirthschaftlich bedeutendsten oder im Parlament vertretenen oder reichsunmittelbaren besitzen sie. In London [seit dem 12. Jahrh.], Kents Fünf Häfen, Exeter, Norwich, Northampton, Colchester fehlt sie. Als erstes Stadium der Gilde nimmt Verf. einen privaten, [rein?] wirthschaftlichen Verein an, der in zweiter Stufe zur Stadt in Beziehung trat, weil [u. a.] bei überhaupt kleiner Volkszahl die Gildenbrüder mit den einflussreichsten Bürgern, und besonders die zum Regiment fähigen Kreise unter beiden, dann aber bei damaliger Aehnlichkeit zwischen den Strebungen der Stadtbewohner die Interessen der Gilde mit denen der Stadt vielfach identisch waren. Durch Englands dynastische Verbindung mit Französischen Territorien [durch nationale Einung] und polizeiliche Sicherheit unter der starken Normannenkrone erwuchs [besser: hob sich] der Handel und mit ihm die Gilde seit dem Ende des 11. Jahrh. Der Ortsbrauch wechselte im Englischen MA. so bunt, dass man ein allgemein zutreffendes Verfassungsrecht der Gilde oder der Stadt nicht systematisiren darf; nicht einmal der Entwicklungsgang im Verhältniss zwischen Gilde und Stadt läuft in den verschiedenen Orten parallel; in dessen Beleuchtung liegt der Glanzpunkt von Gross’ Werk.

[117] Die Gilde hängt stets an der Stadt [und zwar je Eine an Einer], nie am Dorf oder Flecken, und überflügelt sie nie; meist bleibt sie ihr untergeordnet, unter ihrer Aufsicht; sie ist nirgends der Keim der Stadt, sondern ein Reis eigener Wurzel, das im 12. Jahrh. dem Stamme der Stadt aufgepfropft ward und als deren mächtiger Ast ihr Gedeihen förderte. Wenn allerdings die Gildhalle, vor 1200 in doch nur wenigen Städten, zum Rathhaus wurde, so lässt sich das leicht anders als mit der irrigen Annahme erklären, die Gilde sei zur Stadt erblüht.

Ursprünglich ist die Gilde nirgends mit der Stadt identisch; und später wird an manchen Orten ihr drückendes Monopol von der Gemeinde offen bekämpft; die Krone wirft ihr vor, die Gilde werde reich, die Stadt arm. Durch die Tyrannei der Gilde [wohl nur neben anderen Ursachen], meint Verf., verlassen Handel und Gewerbe manche alte Stadt und wandern in freiere Landstädte aus. Die Stadt entstand unter den Angelsachsen aus der Festung [u. a. auch dem Markte!] durch Exemtion ihres Gerichts aus der Hundert- und Grafschaft; sie erhob sich seit dem 12. Jahrh. durch königlichen Freibrief zum Liber burgus, den nicht Ein Recht, sondern eine Summe von Rechten (hier mehr, dort weniger) auszeichnet; zur Corporation ward zuerst Coventry 1345; doch schon viel früher wirkte die Gemeinde thatsächlich als juristische Person und wurde auch begrifflich als solche hingestellt. Die Selbstpacht der dem König aus der Stadt erwachsenden Einkünfte, die Wahl eigener Beamten, das selbständige Gericht und Stadtrecht und die Kaufgilde, neben der meist Zollfreiheit durch das ganze Reich (vorbehaltlich früherer Vorrechte) steht, sind die Gerechtsame, auf Grund welcher sich meist die Bürger zur ewigen Gemeinde verkörpern. Also die Gilde ist nur Ein Recht der Stadt unter mehreren, allerdings das häufigst erwähnte, aber bis um 1250 nicht das massgebende: mancher Liber burgus wird ohne sie oder neben ihr privilegirt. Firma burgi (also eigene Casse), Gericht und Polizei verbleiben der Stadt; erst Ende des 13. Jahrh. entwickelte manche Gilde aus dem anfänglichen blossen Schiedsgericht eine Handelsgerichtsbarkeit.

Auch Verfassung und Verwaltung, Charakter und Aufnahmeart der Mitglieder, Satzungen und Archiv gestalten sich anders bei der Gilde als bei der Stadt. Der Zweck der Gilde ist [seit dem 12. Jahrh.] nur nebenher fromm-wohlthätig und gesellig; in der Hauptsache regelt sie als ein Organ der Stadtverwaltung Handel und Gewerbe; sie soll Theurung und Betrug verhindern. Dir Mitglied geniesst die Freiheit des Handels ohne Zoll (kraft Gildenrechts zunächst nur am Ort, kraft Freibriefs im ganzen Lande), während jeder andere in der betreffenden Stadt nur mit Erlaubniss der Gilde und nur gegen Zoll oder Pauschalabgabe an bestimmten Orten und Zeiten, in gewissen Waaren Handel treiben darf und besonders im Detailliren beschränkt wird. Auch im Grossen darf nur der Gildengenosse vom fremden Händler einkaufen. Es gab also neben der Gilde bisweilen Händler, vielleicht Villane und Vaganten. Jeder Genosse zahlt der Gilde Schoss und Loos (Worte die, auch einzeln gebraucht [seit etwa 1100], nur Beisteuer bedeuten). Der Bürger ist dagegen zu Wach-, Geschworenen- und Amtsdienst, [118] zum Besitz eines städtischen Grundstücks verpflichtet. Er wird durch die Stadtversammlung aufgenommen. Die Gilde nimmt einen neuen Bruder gegen Eintrittsgeld und Gehorsamseid in ihrer „Morgensprache“ auf, die alle Viertel-, Halb- oder Jahr sich versammelt, Beamte wählt, Verordnungen erlässt, schätzt und schmaust. Auch diese Tagung und das Mitgliedsrecht heisst Gilda. Keineswegs jeder Bürger oder gar Mitbewohner der Stadt gehört zur Gilde; diese nimmt nur Zahlungsfähige und vorzüglich Verwandte (Erben) eines verstorbenen Gildemanns auf; das Mitgliedsrecht kann verschenkt, erheirathet, ererbt, aber (in Andover) nicht verkauft werden. Den Villan liess nur manche Gilde zu; gehörte ihr einer Jahr und Tag an, so war er frei (wie durch Stadtbewohnen). Auch Leute ohne Vollbürgerrecht fanden Zutritt, so auf eximirtem Boden in der Stadt oder auswärts Wohnende, sodann Ritter und Frauen, klösterliche Stifter und Prälaten. Weder zur Bürgerschaft noch zur Gilde zählten in der Stadt mancher Immunitätsherr mit seinen Hintersassen auf exemtem Grunde, die zahlreichen Arbeits- und Hausgehilfen, die Villanen, die Juden. Viele Kaufleute gehörten zu mehreren Kaufgilden. Im 12. Jahrh. war der Handwerker mit dem Verkäufer noch meist identisch, er bildete in der Kaufgilde bis zum 14. Jahrh. die Mehrzahl; nur wenige Städte schlossen Weber und Walker vom Vollbürgerrecht aus. Der Gilde steht meist ein Alderman vor mit 2–4 Genossen; doch begegnen mannigfache andere Namen und Zahlen für diese leitende Behörde.

Die Beziehung zwischen Gilde und Stadt wurde allmählich, doch in verschiedenem Grade und zu verschiedenen Zeiten, namentlich im 14. Jahrh. enger: nur als Gildenbruder oder nur mit Genehmigung der Gilde konnte man das Bürgerrecht mancher Stadt erwerben; oder die Gilde setzte den Bürgermeister ein, wahrte Casse, Bücher und Gerechtsame der Stadt und wurde selbst zum Bürgerausschuss (Stadtrath). Die Gilde wuchs zu solch communaler Macht besonders früh in mittelbaren Städten, deren Gericht, unter herrschaftlichem Vogt, wenig Ansehen genoss (während in Königstädten die Bürger selbst den Richter wählten und achteten); erst seit dem 14. Jahrh. hob sie sich überall in Folge der handelsfreundlichen Politik des Königs. Eine völlig amtliche Verschmelzung von Gilde und Stadt, die freilich das Volksbewusstsein oft verwechselte, bildet jedoch ebenso eine Ausnahme wie der äusserste Gegensatz, der offene Kampf zwischen beiden.

Das Wort Hansa ist Hochdeutsch und bedeutet, wie die Angelsächsische Form, hôs, ursprünglich Schaar. Es erscheint in England, zuerst im Norden, fast nur in Stadtfreibriefen (deren Verfasser 45 seit 1130 aufzählt), neben der Kaufgilde. Es bedeutet Gilde (Hanshus = Gildenhalle) und später Compagnie, ferner Abgabe an die Gilde vom neu Eintretenden oder vom Fremden für Handelserlaubniss oder vom Genossen zweiten Ranges, endlich das Recht solche Abgabe zu fordern.

Die innere Verfassung der Stadt entwickelt sich vom 14.–17. Jahrh. allmählich und still zur Oligarchie, da bei vermehrter Einwohnerzahl viele kleine Leute die Aemterlast nicht mehr tragen mochten. Wohl gewannen die Gewerkzünfte auch in England an Bedeutung; aber mit Recht verwirft [119] Ochenkowski den Mythus, dass sie (wie auf dem Festland) gewaltsam gegen die Gilde gestritten oder gar einen Sieg der Demokratie errungen hätten. An den Kämpfen in Englischen Städten zwischen Rathsausschuss und Gesammtgemeinde, zwischen Reich und Arm, nehmen Gilde und Zunft als solche keinen Antheil. Nur in fünf Nordenglischen und drei Irischen Städten rangen die Zünfte der Aristokratie (nicht der Kaufgilde) Antheil am Stadtregiment ab. Die Zunft wird urkundlich zuerst 1130 erwähnt; sie umfasst nur Ein Gewerbe und bildet kein Glied der Stadtverfassung (also in beiden Stücken unbedeutender als die Gilde). Doch übt sie Zunftzwang kraft königlichen Freibriefes; seit etwa 1400 wird sie von der Stadt privilegirt. Anfangs bilden die Zünfte Glieder der Gilde, sogen aber, als um 1350 Handel und Gewerbe selbständig erstarkten, die wirtschaftliche Kraft des Gesammtkörpers allmählich auf, und übernahmen die Gewerbeordnung. Das ermöglichte z. Th. der Untergang des Ackerbaues durch Bürger und der Machtverlust der allgemeinen Stadtversammlung (Grossen Bürgerschaft) zu Gunsten jenes Rathsausschusses. [Offenbar bleibt hier noch manches für künftige Forschung aufzuhellen.] Seit dem 15. Jahrh. führt die Gilda mercatoria kein unabhängiges Dasein mehr und wird immer seltener erwähnt. Hier zerfiel sie in Zünfte, dort gab sie nur den Namen für den Zünfteverein, anderswo lebte sie als frommer und geselliger Verein weiter. Nur in Preston wird sie noch alle 20 Jahre gefeiert.

Die Compagnie der Kaufleute übernimmt zwar die von den Zünften nicht vollzogene Thätigkeit der Gilde, ohne ihr doch zu entstammen. Sie umfasst keine Handwerker mehr. Sie erscheint nie sehr zahlreich, meist in der Neuzeit, gar nicht in London und wo belebter Handel Einzelzweige ausbildete. – Die Compagnie der Stapler, zu der auch Fremde gehörten, besitzen seit Edward I., oder etwas früher, das Vorrecht, Englands Rohproducte, namentlich Wolle, in gewissen Häfen zu sammeln und nach Niederländischen Märkten (seit Richard II. Calais) auszuführen. Die Krone errichtet den Stapel des Zolles wegen und lässt dessen Beamte, die später meist mit den Bürgermeistern identisch werden, den Fremden schnelles Handelsrecht sprechen. – Der Privatverein der Merchant adventurers, nur von Engländern, besass Ausfuhrmonopol auf gewisse Fabricate, namentlich Tuch. Er behauptete, unter Heinrich III. vom Herzog von Brabant gestiftet zu sein, erhielt den ersten Freibrief 1407 und ward unter den Tudors bedeutend. Seine Seele und vielleicht Wurzel war die Londoner Mercers-Compagnie.

Wie die starke Krone der Anglonormannen keine Freistädte, keine Städtebünde, keinen offenen Krieg zwischen Patriciern und Zünften aufkommen liess, so duldete ihre früh über das ganze Land hin erstarkte Rechtsprechung auch keinen verpflichtenden Rechtszug der Tochterstadt an einen Oberhof der Mutterstadt. (Richard’s I. Charte für die Bedforder steht dem sehr nahe: „Si contenderint de judicio, quod cives Oxenefordie judicabunt ratum habeant, quia sunt de eadem lege“). Und doch kam die Affiliation von Städten von Angelsachsenzeit bis zum 18. Jahrh. vor; Verfasser sammelt 196 Beispiele; Londons Recht dient 28 Städten zum Muster, [120] darunter 20 mittelbar und einer durch drei Zwischenglieder. Als die Engländer Irland und Wales eroberten, ward Bristol, bezw. Hereford Muster für dortige Stadtverfassung. In Schottland fand Newcastle einige Nachahmung. Verbrieft wurde solche Bewidmung mit fremdem Recht zuerst Gloucester, 1199. Die Tochterstadt liess sich oft von der Mutter deren Recht im Einzelnen mittheilen; und auf diese Weise gelangte Ortsrecht zur Aufzeichnung [wie in Deutschland; Schröder, Dt. Rechts-G. 636].

Die Schottische Stadtgeschichte entwickelte sich weit einheitlicher, weil der Staat mehr eingriff, und Leges burgorum codificirt wurden. Die Städte werden in königliche und baroniale mit oder ohne Jurisdiction eingetheilt; wie auf dem Festland bilden die königlichen Burgen einen Bund, lassen ihr Recht vom Römischen beeinflussen und erleben (im 15.–17. Jahrh.) den Kampf zwischen der aristokratischen Gilde und der Zunft, die Selbstverwaltung und Antheil am Stadtregiment nur theilweise von den Kaufleuten erlangt. Die Gilde, die Verfasser in 66 Städten, seit David I., nachweist, übt Handelsmonopol über eine ganze Landschaft, sie besteht, von der Stadt gesondert, mehrfach noch jetzt. Diese völlige Verschiedenheit von Englands Entwicklung erklärt Verfasser aus der Schwäche der Schottischen Krone, ihrer Französischen Politik seit 1306 und dem Einflusse Flandrischer Einwanderer.

Des Verfassers Ansicht von der Entstehung der Kaufgilde aus der Nachahmung der Nordfranzösischen nach der Eroberung theile ich nicht. Mindestens widerlegt er keineswegs, dass die Gilde den Familienschutz ersetze [man vgl. noch in der späten Kaufgilde die Erblichkeit der Genossenschaft und den Beweis durch Eideshilfe der Genossen], oder dass die Gilde unter Ine und Ælfred, unter Æthelstan und um 1100 nicht mit der späteren Kaufgilde wurzelhaft zusammenhänge. Wäre die letztere durch die Verbriefung erst geschaffen, so würde man sich unmöglich schon unter Sohn und Enkel Wilhelm’s I. auf die Zeit vor der Eroberung als auf Muster der Gilda mercatoria bezogen haben, auch nicht irrthümlich, wie Verfasser seiner Theorie zu Liebe annehmen muss. Gänzlich misslingt der Versuch, in Æethelstan’s Gesetz den wenigstens theilweisen Charakter eines Gildestatuts, die polizeiliche, communale Befugniss der Gilde, die Spitze des Bürgers gegen den Adel darin zu leugnen. Die Angelsächsischen Ausdrücke gildan, cepmanne-gilde, Gildhalle (-hus), wite, chepmannesela, scot, lot, morgespeke, alderman, eldestuard, eldefađ[r], (for)wardman, ferthingman wären höchst auffallend, wenn die Gilde aus Frankreich käme. „Tenere in gildam suam“ kann nicht forterklärt werden als „Besteuerungsrecht besitzen“ oder „gildscip“ als kirchlicher Sprengel. Und wäre es denkbar, dass zu Canterbury um 1107 das Domkloster, dessen Leiter ebenso wie die bezeugende Obrigkeit Französisch sprachen und Lateinisch urkundeten, einen Vertrag mit der Kaufgilde auf Angelsächsisch aufgesetzt hätte, wenn diese nicht eine Altenglische Einrichtung war? Immerhin wird für die fleissige Sammlung der Stellen und Ansichten auch über die Angelsächsische Gilde Jeder dankbar sein, selbst wer des Verfassers übrigens nur schwankend vorgetragene Meinung hier nicht theilt. [Vgl. u. Angelsachsen; Stadt.] Ebenso [121] wird Londons frühere Verf.-G., glaube ich, anders und nicht ohne die Gilde zu verstehen sein; die Libertas civitatum muss dazu herangezogen werden.

Höchst werthvoll ist das reiche Glossar und Register. Im Einzelnen bessere: II, 403 En: ein; 395 basto: Weissbrot; 393 advocatus: königlicher Stadtvogt; 407 hloter: schatzen; I, 79 Alderman als städtischer Beamter ist nicht zu erweisen durch Ann. Anglosaxon. a. 886, wo ein Graf gemeint wird, oder durch Spelman, der einer Interpolation der sog. Leges Edwardi Confessoris vom 13. Jahrh. folgt. Vgl. SatR 22XI90, 594; Ath. 14II91, 210; 0W. Cunningham, Economic R I, Apr. 1891.


*A descriptive catalogue of ancient deeds in the Public Record Office. Prepared under the – – – Deputy keeper of the Records. I. viij 729 p. – Unter Leitung von H. C. M. Lyte verzeichnen hier E. Salisbury, G. F. Handcock und C. H. Woodruff in ganz kurzem Englischen Auszuge: A) 1819 Urkunden aus dem Schatz des Exchequer-Empfangs, die früher im Westminster-Capitelhaus lagen, B) 1798 aus der Court of augmentations [Behörde für die durch Confiscation, namentlich der Klöster im 16. Jahrh., erweiterten Kroneinkünfte] und C) 1780 aus dem Kanzleigericht, die früher im Tower und in der Rolls Chapel ruhten. (Die ferneren Nummern dieser drei Reihen und eine vierte Sammlung, die des Rememorator am Exchequer, wird ein späterer Band verzeichnen.) Die frühesten dieser Urkunden datiren vom 12. Jh., so A 231; 1042 f.; 1045; 1051 (alle für H. Trinity zu London); 942 und wenige andere [unter den je ersten 150 Nummern von A, B, C keine]; die spätesten Urkunden entstammen Heinrich’s VIII. Zeit, die meisten dem 14. Jahrh. Verschwindend gering ist die Zahl der vom König ausgestellten oder das öffentliche Leben unmittelbar berührenden Urkunden. Nur ausnahmsweise ist ein Actenbündel derselben Herkunft im Archiv bei einander geblieben; auf welche Grafschaft sich jede Nummer bezieht, bemerken die Herausgeber meist am Rande. In die Hand der Staatsbehörden gelangte diese Riesenmasse von Privaturkunden, weil sie theils aus säcularisirten Stiftern stammten, theils zum gerichtlichen Beweise dienen, theils von der Kanzlei inrotulirt werden sollten.

Der Inhalt ist überwiegend urkundliche Landübertragung, lebenslängliche Verpachtung von Freigut, Rechtsverzicht zu Gunsten des factischen Besitzers, mehrseitige Beurkundung (mit ausgezahntem Blattrand), Quittung, Vertrag, Anwaltsbestellung, Schuldschein, Testament. Also für die Geschichte des Englischen Privatrechts fliesst hier eine wichtige Quelle. Die in den Urkunden häufig vorkommenden Ortsgewohnheiten auszuziehen, verbot dagegen Raummangel. Einiges zur Culturgeschichte und zur Entwicklung der Englischen Aemter verzeichnet der nur zu kurze Sach-Index p. 728 f. Volle [122] 160 Seiten, dem Orts- und Personen-Verzeichniss gewidmet, befriedigen wohl den Localhistoriker und Biographen. Der Erforscher der allgemeinen Geschichte in Einer Periode wird jedoch schmerzlich eine chronologische Concordanz zu diesen 5000 Archivalien vermissen; der Katalog folgt ihrer Numerirung, die auf Zeit oder Ort nicht Rücksicht nimmt.

Ferner wird man vielbeschäftigten Archivaren zwar billig die Arbeit erlassen, Undatirtes aus der Literatur genau zu bestimmen und anzugeben, ob und wo manche Urkunde auf den Rollen eingetragen oder gedruckt erschienen ist. Allein um die leichte Mühe, das Zeitalter der Originalien aus paläographischem Augenschein ungefähr anzumerken, mögen die Herausgeber hiermit gebeten sein! Immerhin verpflichten sie die Wissenschaft zu lebhaftem Danke durch Willenskraft und Fleiss, mit denen sie endlich die erste Ordnung bringen in einen Quellenstoff, der allein seiner Ueberfülle und des mangelnden Wegweisers wegen für die Geschichte bisher so gut wie undurchdringlich war.

Einzelnes herauszuheben ist rein willkürlich: Simon von Montfort empfängt 1258 Bürgschaft für eine Heirath zwischen Lacy und Longespee; B 194. Die Lage der Kölner Gildhalle in London 1235 bestimmt A 1791. Ledulf der Deutsche, Bürger von London, und sein dort Grund besitzender Sohn Johann [im 14. Jahrh.] kommen C 1618 vor. Richard I. bestätigt 1189 zu Geddington [nicht Garsington] St. Alban’s Besitz und Recht, welche Bestätigung er am 12. November 1198 [nicht a. 7., sondern offenbar gleichzeitig mit der Neusiegelung für St. Alban’s Celle Tynemouth, bei Round, Ancient charters p. viij; vgl. DZG V, 400] neu siegelte auf Grund der Deutschen Gefangenschaft; diese Worte lauten wie DZG III, 233. – Vgl. SatR 23V91, 630; Ath. 21III91, 375.


Edward Burns [† 1886], The coinage of Scotland, illustrated from the cabinet of T. Coats of Ferguslie and other collections. I: 1124–1406; II: 1406–1707; xxiv, 365; 556 p.: III: [79] plates and descr. of the [1547] figures. Edinb. ’87. gr. 4°.

Dieser prächtige Catalogue raisonné ist von G. Sim fertig corrigirt worden; auch dessen Tod (8X87) wird in der Anmerkung zur Vorrede vermerkt. Das Riesenwerk umfasst die gesammte Zeit der Schottischen Münzprägung. Denn was auf Schottischem Boden an Münzen aus der Zeit vor David I. gefunden ward, ist Römisch, Brythonisch, Angelsächsisch, Northumbrisch, Kufisch; und nur irrig schrieb man früher einige Schottische Münzen David’s Vater und älterem Bruder zu. Aus den 3 ½ Jahrhh. vor 1488 [Neuzeit beachte [123] ich hier nicht] werden etwa 650 verschiedene Typen verzeichnet. Gegen frühere Forscher that Burns einen bedeutenden Fortschritt (vgl. I, xx) in Einzelheiten; leider fehlt eine historisch entwickelnde Ueberschau der Münzgeschichte, ebenso wie vergleichende Tabellen nach Zeit, Zahl, Form, Metall, Schwere, Feingehalt. Zu einzelnen Stellen des Katalogs, meist beim ersten Vorkommen eines Typus, zeigt sich, dass Verf. die geschichtlichen Fragen verstand und deren Antwort zu fördern vermochte; nur die Zusammenfassung muss der Leser selbst vollziehen; der treffliche Index erleichtert dies und verzeichnet z. B. die Gesetzgebung unter „Acts of parliament“, die Literatur unter „Authorities“.

Präger sind nur die Könige (ausser Graf Heinrich v. Northumberland, David’s I. Sohn, der in Carlisle, Bamborough u. Corbridge münzt). Münzstätten waren anfangs Berwick, Roxburgh, sodann erst Edinburgh, Perth, Stirling und noch später (auch, ausser Aberdeen, selten) 13 andere Orte (s. Index: „mint“). [Deutlich drückt sich hierin aus, wie auch dieser Theil von Schottlands staatlicher Cultur von den Anglonormannen und dem Anglischen Städteleben im Südosten abhing.] Währung, Stückelung, Form, Schrot und Korn der Münzen ahmten von Anfang an England genau nach. David führte als Münzpfund das Londoner ein zu 15 Unzen zu 20 Pfennigen zu 24 Gran; davon waren je 11 Unzen 2 Pf. fein. Zunächst wurden nur Silberpfennige geprägt, seit Alexander III. auch halbe und viertel. Mit Robert I. begann die Münzerleichterung: er schlug 315 (statt bisher 300) Pfennige aus demselben Pfund, und David II. 1357 nach Englischem Muster 300 zu 18 Gran aus einem Zwölf-Unzenpfund, dann 1367 aber 352 zu 15 15/44 Gran; letzterer führte Grote ein zu 4 (und halbe zu 2) Pfennigen. Seit Jacob I. herrschte das Troyes-Pfund zu 16 Unzen. Edward III. verrief schon 1356 die Schottische Münze von 1351 als zu leicht; 1390 galt sie in England nur die Hälfe des Nennwerthes. Die erste Goldmünze schlug David II.: sein Nobel ähnelt dem Edward’s III. und enthält ebenfalls 120 Gran 23 ⅞ karätigen Goldes. Seit 1393 erscheinen Lions (auch Scuta, Kronen, St. Andrews genannt), nach dem Muster des Französischen Écu de la couronne, um 3 Pfennige theurer als der Nobel. Schon unter demselben Robert gibt es davon einen Demy, unter Jacob I. Halfdemies [merkwürdig hybrides Wort!]. Die ebenfalls goldenen Rider und Unicorn erscheinen um 1475 bezw. 1484, mit Halbstücken und Quarter-rider. (Ueber Schottische Goldminen s. II, 251.) Billon (verfälschtes Silber) vermünzte zuerst Robert III.; und seit 1470 gab es Placks und Halfplacks, zugegebenermassen aus solchem Mischmetall, das an Qualität später weiter sank. Endlich begann 1466 Kupfermünzung; der Black penny werthete anfangs ½ dann ¼ Silberpfennig. Eine bedeutende Schädigung des Schottischen Metallreichthums brachten die Lösegelder, welche Schottland an England für die gefangenen Könige Wilhelm und David II. zahlen musste.

Die Inschrift auf den Münzen ist stets Lateinisch und nennt den König, bisweilen den Münzort, seltener den Münzer, und gibt bisweilen einen [124] christlichen Spruch. Vorn ist abgebildet des Königs Kopf in Profil (mehrfach bleibt der Stempel des Verstorbenen noch unter dem Nachfolger), hinten ein Kreuz mit Verzierungen, die erst im 15. Jahrh. heraldischen Sinn bergen. Der Schottische Löwe erscheint auf Münzen zuerst in dem Schilde, den der sonst Edward dem III. zu Schiffe nachgebildete König auf dem Nobel hält; alsdann ersetzt er den Königskopf auf jener Goldmünze, die desshalb Lion heisst; deren Rückseite zeigt den Nationalheiligen Andreas auf dem X-Kreuz, statt dessen auch das Andreaskreuz allein begegnet. Unter Jacob III. ist des Königs Kopf bisweilen in halbem Profil dargestellt, und auf dem Rider der König gewappnet zu Ross; damals erst kommt die Distel als Volksabzeichen und das Einhorn vor. Um 1280 scheinen an der Schottischen Münze dieselben Meister beschäftigt, die Edward I. vom Festland mitgebracht hatte; so sehr ähnelt ihr Pfennig dem Englischen. Um 1357 bezw. 1364 arbeiteten für sie die Florentiner Meister Jakob Mulekyn und Bonagius, der frühere Münzer des Bischofs von Durham. Vgl. Ath. 23VI88, 799.


Literae Cantuarienses ed. Sheppard [Nachtrag zu DZG IV, 156]. Unter den Formeln kommt vor: „Forma qua utimur in manumissione nativorum nostrorum (liberum fecisse cum bonis et catallis suis)“ [um 1400; vgl. im Index: Nativi], ferner des Königs Ladung zum Parlament an den Erzbischof (und durch ihn Anfang 1406 an den Klerus) von Canterbury; Bestellung von Procuratoren für Parlament und Convocation durch das Domcapitel; Verbrüderungsbriefe. Auf diese Formeln folgen eine Urkunde von 1213, dann 20 von 1296–1318; ausführlicher wird das Register von 1320 an, bringt für 1365 etwa 875, und von da bis 1485 noch 175 Nummern. Weitaus die Mehrzahl betrifft Rechtsgeschäfte des Capitels oder des Erzbischofs, meist mit anderen kirchlichen Organen. Einige Proben aus Nr. 44–64: Sept. 1318 lädt Edward II. den Erzbischof nach York zum Parlament. Februar 1318 bestellt der Prior bei einem Kaufmann Proben verschiedener Tuchsorten zu circa 73–40 Shilling [für 24 Ellen. Ein Riesenpreis: Herausgeber schätzt I, lxvij die Kosten der Livrée, die der Convent jeden Sommer dem Gefolge austheilte, auf etwa 22 000 Mark unseres Geldes]. 1320 ergibt der Nachlass des Erzbischofs die Summe von 1713 £. Der Bibellehrer, dessen Vortrag bisher im Krankenhaus störte, erhält eine Zelle im Kloster, 1321. Der Convent bittet Thomas von Lancaster, die Heiligsprechung des Erzbischofs Winchelsey durch Vermittlung des Königs von Frankreich zu befördern, 1321 [ein antiroyalistischer Wunsch, den der Papst nicht erfüllte, obwohl Private den Schrein jenes Steuerverweigerers noch 1375 verehrten; I, liij]. Das Archiv der erzbischöflichen Provinz ist 1322 theilweise schon zu Lambeth. Am 5. März 1322 schenkt der Convent dem König 100 Mark zur Niederwerfung der Rebellen [Lancaster’s] u. bedauert durch Verlust von 1000 Stück Rindvieh verarmt zu sein. Die wichtigen Urkunden [125] über die Ansprüche der Osterlinge und Hanseaten gegen Heinrich IV. kamen vielleicht ins Domregister, wie Hrsg. III, xxxj meint, weil wohl zu Canterbury 1407 der Englische Unterhändler Wilhelm Esturmy (der auch das Wittum für Pfalzgräfin Blanca 1401 abschloss) vom Tode überrascht ward. [Zu vgl. war Koppmann, Preuss. Engl. Bez. –1408, Hans. GBll ’83, 111.]

Deutsches findet sich wenig: die Weihe des B. Gerhard Granson für Verdun [1276] III, 186 durch Erzb. Kildwardby; Johanna Gräfin von Hennegau soll 1333 bei Philipp VI. für den Wein des Convents eintreten; der Prior schreibt seinem Erzbischof 1327, er halte Edward’s III. Politik, mit Hennegauern Schottland zu bekriegen, für gefährlich wegen deren Hochmuth. Der Herzog von Brabant mahnt 1341 den Erzbischof um eine Schuld, die dieser für Edward III. einging; III, 226. Vgl. im Index: Bardi, Hanse. Unter den zur Confraternität Zugelassenen ist Wytfrid aus Island mit Familie Gutreda, Thorlac u. s. w. III, 137.

Der Herausgeber hat am Rande den Inhalt kurz und deutlich bezeichnet und die Französischen Briefe übersetzt. Fortgelassen hat er mit Recht aus den vielen Bänden alles oft Gedruckte (wie päpstliche Bullen für die ganze Christenheit) und allzu Unwichtige (wie Einladungen zum Essen) oder formelhafte Todesnachrichten und Bestallungen kirchlicher Organe. Sein Index ist viel zu unvollständig. In der Einleitung berichtet er über seine Quellen, die Diplomatik der Briefe und Register (I, xxvij, xxxiij), und gibt Biographien der Prioren. Daraus sei erwähnt: Wilhelm Sellyng, Doctor von Bologna, seit 1472, vertrug sich mit der Stadt Canterbury, führte das Studium des Griechischen und classische Orthographie (I, xxxvj) wieder ein und sprach für Heinrich VII. vor Innocenz VIII. (die von Gairdner, Letters of Richard III. gedruckte Rede) und vor Karl VIII. Herausgeber ordnet die Stücke nach der Zeitfolge; das Datum ergibt sich bei den meisten Nummern nur aus inneren Gründen; der Jahresbeginn ist der 25. März.

Ferner erörtert Hrsg. einige Hauptgegenstände der Briefe: den Primat Canterburys, die Weihe der Suffragane im Dom des Metropoliten; die Gründung von Capellen und Stiftern III, 1; die Jubiläen des hl. Thomas; die Geschichte der Befestigung Canterburys; Charakter und Stellung des Erzb. Winchelsey (I, 1) gegen Edward I.; den Kampf der Abtei St. Augustins zu Canterbury gegen den Christ-church-Dom; den Streit zwischen Erzbischof und Convent um die Priorei zu Dover; den Verkauf des von Angelsächsischen Königen den Kathedralmönchen geschenkten Hafens Sandwich mit Einfuhrzoll an die Krone; die königliche Ernennung von Pensionären des Convents; die Theilnahme von Mayor und Capitel Canterburys für Lancaster 1471, die mit Besiegung und Hinrichtung des Mayors durch Richard von Gloucester endete; die Absetzung Edward’s II., bei der mitzuwirken der feige Primas, einst des Königs Lehrer, und sein listiger Rathgeber, der Prior, nur so lange schwanken, bis der Erfolg sicher scheint, ohne einen Gedanken an Pflicht oder Recht, ohne Liebe oder Politik, nur um den Frieden besorgt. [126] Im 15. Jahrh. halten sich die Prioren der Politik fern, wohl aus kluger Berechnung, nicht aus Unfähigkeit. – Dommönche gab es im 13.–15. Jahrh. 70–80, davon starben am Schwarzen Tod, dank guter Wasserleitung, bloss 4, vielleicht selbst diese nur auf Reisen angesteckt; II, xxj. Zum Guardian über die Studenten der Canterbury-Halle zu Oxford, die Erzbischof Islip nicht bloss für Benedictiner stiftete, ernannte er Johann Wyclif, vielleicht den Reformer; der Convent klagte gegen die Weltgeistlichen auf Alleinbesitz, und erhielt ihn von Urban V., 1370. 1337 behaupten Bauern im Gute Risborough, sie seien frei und besitzen ihr Land nach Hofrecht, doch mit freiem Verkaufsrecht. Der Prior, unterstützt von einem königlichen Richter, entscheidet im Gutsgericht gegen sie, lässt die Rebellen fesseln, einkerkern und zeitweilig ihres Landes entsetzen (so dass ein Fremder sich erbietet, in die leeren Hofstellen als Unfreier einzurücken). Letztere klagen in King’s Bench, geben aber 1352 nach. [Herausgeber meint II, xxxviij, auf Gleichheit des Zunamens gestützt, die Freiheit des Ahnen sei beim Enkel vergessen worden; dagegen spricht, dass sich die Bauern darauf beriefen, das Gut sei einstige Krondomäne.] – Höchst willkommen ist des Herausgebers Aufstellung über Einnahme und Ausgabe des Convents im 13. u. 14. Jahrh., seit 1207 (wo aber das Rechnungssystem bereits voll ausgebildet erscheint, also eine lange Reihe uns verlorener früherer Rechnungen voraussetzt), II, xliv: so gross die Einkünfte waren, musste doch baar Geld geliehen werden, bisweilen „de mercatoribus Florentinis (Romanis)“, also gegen Wucher, bisweilen so, dass vielmehr das Kloster den Bankier machte. Und schon 1373 schmolz der Prior Gold aus Lanfrancs Gewändern und Figuren des Becketschreins. Die Jahreseinnahme beträgt etwa 1500–2300 £, die Schwankung liegt meist nicht an den allgemeinen Zuständen oder Preisen, durch welche nur die Schreinsopfer von 300–460 £ variiren. Auch der Ueberschuss über die Ausgabe, 43–45 £, bleibt ziemlich fest. Von den Opfern entfiel nur 1/25 auf andere Altäre als die Becket’s; diesen liess der schlaue Convent an vier Stellen, dem Grabe, Marterort, Schädelstück (Corona) und Schreine, verehren. Nur ⅛ bis ½ vom Hundert ging vom Opfergeld für schlechte Münze verloren. – 1444 schrieb Karl VII. seinem „Nepveu d’Angleterre“, er erhoffe Frieden von den Verhandlungen zu Tours und biete Geleit für Margarete von Anjou. Ludwig XI. schenkte dem Convent Bordeaux-Wein (den das Kloster sich kommen liess, während es das geringe Gewächs von Poissy gleich dort verkauft hatte; III, xx) und erwartete dafür „ein Zeichen vom h. Thomas am Hut zu tragen“. Hierbei und sonst wirkte Dr. Langton (später Bischof von St. David’s, Salisbury, Winchester und 1500, da er starb, für Canterbury postulirt) als Agent des Klosters; er schildert Richard III., dessen Gesandter zum Papst und König von Frankreich er war, als gottgesandten Wohlthäter der Armen, der freiwillige Geschenke der Städte ablehne; Hrsg. III, xxvij weist nach, dass Richard das Geschenk Canterburys zurückgab. [Da die Stadt es nun Langton schenkte, so war wohl Richard’s Grossherzigkeit mehr formell.] Vgl. Tout, EHR ’91, 173.


[127]
II. Kurze Mittheilungen über die Literatur von etwa 1888–90.
Fortsetzung zu DZG II, 500[WS 1] ff. – Ueber 0 and * vor dem Titel s. V, 390 u. 418.

Bibliographie. Germania, hrsg. v. O. Behaghel 35 (1890) verzeichnet die Erscheinungen zur Germanischen Philologie im weitesten (Literatur, Alterthum, Kultur umfassenden) Sinne und widmet England je einen Sonderabschnitt. [Geschichtl. Zss. sind nicht vollständig berücksichtigt.] – H. Paul, Geschichte der Germanischen Philologie (im „Grundriss der Germ. Phil.“ I, 1889) p. 13, 17 f. zeigt, wie die Engländer des 16. Jahrh., anfangs vom kirchlichen Standpunkt, MA. und Angelsächsisch studirten, betrachtet dann die Leistungen des Junius, Voss, Hickes, Wanley und der Gelehrten in den Menschenaltern um 1800 im Altenglischen (p. 26, 29, 40, 50), die neuen Englischen Ausgaben von Denkmälern des MA. (110), die Arbeiten über Englands Grammatik, Lexikographie, Literatur, Sage: das alles zwar kurz, aber Wichtigstes von der Höhe des Verständnisses geschickt auswählend, massvoll beurtheilend, im Rahmen Europäischer Wissenschaft. Da Englands früheste Culturgeschichte von der Pangerman. Genese und Vergleichung unentbehrliches Licht, und von Deutschen Forschern die wichtigste Bearbeitung oder Anregung bis heute empfängt, so findet wer Angelsachsen studirt hier die vorzüglichste Einführung. – Vom Jahresbericht Germ. Phil. erschien 1891: XII, 1 über 1890. – Vgl. DZG V, 418.

Allgemeine Darstellung Englischer Geschichte. Vgl. DZG V, 423. – 0L. Jackson, Ten centuries of European progress (1890), behandele, laut Ath. 3I91, 18, u. a. Kunst, Literatur und [mit groben Irrthümern] Angelsächsische Verfassung, ferner Wirthschaft und Besteuerung unter Edward III. Werthvoll sei die Sammlung der neuzeitlichen Fortschritte der Naturwissenschaft. – 0J. Fr. Bright, A hist. of England, I: 449-1485 erlebte 1887 die 4. Aufl.

Angelsächsische Geschichte allgemein; Rasse; Sprache; Eroberung Britanniens. P. B. du Chaillu, The Viking age; the early hist., manners and customs of the ancestors of the English-speaking nations; illustrated from the antiquities discovered in mounds, cairns and bogs as well as from the ancient Sagas and Eddas; with 1366 illustr. and map. (2 vols. ’89). Skandinavische Archäologie bildet den Hauptinhalt dieses prächtig ausgestatteten Werkes, dargestellt aus übersetzten Saga-Stellen (die weit über die Hälfte der 1160 S. füllen) und greifbaren Ueberresten. Die Abbildungen der letzteren, die glücklich beobachtet sind mit dem scharfen Auge eines Reisenden, der über Fahrten zum Nordpol und äquatorialen Africa Bücher verfasste, machen das Werk für jeden Erforscher Germanischen Alterthums werthvoll. Leider sind Fundort und jetzige Aufbewahrungsstätte oft nicht angegeben. Eine Entwicklung der Technik oder des Ornaments darzulegen, versucht Verfasser nicht; von fremder Beeinflussung (z. B. durch Iroscoten Nr. 825–9) sagt er nichts (nur leider zu viel vom Vergleich Nordischer Felsenskulptur mit Wandgemälden von Medinet Habu); selbst von den um Britannien und Irland herum liegenden kleinen Inseln mit ihren reichen [128] Spuren Nordischen Alterthums bringt er wenig bei, von England fast nichts als Taplow und Runensteine, aus Stephens. Ohne Gegend und Zeitalter zu scheiden, reiht er Begleitstücke alter Römermünzen und Spätromanisches (Nr. 1100–11) an einander: Nord- und Westeuropa von 200–1200 ist ihm ein Ganzes. Zur Quellenkritik fehlt jeder leiseste Ansatz; über Aethelred II., Cnut, Harald II. übersetzt er ohne Bemerkung die Saga mit ihren längst widerlegten Fehlern; Englische Münzen oder Gesetze der Danalaga erwähnt er ebenso wenig wie Angelsächsische Historiker. Von neuerer Literatur kennt er ganz wenige Bücher Nordischer Gelehrter, nicht Ein Englisches oder Deutsches, und ahnt daher nichts von den Fragen der Rechts- und Sagenforscher. So würde das immerhin geschickt geschriebene und warme Liebhaberei für Culturgeschichte bezeugende Buch eines fleissigen Dilettanten hier unerwähnt bleiben, wenn es nicht durch Titel und Einleitung sich auf Englands Ursprünge zu beziehen schiene. Hier nämlich (glücklicherweise nur hier) verficht Verfasser den Einfall, Britanniens Eroberer im 4.–7. Jahrh. seien Skandinaven, England heisse nach Engelholm im Kattegat, nur die hohe Schmiedekunst des Nordens und nicht Niederdeutsche Barbarei ohne [?] Seefahrt könne die Mutter der Angelsächsischen Cultur sein. Hierzu hält es Verfasser für nöthig, in Etymologie herumzufischen und u. a. zu vermuthen, dass die Lateiner „Suiones“ als „Saxones“ missverstanden hätten; am Gegengrund der Sprache, wonach die Engländer Westgermanen sein müssen, geht er harmlos vorüber. Mit Recht fand dieses neue Zerrbild der frühesten Englischen Geschichte, die im engeren Sinne allerdings auch im Einzelnen hier nirgends Gewinn erhält, allgemeine (vielleicht unnöthig erregte) Abweisung in der Englischen Kritik (zu der freilich Quart. R. Apr. ’90, 347 sich nicht erhebt); SatR 2XI89, 503; Ath. 16XI89, 663; ScotR Jan. ’90, 55; Archl. R. Jan. ’90, 454; Jl. soc. antiq. Irel. ’90, 331. 0Vgl. Nord. tidskr. f. wet. 1890, 598; Dodge, Mod. lang. notes 1891, 109; DZG Bibl. V, 1400. – *E. A. Freeman, The latest theories on the origin of the English (Contemp. R. Jan. ’90, 36), hält Jütland und Deutschlands Nordwestküste als Heimath der Angelsachsen fest gegen Du Chaillu und Seebohm. Wenn dieser Westfalen-Thüringen vorschlägt, so könne er sich zwar [?] auf die hier angesetzten Angli berufen: aber Beda und die Sprache zeugen dagegen. Wenn S. geltend macht, dass Dreifelderwirthschaft, welche den Sachsen in Britannien bekannt war, in Nordwestdeutschland damals noch fehlte (nach Hanssen), so erklärt Fr. die Aenderung der Wirthschaft aus der Verschiedenheit des Bodens. [? Jenes System fehlt im 5. Jahrh. weder bloss der Deutschen Küste, noch tritt es in England gleich nach der Eroberung sicher auf; die neuere Sprach- und Rechtsgeschichte erweist die Thüringischen Angli als verschieden von den Eroberern Britanniens.] – Neueste Literatur zur ältesten Bevölkerung Schleswig-Holsteins[WS 2] geben JBG ’87, II, 10; ’88, II, 222. – W. Seelmann, Zur Geschichte der Deutschen Volksstämme Norddeutschlands (Jb. Nddeutsche Spr. XII, 1887, 1), weist nach, dass der Name Angeln mehrfach für Völker, die in einem „Winkel“ wohnen, begegne, also nicht für die ganz abzuweisende Annahme einer Verwandtschaft zwischen den Ahnen der Engländer und den Suebischen [129] Angeln in Nordthüringen anzuführen sei. Wenn der Dialekt einiger Nordthüringischen Gaue bisweilen näher dem Altenglischen als dem östlich benachbarten Engrisch-Ostfäl. steht, so liege das an gemeinsamem Nordelbischem Einfluss: Frisen und Sachsen wanderten nach England wie nach Thüringen. Die Endung einiger Altenglischen Ortsnamen „-la[e]w“ sei Nhd. „-leben“, erkläre sich nicht etwa aus „hlaw“, Hügel, bedeute „Nachlass, Erbland“, bezeichne also schon Sondereigen am Boden und stamme wohl von Schleswigschen Warnen; dass eine Anzahl von diesen mit nachbarlichen Angeln und Sachsen nach Britannien gezogen, erhelle aus den mit Wernan, Neuenglisch Warn, beginnenden Ortsnamen. Die Ethnographie des Widsith erklärt Verf. S. 1; 57. – H. Bening, Welches Volk hat mit den Sachsen Britannien erobert und diesem den Namen England gegeben? (Zs. hist. Ver. f. Niedersachsen ’88, 1): Nicht die Schleswigschen Angeln, weil (!) sie Gildas nicht erwähnt, weil [heute!] das Land zu klein sei, nur an der Ostsee liegt und [später!] Dänisch spricht, auch nicht, wie Ranke’s Weltgeschichte [leider!] sagt, die Thüringischen, sondern die Engern an der Weser. [Widerlegung bedarf es nicht, da Verf. neuere Sprach- und Sagenforschung nicht beachtet, auch, selbst Beda, ungenau citirt.] K. E. H. Krause und G. Kossinna weisen B. ebenfalls ab JBG ’88, II, 222; 268. – H. Jellinghaus, Das Englische in seinem Verhältniss zu den Niederländ., Nddeutschen und Jüt. Mundarten (A. Stud. neu. Spr. 78, 271), lässt die Angelsachsen aus dem Süden der Zuidersee und Westfriesland stammen, auf Grund der Aehnlichkeit ihrer Mundart mit denen Utrechts, Hollands, Brabants und der Unterschiede von Schleswigschen und Jütischen Lauten. [Vgl. Korr.-Bl. Nddeutsche Spr. ’87, 48. Dagegen Krause JBG ’87, II, 132.] – Ders., Zs. Dt. Philol. 23, 376, will unter den Frisen, die Procop in Britannien kennt, Northumbrer verstehen, da Nennius das Meer zwischen Irland und Schottland „Frisicum“ nennt, und ihre Sprache, wie das Frisische, Neuerungen gegen andere Angelsächsische Mundarten zeigt. – O. Bremer [vgl. DZG II, 222, auch JbV Nddeutsche Spr. XIII, 1] hält Helgoland, Amrum, Sild für Ptolemaios’ Saxeninseln, und findet Ambrum wieder in Nennius’ 63: omne genus Ambronum id est Aldsaxonum [? dies nur in Einer Hs.; Nennius folgt Beda II, 14; ten Brink und Moeller, Engl. Stud. 13, 247 sehen in den Ambrones Bernicier; kann Verschreibung für Umbrorum vorliegen?]; ihre Bewohner seien Nachkommen desselben Volkes wie die Sachsen in England. Die sprachlich nächste Verwandtschaft der Nordfris. Insulaner mit den Engländern betrachtet als sicher G. Kossinna, JBG ’88, II, 269. – T. Siebs, Zur Geschichte der Engl.-Fries. Sprache (Halle 1889) I. Diese sei Eine Tochter des Westgerman., gesprochen im 2. u. 3. Jahrh. und herstellbar aus der Summe der dem Angelsächs. und Fris. gemeinsamen Lauterscheinungen. [Das bezweifelt Jellinek, Lbl Germ. Phil. 1891, 79.] Sie spalte sich in Urangelsächsisch und Urfrisisch. Verf. geht in gründlicher Forschung die Geschichte der Wurzelvocale durch und verzeichnet die besprochenen Wörter im Index [leider in Nhd. Form, also „eam, deore, ta“ unter „Ohm, teuer, Zehe“]. Wenn Ein Engl. Dialekt, wie Northumbrisch, dem Frisischen näher steht als andere, so sass der Stamm, der ihn sprach, daheim den Frisen näher [?]. Procop’s Stelle über Britanniens Besiedlung [130] meine Leute aus dem nun Frisischen Gebiete, nämlich Sachsen. Verfasser sammelt dann Stellen über Frisen im 9. Jahrh. auf dem Festlande aus Englischen Autoren und den Namen Frise bei Englischen Personen und Orten [12, 12 bessere: 897 und Z. 15: dieselbe]. Die Auswanderer waren Sachsen nördlich der Elbe neben Frisen, wahrscheinlich Chauken, deren Name in Englischen Ortsnamen stecke [?]. Ebenso findet er Ambrones in Namen, die Hannoverschen und Oldenburgischen ähneln. Unter Ambrones verstehe Nennius Ansiedler, die schon auf dem Festlande zu den Altsachsen gehörten, im Gegensatz zu den erst in Britannien mit den Sachsen vereinten Frisen [?]. Auf Grund der Sprache haben wir „kein Recht, Schleswig als Heimath der Angeln und Sachsen zu bezeichnen“. DLZ 1890, 1162 weigert sich mit Recht, beglaubigte Nachrichten als Fabeln daraufhin zu verwerfen. Vgl. CBl 1890, 669; Engl. Stud. XV, 108; ZDPh 23, 376; JBG 1888, II, 222. – Franck Anz. Dt. Alth. 17, 189 zweifelt Schleswig als Heimath der Angelsachsen nicht an und spaltet Anglofrisisch mit Bremer in drei Zweige, deren einer Angelsächsisch. – 0G. Stephens, Is English a German language? 1891. – Vgl. DZG V, 421 f. – F. Kluge, Gesch. d. Engl. Sprache [bis 1600] (Paul, Grundriss I), zeichnet sich aus durch kürzeste aber klare Form, wissenschaftl. Methode, Benutzung neuester Literatur und eigene Weiterforschung, scharfen Blick für das Wichtige und vorsichtiges Eingestehen der Lücken. Den Historiker des MA. geht besonders die Einleitung an (p. 780–99): über Heimath, Stämme, Namen der Engländer, den Einfluss der Kelten, Lateiner, Kirche, Nordleute und Altdeutschen auf das Angelsächsische und die Ausbildung der Schriftsprache. Verf. behandelt sodann p. 836–907 Lautgeschichte und[WS 3] Flexionsformen. E. Einenkel fügt p. 907–930 eine Geschichte der Englischen Syntax hinzu; das 14. Jahrh. bezeichnet auch hier den Abschluss der Aufnahme Französ. Elemente, die seit etwa 1250, besonders früh in London, ins Mittelengl. aller Mundarten eindrangen. – L. Weiland, Die Angeln. Ein Cap. aus der Deutschen Alterthumskunde (Tüb. ’89, auch in „Festgabe für Hanssen“), folgt besonders Müllenhoff [s. unten p. 135], Möller und Seelmann. Dass Beda zuerst (so viel wir wissen) die Germanen in Britannien „Angli“ nennt, liege vielleicht daran, dass er, stolz auf seinen Stamm und dessen Hegemonie, den Namen aufbrachte [?], veranlasst durch Gregor’s I. Sprachgebrauch, der von Inselgermanen zuerst Angeln gesehen hatte, wie vor Beda II, 1 die älteste V. Gregorii (ed. Ewald) meldet. Beda trennt aber mit Recht die Angeln im engeren Sinne von den Sachsen. Sie sitzen im jetzigen Angeln, westl. bis zur Nordsee; sie sind nicht Sueben, wie Tacitus will, nicht mit den Thüring. Angeln, noch mit den Sächs. Engern identisch. Die Angels. Epik füllt in unserer Kenntniss von ihnen die Lücke der Gesch. vom 2.–5. Jahrh. aus. Ihr König Offa erringt im Siege über Schwaben (nach der „Weitfahrt“) die Eider als Südgrenze; er ist der Ahn der Mercier-Könige. Warnen aus Nordschleswig und Frisen stellten den Eroberern Britanniens nur kleine Zuzüge. In Essex sitzen Nordelbische Sachsen. Unter dem Namen Sachsen hatten die Chauken einen grossen Antheil an der Eroberung. Die Eroberer Kents, Yte, Eutii, Euthiones, die man seit Beda mit Jüten irrig verwechsele, seien die einst den Frisen benachbarten Chauken; vielleicht sind die Saxones Eutii, die Theudebert von Austrasien [131] beherrscht, Kenter. Auch die Northumbrer mache Beda mit Unrecht zu Angeln: es seien hauptsächlich Chauken. [Ich halte die Altengl. Dialektforschung noch nicht feststehend genug, um ihr zu Liebe Beda über Bord zu werfen.] Die Angeln wurden nicht von den Dänen zur Auswanderung gedrängt. – Zu Freeman, Teutonic conquest (DZG IV, 147) vgl. JBG ’88, III, 115; EHR ’89, 189. – 0C. Kingsley, The Roman and the Teuton; lectures before the Univ. of Cambridge. New ed., with pref. by Max Müller. – 0W. H. Babcock, Two lost centuries of Britain (400–600), The Nation Nr. 1318. – C. T. Martin, Hengist (in Stephen, Dict. nat. biogr.) hält die Angelsächs. Annalen für die beste Quelle und ignorirt neueste Deutsche Philologie. – „Vetta filius Victi“ auf einer Inschrift Schottlands (ed. Hübner, Inscr. Brit. christ. 211) deutet Bruce, Archla. Cambr. ’90, 234 auf Vitta Vecting, den Grossvater Hengist’s. Dem widersprechen mit Recht R. Celt. Oct. ’90, 504 und J. Rhys, Archla. Ael. ’89, 371. [Vgl. Müllenhoff, Beowulf 61.] – Kossinna, Anz. Dt. Altth. 34, 1 zieht Müllenhoff’s Deutsche Alterthumskunde eingehend aus. – J. E. T. Rogers, Economic interpretation of hist. 283: Noch in meiner Erinnerung verachtete die Bauerschaft meines Heimathsdorfes in Hampshire die zweier Nachbardörfer und ging keine Ehe mit ihr ein. Man meinte (ich glaube: mit Grund): die verachtete Rasse stamme vom Briten, den die Jütischen Ansiedler (es war mitten unter den Meonwaras) nicht hatten aus den Morasten austilgen können. – *Th. Kerslake, Gyfla, the scír or pagus of the Ivel valley, Somerset, ’87 [auch in Somersets. archl. soc.]. Die Vor-Aelfredische Liste der Gaue sagt: „Gifla 300 hida“. Der Name, im Fluss Yeovil (Ivel, Yeo) erhalten, steht auch in K. Aelfred’s Testament. Somerset sei erst 658, nicht schon 577 mit Bath, von den Westsachsen eingenommen; „æt Peonnum“ bedeute nicht Pen, sondern Poinington Down [?]. Also stammt jene Liste frühestens vom Ende des 7. Jahrh. [Beda muss aber etwas Aehnliches benutzt haben: Südsachsen zählt auch er zu 7000 Hiden. Andererseits beginnt die Liste mit Mercien, was auf das 8. Jahrh., die Zeit von Merciens Supremat, deutet]. – 0A. D. Crake, The Saxon conquest of Berkshire; Quart. Jl. of the Berks. archl. soc. 1889. – 0Miss Russell, Acquisition of Lothian by Northumbria, probably a suppressed chapter of Bede (Brit. archl. assoc.), behandelt (laut Ath. 28III91, 412) Römische und frühest christliche Einflüsse, gestützt auf Namen der Kirchenpatrone, wie Helena. – S. O. Addy, A glossary of words – – of Sheffield; – – folklore, games and customs (Engl. dialect soc. ’88), bietet der Ortsgeschichte von Hallamshire gute Bibliographie, der Germanischen Mythologie Feuer-Riten und a. Aberglauben und für die Ausdehnung der Westsächsischen Macht nach Nordengland den Nachweis, dass 827 die Northumbrer sich zu Dore bei Sheffield Egbert unterwarfen, dass „Sheath“, der Fluss, der Derbyshire von Yorkshire trennt, „Grenzer“ (der einstigen Königreiche) bedeute, und dass mit dem „Weissquellthor“, wo nach den Angelsächsischen Annalen Eadmund 942 Mereien unterwarf, ein aus dem White Moss bei Dore entspringendes Wasser gemeint sei. Verf. erhellt auch die Literaturgeschichte des 15. Jahrh. durch Forschungen über Nordengl. Latein. Wörterbücher und Grammatikschulen. – Die Race der Ansiedler und manche andere Frage möchte man längst durch die Etymologie [132] der Ortsnamen feststellen. Eine ergötzliche Blumenlese der dabei geschehenen Missgriffe sammelt W. H. Stevenson, Archl. R. II, 104. So ist einerseits das Wort „Gau“ aus dem Englischen hinauszuweisen, andererseits „thorpe“ (Dorf) nicht sicher als Nordische Einführung anzunehmen. – J. Wright, Engl. Mundarten (in Paul, Grundr. Germ. Phil. I, 975), gibt eine treffliche Bibliographie provinzialer Glossare. – 0T. L. K. Oliphant, Old and Middle English; 2. ed. rev. 1891. – J. Bosworth, [sehr beträchtlich] enlarged by T. N. Toller, An Anglosaxon dictionary (Oxf. 3. Lief. ’87; Lfg. 4 seit 3 Jahren angezeigt). – Alois Pogatscher, Zur Lautlehre der Griech., Latein. und Roman. Lehnworte im Altengl. (Quellen u. Forsch. z. Sprach- und Culturgesch. Heft 64. Strassb. ’88). Verf. leitet mit methodischer Schärfe und klarer Anordnung etwa 700 Angelsächs. Wörter aus dem Griech., Latein. und Roman. her. Davon gehören weitaus die meisten der Kirche und Gelehrsamkeit an. Die Vorstellungen von Teufel, Engel, Bischof, Kirche hätten die Westgermanen, wie der Lautstand der Lehnwörter ergebe, schon um 400, angenommen, die Angels. also schon mitgebracht [?]. Die Sprachforschung sucht durch datirbare Lautveränderungen dem Lehnwort anzuhören, in welchem Jahrhundert es germanisirt ward; die Frage also, mit welcher Cultur die Angelsachsen einwanderten, darf nicht ohne philologische Hilfe behandelt werden. Die Einleitung betont mehr als meist üblich [vorschnell; Wülker CBl ’90, 251] die Romanisirung Britanniens und das Fortleben des Lateins, besonders in den Städten, mindestens noch nach 600, was die Entlehnung der meisten [?] jener Wörter schon um 500 [?] erkläre. Der Einwanderer nenne das Romanisch Britanniens Latein, nicht Welsch, und bezeichnet mit Walen die Kelten. [Ueber die Brit. Kirche 400–600 ist nicht mehr Wright, sondern Haddan and Stubbs, Councils massgebend.] Vgl. Varnhagen, DLZ 1891, 201. – F. Kluge, Altgermanisch (Paul, Grundriss Germ. Phil. I, 303 ff.), behandelt Entlehnung Kelt. und Röm. Worte und classische Culturbezeichnnngen. – 0M. Callaway: The absolute participle in Anglo-Saxon (Balt. ’90) bilde sich nicht aus der heimischen Sprache, sondern folge der entsprechenden Latein. Ausdrucksform; laut Mitt. Engl. Spr. ’91, 369.

Runen. Paläographie. Zu 0L. F. A. Wimmer, übers. v. F. Holthausen, Die Runenschrift (Berl. ’87) machte Einwände R. Henning (Korr.-Bl. Westd. Z. 6, 203), auch betreffend Angels. Inschriften. – 0R. Henning, Die Deutschen Runendenkmäler (Strassb. ’89), bespricht gelegentlich auch die Engl. Zeichen, so den Werth des S-ähnlichen (= „eo“ oder „i“), die Nebenform des H mit doppeltem Mittelstrich; von seinem Stoff ist die Hälfte Westgermanisch, 8 Inschriften vom 6.–8. Jahrh. Vgl. G. Kossinna KBlWZ 8, 254; 269; E. Brate, Z. f. Ethnol. 22, 69. – H. Logeman: The name of the Anglo-Saxon rune ƿ (Ac 21III91, 284) war „wyn“ [so schon Brate laut Ac. 11IV91, 348], da die Rune statt der ersten Sylbe in „wynsumiaþ: jubilate“ in Ms. Oxford Junius 27 steht. – W. W. Skeat: The order of letters in the Runic Futhork (Ac. 22XI90, 477) folge dem Pater noster, das als mächtige Zauberformel galt, in seiner Angels. Uebertragung „Faeder ure, thu on“ u. s. w., sei also von einem Engländer erfunden. – J. Taylor, [133] Ac. 29XI90, 505, bemerkt dagegen, dass nach Skeat’s Theorie die Entstehung nur bis frühestens 700 hinaufdatirt, während Futhork um 400 vorkomme auf der Broche von Charnay, dem Bracteaten von Vadstena und dem Schwert aus der Themse. Das Futhork entwickle sich vielmehr allmählich aus dem Griech. [?] Alphabet. Skeat antwortet Ac. 6XII90, 530: Die Zeit der Charnay-Broche sei nicht sicher. Auch könne das Engl. Paternoster als Zauberformel schon von einem noch heidnischen Angeln auf dem Festland aufgezeichnet sein [?], wie denn die Angeln Lateinische Wörter („Wein, Weich[bild], Wall, Pein, Meile“ und vielleicht „Strasse“) schon mit nach England brachten; das Alphabet müsse einen magischen Sinn bergen; sonst hätte man es nicht eingeritzt. [? s. DZG V, 452 u. Auch Wg. Smith (Ac. 20XII90, 594) bemerkt „superstitious use of the alphabet“ auf einem Stein mit Röm. Lettern von etwa 600 in Kerry.] – H. Bradley, Ac. 13XII90, 566, widerlegt Skeat: die angenommene Uebersetzung ist unwahrscheinlich; und wie konnte ein Heide sie kennen, schreiben, magisch anwenden und dem Norden aufdrängen? – In England scheint unbekannt F. Losch, Zur Runenlehre, Germ. 34, 397. L. meint, Wimmer lege die Ableitung der meisten Runen aus dem Latein. einleuchtend dar. Aber nicht daher stammen die ebenfalls Runen heissenden, älteren, analphabet., mystischen Zeichen, nicht für Laute, sondern für Begriffe. Diese seien benutzt zur Losung und angeordnet in drei Reihen, deren erste „Glück, Unglück, Ruhm“ bedeute. Die letzte Rune binde den Sinn des ganzen Futhork, so dass dieses Glück verheisse[?]. – E. Sievers: Die Runen (in Paul, Grundriss Germ. Phil. 1, 1889, 238) seien am besten von Wimmer erklärt. Pangermanisch, aus Lateinischem Alphabet entstanden, wandern sie mit Angelsachsen nach Britannien. „Run“ heisst collectiv Zauberschrift, erst nachher Geheimniss, Rath. Da man die eingeritzten Zeichen farbig malte, erhielt „teafor = Zauber“ den Sinn Röthel. „Bok“ (Holztafel, Stab, Urkunde) kommt nicht von Buche; Schott. „Keevil“ (Loosholz) ist Nord. Lehnwort. Angelsächs. Lautwandel erklärt die Umänderung der Engl. Runen; sie werden auf der Tafel in Reihe 9 ff. abgebildet. Alle Engl. Runen datiren nach 700, ausser der Goldmünze DZG II, 201. – W. Arndt, Latein. Schrift (ebd. 261), behandelt die von päpstlichen Missionaren zu den Angelsachsen gebrachte Halbunziale (die später zur Angelsächs. Minuskel umgebildet ward). Angelsächs. Halbunziale ward in Alcuin’s Schreibschule zu St. Martin in Tours bis zum 9. Jahrh. geschrieben. Sie förderte die Ausbildung der Karoling. Minuskel um 820 und vielleicht früher. Scriptura Scotica heisst auch Angelsächs. Schrift auf dem Festland. – Ders. tadelt CBl 1891, 349 Prou’s Paléographie [DZG V, 420], weil sie nur Eine Tafel mit Halbunziale bringt; Angelsächs. Schrift hielt sich noch lange zu Luxeuil, Corbie, Tours.

Mythos und Sage. E. Mogk, Mythologie (Paul, Grundriss Germ. Philol. I, 1891, p. 982), benutzt und erklärt von Engl. Quellen: Beowulf, Herrscherstammtafeln, Beda, Bussbücher, Heiden-Bekehrer des 6.–9. Jahrh., Ælfric, Cnut, Gervas v. Tilbury. Kelt. und Engl. Geist beeinflusste wohl den Nord. Mythos, da die Wikinger seit 800 auf den Brit. Inseln verkehrten; aber nicht aus ihrem Missverstehen von Kelt. und Angelsächs. Wörtern seien [134] Nord. Mythen erwachsen. Der Deutschen Sage gilt England als Aufenthalt der seelischen Geister. An eine Nordmannenschlacht auf Irland knüpft Hilde’s allnächtliche Todtenerweckung zu neuem Kampfe an. Aus Englands Alterthum erklärt Verf. die Körnerspende für den Todten, das Opfer am Kreuzweg, die Nachtmar und Elfe, den Werwolf, das Schicksal (Meotod), den bergentrückten König Artus – alles im Rahmen Germ. Aberglaubens. – B. Symons, Heldensage (eb. II, 1889, p. 1), erörtert (namentlich aus Beowulf, Finsburg, Widsith, Waldhere, Deor) die Engl. Gestalt der Mythen von Wiland, Wado, Hilde, dem Apfelschuss, der Sagen von Ermanarich und Dietrich von Bern (die nur anfangs auseinander gehalten sind), von Attila, den Burgunden, Offa von Angeln. Widsith veranschaulicht, wie der wandernde Rhapsode um 600 die Helden des 4.–6. Jahrh. verwirrte. Neben der Geschichte des Geistes und der Sitten empfängt Englands Verkehr mit dem Merowingerreiche Licht von der Sagenkunde: von den Alamannen zog die Waltersage nach England; von oder zu Frisen und Franken wanderte die Hedeningensage, die England um 650 kannte; (Hug-, d. h. Franken-)Dietrich ist Theodorich von Austrasien. Verf. schliesst zwar Gral und Arthur [s. jedoch p. 63] aus, liefert aber nebenher eine Parallele zu Cuchulinn (p. 11), übernimmt von Zimmer, dass Irland durch Wikinger um 900 von den Nibelungen hörte, und erklärt Galfrid von Monmouth p. 60. Ergänzungen liefert F. Y. Powell, Folklore 1890, 118. – A. Ebert, Allg. Geschichte der Lit. des MA. III (Lpz. ’87), erörtert in der Einleitung Weltanschauung und Einrichtungen der Angelsachsen, besonders so weit sie dem Christenthum günstig waren. – K. Weinhold, Mythus vom Wanenkrieg (SB Berliner Ac. 1890, 616), erkennt den Angelsächs. Wodans-Cult des 5. u. 6. Jahrh. aus den Königs-Genealogieen. – R. Heinzel, Ueber die Hervararsaga (SB Wiener Ac. 114, 417). Nordgallisch-Fränk. Ueberlieferung trug die Sage von der Gothen- und Hunnenschlacht nach England in das Widsith-Lied. – H. Jäkel: Die Alaisiagen Bede und Fimmilene (ZDPhil. 22, 257, vgl. DZG II, 496) erklären sich aus dem Frisischen als Gesetzseherinnen (nicht „-sprecherinnen“); Bede, die Kämpferin, und Fimmilene, die Rächende, stellen Rechtsstreit und Strafe, Anfang und Ende des Gerichts dar. – E. Veckenstedt: Wieland (Z. f. Volkskunde I, 263) war, laut Beowulf, Aelfred und Ortsnamen, auch den Angelsachsen bekannt, ursprünglich ein Feuergott, Germanisch, ohne Einfluss class. Mythologie. – Ders. (eb. II, 325) tritt gegen die Annahme der Entlehnungen aus Christenthum und Classik in German. Mythologie auf. – Ueber Sigurd und Wieland auf Denkmälern der Brit. Inseln, s. DZG V, 451 ff. u. unten p. 144. – W. Golther: Die Wielandsage (Germania 33, 449) entstehe bei den Franken im 6. Jahrh.: dorther dringe sie um’s 9. Jahrh. zu den Nordleuten und zu den Angelsachsen, die auch andere Heldenlieder im 7. Jahrh. vom Frankenreiche empfingen; vgl. RH 40, 424. [G.’s Deutung des Namens lehnt Symons a. a. O. p. 61 ab; er hält Wiland für Niederdeutsch]. – F. Niedner: Die Wielandsage im Beowulf (ZDA 33, 35) ruhe auf einem Niedersächs. Liede. – Gegen 0W. Golther, Valkyrjenmythus, halten B. Symons (Litbl. Germ. Phil. ’90, 215) und R. Henning (DLZ ’90, 226) fest, dass die Angelsächs. Sigewif zu den Walkyren gehört, deren eine Sigurdrifa heisst [G., DLZ 384, bleibt bei [135] „Sturm“; Symons ZDPh 24, 5 identificirt sie mit Brunhild], und ebenso vertreten sie, dass der alte Germane lange vor Wikingerzeit an diese Sieg spendenden göttlichen Wesen, an Walhalla als himmlischen Heldensaal glaubte. Henning führt die Glosse „Walcyrge“ zu „Eurynis“ [und Tisiphone] aus dem 8. Jahrh. an; und eine ursprünglichere Bedeutung „Todwählerin, Todesdämon“ folge nicht aus der Etymologie: „wal“ heisst nicht Tod, sondern Ags. Leichenhaufen und Ahdt. [aber auch Kentisch um 900, laut Sweet, Oldest texts 182]: „clades“. [Vgl. E. Mogk a. a. O. p. 1014 f.] – H. Handelmann, Nord. Amazonen (Corr.-Bl. Anthropol. Mai ’90, 39), citirt zu der Ansicht [?], dass Walküre ursprünglich nur Kämpferin und nachweisbar erst seit 950 Helden-Erwählerin für Walhall bedeute, die Klage des Henricus de Knighton zu 1348 über Damen, die zu Pferd mit Dolchlein im Gürtel zum Turnier erschienen. [Das ist nur ausschweifende Tracht späten Ritterthums und nicht etwa German. Mannweiberthum!]

Beówulf, hrsg. M. Heyne, 5. Aufl. v. A. Socin (Päd. ’88), citirt auch neueste Sach-Erklärungen in Fach-Zss. [eine Ausgabe zu hist. Zwecken fehlt]; vgl. Anz. Dt. Alth. XV, 153. – E. H. Meyer (Z. f. Volkskunde I, 101) tritt ten Brink [vgl. DZG II, 197] bei in der Annahme, dass Sage und Gedicht von Beowulf Englisch seien. Doch sei Beáw keine Hypostase eines (bei Angelsachsen nicht nachweisbaren) Gottes Freá, sondern selbständig aus Dämonenmythos entwickelt. – Karl Müllenhoff, Beovulf; Untersuchungen über das Angelsächs. Epos und die älteste Geschichte der German. Seevölker. Berl. ’89, xij 165 p. Des grossen Forschers letzte Ansicht liegt hier vor, freilich nicht mehr von ihm einheitlich abgerundet. Vielmehr ist p. 110 ff. „Die innere Geschichte des Beovulfs“ nur Neudruck von ZDA XIV, 193 [über die auf den Mercierkönig übertragene Sage vom Angl. Offa vgl. p. 133; über die Angelsächs. Beziehung zu den Merovingern p. 159]; die „Einleitung zur Vorlesung über Beovulf“ ist das Collegienheft des Verfassers, das F. Burg bearbeitete; E. Schröder schickt einen Ueberblick über M.’s Angelsächs. Studien voraus, und H. Lübke hat das Ganze herausgegeben und mit Namenregister versehen. I. „Der Mythus“ [ähnlich schon ZDA VII, 410]: Beáv sei ein jugendlicher Gott, der wettschwimmt mit Breca (Hinstürmen), dem Herrscher der Brondinge (Brandung), gegen den Polarstrom (d. h. das Frühjahr, das die Rauheit der Wintersee bricht [was Symons a. a. O. 21 annimmt]), ankämpft gegen Grendel (Nordsee) und dessen Mutter (die Seetiefe) und den Drachen (strömende Gewässer). [Heinzel, ZDA 34, 264, hält diese Deutung für falsch: es fehle die den Besiegern jener Elemente entsprechende Naturgewalt; ob die Alten das Begegnen des Golf- und Polarstroms beobachteten, sei fraglich. Das Schwimmen übertreibe wohl nur eine wirkliche That.] Dieser Nordseemythus gehöre ursprünglich der Festlandküste; denn Beav steht in den uralten Königs-Genealogieen der Angelsachsen (die der Dichter nur auf die Dänen verschob), er begegnet in Engl. Ortsnamen [dass dies nichts beweist, weil möglicherweise die Orte nach gleichnamigen Menschen heissen, bemerken mehrere Kritiker], und die Sage von Sceaf lebt auch bei Langobarden. Dieser Sceaf (d. h. „Garbe“, ein aus unbekannter Fremde auf dem Aehrenbündel [136] zu Schiffe mit Waffen und Kleinodien landender Knabe, der zuerst König wird) personificire die Einführung von Seefahrt, Ackerbau, Krieg und Königthum. Nur Entfaltungen seines Wesens seien die Namen der Genealogie neben ihm: Schilddecker, Beav (ruhig Bauende) und der Anmuthige (ebenso wie die Stammtafel der Ostsachsen mit Seaxneat-Mars beginnt und in den Namen der Söhne nur die Momente der Schlacht entwickele). Der Dichter verschiebe diese Stammvatersage der Nordsee-Ingävonen auf Scyld. Sceaf oder Ing (der Ankömmling) aber sei nur eine andere Form des Freyr, des freundlichen Frühlingsgottes, der die den Menschen feindliche Natur, Winter und Meeressturm besiegt. [Den Namen Beáv hält Symons für unerklärt und ihn für keinen Freyrshelden.] II. „Die geschichtlichen Elemente“. 1. „Die Geaten“ Beowulf’s seien Gauten, jetzt Götar in Südschweden. [Dagegen erklärten sich Fahlbeck und Bugge; Symons versteht: Jüten.] Auf einen ihrer Helden übertrage sich durch Namensähnlichkeit der Beavmythos. Fabel sei Beowulf’s 50jährige Herrschaft, also vielleicht auch alles von den Vaegmundingen Viohstan und Viglaf Erzählte. Der Gautenkönig Hredhel, dem der älteste Sohn Herebeald vom zweiten erschlagen wird, und der im Ringen zwischen Blutrachepflicht und Sohnesliebe hinstirbt, findet eine Parallele in der Deutschen Sage von Herbort. Sicher historisch ist Hygelac’s Seezug nach Friesland und Fall bei Hetwaren (Cleve-Geldern) durch die Franken während der Vertheidigung der Beute; dies bezeugen Gregor von Tours über Chochilac um 515, und Liber monstrorum ZDA XII, 287 weiss von Hugilaic rex Getarum, den Franken auf einer Insel der Rheinmündung tödten; hier ward früh die grosse Bedeutung des Seekönigs ins Riesenhafte übertrieben. Um 525 endet die Kenntniss der Angelsachsen von Nord. Geschichte (ausser dass Northumbrer Ende des 8. Jahrh. Ingeld den Bösen von Schweden besangen). [Das Folg. übergehe ich als zur Skandinav. Geschichte gehörig.] Däne bedeutet in den Angelsächs. Annalen 787 „Nordmann“; der Name bezeichnet, einfach und als erstes Glied eines Compositum, auch bei den Angelsachsen Personen. Die Headobarden seien Heruler; des historischen Dänenkönigs Hrođgar Kampf ende um 475, sein Heorot sei Lethra, sein Ruhm im Norden übertragen auf den Neffen Hrođulf (Rolf Kraki), den die Angelsachsen nur als jüngeren Gehilfen nennen. Ueberall sei, wo Beowulf und Dänische Ueberlieferung denselben Stoff bringen, ersterer treuer geschichtlich, letztere jüngere entwickeltere Sage. Den Heremod, der in Angelsächs. Sage und Genealogie begegnet, mache der Beowulf-Interpolator nur irrig zum Dänenkönig. 3. „Die Angeln und Sachsen“ sind zwar im Beowulf nicht genannt; dennoch entstehe das Epos bei ihnen aus lebendiger mündlicher Ueberlieferung. Da die Dänensage aus dem Dunkel der Vorzeit gerade dieselbe Epoche erhellt und im einzelnen vielfach mit dem Beowulf stimmt, so sei sie (ebenso wie Hygelac’s Zug) zu den Angelsachsen, etwa 600, wohl übertragen; und zwar durch Frisen, die den Engländern in Blutsverwandtschaft, Sprache, Lage und Verkehr nächststehen und ihren Reichthum auch an Deutschen Liedern (Finn, Gudrun, Nibelungen, Ermenrich) vermitteln; allein das Mythische, den Hauptinhalt des Beowulf, besitze der Angelsachse zu Eigen und verschmelze es mit dem Historischen seit 650 zum heutigen Beowulf, noch vor irgend welchem Hasse gegen die Dänen, [137] also vor 800. Nur wenig Historisches nehme er bei der Wanderung aus der Heimath mit. Zum Beweise dessen geht Verf. die gesammte einheimische Ueberlieferung durch, mit besonderer Ausnützung der Königsgenealogieen und des Widsith, der aus drei Liedern bestehe, welche in dem Jahrh. nach 568 (Alboin’s Italienfahrt) entstanden. Die Angli sitzen in Schleswig. Hengst und Hors seien nicht mythisch [Heinzel sieht in den Namen der Kent. Genealogie die Bedeutung „Pferd“ und erklärt [?] Baeldaeg als Baldr]; ihre Jüten können Ytas und müssen Deutsche sein, da Kent rein Angelsächsisch redet. Der Undeutsche Name Cerdic beweise Berührung mit Kelten mindestens schon zu des Vaters Zeit, und der Name Port Verkehr mit Romanen [?]. Also [?] kamen die Westsachsen von der Gall. Nordküste [?]. Cerdic’s Ahnen seien mythisch. Die Angeln lässt Engl. Ueberlieferung erst spät landen; dagegen spreche aber Nennius und Procop [?]. Die Genealogie der Lindisfaran bezieht sich auf Lindsey. [So auch Frühere; vgl. Elton, Origins 379.] Die Namen der Vorfahren Aella’s von Deira bergen Angelsächs. Dichtung, nicht Geschichte. Jedenfalls nicht durch kriegerisches Vordrängen von Dänen werde die Anglische Wanderung verursacht; sonst könne Beowulf nicht solche Vorliebe für die Dänen hegen, die sich auf uns unbekannte Thatsachen gründe. Der Angelsachse bringe ein fertiges Bild der Geographie Germaniens nach England mit, das viele Völker noch an den Wohnorten kennt, wo sie vor der Völkerwanderung sassen; eine grosse Reihe von Stammesnamen des German. Festlandes localisirt der Verfasser. [Die Erklärung der Völkertafel berichtigt Heinzel a. a. O.] Die Mercische Königstafel allein verrathe festländ. Erinnerung ins 4. Jahrh. hinauf. Zwar Withelgeat und Waga seien mythisch; aber Wihtläg und Nachfolger seien historisch: in die Dän. Genealogie seien sie irrig erst im 11. Jahrh. verschoben. Vollends über Offa von Schleswig und seine Frau Thrydho (d. h. virago) erklinge echte Angelsächs. Sage auch im Vidsith, im Beowulf und in den Fabeln, die die Vitae Offae I et II, in St. Albans geschrieben [die Zeit setzt Verfasser zu früh, ohne Kenntniss von histor. Untersuchungen, vgl. Mon. Germ. 28, 97], dem Offa von Mercien und der Cynedrytha anhängen, durch irrige Uebertragung auf ähnliche Namen; die Albanenser nehmen das Märchen vom Mädchen ohne Hände auf und melden von der Königin den früheren Namen Drida, den Virago-Charakter und die Ankunft übers Meer, also drei Züge der Beowulf’schen Thrydho. Die Dän. Uffisage, die dem Offa I. des Albanensers im Zuge der Stummheit in der Jugend ähnelt, sei aus England, freilich nicht aus Büchern, durch Dänen zurückverpflanzt; also für Merc. Ursprünge müsse Dän. Material unbeachtet bleiben. Schon im 9. Jahrh. geschah die Uebertragung der Thrydhosage auf Cynedrytha’s Tochter Eadburg, bei Asser. Auch Garmund und Eomaer blieben vom Festland her in Angelsächs. Erinnerung. Da Penda, geb. 575, Offa’s I. achter Nachfolger war, so sei dieser um 335 geboren [?]; die erste Hälfte der zwischen beiden aufgeführten Namen klingt anders als die vier späteren, folglich [?] falle ein Abschnitt 4 × 30 = 120 Jahre nach 335, also [?] schon um 455 beginne die Anglische Wanderung. Da somit die Eroberung Britanniens (und vollends alle frühere eigne Gesch.) höchst undeutlich in der Angels. Ueberlieferung verschwimme, so hole sich das Angels. Volksepos fremden [138] historischen Stoff, aus derselben Zeit 450–550. – Eine Fülle von Einzeluntersuchungen kann hier nicht einmal angedeutet werden. „Mare Fresicum“ bedeute (gegen Nennius): Nordsee; „Gewisse“: Verbundene. Vgl. DZG III, Bibliogr. 761; V, Bibl. 1382; Logeman, Moyen âge ’90, 266; W[ülker] CBl ’90, 58. Fränk.-Fris. Vermittelung bezweifeln F. Holthausen, Litbl. Germ. Phil. ’90, 370, und Köppel, ZDPh 23, 1, da schwerlich Hygelac von denen, die er plünderte, gepriesen worden wäre, auch die Franken im Beowulf schlecht fortkommen. – G. Sarrazin, Beowulf-Studien. Ein Beitrag zur Geschichte Altgerman. Sage und Dichtung (vgl. DZG II, 520). Die Burg Hrothgar’s liege zu Lejre bei Röskilde [Möller, Engl. Stud. XIII, 247 hat daraufhin Seeland besichtigt, aber nicht passend gefunden]; Hygelac’s Sitz sei Kongelf. Die Geatas seien (Wester)göten. Landschaft und Kultur des Epos sei [nur?] Nordisch. Im Bericht über Beowulf’s Ahnen stehe dieses näher zur Skandinav. als zur Angelsächs. Sage. Beowulf sei [?] der Dän.-Isländ. Bödhvarr Bjarki; auf ihn, der wirklich Frisen, Franken, Schweden bekämpft, wohl auch vormundschaftlich regiert und Gauten beherrscht habe [?], übertrage sich der Baldrmythos des südwestlichen Schwedens. Auch der „Grendelkampf“ entstehe aus Gautischer Bearbeitung, „das Wettschwimmen mit Breca (= Brandung)“ aus Skandinav. Sonnenmythos. Der Dänenkönig Schild, über See auf einer Garbe landend und todt mit goldenem Banner scheidend, bedeute die Sonne, keinen Kulturheros. Baldaeg in der Angelsächs. Genealogie sei lautlich verschoben aus Baldr [?]. Aus dem Beowulf, aber nicht mehr aus dem Bödhvar bei Saxo, erkenne man noch Historisches. Das verlorene Dän. Original [?] des Beowulf sei wahrscheinlich vom greisen Skalden Starkad um 700 (nicht von mehreren Verfassern) am Dän. Hofe gedichtet. Dass der Angelsächs. Beowulf in Stil, Wortschatz, Gesinnung, Metrik Kynewulf’s Werken ähnelt, erkläre sich dadurch, dass dieser Nordost-Engländer den Dänen übersetzt und dann nochmals bearbeitet habe [?]. Er benutze wohl die Angelsächs. Gedichte von etwa 700 (Genesis, Daniel, Azarias), bilde sich aber an Dän. Epik. Wie arm die heimische war, beweise die Macht des fremden [?] Beowulf; wie denn Beda, Ælfred, die Angelsächs. Annalen keine Spur Engl. Geschichtslieder über das 5.–8. Jh. verrathen [? solche erklingen vereinzelt noch bei Huntingdon]. Skandinav. Sage und Skaldenstil beeinflusse auch die anderen Angelsächs. Dichtwerke [?], dank friedlichem Verkehr, den der Angle noch seit der Wanderung mit dem Dänen erhalte [?], bis unter der Feindschaft seit dem 9. Jahrh. die Engl. Epik dahinwelke; auch deren Nachblüthe, Ende 10. Jahrh., erstehe unter Skandinav. Einflusse [?]. – Höchst werthvoll bleibt S.’s ästhetische Würdigung der melancholischen Stimmung des Beowulf und der fleissige Stilvergleich der verschiedenen Angelsächs. Gedichte: die Lieder in den Angelsächs. Annalen noch des 10. Jahrh., findet Verf., klingen an Beowulf und Kynewulf an, aber nicht mehr die des elften. – Viele Einzelheiten zur Brit. Literaturgeschichte berührt Verf. nebenher: der Tristanroman, meint er, fusse auf Altnormann. Thorsteinsage. Der Name von Wodan’s Vater Frealaf sei entstellt aus Freotholaf p. 191. [? In Westsächs. Genealogie heissen Vater und Grossvater Frealaf und Frithewold, z. B. Textus Roffensis ed. Hearne p. 59]. – R. Heinzel, Anz. Dt. Alth. XV, 182, leugnet, dass die [139] Beowulfsage ein Baldr-Mythos sei und, mit Köppel, Engl. Stud. XIII, 472, dass die Vorlage des Angelsächs. Epos Skandinavisch, die Sprache Dänisch beeinflusst, der christliche Umdichter und Vermehrer Cynewulf sei. Auch F. Holthausen, Litbl. Germ. Phil. ’90, 14, lehnt S.’s Ergebniss im wesentlichen ab: selbst dessen sprachliche Argumente, die Verzeichnisse poetischer Formeln, die Vergleichung vieler Sagen, alles höchst werthvoll an sich, beweisen nicht, was sie beweisen wollen. – Sarrazin (Engl. Stud. 14, 421) vertheidigt seine Localisirung Heorot’s in Lejre und seine Annahme eines Dän. Originalepos, das Kynewulf umgearbeitet habe. Beides leugnet nochmals Köppel (ebd. 427): Skandinavisch sei nur der historische Stoff der Sage, nicht ihre dichterische Verarbeitung. – Gegen ten Brink’s Beowulf (vgl. DZG II, 197; Köppel ZDPhil. 23, 113) hält R. Heinzel, Anz. Dt. Altth. XV, 153 Entstehung des Epos aus mehreren gleichzeitigen Liedern über dieselbe Begebenheit und damit die Wanderung durch Nord- und Mittelengland, für unbewiesen. Er warnt, aus heutigem Gefühl decretiren zu wollen, in welche Widersprüche oder Wiederholungen ein Angelsächs. Dichter nicht verfallen konnte. Analogieen fehlen für Altgerman. Einzellieder und für Contamination zweier Erzählungen mit Bewahrung des Wortlauts. [In Chroniken wimmelt’s von letzterer!] Für Identität der Geatas mit den Jüten spreche [?] der Name des Geaten-Königs Hređel, da die Jüten im Norden Hreiđgotar heissen. – H. Möller, Engl. Stud. XIII, 247, liefert in seiner Kritik eine bedeutende Weiterarbeit. Er hält zwar auch ferner strophische Natur der ältesten Theile noch in unserem Beowulf erkennbar, gibt aber Brink zu, dass Ein Ordner zwei Versionen contaminirte, dass die Gauten im Beowulf keine Jüten, die Jüt. Kenter, = Eutii, Yte (Widsith 26), nicht Dänisch sind. Nur möchte er die Heimath dieser, da sie zuerst in Britannien landeten, eher südwestlich neben die Frisen als in das fernere Jütland setzen [ohne Beweis]. – M. H. Jellinek u. C. Kraus: Die Widersprüche im Beowulf (ZDA 35, 265), meist nur scheinbar, beweisen nicht Verschiedenheit der Verfasser. Nur zum Grendelkampf erhelle Ursprung aus älterem Liede deutlich. Mindestens redigirt sei Beowulf von Einem besonnenen Dichter. – Ebert, Gesch. der Lit. des MA. III, 27, behandelt Beowulf [dies ist durch neuere Forschung überholt], Weitfahrt und Sänger’s Trost. – Ueber den Frisenkönig Finn, den das Altengl. Epos besingt und die Genealogie Altengl. Könige nennt, vgl. T. Siebs, in Paul, Grundriss Germ. Phil. II, 1, 494. – M. H. Jellinek, Zum Finnsburgfragment (Paul, Beitrr. G. Dt. Spr. XV, 428). Das Gedicht rede nur von Dänen; der König der Guthdene, der Volkshirt sei Hengest. Verf. bessert den Text und fasst die Handlung anders als Möller und Bugge.

Bekehrung; Kirche des 7. Jahrh. Vgl. DZG V, 425. – Von E. Churton. The early English church [deren 2. Aufl., N.-York 1842, zur Einführung brauchbar ist] erschien 0New ed. 1887. – 0A. D. Crake, Stories of the old saints and the Anglosaxon church. – 0Éd. Clausier, St. Grégoire le Grand (Lille ’87). – 0F. W. Kellett, Pope Gregory the Great and his relations with Gaul, Prize essay of Cambridge, ’89. – R. W. Church, Miscell. essays (’87); darin: 0Gregory I. [„geistvoll“ JBG ’88IV31.] – 0C. Wolfsgruber: [140] Gregor [vgl. DZG II, 517] wird erbaulich für weiteren Leserkreis als Benedictiner gepriesen mit Benutzung von G.’s eigenen Schriften, ohne Neues; vgl. DLZ 1891, 140; Dublin R. Oct. ’90, 471; RQschr. IV, 301; HPBll 106, 317; St. Bened. 168. – Aehnlicher Tendenz: 0[Abt T. B. Snow], St. Gregory, apostle of the English; sketch for his 13. centenary, Downside 1890; und 0?, The centenary of St. Gr. at Downside, 3 Predigten mit Aufzählung der Gregorskirchen Englands im Anhang. – 0G. Appia, Berthe de Paris et la conversion des Anglais. Paris, Soc. écoles dimanche, ’88. – Ueber Augustin und Engl. Heilige und Fürsten vor 800 vgl. DZG V, 391, 423. – Routledge’s Nachricht, dass Augustin auch zum Dom zu Canterbury eine Brit.-Röm. Kirche benutzte [DZG II, 505], steht auch Antiq. 19, 228. – 0E. H. Bousfield, The conversion of England, ’90. – 0M. H. Hall, The builders of the church in Northumbria, „gelehrt und sorgfältig“ über Beda, Alcuin; Ac. 3I91, 12. – 0T. B. Johnston, Evangelization of Northumbria up to 664; Lancash. antiq. soc. 1889. – 0R. C. Jenkins, The life of St. Ethelburga the queen; Folkest. 1891. – K. Norgate, Guthlac von Crowland, in Stephen, Dict. nat. biogr. – W. Hunt, Heddi, Bischof der Westsachsen, ebd. – W. H. D. Longstaffe. SS. Cuthbert and Bede (Archla. Ael. ’89, 278), behandelt hauptsächlich die Reliquien und Beda’s Geburtsort Sunderland. – J. Raine, Wilfrid I. und II., in Smith and Wace, Dict. of christ. biogr. – 0Christlieb, Wilfrid in Real-Encycl. prot. Theol. – J. I’Anson, St. Wilfrid (Jl. Brit. archl. ass. 43, 275), bringt nichts Neues und kennt Obser’s W. nicht. – W. Wattenbach, Die Hamiltonsche Evangelienhs. (SBBAk. ’89, 153; vgl. DZG II, 517). Diese Hs. Wilfrid’s ist jetzt in Amerika; NA 16, 458. – 0W. N. Usher, An Anglo-saxon cathedral; a handbook to Stow church near Lincoln (Linc. ’90), erblickt in dieser grossen Angelsächs. Kirche die einstige Kathedrale Sidnacester, die jedenfalls in Lindsey lag; Ath. 9VIII90, 182. – 0G. della Stua, Vita di s. Osualdo, re di Nortumberland. Genova 1887. – H. Zimmer, ZDA 35, 13 [vgl. R. Celt. XII, 229; 297], erkennt in dem Angelsächs. Königsohn Osalt, welchen der Irische Roman Bruiden da derga, etwa vom 8. Jahrh., im Heere des Irischen Oberkönigs Conaire dienen lässt, eine Erinnerung an Prinz Oswald’s Exil unter den Scoten (Beda III, 1; 3; 13). – Die Oswaldsage, meint Symons (Paul, Grundr. Germ. Phil. II, 56), sei bei den Kelten ausgebildet und am Niederrhein mit der Hildesage verschmolzen. – Ueber Oswald vgl. DZG V, 392. – W. S. Simpson, St. Vedast (Jl. Br. archl. assoc. 43, 56), zeigt Vaast in Gebeten, Bildern, Kirchenpatronaten besonders des Englischen Mittelalters. – Von W. Bright, Chapters of Early Engl. church hist. erschien 02. Aufl., verbessert, ’88: „ein Realcommentar zu Beda“, JBG ’88IV25.

Biographieen des MA. von Heiligen des 7.–9. Jahrh. A. Napier, Ein Altengl. Leben des h. Chad (Anglia X, 131), druckt aus Hs. Bodley Junius 24, um 1125, eine Angl. Homilie, die um 925 (nach einer verlorenen Latein. übersetzt sei [?] und) wörtlich den Beda IV, 2 f. wiedergibt, mit Ausnahme der erbaulichen Anfangs- und Schlusssätze. – G. Herzfeld, Zu Leechdoms [Cockayne’s Ausg. für Rolls ser. 1866] III, 428 (Engl. Stud. [141] 13, 140). Die dort gedruckte Hs. Lambeth 427 sei um 1000 geschrieben, und ihr Inhalt, die Legende von Sexburg, nach 950 verfasst [etwa Anfang 11. Jahrh., urtheilte ich, Heiligen Englands p. iv]. Dass mit der Aufnahme einer Vornehmen in ein Kloster, wo ihre Mutter Aebtissin ist, Mildryth gemeint sei, bezweifelt Verf. gegen Cockayne [mit Unrecht]. Abfassungsort sei Ostanglien [wahrscheinlicher Sheppey in Kent]. Als Dauer der vormundschaftlichen Regierung Sexburg’s über Kent emendirt Verf. „thrittig wintra“ in „thri wintra“. Auch er erkennt die Verwandtschaft der Legende mit Historia Eliensis [auch ed. Stewart für Anglia christ. 1848. Dieser Theil der Historia Eliensis ist etwa 50 Jahre älter als 1175. S. darüber a. a. O. p. v, wo als gemeinschaftliche Quelle die Kent. Königslegende nachgewiesen ist]. – Vita s. Rumwoldi, Acta sanct. Nov. I, 682. Rumwold, Tochtersohn des christlichen [!] Penda, befiehlt als neugeborenes Kind, er wolle getauft sein in „Suttunus, in quo etiam pagus situs est regiae dignitati subministrans debita decreto tempore obsequia“ (King’s Sutton, Northamptons.) und begraben werden erst in Braccalea (Brackley, eb.), schliesslich in Buchingaham; er stirbt nach drei Tagen. „Istorum autem locorum nomina post multorum temporum curricula sunt cognita.“ Der also nicht gleichzeitige Verf. versetzt Beda’s Nachrichten auf falsche Personen und schreibt ein Latein, das mir nicht über das XI. Jahrh., die Zeit der ältesten Hs., hinaufzureichen scheint. Die Bollandisten kennen auch keine frühere Erwähnung Rumwold’s. Sie drucken unter dem Strich den Auszug aus dieser Vita durch Johann von Tinmouth (dem Capgrave’s Legenda, ed. 1516, folgte). Ihre Codices sind die von Hardy, Descr. catal. I, 256 genannten. – 0Vita Bertuini episcopi, des Angelsächs. Missionars in der Provinz Namur um 700, in Anal. Bolland. VI, ist nach Holder-Egger (HZ 64, 133) eine historisch werthlose Bearbeitung der in Acta sanct. Belgii V gedruckten Vita und nicht vor dem 11. Jahrh. entstanden, da in ausgeprägter Reimprosa geschrieben. – Vita s. Swithuni Wintoniensis episcopi [852–62], auct. Goscelino mon. Sithiensi ex Ebroic. cod. [101 L., 14. Jahrh.] ed. E. P. Sauvage, Anal. Bolland. 7, 373. Diese Vita benutzt (wenigstens mittelbar) den Beda und Listen der Westsächs. Könige u. Bischöfe von Winchester, spricht und denkt wie Autoren nicht vor 1100 [sagt statt Wessex z. B. England], stimmt z. Th. wörtlich zu Wilhelm’s von Malm. Pontif. II und Reg. II, 109, erzählt nichts inhaltlich mehr als dieser, und verräth nirgends ihre Abfassung durch Gozelin. Hrsg. (der ebd. IV, 372; V, 55 frühere Viten Swithun’s druckte) erklärt sie für älter als die durch Surius, Capgrave und Acta sanct. Jul. I, 327 veröffentlichte. [Er citirt falsche Urkk. Croyland’s, ohne zu bemerken, dass „presbyter Egberti 833“ der Vita „sub Helmstano sacerdos“ widerspricht. Mir fehlt zur Quellenuntersuchung Earle’s Swithun (1861), welches Buch Hrsg. nicht kennt. Vgl. Stubbs, Dunstan 369; Earle Anglos. liter. 69; Ebert, Lit. MA. III, 497; Napier, Engl. Stud. 11, 63]. Vgl. HJb XI, 152. – 0J. R. Thompson, Records of s. Edmund of East Anglia. 2 Theile. Bury S. Edm. 1891. – G. M. Dreves, Hymni inediti (Lpz. 1889), druckt p. 241 aus Lüneburger Brevieren „De s. Suitberto: Olim apud nos exsulem“, worin Switberts Weihe zum Bischof in Mercien durch Wilfrid [wörtlich anklingend an Beda V, 11] erwähnt wird; und p. 256 aus Prager [142] Hss. „De s. Walburga: Ave flos virginum, soror magnorum Fratrum Willibaldi et Wunibaldi“. – Ders., Hist. rhythmicae I (Anal. hymn. MA.), Lpz. 1889, entnimmt p. 173 einem Düsseldorfer Brevier des 14. Jahrh. ein Reimofficium „in festo duorum Ewaldorum“. Als Gewährsmänner citirt es Beda [dessen Hist. eccl. V, 10 ihm die Worte lieh] und Anno, den Translator, „quem colit Colonia“. Aus einem Lüneburger Brevier des 14. Jahrh. steht p. 226 ein Offiz De s. Swiberto, das ebenfalls Beda citirt [V, 9; 11], und p. 273 aus Süddeutschen Hss. des 14., 15. Jahrh. ein Offiz De s. Willibaldo, das aus der Vita Mon. Germ. SS. XV, 86 schöpft, jedoch wohl nicht unmittelbar, da W. schon „stirpe regali editus“ heisst: ein Ansatz zur späteren Legendenbildung; s. oben p. 114. – A. Ebert, Allg. Geschichte der Lit. des MA. III (’87), behandelt: Fridegod’s Wilfrid (er folgt stofflich Eddi, sprachlich Virgil, liebt Gräcismen [übersehen ist die Ausgabe J. Raine, Historians of York, I, Rolls ser. ’79]); Lantfred’s und Wulfstan’s Swithun [Lantfred’s Dedicatio druckte auch Stubbs, Dunstan p. 369; der Druck des Gedichts auf Swithun, durch Sauvage, Anal. Bolland. V (’86), 57, ist nachzutragen]; p. 59 f. bespricht er Biographieen Guthlac’s. – 0J. Dieffenbacher, Lambert v. Hersfeld als Historiograph (Heidelb. Diss., Würzb. 1890), untersucht u. a. die Vita Lulli archiep. Moguntini, deren Quellen, so die VV. Bonifatii, Leobae, erhalten sind; DLZ 1891, 461.

Theodor. H. J. Schmitz, Das sog. Theodor’sche Bussbuch in Ms. [132] Hamilton – – – zu Berlin; AKKR54, 381. [Vergl. JBG ’85, II, 26.] P. Ewald, NA VIII (1883), 384, bezeichnet die Hs. als Merowingisch mit Karoling. Nachträgen und ordnet ihren Inhalt zu den Canones-Sammlungen der Pariser Hss. 3846 und 1455 ein. Aus diesen und mehreren anderen Hss. hatte schon Stubbs, Councils and eccles. doc. III (1871), 176, die Varianten zu seiner Theodor-Ausgabe notirt. Schmitz entgingen leider beide Werke. Er bemerkt richtig, dass Hamilton [ebenso wie Stubbs’ Classe e–m, und dessen immer noch bester Text] wichtige Lesarten ursprünglicher als Wasserschleben’s und Schmitz’ Bussbücher bietet, und dass der Satz II, 12, 25, wonach Ehe im 3. Grade [so liest aber auch Stubbs’ e, i, l, m] ungeschieden bleibt, vor 726 (Jaffé-Ewald, Reg. pont. 2174) geschrieben ist. Dagegen bevorzugt er m. E. falsch Ham. vor Stubbs an den anderen 6 Stellen: I, 13, 4; II, 3, 7; 6, 4 u. 11; 12, 8 u. 18. – Dass als Strafe für Sonntagsarbeit im dritten Wiederholungsfalle der Freie ein Drittel seiner Habe verliere, bestimmt Lex Alamann. 38 im Einklang mit dem Bussbuch vom Mittheiler der Satzung Theodor’s von Canterbury. K. Lehmann, Lex Alam., Mon. Germ. Leg. V, 8, meint, mit Brunner, SBBAk 1885, 165: Cummean brachte den Satz aus England ins Frankenreich. [Doch findet sich derselbe auch in anderen Pönitentialien, die Wasserschleben p. 21 (Stubbs, Councils III, 175; 209 zweifelnd) für früher, zwar nicht als Theodor, aber als jenes Bussbuch hält. Wenn Schmitz, Bussbücher 519, jenes Theodor-Buch nach 750 und die frühesten Citate aus Theodor ins 9. Jahrh. setzt, so entging ihm Stubbs p. 174/6, der eine Hs. des 8. Jahrh. druckt und Citate um 750 nachweist.] – A. Nürnberger, [143] Ungedruckte Kanonensammlung aus dem 8. Jahrh. – – – in Cod. Sangerman. 938 [Paris Lat. 12 444, Corbei. 424]; Sep. aus 25. Ber. der Philomathie zu Neisse. Mainz 1890. Diese Sammlung liefert frühen Beleg für folg. Brit. Kirchenrechtsquellen: Gregor’s I. Antworten an „Agustinum episcopum in Saxonia constitutum“ (p. 7, 17); Buch II des Pönitential von „Teudorus episcopus“ p. 7, 18); die Irische Kanonensammlung. – Ders. wiederholt RQschr. 1891, 28, dass Theodor’s Pönitential in Bonifaz’ Kreise heimisch war: es steht im Angels. Ms. Würzburg th. qu. 32, das aus Burchard’s Bibliothek stammt. – Ferneres s. u.: „Kirchenrecht“.

Baedae Hist. eccles. gentis Anglorum ed. A. Holder, 2 Ausg. Freib. [’90]. Der Text folgt dem um 737 in England geschriebenen Ms. Cambridge Univ. Kk 5, 16, das einst Bischof Moore gehörte, nur ist des Verf.s Orthographie nach Bedae Liber de orthographia hergestellt. Index nominum ist beigegeben. – H. Zimmer, Zur Orthographie des Namens Beda, NA XVI, 599. „Beda“, Northumbr. Koseform, ist für das 8. Jahrh. gewöhnlich, schon bei den jüngeren Zeitgenossen des Historikers; dieser selbst schrieb sich in der Jugend noch archaisch Baeda. – Beda benutzte Gregor’s II. Vita im Liber pontificalis schon vor dessen Tode; nach 0Duchesne’s Ausgabe; JBG ’86, II, 23 und ZKTh XI, 430. – Für die Briefe der Päpste benutzte er schliesslich statt der für ihn in Rom gemachten Abschriften doch die Originale; dies hält J. v. Pflugk-Harttung (Archiv d. Päpste ZKG 12, 259) durch Ewald NA 3, 542 für erwiesen. – 0J. Kayser, Beitr. zu – – – Karling. Hymnen, behandelt Beda’s Sequenzen. – W. Hunt, Bede, in Stephen, Dict. nat. biogr. – Den Beda benutzen u. a. das Chronicon universale, das um 801, wohl zu Flavigny, entstand (ed. Waitz, Mon. Germ. SS. XIII), und Manegold von Lautenbach (ed. eb. Lib. de lite imper. I, 399). – Von Aelfred’s Beda-Uebersetzung gab Th. Miller 0Theil I für Early Engl. text soc. heraus. – Ferneres oben p. 140; unten p. 149.

Ceolfrid’s Amiatinus. G. B. de Rossi’s DZG II, 517 angeführte Schrift über Ceolfrid’s Vulgata bildet einen Teil des II, 222 genannten Folianten. Facsimile der Widmungseite ist beigegeben; ihre Worte „Petrus Langobardorum“ stehen auf Rasur, unter der Spuren von „Ceolfridus Anglorum“ noch erscheinen. Diese Verse stimmen fast wörtlich mit der Widmung, welche der anonyme Biograph Ceolfrid’s als dem Geschenkexemplar vorgesetzt überliefert. Da Ceolfrid dieses schreiben liess nach einer aus Rom nach Jarrow 678 heimgebrachten Vulgata, so sehen wir im Amiatinus die in Northumbrien um 700 geschriebene Unciale. Das Geschenk brachte er dem Grabe Petri in der Vatican. Basilica, nicht der päpstl. Bibliothek dar. Jener aus Rom nach Jarrow gebrachte Prototyp war dem Cassiodor’schen Texte nahe verwandt, auch die Abbildung der Bundeslade im Amiatin stimmt zur Beschreibung des Bildes in Cassiodor’s Bibel. [Vgl. hierzu Zöckler JBG ’88, IV, 35.] Alcuin’s Bibel, in der Vallicelliana steht dem Amiatin am nächsten, weil Alcuin zur Bibelcorrectur sich (letzterem wohl ähnliche) Vulgaten aus England kommen liess; vgl. ZKTh XII, 742; Wattenbach, SB Berl. Ac. ’89, 148. – Ders., De origine bibliothecae sedis apostol. (in Bibl. apost. Vatic. codd. mss. II, Palatin. I, 9), [144] behandelt Ceolfrid und seinen Vorgänger Benedict Bisceop; vgl. JBG ’86, II, 20; 177; 357. ’87, I, 80; 111; II, 289. ’88, IV, 52. – 0H. J. White, The Codex Amiatinus and its birthplace; in Studia bibl. et eccles., by members of the Univ. of Oxford II, ’90, 273. – 0Sanday, Jtalian [?] origin of the Codex Amiatinus, eb.; vgl. Ath. 22XI90, 693. – 0L. Delisle, Bible Amiatine, CR Ac. Inscr. 1887, 149.

Fernere Anglolateiner vor Aelfred. E. Loening, Constantin. Schenkung (HZ 65, 223), bestätigt, dass Aldhelm die Silvester- und Constantin-Legende in einer jetzt unbekannten Form benutzte und vielleicht danach einen Consul als Satrapen bezeichnete [Satrap und Consul stehen in England häufig für Ealdorman]. – M. Manitius, Beitrr. z. G. frühchristl. Dichter im MA. I. II. Wien 1889–90 (aus SB Wien. Ac. Phil. 117 u. 121) untersucht die Benutzung des Sedulius Scotus, Aldhelm (II, 28), Columban (II, 30) und vieler anderer Dichter vor 900 bei einer Unzahl von Schriftstellern, unter welchen die Brit. Inseln betreffen: Columban, Aldhelm, Beda, Alcuin, Lul, Aedilvulf, Cruindmel, Dungal, Fridegod, V. Aethelwoldi, Osbern Cantuar., Osbern Gloss. Herbert Losinga, Malmesbury, Huntingdon, Johann v. Salisbury, Map, Peter v. Blois, Epist. Cantuar. um 1187, Richard v. London, Diceto, Hoveden, Paris, Baco, Oxenedes, Political songs, Richard de Bury. – Ders., Zur Karoling. Poesie (NA 16, 176), weist nach, dass die Weihinschrift Ine’s zu Glastonbury (bei Will. Malmesb. Antiq. Glast.) fast ganz aus Versen des Fortunat besteht. [Wie die dortigen Urkunden Ine’s gefälscht sind, wird auch diese Inschrift stark anzuzweifeln sein.] – 0Ders., Aldhelm, Dt. Dichterheim VI, Nr. 1 f. – Rossi [s. o. p. 143], p. 8, Nr. 2; p. 12, Nr. 1 behandelt Röm. Inschriften, die Engl. Dichter seit Aldhelm nachahmten; vgl. DZG II, 518. – Zu den frühen Westsächs. Genealogieen vgl. Stubbs zu William of Malmesbury, Reg. II, xxj². – H. Hahn, JBG ’86, II, 28, bespricht seine Arbeiten zu den Räthseldichtern Tatwine von Canterbury und Eusebius, der identisch sei mit Hwaetberht und dem Localhistoriker von Wearmouth, und ManitiusAldhelm u. Beda (vgl. DZG I, 179). – Diese und eigene Forschungen verarbeitet A. Ebert [†], Allg. Gesch. der Lit. des MA. I, 02. Aufl. – 0Schrödl, Egbert von York, in Wetzer und Welter, KLexicon. – 0H. Littledales, The Durham Liber vitae; reprod. facs. by photolithogr. ’91.

Denksteine, Inschriften, Miniaturen. G. F. Browne: A runic inscription in Cheshire (Archl. Jl. 46, 395; vgl. Ac. 9XI89, 306; Reliquary 1890, 50) auf einem zu Upton nahe Birkenhead verbauten Steine lautet: „Folc(ae) arærdon becun; biddath fore Aethelmund“. [Volk errichtete Denkzeichen; betet für A.!] – Ders., The Franks casket (Ac. 9VIII90, 111). Dessen neu aufgefundenes Bruchstück verbindet in der Darstellung Sigurd- und Völundsaga, ebenso wie ein Kreuz zu Leeds. [Vgl. DZG V, 453.] In der Kirche zu Leeds war ein Stein vermauert mit der Runeninschrift „Anlaf“. Vielleicht also [?] bezog sich auf König Anlaf auch das Kreuz, vielleicht wollte dieser von Sigurd und Völund abstammen. Dann wäre auch das Kästchen erst nach 800 in Northumbrien geschnitten. – Ders., Two sculptured stones at Kirk Andreas (Isle of Man) with bindrunes (Proc. soc. [145] ant. Scotl. 23, 332; vgl. ebd.). Sie werden abgebildet und beschrieben; die Runen des einen Steines sind bisher räthselhaft; auf dem anderen steht: „Thurvaltr errichtete dies Kreuz – – –“, und ist ein Mann (Sigurd) mit einem Adler abgebildet. – J. R. Allen: The [95] early sculptured stones of the West Riding of Yorkshire (Jl. Brit. archl. assoc. 46, 156; 288) zeigen Scot., nicht Walliser, Kunsteinfluss, entstanden nach 627, wahrscheinlich nach 800, und vor 1100. Reicher ornamentirt als Durhamer Denkmäler um 675, bieten sie neben Flechtmuster auch Figuren aus christl. Symbolik, ferner (wie das Wiland-Kreuz zu Leeds) Nord. Saga und (bereits gedruckte) Inschriften, teilweise in Angl. Rune und Northumbr. Sprache. Sie finden sich an 27 Orten, stets in oder bei einer Kirche, fast alle in Flussthälern, zahlreich um Leeds herum, und beweisen das Dasein von Angl. Stiftern, von denen unsere Quellen schweigen. – Vgl. DZG V, 451 ff. – G. F. Browne, The Ruthwell cross (Ac. 8III90, 170), liest einige Buchstaben neu. – A. S. Cook, Caedmon and the Ruthwell cross (Mod. lang. notes 1890, 153), stimmt Bugge, dessen p. 494 ff. (in Brenner’s Uebersetzung) er ins Englische überträgt, im Widerspruche gegen Stephens’ Erklärung der Inschrift, bei. – Ders.: The date of the Ruthwell cross (Ac. 1III90, 153) liege frühestens um 950 [?] aus Gründen der Sprachgesch.; ebenso setzt Sophus Müller das Ornament später als 800 und wahrscheinlich um 975; Philologen und Inschriftforscher nahmen bisher 7.–8. Jahrh. an. – ?, The Ruthwell cross (Reliq. ’88, 85), folgt G. Stephens für Erklärung der Runen und J. Mc Farlan, „The Ruthwell cross“ für die Beschreibung. – K. Lentzner, Das Kreuz bei den Angelsachsen (Leipz. ’90, 28 p.), erkennt in den Kreuzen von Ruthwell und Bewcastle Ornamente unter Einfluss [?] der Kunst der Röm. Katakomben, vermittelt durch Benedict und Wilfrid. Er hält sie 670–700 entstanden. Er beschreibt die Sculptur genau, die Runen nach Stephens und Zupitza, berichtet den Streit mehrerer Gelehrten, ob das Kreuz im 7. oder 8. Jahrh. entstand und der Traum vom hl. Kreuze von Caedmon oder Cynewulf sei [ohne Entscheidung oder neue Gründe; s. u. p. 150 f.], und sammelt einige wenige Stellen über Kreuz-Verehrung bei den Angelsachsen aus „Helena“ u. Homilien. Zum Schluss übersetzt er metrisch „Das heilige Kreuz“. – H. Logeman, Ac. 23VIII90, 150, fand auf der Silberfassung eines Reliquiars der Brüsseler Kathedrale eine Angelsächs. Inschrift, die besagt, zwei Brüder hätten es für die Seele eines dritten Bruders anfertigen lassen. Hinten steht „Drahmal me worhte“. – Im Dom der einstigen Abtei zu Peterborough fand man einen Angelsächs. Grabstein, ornamentirt mit Bandverschlingung, die ein vierfaches Kreuz bildet; Archl. R. II, 258. – E. Dobbert recensirt GGA 1890, 865: A. Springer, Die Psalter-Illustr. im frühen MA., bes. Utrechtpsalter 1880. Die Angelsächs. und Fränk. Miniaturmalerei des 8., 9. Jahrh. lässt das bei den Byzantinern vorherrschende dogmatisch moral-theolog. Element zurücktreten, und stellt den Inhalt der Verse unmittelbar dar, mit Vorliebe den kriegerischen. Im Utrechtpsalter überträgt ein Angelsachse des 9. Jahrh. (Wattenbach weist die Schrift dem 8. Jahrh. zu, die Bilder dem 9.) wesentlich selbständig [?] einzelne Verse in Federzeichnungen, kannte aber auch ältere Röm.-christl. Kunst. Dobbert weist auch Benutzung Byzantin. Bilder nach. [Vom Kostüm scheinen mir [146] manche Züge nicht Angelsächsisch.] – A. Springer, Bilderschmuck in den Sacramentarien des frühen MA. (Abhh. Sächs. Ges. Wiss. XI, 365), weist die beiden Bilder vom triumphirenden und gekreuzigten Christus aus einem Sacramentar (jetzt zu Auxerre, im 14. Jahrh. zu S. Julien de Tours), die M. Prou (Gaz. archéol. 13, 138) publicirte, einer Angelsächs. Schule des 11. Jahrh., vielleicht Winchester, zu nach Kostüm, Heftigkeit der Bewegung, Streckung der Maasse, Fleischlosigkeit der Arme und Beine und Zeichnung der Füsse: all das erinnere an Pseudo-Caedmon. Sie seien älteren Kunstwerken Vorkaroling. Zeit verwandt, so dem Cambridger Evangeliar. – 0J. J. Tikkanen, Die Genesismosaiken in Venedig und die Cottonbibel (Helsingfors ’89, 4), leitet (laut Amer. Jl. archl. June ’90, 151) , die Angelsächs. Miniaturen im Caedmon, Aelfric, dem Psalter des 12. Jahrh. von altchristl. Originaltypen ab. Vgl. Dobbert, GGA ’90, Nr. 22. – P. Clemen, Studien zur Gesch. der Karoling. Kunst, I: Die Schreibschule von Fulda, Rep. f. Kunstwiss. 13, 123. Die Hs. Fulda 3 ist von Angelsächs. Hand. [Die Angelsächs. Bilder-Hs. in Rouen ist weit später als 9. Jahrh.] – 0L. v. Kobell, Kunstvolle Miniaturen – – aus Hss. 4–16. Jahrh. – – zu München; I, bespricht (laut Prou, Moyen âge ’91, 99) den Einfluss Ir. Schrift und Malerei, die er mit damaliger Schmiedekunst vergleicht, auf England und Festland. Das Lindisfarner Evangeliar des 8. Jahrh. zeige Byzantin. Einfluss [?]. Verf. stellt die Irische Initiale mit Thierornament der Griech. gegenüber. In der Karoling. Miniatur vereint sich antike, Irische, Angelsächs. Kunst. Facsimilirt ist der Freisinger Augustin von Angels. Hand des 8. Jahrh.

Gewerbe. Kostüm. 0J. de Baye, Industrie Anglo-Sax. [vgl. DZG III, Bibl. 73], reich illustrirt, kennt (laut Bull. crit. ’89, 426 und Barthélémy, CR 1889, 153) Englands Museen und Literatur gut, bringt viel neue Einzelheiten und gelangt zu eigenen Erklärungen, indem er mit den Funden, die sich nicht nach Stämmen unterscheiden lassen, Chroniken und festländische Archäologie vergleicht: Fränk. Waffen seien den Angelsächs. ähnlich, Schmuck aber und Töpferei nicht. Die geschlossene Röhre um den Lanzenschaft sei Dänisch, die seitlich offene Angelsächsisch [?]. Speer und Schild kommen allgemein, Helm, Panzer, Bogen und Pfeile gar nicht [?] vor, Schwert und Schmuck bezeichnen Reichthum. Vgl. DZG II, 508. Unter den Fibeln sei die kreuzförmige Anglisch, die Skandinaven nachmachten, die (sonst nicht vorkommende) tonnenförmige Westsächsisch; und die runde mit Steinen und (später) Zellenschmelz aus Kent und Wight hänge von Ostgothenkunst ab. Verf. führt die Vermachung eines Schwertes mit Silberspitze durch Offa, Aethelstan, Ulfcytel, Wulfric, Aethelric an. – O. Olshausen bespricht 0A. L. Lorange [†], Den yngre jernalders svaerd (Bergen ’89), Zts. Ethnol. 22 (’90), 30. Die Formenänderung der Nord. Altsachen in Wikingerzeit erklärt sich aus westl. und südl. Einflüssen: hatte L. früher bloss Irischen Schmuck und einschneidige Schwerter für fremd erklärt, so wies er zuletzt nach, dass auch das zweischneidige Wikingerschwert nach Norwegen nur (meist aus dem Frankenreich) eingeführt war. Auf vielen Klingen fand er „Ulfberht“ (was Fränkisch sei, und von Undset „Ulfbern“ gelesen wird), auf einer Angelsächsisches eingeschnitten. [147] Norwegen verstand damals, um 800, noch nicht Stahl herzustellen; seine Aexte waren bei Angelsachsen und Iren berühmt, die gefundenen aber sind nicht stählern. Die Wikinger führten anfangs nur das Beil, nicht das Schwert, und besiegten die Angelsachsen nur durch Ueberrumpelung. Die von England kommenden Wikingerschwerter waren wohl auch meist Fränkische Arbeit; denn 1. weiss man nichts über Herstellung von Klingen in England [?]; 2. zeigen Agsächs. Funde weiches Eisen, unvollkommene Metallarbeit; 3. war das Schwert wohl nur Waffe der Angelsächs. Vornehmen; das Volk trug Lanzen und später Nord. Aexte. Dagegen Griffbeschläge mögen in England unter Irischem Einfluss gefertigt sein. Dass sich in Norwegen so viel mehr Schwerter finden als in England, erklärt sich daraus, dass man dort noch heidnisch, mit Beigaben, bestattete, hier die Waffen schon vererbte. Die fremde Herkunft der Schwerter, emaillirter und „Irischer“ Arbeiten aus Nord. Gräbern gibt O. zwar L. zu, aber nicht die aller höheren Geräthe, z. B. nicht der schalenförmigen Fibel, obwohl sie in Nordbritannien und Ost-Irland auch begegnet. – Middleton, Proc. Soc. Antq. Lond. ’88, 134 (vgl. Archl. R. II, 51): Das Angelsächs. Gräberfeld im Spielplatz des St. John’s College zu Cambridge zeigt theils Skelette, theils Aschenurnen mit Bronze, Eisen und Röm. Münzen des 4. Jahrh. – Der Brauch, Ross und Reiter beisammen zu bestatten, erhielt sich in christliche Zeit hinein, Ath. 4X90, 454. – J. C. Cox, On the flabellum, Reliq. ’87, 65. Den Wedel bei der Messe hält in der Rechten in der Kirche zu Enville (Staffordshire) eine Figur, die durch die segnende Linke und das Kreuz auf der Brust als Geistlicher gekennzeichnet ist, während Gurt und enge Hosen als Tracht auffallen. Verf. setzt das Relief um 700. – L. Traube, Wschr. Kl. Phil. 1891, 688, weist bei Aldhelm, wie bei Gregor v. Tours, „Papyrus“ als Lampendocht nach.

Baukunst. 0C. Klöpper, Heorothall in – – – Beowulf, Festschr. Rostocker Stadtschule ’90. – G. T. Clark, Contribution towards a complete list of moated mounds or burhs, Archl. Jl. 46, 197. Ueber ganz England zerstreut, und vereinzelt in Wales und dem Schott. Tiefland, finden sich an 400 kreisrunde, oben platte Erdwälle der Angelsachsen, bisweilen auf Brit. u. Röm. Bauten, nicht auf Hügeln oder an Strassen, sondern im Mittelpunkt von Grossgütern. Rings um den Wall führt ein breiter tiefer Graben, dessen Ausschachtung den Rundwall lieferte. Die Höhe ist 30 bis 40 Fuss über dem Niveau, 50–70 über der Grabensohle, der Durchmesser oben 60–120 Fuss. Aussen liegen ein oder zwei Einhegungen von ¼ bis 2 Acres, in Lünettenform, umfasst von 10–20 Fuss hohem Erdwall mit Graben, der sich dem Rundwallgraben anschließt. – E. P. L. Broch beschrieb die Angelsächs. Kirche zu Stevington in Bedfordshire; Ath. 31V90, 708. – Die Angelsächs. Kirchthürme zu Wickham (Berks.) und Appleton-le-Street (Yorks.) beschreibt Antiq. Nov. ’90, 188. – 0J. P. Harrison, The Pre-Norman date of the design of some of the stonework of Oxford cathedral (Oxf. ’91). Hieraus bringt Antiq. June ’91, 266 Bilder; aus Vergleich der Ornamente mit Engl. Miniaturen um 1000 weiss man jetzt, dass der Angelsachse in Stein baute und an Schönheit die Normann. [148] Kunst übertraf. – E. G. Bruton: The town walls of Oxford (Jl. Brit. archl. assoc. ’91, 109), mit Harrison’s Bemerkungen über Angels. Steinbau zu Oxford. – W. C. Sawyer-Milward und J. P. Harrison: St. Leonard’s Wallingford (eb. 132), eine Kirche mit Flechtwerk-Ornament an Bögen und Capitälen, um 1025. – J. T. Irvine: Saxon stonework with painting at Peterborough (eb. 184), ein Stück aus der 1116 abgebrannten Abteikirche. – G. Bailey: The tympanum at Elstow (Antiq. Febr. ’91, 69) zeigt Jesus zwischen Petrus und Johannes, eine Skulptur um 1000. – 0G. M. Livett, Foundations of the Saxon cathedral at Rochester; Archla. Cant. XVIII. – Die Apostel am Abteikirchenportal zu Malmesbury scheinen Angelsächsische Arbeit und entstammen vielleicht der Zeit Aethelstan’s, der Malmesbury begünstigte; Antiq. Nov. ’90, 222. – J. Nurse, St. Chad’s, Shrewsbury (Archla. Cambr. Oct. ’90, 323), beschreibt die Ausgrabung einer Angelsächs. Krypta, die nach Meinung der Shropshire archl. soc. noch dem Ende des 7. Jahrh., der Zeit Chad’s und K. Wulfhere’s, angehört. Dann wäre Salop schon damals, vor Offa, Englisch geworden; Antiq. March ’90. 93.

Münzen. Keary, English coins [s. DZG II, 201], ward kritisirt von Bradley Ac. 27VIII87, 139 und F. Y. Powell EHR Jan. ’90, 132. Dieser bessert manches zur Runenkunde und Münzbuchstaben. Er stellt viele Namen von Münzern her und folgert aus diesen, dass zur Zeit von Offa’s Dynastie Mercier für Kent, Canterbury und Ostanglien Münze schlugen, dass in Ostengland seit der Skandinav. Eroberung eine Anzahl Fremder (Franken) prägten. Also lag der Ostengl. Handel um 900 in der Hand Fremder. Er glaubt den Namensformen die Gegend, der sie entstammen, ansehen zu können. – Heywood, Coinage of Elfwald II, 806/7; Numismat. chron. ’87, 3. – E. Gariel, Les monnaies royales de France sous la race Carolingienne (Strassb. 1883 f.) I, 136, behandelt den Münzfund von Cuerdale (Lancash.), bestehend aus Engl., Dän., Arab., Italien., Lothring. und Französ. Münzen, geprägt zwischen 866 und 929. Dass der Schatz einem Wikinger gehörte, scheint unzweifelhaft. Ueber die dabei vorkommenden Seekönige Sigfrid und Cnut folgt Verf. der Ansicht Serrure’s. Er bildet nur die Fränkischen ab. – R. Schröder, Deutsche Rechtsgesch. 313, vergleicht Engl. Währung mit Frisischer. Der Schilling von Wessex galt, wie der Westfris. Denar, 5 Fränk. Denare, der von Mercia, wie der Mittelfris. Denar, 4 Fränk. Denare = 1 Trimse. – Robertson, The mint of Gloucester (Tr. Bristol archl. soc. X, 17), verzeichnet in Gloucester geprägte Münzen seit Aelfred; vor diesem gehörte es Mercien, dessen Münze keine Prägestätten nennt Es gab damals nur Silberpfennige. In Gloucester arbeitete wahrscheinlich nur Ein Münzer: unter den Orten mit mehreren Prägestätten nennt es Aethelstan nicht. [Allein die 35 Prägungen schon Aethelred’s II. zu Gloucester, die Verf. anführt, nennen 5 Münzer.] Mit der Umprägung von 1248 hört Gloucesters Münze und überhaupt die Nennung der Münzer auf. Diese müssen als vermögend gelten. 1248 gab es 4, deren jeder zwischen 1245 und 55 als einer der beiden Stadtbailiffs fungirte. Doch stand Gloucester nur etwa an zwanzigster Stelle unter den 86–57 [149] Münzstätten des 11. Jahrh.; von den bekannten Münzen lieferte es nur etwa 200 Stück, d. h. ein Hundertstel aller. Der Königstitel fehlt unter Heinrich I., lautet sonst „rex (Anglorum)“, unter Aethelstan „Brit(annie?)“. Das Angelsächs. „on Glo.“ bleibt bis zuletzt, wie denn bis zu Heinrich I. die Münzernamen Angelsächs. lauten, und statt w die Rune wen geprägt wird. – H. Miller: A hoard of silver – – – coins at Tarbat, Rossshire (Proc. soc. ant. Scotl. 23, 314), wahrscheinlich von einem Wiking vergraben, enthält u. a. einen Denar von „Eadgar rex“ mit Rückseite „Flodol † eocerm [?]“ und 10 Denare von Ludwig dem Stammler 877–9. – J. W. Cursiter: Silver coins discovered in the island of Burray, Orkney (eb. 318), von Eadward I., Eadgar und Aethelred II. – N. Heywood: Northumbrian stycas (Numism. chron. 1890, 335), mit den Namen Eardulf und anderer Könige Northumbriens. – 0Engel et Serrure, Traité de numismatique du MA. [5.–10. Jahrh.], Paris, 1891. Sie behandeln die Engl. Münze bis Cnut, der zu sehr als Epoche machend dargestellt wird. Die Sceattas seien gut abgebildet. Offa schreiben die Verff. Goldmünzung zu [mit Unrecht, nach H. Montagu, Numism. chron. 1891, 114, der die Benutzung Hildebrand’s und neue Forschung vermisst, auch unsichere Theorieen der Engl. Literatur zu getreu befolgt findet]. Selbständigkeit rühmt dem Werke nach Annuaire franç. numism. 1891, 153; 156 und erwähnt einen Goldsolidus des Erzb. Wigmund von York (851–4) mit Aufschrift „Munus divinum“, eine Nachahmung Ludwig’s d. Fr. – Vgl. DZG V, 421.

Naturkunde. Wirthschaft. 0K. Kretschmer, Die phys. Erdkunde im christl. MA. (Wien ’89), behandelt u. a. Beda’s und Bacon’s Lehre von der Kugelgestalt der Erde im Gegensatz zur frühen Kirche, ferner Dicuil, Wilhelm von Conches, Neckam, Johann von Holywood; so RC 7VII90, 7; RH 46, 399. – R. v. Fleischhacker, Segen gegen Zahnweh, Anz. Dtsch. Alt. 15 (’89), 145: eine Latein. Beschwörung, die sich ähnlich öfter findet, aus Hs. Vespas. D 20 um 1100. – 0J. Hoops, Altengl. Pflanzennamen (Freib. Diss. ’89), betrachtet (laut R. W[ülker], Mitth. aus Engl. Spr. Beibl. z. Anglia, 1890, 33) Botanik, Naturgefühl und Aberglauben an Pflanzen bei den Angelsachsen. – 0Otto Lüning, Die Natur, ihre Auffassung und poetische Verwendung in der altgerman. – – – Epik (Zürich 1889), zeigt, wie unorganische und organische Natur, im Einzelnen und in Verbindung mehrerer Theile bis zur Gesammtlandschaft, wie sodann ihre Beziehung zum Menschen von den alten Germanen beobachtet und dichterisch verwerthet ward; der Angelsächs. Literatur gebührt dabei weiter Raum; so Weinhold, ZDPh 22, 246; Fränkel, LBl Germ. Phil. 1890, 439. – K. T. v. Inama-Sternegg, Wirthschaft (Paul, Grundriss Germ. Philol. II (1889) p. 5 ff.; 15 f.; 24; 33), bietet systematisch und abstract nur allgemeinste Umrisse von Gesellschaft, Ackerverfassung, Stadt und Münze des Engl. MA., ohne eigene Forschung, aber mit fachmännischem Urtheil. Einzelnes wäre zu berichtigen. – Schwärmende Bienen nennt ein Angelsächsischer Zaubersegen „Sigewif“ [vgl. o. p. 134], nach B. Symons ZDPh 24, 5, vielleicht weil sie dem Krieger als gutes Omen galten.

[150] Literatur. Cynewulf. Ebert, Lit. d. MA. III, behandelt p. 11 ausführlich Caedmon und die Angelsächs. Epen Genesis, Exodus, Daniel und Judith; p. 40 Cynewulf und spätere theolog. und didakt. Dichtung der Angelsachsen, überall national-eigentümliche Zusätze hervorhebend. – 0R. Seeberg, Die German. Auffassung des Christenthums in dem früheren MA. nach – – – Gregor v. Tours, Kaedmon und Cynewulf; vgl. Z. f. kirchl. Wiss. ’88, 91, 148; „lehrreich“ JBG ’88, IV, 32; 45. – 0W. Bode, Die Kenningar in Angelsächs. Dichtung. Darmst. 1886. Vgl. Nader, LBl Germ. Phil. ’87, 10. – A. S. Cook, Old English literature and Jewish learning, Modern lang. notes 1891, 142; 381. Zu Beda, sog. Caedmon, Cynewulf dringe Rabbinische Kunde (wie die Beziehung von Hiob 29, 18 auf den Phönix und poetischer Stil [?]) vielleicht durch Studien Engl. Geistlicher in Frankreich oder durch Einfluss Gregor’s I. oder durch Juden, die vor Dagobert oder aus Spanien möglicherweise [?] nach England flüchteten. [Hierfür fehlt jede Wahrscheinlichkeit; Cynewulf’s Elene spricht eher gegen Bekanntschaft mit Juden.] – 0H. Morley, English writers; an attempt towards a hist. of Engl. literature; II: From Caedmon to the Conquest, benutzt, laut Ath. 16II89, 210, fleissig gute Literatur [aber Neuestes nicht vollständig oder kritisch], sei für weiteres Publicum höchst lesbar, fördere die Forschung zwar in Fragen der Sprache oder Verfasserschaft selten, wohl aber in den Nachweisen des Einflusses Anglolatein. und fremder Literatur. – 0Bibliothek Angelsächs. Prosa, begr. von C. Grein. III: Homilien und Heiligenleben hrsg. v. B. Assmann (Kassel ’89), enthält 9 Stücke Aelfrics, 10 verwandte anonyme, darunter die Latein. Passio b. Margaretae, Pseudo-Matthaei Evangelium, Jüngstes Gericht, Vindicta Salvatoris, Nathani Judaei legatio. – 0A. J. Wyatt and H. H. Johnson, A glossary of Aelfric’s homilies. ’91. – Chr. Grein, 0bearb. v. R. Wülker, Bibliothek der Angelsächs. Poesie. II. Kassel ’88. – F. Kluge, Angelsächs. Lesebuch. Halle ’88. – H. Sweet, A second Anglosaxon reader: archaic and dialectic. Oxf. ’87. – 0W. Deering, The Anglo Saxon poets on the Judgment day. (Lpz. Diss.). Halle ’90. – A. S. Cook: Cynewulf’s principal source for the third part of „Christ“ [Mod. lang. n. 1889, 341] sei die Hymne „Apparebit repentina dies magna Domini“, deren erste Strophe auch Beda citirt. – R. Wülker, Die Bedeutung einer neuen Entdeckung [Napier’s] für die Angelsächs. Lit.-G., Berr. Sächs. Ges. Wiss. Phil. 40 (’88), 208. Die auf Fata apostolorum folgenden 28 Verse der Vercelli-Hs., von der Facsimile beiliegt, seien nicht Schluss des Gedichts [s. u.], beweisen aber, dass Cynewulf sein Verf. ist [Vgl. DZG II, 223; ZDA 33, 70. Sarrazin [o. p. 138] entdeckte diese Verfasserschaft aus Stilähnlichkeit; Quelle Cynewulf’s sei der uns verlorene Liber passionum 12 apostolorum, den auch Beda benutze.] Da Cynewulf sich in mehreren seiner Werke in Runen nennt, habe er es wohl in allen gethan [?]; folglich [?] sei Namenloses nicht von ihm, wie Traumgesicht vom Kreuz und Andreas, dessen Inhalt auch den Fata widerspreche [so auch Anglia XII, 464 gegen Sarrazin, der meint Andreas sei von Cynewulf und setze die Fata fort.] Dass der jetzige Beowulf Cynewulf gehöre, verliert also noch an Wahrscheinlichkeit. Cynewulf dichte Heiligenleben, Christ und Fata als ältlicher Mann. Mit letzteren, die dichterisch tief [151] stehen, beginne er wohl seine geistl. Dichtung. – E. Sievers, Zu Cynewulf (Anglia 13, 1), stellt jenes hinter Fata überlieferte Akrostichon Cynwulf etwas anders als Napier her, zweifelt, ob es jenes Gedicht beschliesse und nicht vielmehr zu einem verlorenen Werke Cynewulf’s gehöre, stellt fest, dass sich der Dichter stets, gemäss dem Sprachgebrauch seit etwa 740, Cyn(e)wulf nenne, und dass der Name nie mit C[o]enwulf verwechselt werde. Der Räthseldichter nennt sich dagegen Cyniwulf, und der Verf. der Vision vom Kreuz scheidet noch unbetontes i und æ, was beides ältere Sprache kennzeichnet. Diese Werke seien also nicht Cynewulf’s. [Der Beweis steht auf Nadelspitze.] – 0G. Herzfeld, Die Räthsel des Exeterbuches und ihr Verf. (Berl. ’90). Ausser dem Stück I, das kein Räthsel noch Cynewulf’s Namen enthalte, schrieb beide Räthselreihen Cynewulf in der Jugend, um 735. Denn Stil, Quellenbenutzung, Anschauung (von Krieg, See, Vasallität p. 34) ähneln den vier Werken, als deren Verf. er sich nennt und [!] dem Phönix, Andreas und Guthlac; H. corrigirt Text u. Auflösung der Räthsel. Vgl. Ac. 4X90, 298. – O. Glöde: Die Quelle von Cynewulf’s Elene (Anglia IX, 271) steht Acta sanct. 4. Mai nahe. – K. Merrill und C. F. Mc Clumpha, The parallelisms of the Anglo-Saxon „Genesis“ (Modern lang. notes 1890, 328) mit Beowulf, Caedmon und Cynewulf, belegen wiederum, wie stereotyp der poet. Ausdruck damals war, und wie wenig sich aus ihm allein die Verfasserschaft erschliessen lässt. – Gegen Cook’s Beziehung der „Judith“ auf Königin Judith [s. DZG II, 520] erklärt sich auch W[ülker] CBl ’90, 594.

Urkunden. H. Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien. I (Lpz. ’89), liefert für Engl. Gesch. (abgesehen vom methodischen Muster für eine künftige Brit. Diplomatik) Bemerkungen: so p. 832 zur Indiction Beda’s vom 24. Sept.; 936 zur Bleibulle Coenwulf’s v. Mercien; 339 zur Urkundenausstellung durch den Empfänger ausserhalb der Königskanzlei, die Mitte des 9. Jahrh. im Frankenreich beginnt, doch nicht nothwendig aus England kommt. Wohl aber stammt dorther die Chirographirung (504): man schrieb 2–3 gleiche Ausfertigungen Eines Vertrags auf Ein Pergament, zwischen dieselben „Chirographum“ und schnitt dies Wort der Länge nach durch; des einen Theilzettels Echtheit erwies sich später aus genauem Anpassen an den anderen. Der Contrahent erhielt je einen: bisweilen verwahrte man einen im Königsschatz oder im Kirchenarchiv, so zu Canterbury im Dom oder in S. Austins. Diese Art ist nachweisbar seit 854 [Verf. kannte nur die Abschrift, seitdem erschien das Ags. Original: Birch, Cartular. Sax. 477]; 855; 904 [Birch 490; 609]. Der Name Chirograph begegnet früher, doch nicht sicher in jener Bedeutung. Dass das Verfahren aber älter sei als sichere Belege, bleibt möglich, da die Chirographirung selten im Context angedeutet ward. Königsurkunden wurden meist in 1 Exemplar ausgefertigt, von Gerichtsurkk. wohl nur Vergleiche regelmässig doppelt. Der Theilschnitt, anfangs gerade, ward später schlangen- und zahnförmig gemacht; daher heisst der Zettel Indenture, jetzt „Vertragsurkunde“. – Den Namen Ags. [Dän.] Prinzessinnen, so den der Tochter Cnut’s Gunhild, schrieben Deutsche Urkunden hochdeutsch um; 581. Edward der Bekenner wird das Majestätssiegel aus Frankreich angenommen haben; 966. An der Sicil. Regierung wirkten im 12. Jahrh. Robert von Selby [nicht Salisbury; Mon. [152] Germ. 27, 49] und Peter von Blois; 426 f. Johann von Tilbury plante eine Stenographie; 921. Savary von Bath erhalte den Titel des Burgund. Kanzlers vielleicht von Richard I. 1193, übe jedenfalls kein Amt an Heinrich’s VI. Hofe; 365. Die Französ. Kanzlei begann ihre Acten zu registriren, als die Engländer 1194 Philipp’s II. Archiv erbeuteten; 104. Johann, 1206 Legat in England, war 1205 päpstlicher Kanzler, Arnold, der Legat von 1311, Vicekanzler; 201; 210. Heinrich’s III. Quittung vom Datum der Schlacht bei Lewes schrieb eigenhändig König Richard’s Kanzler; 406. Johann von Peckham erhielt ein Notariats-Lehrbuch gewidmet; 632. Ueber Hickes als Diplomatiker s. p. 26. – Ders., JBG ’88, IV, 76, stimmt mir zu über Earle, Landcharters (vgl. DZG II, 508), den auch W. H. Stevenson JBG ’88, III, 116 u. Ath. 1VI89, 690 mit Schärfe und Andrews, Mod. lang. notes ’89, 375, kritisirten. – W. de G. Birch, Charters of [a. 683–772] relating to Sussex (Jl. Br. archl. ass. 42, 400), erklärt fleissig Ortsnamen aus seinem Cartularium Saxonicum theils erfolgreich, theils mit gewagter Etymologie. – The cartulary of the abbey of Winchcombe, Gloucesters., 811–1422, im Besitz des Lord Sherborne, wird privat gedruckt; Archl. Jl. 45, 318. – Liber diurnus Roman. pontificum ed. T. E. ab Sickel (Vind. ’89), f. 96 [vgl. p. xxviij] enthält die Formel eines [an Offa gerichteten] Privilegs [Hadrian’s I. von 786] für die vom König gestifteten, Petrus geweihten Klöster, das „Cynedride regine et natorum vestrorum“ erwähnt. – 0W. H. Duignan, The Ags. will of Wulfgate of Donnington, Tr. Shropsh. archl. soc. 1891. – 0A. S. Canham, On the charters of Crowland abbey (Brit. archl. ass. 15I90, laut Ath. 25I90, 120), vertheidigt die angezweifelten Urkunden. Die Formfehler habe der Abschreiber verschuldet, nachdem die Originale in Normannenzeit verbrannten. Der Inhalt sei richtig. Die Ortsangaben stimmen mit den Grenzkreuzen. – Sheppard, Literae Cantuar. (s. o. p. 124) II, xxxv druckt und erklärt die Urkunde der Königin Aelfgifu für Christ church von 997 über Newington und die 995 bestätigte Verpfändung Risborough’s für Geld das Erzb. Siric entlieh, um den Dänen die angedrohte Verheerung Canterbury’s abzukaufen. – 0W. H. Stevenson, The charter of Wulfrun to the monastery at Hamtun (Wolverhampton, a. 996, Monast. Angl. VI, 1443, nicht bei Kemble); vgl. JBG ’88, III, 117.

Kleinere Denkmäler Agsächs. Sprache. 0H. Hellwig, Unters. über die Namen des Nordhumbr. Liber vitae [v. Durham]. I. Diss. Berl. ’90. – 0J. H. Hessels, An eighth cent. Latin-Anglosaxon glossary, in Corpus Chr. Coll. Cambridge Nr. 144 (Cambr. ’90). Hrsg. gibt sorgfältigst den genauen vollständigen Text dieses schwierigen Denkmals, von dem bisher nur das Agsächs. öfters erschien; Verbesserung wie Erklärung und wichtige Literatur über Glossen stehen in der Einleitung. Die Hs. sei von etwa 725, das Épinalglossar von 825. Vgl. Logeman, Moyen-âge ’90, 246, der Sweet’s Ausgabe vergleicht; Lübke, Anz. Dt. Alth. 1891, 115; Holthausen, LBl. Germ. Phil. 1890, 444; Ath. 2V91, 566. – Steinmeyer, Altengl. Glossen aus Hs. Münster 271; ZDA 33, 242. – J. Zupitza, Mercisches aus Hs. Royal 2A20 im Brit. Museum, ZDA 33, 47. Von der Hs. gibt „Cat. of ancient mss.“ Facsimile. Sie enthält 23 Latein. Gebete, geordnet nach Alphabet der Anfangsbuchstaben, [153] vom 8. Jahrh. Dazu geben zwei Schreiber um 1000 Glossen und Inhalt in der Sprache des Vespasian-Psalter, also Mercisch [nach Kluge und Moeller, Englische Studien XIII, 247, vielmehr Deirisch]. Das Latein druckt Z. nur soweit es glossirt ist; mehrere Gebete sind bekannt; zuletzt steht Sedul, De natali Domini. – Ders., Altengl. Glossen (eb. 237): 1. aus Harley 526 zu Vita Cuthberti auct. Beda, um 900; 2. aus Bodley 163, f. 250, um 1025, Westsächsisch; 3. aus Harley 107, Aelfric’s Grammatik, Vogel- und Fischnamen. – Ders., Altengl. Miscellen (A. Stud. neu. Spr. 84, 323), druckt 2 Zaubersprüche aus dem 11. Jahrh. aus Hs. Bodley Auct. F 3, 6, Segen gegen Fieber aus Hs. Worcester Qu. 5 um 1000, Recepte aus Hs. Robartes, 11. Jahrh. – Ders.: Oratio pro peccatis, Anglice, eine andere Form des Anglia 12, 499 Gedruckten, aus Hs. Cambridge Corpus 391, die Worcester entstammt, um 1064. – Ders., Bruchstück der Regularis concordia in Altengl. Sprache (eb. 1), druckt dies aus Hs. Cambridge Corpus 201, um 1050, ab (mit dem Latein. Original, das unter Dunstan [Migne, Patrol. Lat. 137, 489 c–492 c] steht). Es bietet das Benedictiner-Ritual für die Woche vor Ostern. Der Uebersetzer vermehrte es u. a. mit Zusätzen, die für Frauenklöster passen. Er benutzte die etwas ältere zwischenzeilige Uebs. [s. u.] nicht. Ob er identisch ist mit dem Uebersetzer eines anderen Bruchstückes desselben Werkes (Engl. Stud. IX, 294), bleibt fraglich; das letztere ist sicher Aelfric’s unwürdig. – H. Logeman, De consuetudine monachorum, Anglia XIII, 365, druckt aus Hs. Cotton Tiber A III den Latein. Test mit der Angelsächs. Interlinearversion, und gibt Lexicon zu letzterer. Einleitung und Sachanmerkungen wird Anglia XIV bringen. [Der Latein. Text war mehrfach gedruckt; s. o. Ueber dessen Verf., vom Ende des 10. Jahrh., vgl. R. Wülcker zu Logeman, Rule of St. Benet (Utr. Diss. ’88) in Anglia XI, 541, und Ebert, Lit. des MA. III, 506.] – Ders., New [Ags.] Aldhelm glosses (Anglia 13, 26), zu De virginitate in der Hs. 38 des Doms zu Salisbury, Anfang 11. Jahrh. Der Glossator, dessen Hand dem Text gleichzeitig sein soll [und dessen Sprache noch auf vornormann. Zeit deutet], setzt Nr. 41 über „apparatu“: „Saxonice gedhrece“ [er nannte also seine Muttersprache Sächsisch (nicht Englisch), was man neuerdings so arg verketzert]. – A. Napier, Altengl. Glossen zu Isidor’s Contra Judaeos, Engl. Stud. XIII, 25. Die Hs., Bodley 319, ist vom 9. Jahrh., die Glosse vom 11. [Der Glossator übersetzt „azimas“ mit „offringdagas“, kannte also wohl nicht Mazzoth; was vielleicht gegen Anwesenheit von Juden unter Angelsachsen spricht.] – 0Ders., Altengl. Glossen, A. Stud. neu. Spr. ’90, H. 3. – 0U. Lindelöf, Die Sprache des Rituals von Durham (Hels. 1890), laut A. Wallenskiöld, LitBl. Germ. Phil. 1890, 448 eine Altnordhumbr. Laut- und Flexionslehre nach Stevenson’s und Skeat’s Drucken. – 0G. Otten, The language of the Rushworth gloss to the gospel of S. Matthew. I (Lpz. 1890), bleibe, so urtheilt Bülbring, LitBl. Germ. Phil. 1891, 84, hinter Svensson, Språket i Rushworth-Hs., 1883, zurück. – 0Defensor’s Liber scintillarum with an interlinear Anglosaxon version made early in the 11 cent. ed. E. W. Rhodes (Early Engl. text. soc. ’89). Diese Blumenlese aus Bibel und Patristik, Anfang 8. Jahrh. von Defensor, einem Mönche bei Poitiers, verfasst [Migne 88, 595], früher Beda zugeschrieben, erhielt in Hs. British [154] Mus. Reg. 7 C IV eine Ags. Uebersetzung, die, bisher nur theilweise gedruckt, hier vollständig erscheint, wichtig für Ags. Wortschatz. So R. W[ülker] Mitthh. aus Engl. Spr. ’90, 65. – W. Stokes, Anglo-saxon prose in the Vatican (Ac. 18I90), benutzt die Hss. Regina 497, 946, 1283, die schon Steinmeyer, ZDA 24, 192 druckte, und druckt Einiges aus Reg. 204: Ags. Glossen zu Beda’s Gedicht auf Cuthbert. Die Hs. Reg. 12, einst Bury St. Edmund’s, 11. Jh., enthält im Kalender, zu Anfang, Angelsächs. Heilige. – *R. von Fleischhacker: Ein Altengl. Lapidar (ZDA 34, 229) aus Brit. Museum Tib. A III, 101 [11. Jahrh.]; 22 Steine werden beschrieben mit Benutzung des Beda, Plinius, Solin. – F. Holthausen: Angelsächsisches aus Kopenhagen [cod. 1519, um 1000] (eb. 228), eine kurze geistliche Ermahnung. – Wulfstan’s Homilie (ed. Napier p. 125) bringt im Vaterunser: „Lass uns nicht versuchen all zu sehr“. Aehnlich liest Leabhar breac (ed. Atkinson p. 259): „Führe uns nicht in unerträgliche Versuchung“. Aus sonstigen Aehnlichkeiten zwischen sog. Wulfstan’schen und Irischen Homilien möchte SatR 3I91, 24 auf gemeinsame Lateinische Quelle schliessen. – G. Herzfeld: Bruchstück einer Altengl. Legende (Engl. Stud. XIII, 142) von Christoph, die im 11. Jahrh. aus dem Latein (ed. Acta sanct. Juli 25, p. 148) übersetzt ward und hier aus Hs. Cotton Vitell A XV, um 1050, gedruckt wird.

Anglosaxon chronicles from 800–1001, ed. with introd., notes, glossary by J. F. Davis, 1889. Hrsg. druckt nur zwei der Annalen, A und E, also dieselben wie Earle (Two chron. parallel), und wohl nur aus ihm, nicht aus Hss.; wenigstens bringt er a. 922 mit Thorpe und Earle „gefór“, während A, laut Facsimile bei Thorpe, „gefor“ hat. In der Erklärung folgt er meist wörtlich Earle, den er bisweilen missversteht [p. vj, Z. 5 „the“ statt „this“]. Neuere Literatur [z. B. über die Verschiebung der Chronologie!] benutzt oder eigene Kritik versucht dies Schulbüchlein für Anfänger nicht. Aus einer Eintragung im Peterborougher [spätesten!] Ms. über Wodan schliesst D. auf das Dasein einer Nordhumbr. Quelle Beda’s [!]. Das Glossar ist zwar vollständiger als Earle’s, entbehrt aber der Stellennachweise. Vgl. Ath. 11I90, 46; SatR 19IV90, 480. – 0W. H. Low, The Anglosaxon chron. 787–1001; a translation, ’91. – Kupferschmidt, Das Handschriftenverhältniss der Winchester-Annalen (Engl. Stud. XIII, 187), liefert eine werthvolle Quellenuntersuchung. Er unterscheidet zwei Classen: AGBC und DE; letztere benutzt öfter Beda’s Historia, wo erstere nur die Recapitulatio braucht; hiernach sind Thorpe’s Quellencitate zu bessern. In Classe 1 trennt sich wieder AG von BC. Der sog. Asser benutzte ein Medium zwischen diesen beiden Gruppen, Gaimar eines zwischen D und E. Die Annalen der Aethelflaed übernahm Gruppe BC und D, ohne dass desshalb eine Abhängigkeit zwischen BC und D folgte. E nehme Northumbrische Partei [?]. A ist nicht original. C floss nicht aus B. [Im Wesentlichen stimmt dies mit meiner Ansicht; nur möchte ich δ (Quelle von DE) nicht mit γ (Quelle von CB) aus Einer verlorenen Hs. ableiten, sondern γ und α (Quelle von AG) aus Einer. Auch halte ich es nicht für nothwendig, dass jede Hs. nur Eine Vorlage hatte.] – 0Two of the Saxon chronicles parallel. rev. (on the ed. of J. Earle) by C. Plummer. Oxf. ’92.

[155] Bonifaz; Alcuin. H. Hahn: Die Namen der Bonifaz. Briefe im Liber vitae Dunelm. (NA 12, 109), Domitian A VII f. 15–45, um 840, mit c. 3100 Namen [vgl. o. p. 144]. Die Gebetsverbrüderung kommt in England um 700 vor [vgl. Beda, V. Cuthb. II, 47] und wandert durch Bonifaz und Genossen nach Deutschland. Nach dessen Martyrium verbinden sich Engl. und festländ. Stifter enger. Anfangs wird gegenseitige Fürbitte in Briefen gewünscht, später durch Vertrag, auch für die Rechtsnachfolger, abgemacht. Auch Namenlisten der Freunde übersendet man dem Fürbitter, die von Verstorbenen bisweilen mit deren Todesdatum. Spuren solcher Listen nun zeigt Verf. im Durhamer Buch; erst dadurch gewinnt die Identification der Namen Wahrscheinlichkeit. [Es wäre dringend erwünscht, wenn der ganze Liber vitae ähnlich durchgearbeitet würde. Der Verf. ist allein dessen fähig. Dass in Namen hun mit win, ealu mit æl identisch sei, dürfte nur durch Verschreibung, nicht durch Abwandlung erklärt werden. Vgl. S. 152; 156.] – Ders. verzeichnet Literatur über die Ags. Mission im Frankenreich JBG ’86, II, 34; ’88, II, 11, 14, 20, darunter den Inhalt der DZG II, 199 angezeigten Schriften Traube’s und Nürnberger’s. Letzterer [vgl. eb. 518] hat ihn [u. V. Schultze, JBG ’88, IV, 43] von der Echtheit der Bonifazischen Predigten nicht überzeugt. – 0Nürnberger: Die dicta Bonifatii (ThQschr ’88, 287), gedruckt aus Hs. St. Gallen 146 (10. Jahrh.), verwandt mit den Predigten. – Ders., Analecta Bonifatiana (RQschr 1891, 28), trägt zu seinen Publicationen von 1881–8 Notizen über Authenticität und Hss. der Werke des Bonifaz nach, so über Ms. Vatican. Pal. 577 in Angelsächs. Schrift des 9. Jahrh. mit Röm. Concilien, Canones und Indiculus superstitionum. Im sog. Bonifaz’schen Festverzeichniss stehen ausser Aller Heiligen nur Feste, die auch sonst bei Gleichzeitigen vorkommen. Gegen die allerdings erst noch zu erweisende Authenticität der Beichtfragen spreche nicht die (nur angeblich erst spätere) Form. – Ueber Winfrid’s Verehrung in Devon s. DZG V, 454; VI, 114; über Bonifaz’ Bücher V, 461. – 0Schwalm, Boniface s. DZG IV, Bibl. 817; 2775. – 0D. Hupfeld, Bonifatius, Allg. Missions-Z. ’90, 447, 481. – 0L. v. Hammerstein, Winfried od. d. sociale Wirken d. Kirche, 3 Aufl.; vgl. ZKTh 14, 2. – 0E. M. Thompson, Boniface, in Stephen, Dict. nat. biogr. – A. S. Cook, Germans in England in the 8. cent. (Mod. long. n. ’89, 475): Liudger, Wizo-Candidus, Fredegis. – Jostes: Heliand (HJb XII, 76) sei zu Werden gedichtet und zwar (nach Windisch) 822–30; Werden war von dem Friesen Liudger gestiftet und wohl anfangs mit Utrechter Mönchen besetzt; da die Utrechter Schule nur eine Vorschule der Yorker und Liudger zu York gebildet war, erklären sich die Fries. wie die Angelsächs. Einflüsse im Heliand. – H. Jellinghaus (Jahrb. f. Niederdt. Sprachf. ’89, 61): Heliand habe nicht nothwendig Beda und Alcuin zu Quellen und gehöre ins 8. Jahrh. [Die Berufung auf Ebrard’s Iroschott. Mission verfängt nicht.] – F. Kluge (Paul, Grundriss German. Phil. I, 792) behandelt die Einführung Altengl. geistl. Wörter in Deutschland. – 0F. Picavet, De l’origine de la philosophie scolast. en France (Bibl. éc. hautes ét.; sc. relig. I. Par. 1889), vertheidigt Alcuin als den Vater der Französ. Scholastik und behandelt den Neuplatonismus im MA.; laut A. Gardner EHR July ’90, 588; ThLZ 1891, 91. – L. Palustre, Bull. Cr. ’89, 484, bezweifelt Rossi’s Annahme, dass [156] Alcuin zu Tours den Epitaphmarmor auf Hadrian I. fertigte. – 0A. Largeault, Inscriptions métr. par Alcuin, Poit ’86. – 0Frey, De Alcuini arte grammatica, Progr. Münster ’86. – 0Alcuin’s pädagog. Schriften übersetzte Freundgen, Pad. ’89. – W. Gundlach, Ein neuer Alkuinbrief (NA 12, 506), druckt aus Ms. Cotton. Tiberius A XV: „Epistola Albini ad quendam ducem et uxorem illius in Francia“, moralisirend ohne Historisches. – 0Berthault, Alcuin vgl. DZG III, Bibl. 813. – A. Hauck [vgl. DZG II, 223], K.-G. II, ’90, behandelt Alcuin u. a. Angelsachsen ausführlich, mit wichtigen Urtheilen, wie seit 800 England in der Theologie überholt ward [vgl. Hahn, MHL 1891, 116.] – 0Ders., Willibald, Willibrord in Protest. Real-Encyclopädie. – Biographieen letzterer auch in Smith and Wace; vgl. DZG V, 428. – *E. Dümmler, Alchvinstudien, SBBAk, Phil. 1891, 495. Schon im MA. nützte man Briefe historisch aus, so Otloh bezw. Wilhelm von Malmesbury die des Bonifaz und Alcuin. Alchwine dictirte meist die Briefe, empfahl selbst deren wiederholte Lectüre und Weiterabschrift und hielt sie mit seiner Zeit für Kunstprodukte. Im Stil ahmte er Hieronymus nach, schöpfte bisweilen aus Horaz und Gemeinplätzen, oft aus Pseudo-Seneca. Nach Engl. Sitte gab er den Freunden, besonders Engländern, spielend Beinamen oder übersetzte German. Namen, mit Stratokles vielleicht einen Herebeorht. Er schärfte die Ohrenbeichte ein. Den Erzbb. von Canterbury bezw. York empfahl er von theolog. Literatur Gregor’s Homilien und Pastorale. Zuletzt asketisch, schalt er auf die heidnische Poesie selbst des einst verehrten Vergil. Englands Unsittlichkeit beklagte er ähnlich wie Wynfrith: für Habgier, ungerechtes Regiment, Bestechlichkeit, Ehebruch, Putzsucht der Geistlichen und Frauen strafe der Himmel das Land (das A. mit Citirung des Gildas warnt) durch frühen Tod der Könige und die Wikingerplage. Politische Wirren verleideten Alcuin die Heimath, die er liebte und gerne belehrte; er hing da besonders an seinem Lehrer Aelberht und Schüler Eanbald II. von York. Er war ein lehreifriger Schulmeister, empfindlich gegen Tadel, ohne weltlichen Ehrgeiz, trotz der Unterhandlung mit Offa kein Staatsmann, sondern von hohem Einfluss als Fränk. Rathgeber nur in Kirchlichem oder Persönlichem. Zur Datirung seiner Briefe dienen von geschichtlichen Ereignissen Englands: die Verheerung Lindisfarne’s 793, Eanbald’s I. Tod 796, Æthelheard’s Romreise 801. – 0A. Ebner, Die klösterlichen Gebetsverbrüderungen bis zum Ausgange des Karoling. Zeitalters (Regensb. 1890), betrachtet die Confraternität im Rahmen des kirchlichen Ritus, mit Benutzung von Ungedrucktem und auch Engl. (so Durhamer) Necrologen. Rein klösterlich tritt sie zuerst Ende des 7. Jahrh. bei Columbans Scoten auf, als Verbrüderung zwischen Bischöfen und Aebten auf Synoden zuerst in England in der ersten Hälfte des 8. Jahrh.; zu den Franken kommt sie durch die Angelsachsen, namentlich Bonifaz und Alcuin, der 794 zu Frankfurt auf Grund seiner wissenschaftlichen Verdienste aufgenommen ward. Vgl. DZG V, 191; Hahn MHL 1891, 122; RQschr IV, 299; EHR 1890, 606; Ath. 6IX90, 318.

Wikinger. J. Taylor (NotQr 20XII90, 492): „Wiking“ kommt von wic, Bucht [so auch Deutsche Wbb.]. Nach W. G. Black (eb. 14II91, 135) [157] zeugt hierfür [?] die Aussprache von Wyk auf Föhr. – Dagegen Müllenhoff, Beovulf 95: Wikinger heissen lagernde, fest sich einnistende Einbrecher; auf Beute zog Urgerman. vornehme Jugend allgemein, Seeräuberei herrschte auf Nord- und Ostsee seit mindestens 400. – F. Kluge, Nord. Einfluss (Paul, Grundriss I, 787), bezweifelt Nord. Entlehnung des Wortes. Er gibt eine lange Reihe Nord. Lehnwörter im späten Angelsächsisch. Gegen 1200 stirbt die Nord. Sprache in England aus. Einzelne Gebiete sprachen um 1100 ein Nord.-Engl. Gemisch [?]. Dänen und Norweger sassen in England und beeinflussten seine Sprache. – H. Zimmer, dessen kühne keltolog. Forschungen die Nordischen Züge nicht bloss in Irland epochemachend erhellen und seit dem DZG V, 435 Angedeuteten reich vermehrt wurden, wiederholt GGA 1891, 154 seine Ansicht, die Wikinger kämen bis 848 vom Hardangerfjord [dagegen u. a. Moeller, Altengl. Volksepos I, 8: „Hæređas“ im Widsiđ = Nordmänner überhaupt; F. Kluge a. a. O. 790: Harsyssel in Nordjütland], die späteren seien Dänen aus Laland [?]. – D. K. Dodge, Old Danish and English (Modern lang. notes IV, 338): Engl. Wörter Dän. Herkunft. – 0J. F. Palmer, The Scandinavian race in Britein, Tr. roy. soc. lit. V, 1889. – J. C. Atkinson (Reliq. ’90, 83): Field names auf „thorpe, thwait, keld, toft, garth, holm, beck“ gelten gewöhnlich als Zeichen Nord. Besiedlung, sind aber recht oft neuzeitlich. – J. V. Gregory, The Northumberland burr, Archla. Ael. 1889, 223. Die Guttural-Aussprache des R im Northumbr. Dialect rühre nicht vom Dän. Einflusse her, da sie den am meisten Danisirten Grafschaften Lincoln und Norfolk fehlt, sondern, wenn sie überhaupt so alt ist, von den Angeln. – 0C. F. Keary, The Vikings in Western Christendom 789–888 (’91), schildert lebhaft und erschöpfend den letzten Kampf der Westeurop. Christenheit gegen das Heidenthum mit weiter Gelehrsamkeit, langjähriger Arbeit, genauer Kunde der Quellen und Oertlichkeiten, gesundem Urtheil und philosophischem Blick, behandelt also auch die Irische und Engl. Mission und den Vikingerglauben (den er von früherer Mythos-Periode zu wenig trenne). England erhält hier eine schöne Gesch. seiner Dänenzeit im Rahmen der allgemeinen Wikingerbewegung. Doch geht K. auf das Ende der Karlinger ausführlicher ein als auf die Brit. Inseln. Die ersten Vikinger-Einfälle geschahen 793 von Dänen. Diese fahren anfangs der Küste entlang über Friesland theils nach Neustrien, theils nach England und später nach Spanien und dem Mittelmeer. Ihnen folgen erst, bald nachher, die Norweger quer durch die offene Nordsee; nach 820 wird Irland von Norwegern verheert und scheidet dann Dubh-Gaill und Finn-Gaill, d. h. schwarze und weisse Fremde. Deutlich sondern sich die zwei Perioden des Beutezugs und der Besetzung der Flussmündungen, der Handelsadern. Verf. identificirt, gegen Green, den Frieden zu Wedmore mit dem erhaltenen Vertrage Aelfreds mit Guthrum. Die Nordmannen hatten überall den Vortheil der Offensive und des Ueberfalls, sie waren die besseren Strategen und Seefahrer. Sie allein unter den Germanen treten noch während der Bildung zu Nationen (nur die Süddänen heben sich schon national heraus) ins Licht Europ. Geschichte. Ursache, Ausgangsort und Führernamen der Züge bleiben dunkel. Die Zähmung der Nordmannen geschehe durch Sesshaftwerden, Privateigen und Christenthum. Karte, chronolog. und [158] genealog. Tafeln sind beigefügt. So Dublin R. Apr. ’91, 469 und die DZG V, Bibl. 1435 angeführten Kritiken. – 0B. de Lagrèze, Les Normands dans les deux mondes (Par. ’90) behandelt die Züge des 9.–12. Jahrh. bis Amerika und Russland, ohne die Quellen neu zu durchforschen oder Sagenhaftes abzusondern oder eigene Einzelheiten zu bringen, volksthümlich mit guter Uebersicht; so RC ’90, 207; RH 44, 216. – ?, The Vikings, Scot. R. Jan. ’90, 55, folgt Du Chaillu [vgl. o. p. 127], Rydberg, Worsaae, Vigfusson. – 0T. Tindall Wildridge, Northumbria: a repository of antiquities of Northumberland, Cumberland, Westmorland, Durham, Yorks., Lancas. and the Borders of Scotland (Hull, ’89) enthält laut Ath. 24VIII89, 254: Ross über Angl. und Dän. Könige Northumbriens; C. S. Wake über Liddisdale; Wildridge: 1. Misereres [Chorstuhlschnitzerei] in Ripon von 1489, z. Th. humorist. Thiergestalten; 2. Einbaumböte, darunter die neue Ausgrabung zu Brigg. – J. C. Atkinson, Archl. R. I, 433; II, 199, sammelt aus Nord-Yorkshire deutlich Nord. Ortsnamen, wie Odinberg, Thingwal, die (mit Ausgrabungen und Sagen) Recht, Religion und Sprache jener Gegend im 11. Jahrh. Dänisch erscheinen lassen. – 0J. G. Starke, Scandinavian habits and customs in Scotland, Tr. Dumfriess. antiq. soc. ’87. – John Mackay: Sutherland place names (Tr. Gaelic soc. Inverness 13, 43) lauten nur an der Küste Nordisch, von den Norwegern, die hier vom 8.–12. Jahrh. herrschten, im bergigen Innern durchaus Gaelisch. „Südland“ wurde die Landschaft von den Norwegern in Caithness (das die Wikinger, weil es ebener ist, weit fester ergriffen) und den Orkneys benannt. Wilhelm der Löwe vertrieb die Skandinaven mit Hilfstruppen aus Moray und Galloway. Diese neuen Besiedler sind die Ahnen der heutigen Murray bezw. Mackay. – W. Stokes, Old-Norse names in the Irish annals (Ac. 20IX90, 248), verzeichnet alphabetisch die vielen Namen und einige Wörter, welche aus dem Nordischen, durch die Wikingerzüge nach Irland seit 795, in die Annalen von Boyle, Inisfallen, Ulster, des Tigernach, der Quatuor magistri und das Buch von Leinster eindrangen. Auch für Irisch-Nord. G. vom Ende des 9. bis Anfang des 12. Jahrh. ist diese zunächst philologisch wichtige Liste beachtenswerth. Ferneres s. DZG V, 431 ff. – S. Bugge, Studien über die Entstehung der Nord. Götter- und Heldensage (’89), weist der Berührung der Wikinger mit Britannien und Irland im 9. Jahrh. die angebliche Beeinflussung der Edda durch christlichen und Griech. Mythus zu. Diese Hypothese nehmen an W. Golther, Les mythes et les contes des Germains du Nord (Moyen âge ’90, 34), und M. Bréal, Premières influences de Rome sur le monde Germanique (Jl. savants Sept.-Nov. ’89, auch sep.; vgl. RH 42, 188). Dagegen lehnt sie im Ganzen ab [Mo]gk, CBl ’90, 367, der aber die Achtung der Wikinger vor christl. Religion und Bildung selbst belegt: König Cormak von Munster verstand Griechisch, Latein, Hebräisch [?]. Bugge fand in Skandin. Texten Altirische Lehnwörter [R. Celt. XI, 496]. – E. H. Meyer, Völuspa, will christl. Elemente in den Mythus des Nordens nicht schon damals, sondern erst im 12. Jahrh. eindringen lassen. – B. Sijmons, Sigfrid, ZDPhil 24, 1. Die Nord. Nibelungensage wandere von Frankreich über Irland zu den Skandinaven, nicht erst im 9. Jahrh. und sei keine späte Neuschöpfung der Wikinger. – Vgl. o. p. 148 f.

[159] Aelfred. F. Lot, Geoffroi Grisegonelle (Romania 19, 389), möchte in dem Dänenriesen Hethelulf, von dem Gotfrid (in den fabelhaften Gesta cons. Andegav.) Frankreich befreit, eine Erinnerung an den Angelsächs. König Aethelwulf sehen, der 855/6 in Frankreich war. – Simcox behandelt Aethelbald EHR July ’87, 520. – Das Bruchstück der Hs. von Asser’s Vita Aelfredi [vgl. DZG V, 72[WS 4]] weist Bradshaw, Collected papers 467, dem 11. Jahrh. zu und hält ihre frühe Form Walliser Namen für einen Gegenbeweis gegen die Annahme, sie sei erst damals gefälscht worden. – W. Stubbs, Willelmi Malmesber. Reg. II. xxj², macht auf Dicta regis Aelfredi, welche der Chronist von Worcester (Flor. Wigorn. ed. Thorpe I, 272) in der Westsächs. Genealogie als Quelle citirt, aufmerksam. Vielleicht diese verlorene Quelle diente Wilhelm von Malmesbury. Sie ist nicht identisch mit dem Aelfred zugeschriebenen Fragmentum hist. Westsax., das Wheloc (wohl aus Otho B XI) hinter Beda druckte; dies reicht auch in der ältesten Hs. bis zu Eadward dem Märtyrer. – A. S. Cook, Alfred’s prayermen, warmen and workmen (Modern lang. notes 1891, 347). Aelfred nahm die Einschiebung in seine Boethius-Uebersetzung von den drei für einen König nöthigen Ständen vermuthlich aus einer Stelle der Patristik über die drei Thronstützen „oratores, bellatores, laboratores“, deren Benutzung Verf. nachweist auch in zwei späteren Angelsächs. Stücken: dem Anhang zu Aelfric’s Neuem Testament und einer Homilie bei Wulfstan ed. Napier 267. [Letztere steht in besserer Form in Polity IV, bei (Thorpe) Ancient laws 307.] – 0J. Steenstrup: Ottar’s Bericht an Aelfred über Walross- und Walfischfang in der Nordsee, Hist. tidskrift VI, II, p. 95. – O. Hein, Altpreussische Wirthschaftsgeschichte bis zur Ordenszeit (Zs. Ethnol. 1890, 146, 173), trägt manches zur Kritik von Wulfstan’s Reisebericht in König Aelfred’s Orosius bei. – M. H. Turk, The legal code of Ælfred the Great. Ed. with an introduction (Leipz. Diss., Halle 1890: nur Einleitung). Im Rahmen der Schriftstellerei, nicht der Gesetzgebung, will dieser Philolog Ælfred’s Gesetze betrachten. In der Bibliographie sammelt er fleissig auch ferner liegende Ausgaben [dazu: Sammes, Brit. antiqua 1676; Kemble, Brit. Rev. 73; (Haddan and) Stubbs, Councils III; Thorpe erschien auch Folio]. Die Hss. beschreibt Verf. ausführlich, doch ohne neue Ergebnisse. [Dass Otho am gleichen Orte wie E entstand, folgt aus dem gleichen Inhalte nicht; G scheint mir im 14. Jahrh. Canterbury zu gehören laut Kritzelei auf Fol. 42; den Textus Roffensis nannte ich (inhaltlich) „verfasst“ zu Canterbury, nicht „written“.] Mit Recht weist er B und H Einer Classe zu; er wird B, die jüngste Hs., neben der ältesten drucken. [Ich plante früher, die Vorlage BH herzustellen, werde aber nun columnenweise jede Hs. einfach abdrucken.] Dagegen leugnet Türk grundlos, dass Lambarde aus einer uns verlorenen, mit der Vorlage des Quadripartitus verwandten, Angelsächs. Hs. schöpfte; er beweist keineswegs, dass Lambarde den Bromton nur ins Angelsächsische zurückübersetzte und einige Worte, die er mehr bringt als andere Hss., aus Erklärungen des 16. Jahrh. nahm. Die Untersuchung der „phonological complexion of the mss.“ p. 25–9, bestätigt nur deren verschiedene Zeitalter; aus den Sprachvarianten auf die Entstehungsorte schliesst Turk nicht. Ine’s Gesetze betrachtet er mit Recht als integrirenden Bestandtheil des [160] Werks, der nicht etwa für Mercien durch Offa’s Recht ersetzt ward und von Aelfred nur Ueberschriften, nicht (wie Æthelberht’s Recht) umarbeitende Revision empfing. Ausser den bekannten Gründen dafür (Sondereinleitung, archaische Unordnung) macht Verf. geltend, dass Ælfred Rechtsmaterien, die in Ine folgen sollten, [meist] nicht behandelte. [Klingt nicht auch Ine’s Sprache älter?] Er vermuthet [ich meine, völlig grundlos], der Codex Ine’s zeige mehr als zur Hälfte Zusätze und Nacharbeit durch Könige zwischen Ine und Aelfred, trage also Ine’s Namen nur zur Ehre des ersten Gesetzaufzeichners. [Hätte dann Aelfred seinen Grossvater Ecgberht nicht nennen müssen?] Literarisch und biographisch werthvoll ist der ästhetische Nachweis, der sich auf Vergleichung mit des Königs sonstiger Schriftstellern gründet, wie Aelfred vom Alten zum Neuen Testament, dann zur Gegenwart überleitete, auch hier sein Volk zu unterrichten trachtete, den z. Th. fremden oder veralteten Culturstoff seinem England gemäss änderte, umschreibend erklärte und übersichtlich ordnete. Doch überschätzt Verf. den literarischen Werth der Gesetze, wenn er sie für ein Rechtscompendium ausgibt: so „incompetent“ er damalige Richter halten mag – keine Frage, dass sie dennoch die meisten Fälle entschieden, ohne Aelfred oder überhaupt geschriebenes Recht zu lesen. Eine unmittelbare Quelle, die genau Aelfred’s Zehn Geboten entspräche, fehlt. Hinter Acta apostol. 15, 28 setzt Aelfred Einl. 49, 5: „Was ihr wollet, dass andere Leute euch nicht thun, thut ihr das auch nicht anderen“, nach Hort wohl aus einem in alten Vulgatatexten öfters begegnenden Zusatz. Bisherige Herausgeber führten (wohl mit Unrecht) die Worte auf Matthäus 7, 12 zurück, wie denn Aelfred dies Evangelium bevorzugt. [Am nächsten steht Tob. 4, 16.] Die Abfassungszeit setzt Verf. richtig hinter die der Gregor-Uebertragung, da Aelfred in den Gesetzen das Latein schon freier versteht und mehr literarische Uebung verräth; Verf. nimmt als Jahr 890 und die Beda-Uebersetzung als später an [ohne Grund]. Im Einzelnen: Einl. 49, 9 „thas“ verstehe ich: „die folgenden“ und sehe kein Anakoluth, wenn das Komma hinter „het“ fortfällt; El. 49 Pr. zu „godum“ bedarf es der Ergänzung „Gesetzen“ nicht, wenn man das folgende „und“ mit Koerner [und dem Quadripartitus] für „scilicet“ nimmt. – A. Dewitz, Untersuch. über Aelfred’s d. Gr. Westsächs. Uebersetzung der Cura pastoralis Gregor’s. Bresl. Diss., Bunzlau ’89. Verf. sah erst am Ende seiner Arbeit das gleiche Thema behandelt von Wack, vgl. DZG II, 464. Er verbessert bisweilen Sweet’s Uebersetzung. Aelfred’s Helfer Johann ist der Altsachse. Der König hielt sich eng ans Original, weil er ehrfürchtig den Gregor, der auch einfachen Stil schreibt, zu ändern sich scheute, und das Buch praktisch, d. h. niederen Geistlichen verständlich bleiben sollte. Das Verbrechen an Urias malt Aelfred p. 35 schwärzer, indem er Urias’ erwähnt als David’s „agnes holdes thegnes“ (durch Vasalleneid verbundenen Gefolgeritters). Statt der Urbes, die Moses 5, 19, 5 dem unabsichtlichen Todtschläger freigibt, setzt Aelfred 166: eine der „burga the to frithstowe gesette sint“ [im selben Sinn, wie er Gesetze (Einl. 13) II, Moses 21, 12 erweitert. – Es würde nun lohnen, systematisch zu ordnen, was Aelfred an seinen Originalen geändert hat: daraus gewänne man für die Literatur-Gesch. die Anschauung des Königs, und für die Germanist. Alterthumskunde [161] manchen als Quelle willkommenen Satz.] – W. C. Plenderleath, White Horse jottings (Wilts. archl. magazine July ’90, 57), will Aelfred’s Zug von 878 localisiren und in den im Rasen ausgeschnittenen Pferdezeichnungen dessen Siegeszeichen erblicken. – Einen Englischen Aesop, übersetzt von K. Aelfred, citirt Marie de France als Quelle. 0J. Jacobs, The fables of Aesop, meint, sie verwechsele den König mit Alfredus Anglicus, der Philosophisches aus dem Arab. ins Latein übertrug; dies lehnt ab L. Sudre, Romania XX, 294 [setzt jedoch diesen Alfred um 1270, um mehrere Menschenalter zu spät, an].

901–1066. Japhet (Notes Qu. 7II91, 103) versucht die Abstammung des Historikers Aethelweard von K. Aethered I. darzulegen. – J. Zupitza, Die Romanze von Athelston (Engl. Stud. 13, 331; 14, 321), druckt dies Gedicht neu aus der einzigen Hs. (Cambridge Caius Coll. 175 vom Ende des 14. Jahrh., die auch die Engl. Epopöen Richard I. und Beves von Hampton enthält). Es zeigt die Sprache des nördl. Mittelengland um 1350. [Das Parlament als höchstes Lords-Gericht, London-Bridge, London als Königs-Residenz, ein Interdict über England und eine Excommunication des Königs in Angelsächs. Zeit zu verlegen, ward nicht vor etwa 1250 möglich.] Das Werk folgt einem Französ. Roman [zur Feuerprobe wird, wider Englisches Recht, die Flamme durchschritten], stützt sich nur selten auf Gesch. oder echte Sage [bei Malmesbury] und lehrt für Aethelstan’s Gesch. nur, dass die Englische Nation dessen Namen noch lange feierte. – 0E. D. Green, The site of the battle of Brunanburh, Tr. roy. soc. lit. V, 1889. – Der dort besiegte Dänenfürst Olaf Cuaran, der dann lange zu Dublin herrschte, ward 943 vom Erzb. von Canterbury getauft. Da nun, meint Zimmer GGA 1891, 154, Armagh, welches den Primat über Irland erstrebte, hindern wollte, dass Canterbury, wo sich Bischöfe für Dublin und Limerick bis zum 12. Jahrh. weihen liessen, hierarchische Gewalt über Irland gewinne, so erfand es, in Fortsetzung früherer Fälschungen, Patrick habe die Dubliner Dänen bekehrt. [? Canterbury beanspruchte im 11. Jahrh. keine Hierarchie über Dublin im Besonderen (laut Anselmi epist. IV, 116; III, 72), sondern nur einen Patriarchatus Britanniarum, ohne Beziehung zu jener Taufe.] – 0T. Gottlieb, Mittelalt. Bibliotheken, berührt u. a. (laut Traube, WschrKlPh 1891, 507) die K. Aethelstans. – Ebert, Lit. des MA. III, 499, behandelt den Latein. Dichter Wulfstan und Aethelwold und Dunstan, die Kirche und Literatur [nach Gallischem Muster] umbildeten, mit ihren Biographen. [Zu Dunstan hätte Stubbs’ Ausg., Rolls ser. ’74, benutzt werden sollen.] Bridferht, den Commentator Beda’s, trennt er von Dunstan’s Biographen B mit Recht. Bd. III, 507 geht Ebert auf Aelfric, die geistl. Prosa des 11. Jahrh. (öfters mit neuer Angabe von Quellen) und die Gedichte (in den Annalen und „Byrhtnoth’s Tod“) ein. – E. Mac Culloch (R. trad. pop. ’89, 407): Le folklore de Guernesey erinnere sich noch, dass Herzog Robert beim Versuche, Cnut in England anzugreifen, auf Guernsey ankerte, und führe darauf den Namen Lancresse zurück. – Die Hs. der Gesta Cnutonis, einst Hamilton, dann Berlin gehörig, ruht nun im British mus. Nr. 33 241; vgl. DZG V, 420, 1. – Auf Cnut zurückgehende Gesetze findet [162] im Witherlag-Recht K. v. Amira (Paul, Grundr. II, 2, 90). – 0Taranger, D. Angelsaksikse kirkes indflydelse paa d. Norske 1891. – K. Maurer, Zur Norweg. G. DZG II, 444, behandelt Liturgien in natal. s. Olavi mart., 29. Juli [vgl. Warren, Leofric missal 271, 274]. – W. Hunt, Harold I. und Hardicnut (im Dict. of nat. biogr.), vereint eigene Forschung mit verständigem Urtheil; ausführlich behandelt ders. eb.: Harold II. – E. Langlois, Mss. français de Rome (Not. et extr. des mss. 33, 2, 10), druckt aus Ms. Reg. Christ. 489: Anfang und Ende der Vie de s. Edward (einer Uebersetzung der Vita von Aelred), von der Luard, Lives of E. the Confessor 384, ein Mittelstück brachte. – Petri Damiani Disceptatio synodalis (ed. L. v. Heinemann, Mon. Germ., Lib. de lite imper. et pontif. I, 91) nennt Graf Gerhard [von Galeria] gebannt auf Nicolaus’ II. Synode [April 1061], u. a. weil er „ducem et archiepiscopum Anglorum, quos a B. Petri liminibus redeuntes invasit, spoliavit et usque ad mille Papiensis monetae libras appendentia rapuit.“ Hrsg. bezieht dies mit Recht auf Ealdred von York und Earl Tostig von Northumbrien, deren Beraubung eine Tagereise von Rom die Chronik der Erzb. von York (die Th. Stubbs vorlag) meldet (ed. Raine, Historians of York II, 346) neben anderen Engl. Quellen bei Freeman, Norman conquest II, 457. – A. D. H. Leadman, The battle of Stamfordbridge, Jl. Yorks. archl. assoc. 42 (’88–90); nach Ath. 12VII90, 69 ohne neues Ergebniss. – C. Oman, Ac. 7III91, 230, behandelt die Engl. Bewaffnung bei Hastings. Die Engländer trugen Schilde, waren zur Hälfte leichte Truppen ohne Axt. Die Uebrigen trugen die Dänische Schlachtaxt: diese handhabte man mit voller Kraft im Handgemenge nur mit beiden Händen, konnte dann also den Schild nicht gebrauchen. – Die Legende, dass Harald II. noch unter Heinrich I. lebte, erzählt auch die Jatvarđar [Edward’s d. Bek.] Saga, ed. Vigfusson, Icelandic sagas I, xvj.

Wales und England im 11. Jahrhundert. A. N. Palmer [s. DZG V, 448, 454], Welsh settlements, east of Offa’s Dyke during the 11. cent. (Cymmrodor X, 29). Mercische Wrekin-Anwohner besiedelten seit dem 9. Jahrh. die Dee-Mündung; um 1000 war alles östlich vom Offas-Graben anglisirt und Ortsnamen, selbst westlich bis um Bangor herum, sind seither Englisch. Allein im Anfang des 11. Jahrh., nachdem Englands Ausdehnungskraft von den Dänen geschwächt war, fluthete das Keltenthum zurück bis etwa vier Meilen östlich vom Graben (der erst nach 8 Jahrhunderten wieder Englands Grenze wurde). Epoche macht für diesen letzten Vorstoss der Brythonen gegen die Germanen der Walliser Einbruch um 1055: dem König von Wales half da der verbannte Herzog von Ostanglien, Aelfgar. So hatte Broxton in Cheshire noch unter Edward dem Bek. Englische Grundbesitzer, lag 1086, wohl durch Walliser Verheerung, wüst und ward kurz darauf, vielleicht auf Wunsch Normann. Oberherren, (und blieb bis 1400) Nordwallisisch. Edward der Bek. verlieh das rekeltisirte Bangor anfangs Gruffydd ap Llewelyn, dann dem Bisthum Lichfield: der Angelsächs. Staat benutzte auch hier die Kirche zum Puffer gegen die Walliser. Damals etwa theilte sich das Kirchspiel in ein Kymr. Commote, das zu Denbigh gehört und ein Sächs., in Flint. In dem einst ganz Englischen Shropshire [163] wurden Pimhill und Oswestry in Sprache und Blut wieder Kymrisch, obwohl sie England staatlich unterworfen blieben. Heinrich II. und Johann verliehen Ellesmere dem Fürsten von Nordwales, und die also damals Kelt. Herrschaft zählte noch 1341 zu Wales und kam erst unter Heinrich VIII. an Shropshire zurück. Oswestry unterstand auch kirchlich dem Walliser Bisthum St. Asaph, und der Grenzbaron von Oswestry, freilich seit der Eroberung Normannisch, übte Kelt. Rechte über seine Hintersassen: diese zahlen für die Erlaubniss, ihre Töchter zu verheirathen, und müssen, für das Recht ihr Vieh bei Feindesgefahr in die Herrenburg treiben zu dürfen, des Barons Hunde und Jäger beköstigen; noch 1302 gibt es da Familiengrundbesitz, ohne Erbfolge des Erstgeborenen. Ja, selbst dortige Normann. Rittergutsbesitzer, wie die Barone von Malpas, kymrisirten sich theilweise durch Heirathen seit Ende des 12. Jahrh., laut Urkk. des 14. Jahrh. Bis ins 19. Jahrh. sprach das westl. Shropshire Wallisisch. – Eine methodisch tadellose, fleissige und scharfsinnige Untersuchung! Vgl. Antiq. 19, 224. – W. J. Andrew, Pedigree [Stammbaum] of Griffith ap Llewellyn, prince of Wales 1039–63, Notes Qu. 9VIII90, 103. – G. Paris’ Annahme, dass Walliser Dichter vor Angelsachsen im 11. Jh. Lieder über Arthur sangen, scheitert, nach H. Zimmer GGA 1890, 785, an dem Hasse und gerade seit 1063 wieder heftigeren Kampfe zwischen England und Wales.

Angelsächs. Recht. Allgemeines, Quellen, Sprache. R. v. Gneist, Die Entwicklung der Engl. Parlamentsverfassung (v. Holtzendorff, Encyclop. der Rechtswiss. I, 5. Aufl. 1890, p. 1379); I: Angels. Grundlagen [kürzester (und daher allzu schemat.) Abriss aus Gneist’s Engl. Verfassungsgesch.]. – 0J. M. Stearns, The germs and developments of the law of England, embracing the Anglo-Saxon laws from the 6. cent.–1066. New-York 1889. – 0Z. Ross, Anglo-Saxon law from 450–1066, in Glasgow jurid. soc. 1887 [nur vorgetragen?]. – Ueber 0E. Boutmy’s Constitution (s. DZG III, 213) handelt Riv. sc. giurid. 8, 83. Das Buch ward übersetzt: (E. B., The Engl. const., transl. J. M. Eaden; with introd. by F. Pollock 1891) und von Pollock gerühmt wegen des neuen gesellschaftlichen und wirthschaftl. Gesichtspunktes. B. weigert sich, die Engl. Verfassung als rein rassenhaft, das Engl. Volk als nach der Krisis von 1066 zur früheren Identität zurückgekehrt zu betrachten. – 0Hosmer (DZG V, 426) behandelt laut Ath. 7II91, 184 für Schule und Volk die „Freiheit von inception bis present condition“ auch in Englands Tochterstaaten und Colonien. – 0M. Rau, German. Alterthümer in der Angelsächs. Exodus [Gedicht etwa des 8. Jahrb.], Lpz. Diss. 1890. – Ferneres DZG V, 425 f. – H. Brunner, Ueberblick über die Gesch. der Französ., Normann. und Engl. Rechtsquellen, in Holtzendorff, Encycl. der Rechtswiss. (5. Aufl. ’89) p. 303. Vgl. Maitland, Law QR Apr. ’90, 218; DZG II, 462. – K. v. Amira in H. Paul, Grundriss Germ. Philol. II, 2, 1889, p. 52 f., 57 berichtet über die Angelsächs. Rechtsquellen zwar in gedrängtester Kürze, aber mit mehreren beachtenswerthen Bemerkungen. Zu den „Rechtsalterthümern“ (eb. 103–200) vergleicht er überall Angels. Einrichtungen, stets auf der Höhe der Wissenschaft, mehrfach mit neuem Ergebniss. – E. Sievers (Paul und [164] Braune, Beitrr. z. G. Dt. Spr. 1887, 174) verzeichnet Spuren Altkent. Sprache in den nur durch den Textus Roffensis vom 12. Jahrh. überlieferten Gesetzen Aethelberht’s, Hlothar’s und Wihtred’s. – Die Lex Angliorum gehört nicht zum Rechte Englands; vgl. neuerdings R. Schröder, HZ 65, 310. – Ders., Deutsche Rechtsgesch. 611, bezeichnet das Fränk. Recht, welches mit der Normann. Eroberung England ergriff, als Ribuarisch-Karolingisch, das Sal. Elemente nur aufgenommen hatte. – G. Neilson, Mediaeval words (Notes Quer. 4IV91, 261) verzeichnet, namentlich aus Schott. Parlamentsacten, eine Reihe von Rechtsausdrücken, besonders des späteren MA. Aus Angelsächs. Recht erklärbar sind u. a.: flet, hiredman, inborh, manbote, reflak, utborh, woh.

Landbesitz; Dorfgemeinschaft. Aug. Meitzen, Volkshufe und Königshufe in ihren alten Massverhältnissen (Tüb. 1889), begründet und zeigt als den Deutschen gemeinsam die Idee, Steuern über ganze Staaten nach der Hufe zu vertheilen. Wie überall, wo Germanen kolonisiren, brachten die Angelsachsen die Hufenverfassung als Grundkataster nach Britannien. Sie ist uralt volksthümlich, nicht durch allgemeine Anordnung oder gar Herrenbefehl geschaffen. Das alte Feldmass der Volkshufe bezeichnet je nach Oertlichkeit eine verschieden grosse Fläche, wogegen die Königshufe etwa 49 Hektar, die Virga regalis 4,7 Meter misst. Wird auch England nicht unmittelbar, nur zweimal, erwähnt, so mag diese Untersuchung doch vielleicht zur Erklärung der freien Dörfer und ungleich grossen Hiden neben Grossgütern und Hiden bestimmter Fläche beitragen. [Hi[gi]de ist aber nicht mit Haut identisch]. – 0J. B. Pearson, On the size of the acre in early times, Cambridge antiq. soc. ’87. – J. B. Nordhoff, Haus, Hof, Mark und Gemeinde Nordwestfalens im histor. Ueberblicke (Stuttgart 1889) vergleicht älteste Engl. Wirthschaft und Gesellschaft S. 98, 105, 273 302 [sollte aber nicht Angeln mit Engern verbinden]; vgl. DLZ ’90 , 390. – 0Fustel de Coulanges, The origin of property in land, transl. by M. Ashley, with introd. on the English manor by W. J. Ashley 1891. [0A. leitet das Grossgut, wie Fustel und Seebohm, von den Römern her; SatR 13VI91, 728.] – 0G. L. Gomme, The village community, with special reference to the origin and form of its survivals in Britain (Contemp. science ser.) 1890, mit Karten und Plänen. Besonders Volkskunde und Vergleichung des Rechts der Arier, Semiten und Wilden ergebe die Dorfgemeinschaft als eine nicht bloss wirthschaftliche Einrichtung historischer Zeit; sie sei älter als der Staat, eine der Durchgangsstufen der allgemeinen Menschheitsgeschichte. In Britannien entfliesse sie der Stammesreligion Nichtarischer Iberer [?]; diese (die auch in Gräbern, Erdbauten, Typus, Volkskunde Britanniens deutliche Spuren hinterliessen) wahrten unter Kelten-, Römer- und Germanen-Herrschaft weiter als Ackerbauer und Arbeiter die Gemeinschaft am Boden, freilich unter einem Obereigenthümer. Der Angelsächs. Tun sei also nicht, wie Seebohm an dem einer Villa ähnlichen Hitchin erweisen wollte, ein Römerrest; vielmehr verschwinde die Villa mit den Römern; und manches Dorf zeige Spuren des Taciteischen Gemeinbesitzes Freier am Land. – C. V. Langlois, RH 46, 138 lobt die (nur manchmal etwas wirre) Herbeinbringung [165] vieler Thatsachen und feiner Beobachtungen, findet Gomme’s Ansicht überkühn, vag, vielleicht nicht haltbar und mit theilweise nichtigen Gründen gestützt; gegen Römischen Ursprung des Manor, eines Dorfs mit Nutzung ungetheilten Landes unter herrschaftlichem Eigenthümer, und für eine ursprüngliche Freiheit Besitzgleicher mache G. richtig geltend, dass die Villanen noch unter dem Feudalismus Versammlungen unter freiem Himmel zu Rath und Gericht, und ein Recht auf ihr Land hatten, welches Roman. Juristen [seit dem 12. Jahrh.] vergeblich dem Herrn allein zuzusprechen versuchten; L. leitet seine Kritik mit einem klaren Ueberblick über neueste Theorien von der Herkunft der Dorfgemeinschaft ein. Zur Kelt. Aristokratie über nur halb unfreie Präarier vergleicht er d’Arbois’ Nachweis, dass auch in Gallien die Adscripti glebae Domanium utile behielten, wo der Herr das echte Eigen am Land erwarb. Vgl. Ac. 15III90, 186; L. T. Smith, Antiq. June ’90, 258. – L. Gomme, The village community at Aston and Cote in Oxfords., Archl. R. I, 29. Noch 1657 besitzen die „Sechzehn“ von Aston genau 16 Hiden zu je 4 Virgaten, verordnen (auch Geldstrafen, Pranger und Tauchstuhl), setzen Beamte, verloosen Wiesen „genau wie (so klagt der Gutsherr, der sich das Dorf unterwerfen möchte) anderswo das [patrimoniale] Gericht des Barons“. Aus den Sechzehn werden 4 Grasvögte gewählt, die Aston, als Submanor, im baronialen Obergericht Bampton vertreten. Die volle Bauernversammlung findet im Freien statt, am Kreuz mitten im Dorfe; dort Verordnetes bindet die Einwohner. Die Sechzehn stellen jährlich 4 Bullen während der Weidezeit auf die Gemeinweide und erhalten für jede dort weidende Kuh eine Gebühr. Für das Recht des „Herrenstiers“ hat man also ohne Noth einen Ursprung ausserhalb der Dorfgemeinschaft gesucht. Die Fluren heissen Heuvogtsheim, Wasservogtsheim u. s. w.: als jeder Beamte führt Germanischen Namen und erhält Land, nicht Geld, als Sold. Die Sechzehn verwalten ferner Gemeindeland z. Th. für die Ortskasse, z. Th. für öffentliche Arbeiten. Obwohl 1657 schon das Yardland (Virgata), und nicht mehr die Hide, die Besitzeinheit bildete, sieht Gomme in den Sechzehn die Spur der einstigen Besiedlung durch Ein Geschlecht von 16 Gruppen-[Familien]-Eigenthümern je einer Hofstelle. Das Sechzehner-Gericht bestand noch 1848. Der Inhaber jedes Yardlands (ursprünglich jeder Hofbesitzer) besitzt 20 Aecker auf der Gemeinflur, 4 auf der Gemeinwiese und darf 8 Kühe (oder 4 Pferde) und 16 Schafe auf Gemeinweide treiben. Noch 1577 bestand jedes Yardland aus einem Bündel über die Flur hin verstreuter Ackerstreifen. G. beschreibt auch die Wiesenverloosung. Mit Recht erblickt er hier den Rest freier Angelsächs. Dorfgemeinschaft. Dass sie archaisch erhalten blieb, dazu wirkten zusammen die Lage im Walde, ohne Strassen, die Ausschliesslichkeit des Ackerbaus, endlich der Bauern Sieg über den Versuch des Manorherrn sich das Dorfrecht zu unterwerfen. Und ein solcher Sieg über Juristenrecht war gewiss eine Ausnahme. So steht zu vermuthen, dass manche später hörige Dorfgemeinschaft einst frei war. – Ders., Chippenham as a village community, Archl. R. I, 102. Ch. sei ein Beispiel eines Ortes, der ohne Herrn, als freie und unabhängige Genossenschaft Land besass und sich selbst regierte. Da eine Röm. Niederlassung nicht vorhanden war, und zur Britischen die [166] Wiltsetas ohne Beziehung blieben, so darf das Dorfrecht als Germanisch gelten. [Die Deutung des Namens als „Kaufmannsheim“, Marktort, scheitert sprachlich an dem pp, nachweisbar in Ann. Anglosax. 878 und Aelfred’s Testament, welches Kürze des Vocals beweist.] – W. Money, Lot meads and commonable lands (Archl. R. Dec. ’89, 344), druckt Protokolle über die alle 5 Jahre wiederkehrende Verloosung des Bodens unter den Grundeigenthümern im Rittergut Sulhampstead-Abbots bei Reading, wie sie bis Ende vor. Jahrh. bestand. Mehrere Kirchspiele hatten Eine Gemeinweide. Die Eintheilung des Bodens des nahen Newbury, je nach der Bewirthschaftung, die er erlaubte, wird genau beschrieben; sie erscheint von der Angelsächsischen wenig verschieden. – J. Taylor, „Land“ [Notes Quer. 9VIII90, 113], früher „Terra“, heisst in Nordengland meist ein Stück Boden, 1–2 Ruthen lang und breit. Eine Anzahl Terrae, in Gemenglage mit denen des Nachbarn, gehörte zu jedem Hofe, zerstreut durch die (meist 3) Felder des Dorfes. 9 (Klein)lande machen in Yorkshire ein Grossland = ½ Oxgang nach dem Grosshundert in einem Dreifelderdorf. – 0Sir Fred. Pollock, The English manor, in „Oxford lectures“ ’90. – Sir F. Pollock, Das Recht des Grundbesitzes in England [s. DZG II, 213], übs. v. E. Schuster (Berl. ’89). Die Uebersetzung ist trefflich gelungen, wie das nur einem Fachmann möglich war (der Die bürgerl. Rechtspflege in England ’87 veröffentlichte). Im Vorwort zeigt Sch. die verfassungsgeschichtl. Wichtigkeit des Stoffs: hier erhellt die Gebundenheit des Einzelnen durch den Staat, der Sieg der Gewohnheit über das Gesetz. Der Verf. hat zahlreiche Nachträge, über die Gesetzgebung bis ’88, zugesetzt; neueste Literatur, auch Deutschen Rechts, wird bisweilen verglichen, besonders in den Anmerkungen, von denen [nicht erkenntlich ist wie] viele vom Uebs. herrühren. Bei Citaten Kemble’s und Seebohm’s hätte das Vorhandensein Deutscher Uebereetzungen erwähnt werden sollen. Technische Ausdrücke sind meist mit Recht beibehalten; leider nicht immer: so wird nicht jeder Deutsche „gemeines Recht“ als Common law verstehen. Allein „laws, der [!] Statute of, survey, Black death, James“ liessen sich verdeutschen. St. Paul’s erfordert für Nichtbriten den Zusatz „zu London“. 260,1 lies 8ten; 269,3 v. u. fehlt: zu widersprechen; 81 vertausche real und personal. Den Index wird mancher voller wünschen. Vgl. Eheberg, DLZ 1891, 100. Wesentliche Ergebnisse zieht hieraus E. Elfisch, Rechtsverhältniss des Grundbesitzes in Engl., Voss. Ztg., Beil. 23III90. – Von Fr. Seebohm, The English village community erschien 04. Aufl. ’90. – E. Werunsky zieht MIÖG VII, 665 ausführlich aus: Fr. Seebohm, Die Engl. Dorfgemeinde, übs. v. Th. v. Bunsen, Heidelb. ’85. Mit Recht [?] schliesse Seebohm, dass die Dorfgemeinde zu Ines Zeit schon hörig war, und stelle im einst Römischen Deutschland die ländlichen Verhältnisse der Römerzeit und des früheren MA. in ununterbrochenen Zusammenhang. Cap. VIII sei Seebohm’s Glanzpunkt, IX schwächer, wo die Grundlage des Fronhofs im German. Besitz von Leibeigenen gefunden wird. Wer. tadelt mit Recht, dass Seeb. aus Tacitus Germ. 16 Hofsiedlung der Häuptlinge und Freien und Dorfsiedlung ihrer Leibeigenen herausliest, und findet unbegründet die Erklärung Engl. Ortsnamen auf -ing durch Alemannen-Siedlung unter Römerherrschaft. Wer. meint, die Angelsachsen fanden in Britannien Dreifelderwirthschaft [167] [?] und Leibeigenschaft vor und behielten sie bei. – Ueber das nicht auf Weiber vererbliche Stammgut Ethel, über den Cotsaeta, den Häusler mit Garten ohne Acker, im Gegensatz zum Hufner, und über den Squire im Gegensatz zum Ritter vgl. R. Schröder, Deutsche Rechte-G. p. 319; 430; 459. – F. W. Maitland, The surnames of English villages, Archl. R. 1889, 1. Wieso besitzt die Ortschaft (Dorf, Kirchspiel) in historischer Zeit kein eigenes Gericht (sondern höchstens eine Versammlung zu Zwecken der Ackergemeinschaft), und ist das Hundert die niederste Körperschaft mit Gericht? Das vorhist. Hundert versah vielleicht beides, Recht und Wirthschaft, m. a. W. Hundertschaft und Ortschaft fiel zusammen, bis Ortschaften mit kleinerem Bezirk und Beruf aus jenem herauswuchsen. Denn nachweislich war erstens mancher Ort so gross wie heute manches Hundert, besonders im Südosten, zweitens zeigt der unterscheidende Zusatz zum sonst gleichen Namen benachbarter Ortschaften, dass diese aus Einem Dorf erwuchsen. Jener Zusatz (z. B. Alt- und Neu- oder Königs- und Bischofs-) nennt bisweilen die Herrschaftsfamilie, so die Bassets; da diese erst im 12. Jahrh. gross wurden, auch im Domesdaybuch noch Ein Name die heutigen zwei Orte deckt, so erfolgte die Spaltung in mehrere Dörfer erst im 12. Jahrh., anderswo nachweislich erst im 13. – SatR 25X90, 487 entwickelt aus M. Kovalevsky’s Tableau des origines et de l’évolution de la famille et de la propriété (Stockh. ’90) die Gesch. der Russ. Dorfgemeinschaft und Grundbesitz-Ausgleichung. Diese spreche gegen die Theorie, dass der ähnliche Zustand in England aus der Sklaverei stamme. Die Aeckerverloosung z. B. ist in Russland eine frühe sozialist. Umwälzung gegen den Versuch des Individualeigens an Land. Eine deutliche Dorfgemeinschaft in Nordbritannien biete Newton-upon-Ayr. – Ueber das Flursystem vor den Angelsachsen vgl. DZG V, 448.

Hundred. Rape. E. Peacock (Notes Quer. 14II91, 125): In Lincolnshire sind jetzt 24 Wapentakes und 7 Hundreds. Auch der (amtlich?) als Hundred bezeichnete Distrikt Lawress, einst Laulris, gilt an Ort und Stelle als Wapentake. – Fr. Ern. Sawyer, Sussex Domesday studies; I: The Rapes (Archl. R. I, 54). Diese 6 Bezirke seien (wie schon Palgrave behauptet) erst von den Normannen eingeführt; der Name bedeute, wie Isländisch hreppr, Land durch Messseil eingetheilt. Dafür spreche die nicht der Natur folgende, geradlinige Begrenzung, und die Benennung nach den unter den Angelsachsen noch unbedeutenden Hauptstädten; endlich beweise die Pflicht der Gutsbesitzer zur Burgwacht, die später zur Schlosssteuer wird, militär. Entstehung der Rapes. [Der Beweis ist keineswegs zwingend. Bramber ist falsch erklärt, der Name begegnet für den Fluss schon in meinen „Heiligen Englands“ II, 48.] – J. H. Round, The Sussex rapes, Archl. R. I, 229 f. Gegen Sawyer spricht 1. Analogie; die Normannen theilten sonst nie in England neu ein und haben in Normandie keine Rapes [soweit auch Howorth]; 2. ihre Rittergutsgrenzen decken sich keineswegs mit denen der Rapes; und Domesday scheint bisweilen Angelsächs. Steuerfreiheit mit „foris rapum“ zu verbinden. – H. H. Howorth, eb., glaubt an Skandinav. Ursprung. [Ohne Beweis. Das Wort spricht eher für Angelsächs. Entstehung: [168] rāp, masc., das der Schreiber mit rapus genau wiedergibt, entspricht Deutschem Reif, Nddt. rēp: ersteres heisst auch Kreis, letzteres Flächenmass. Die Bedeutung machte wie Kreis und Tun (town) den Weg von der Umschliessung zum Umschlossenen.] – Ueber die Bezirke Scipsocn (scipfylleđ), meist aus je 3 Hundreds, auf die das Rüsten der Kriegsschiffe umgelegt war, vgl. K. von Amira, Paul’s Grundr. Germ. Phil. II, 2, 106.

Sippe. Frauen. Blutsbrüderschaft. Schröder, Deutsche Rechts-G. behandelt aus dem Angelsächs. Recht den Entfall der väterlichen Gewalt bei Volljährigkeit (p. 313), die Gesammtvormundschaft der Sippe (316), die Parentelen (323), und sieht in der Morgengifu (302; 306; 686) eine Wittwenversorgung, die dazu neigt, in gesetzlichen Antheil (Hälfte) des Gesammtvermögens, nicht bloss der ehelichen Errungenschaft, überzugehen, sobald ein Kind geboren ist; denn meist neben Kinderlosigkeit wird sie erwähnt. – Paul Gide’s [† 1880] Condition privée de la femme gab wenig vermehrt heraus A. Esmein, Paris ’85. Dass die Muttermagen für Todschlag oder Tod ihres Verwandten an Zahlung bezw. Empfang des Wergelds Theil nahmen, ist aus Aelfred 27, dem einzigen Angelsächs. Citat, (und a. Stellen) richtig gefolgert; dass sie aber für ihn Fehde trugen, steht nicht da. Für späteres Engl. Recht beschreibt Gide im Allgemeinen den Gegensatz zwischen strictem Common law und Equity, und p. 249 das Recht der Frau, besonders im Erbrecht, schildert aber ihre Ausschliessung von Landeigenthum zu sehr als bei allen Tenures gleichmässig. Die Beschränkung der Handlungsfreiheit wird mehr kurz dogmatisch hingestellt als historisch entwickelt – L. Gomme, Widowhood in manorial law, Archl. R. II, 184. Das Gemeine Engl. Recht gibt der Ehefrau von der Ehe ab das Recht auf ein Drittel vom Vermögen des Ehemannes. Dagegen Gebrauchsrecht einiger Rittergüter verleiht der Wittwe Freebench d. h. Erbrecht am ganzen oder, je nach verschiedenen Gegenden, theilweisen Land, das der Mann im betreffenden Rittergute besass. Einige Rittergutsrechte bestimmen, dass, wenn die Wittwe wieder heirathet oder unkeusch wird, sie das Land verliert. Im letzteren Fall erhält sie es wieder, wenn sie ins Gutsgericht reitet, rückwärts sitzend auf schwarzem Schafbock, mit dessen Schwanz in der Hand. [Der Bezweifler erfährt hier Tadel und sollte Angesichts Grimm’s Rechts-Althh. 453 vorsichtig sein.] Verf. erblickt, gestützt auf Parallelen mit Hindu-Recht, im Erbrecht der Wittwe am ganzen Landbesitz eine Spur urältesten Brauches, der trotz und neben den German. Volksrechten local sich erhalten habe und aus einer vorrömischen Dorfgemeinschaft entstamme [?]. – H. G[aidoz]: La fraternisation (Mélusine 1889, 330) erzeugte den Brauch, den Engl. Dramen des 16. Jahrh. kennen, dass wer Jemandes Gesundheit trank, den Arm ritzte und Blut in den Becher träufelte. – Vgl. unten p. 171.

Königthum. Gefolge. Stände. J. v. Pflugk-Harttung, Zur Thronfolge in den German. Stammesstaaten (Savigny Z. Germ. XI, 203), bemerkt Bekanntes über die Thronfolge bei den Gaelen, und den Antheil der Geistlichkeit an ihr: des Columba, Bonifaz’ und der Northumbrer 796 [und zwei Menschenalter früher]. – 0Garry, The coronation ceremonial of [169] English kings, Quart. Jl. of the Berks. archl. soc. 1888. – 0Sir Fr. Pollock, The king’s peace, wird als wichtigster Aufsatz der „Oxford lectures“ (’90) bezeichnet, wegen jurist., polit., histor. u. allgemein literar. Grundlage, SatR 17I91, 77. – Ueber Howard, King’s peace vgl. DZG V, 390. – Die Oferhyrness, overseunessa von 120 Shilling entspricht dem Fränk. Königsbann; Schröder Rechts-G. 341. – Im Grund besitzenden Gesith der Gesetze Ine’s 51, 63 erblickt Brunner (SB Berl. Ak. 1885, 1189) einen Mannen, der Land vom Herrn unter der Bedingung der Treue im [Kriegs]dienst erhalten hat; löst er das Dienstverhältniss durch Fortzug oder bricht er es durch Heerfahrt-Versitzung, so fällt das Land an den Herrn zurück. In ähnlicher Weise erklärt sich das Heergeräthe, welches beim Todesfalle des Mannes dem Herrn zusteht, daraus, dass dieser bei Eingehung des Dienstverhältnisses und für dessen Dauer Pferd und Waffen seinem Mannen gegeben hat. Brunner vergleicht Westgoth. und Langobard. Recht. – Rud. Kögel: Sagibaro (ZDA 33, 13) sei ein Königsdegen, der einem höheren folgt und beisteht, ein Untergraf, des Grafen Hilfsbeamter; sagi- gehört zur Wurzel seq (folgen); Angelsächs. secq (Mann) sei eigentlich Gefolgsmann; Gerefa, wie Graf, weniger Schultheiss als Zahlmeister. [? Mit Unrecht citirt er Anglolatein. Rechtsquellen dafür, dass Baro sich mit Königsdegen decke: sie entstanden erst nach 1100.] – A. G. Little, Gesiths and thegns, EHR ’89, 723. Dass Gesith der Taciteische Comitatus sei, finde Bestätigung im Heriot, dem der Satz (Germ. 14) „exigunt – – equum, frameam“ entspreche. Es begegnet a. 946–55 (Cod. dipl. 1173) und vielleicht Beowulf 1021–50. Die Freiwilligkeit erhellt aus wilgesiđas, Beow. 23. Das Institut verträgt sich nur mit der Kindheit des Staats und wird von den Thegnas als den lebensfähigeren verdrängt; nicht etwa bloss der Name ist verändert. Thegn heisst der gedeihende [?], wachsende, Junge; er ist ursprünglich ein Hausdiener [nur?] im königlichen Hofhält u. setzt den Libertinus in Germ. 25 fort. Seine Bedeutung wächst mit der seines Herrn, des Königs: mit Ecgberht von Wessex erscheint er zuerst in Urkunden wichtig. – Die Gesith des 7. Jahrh. sind nicht mehr Tacitus’ Comites, sondern erblich, auch Grundbesitzer [bisweilen] in Beziehung zum König. Wo Beda mit Comites das ältere Gefolge meint, übersetzt Aelfred nicht wie sonst „Gesiđ“, sondern „Geferan“. Beda’s Ministri, milites, bei Aelfred Thegnas, sind noch des Königs persönliches Gefolge (wo Milites als Rathgeber auftreten, übersetzt Aelfred „Witan“), das aber bereits Land als Lohn erhält für geleisteten oder künftigen Dienst, (bisweilen) im Heer oder für die Thronfolge eines Prätendenten. Mit Unrecht lese man aus Leod-gethincth und Wergild 2,9 (Rechtsdenkmälern, die in spätere, Dänisch beeinflusste Zeit gehören) heraus, dass blosser Besitz von 5 Hiden zum Thegn machte. Vielmehr ist die übrigens auch dort erwähnte Beziehung zum König das Wesentliche. (Aethelred basirt 1008 den Kriegsdienst auf 8 Hiden; und Urkk. des 10., 11. Jahrh. kennen Rustici mit 8 Hiden.) Vielmehr bildete Fünfhidenland die regelmässige Ausstattung und daher das technische Zeichen [?] des Thegn. Königsthegn, ausgestattet mit 5 Hiden, ist unter Ine 23 f. der sechshyndige Walliser und der zwölfhyndige Sachse [?]. Denn letzterer entspricht dem Fränk. Antrustionen und muss, da der Germane durch Geburt doppelt soviel wie [170] der Wäle gilt, gleichen Amtsrang wie jener sechshyndige haben, also, was nur bei letzterem, dem erst kürzlich in’s Königsgefolge Aufgenommenen, erwähnt wird, ebenfalls mit 5 Hiden ausgestattet sein [?]. Die weite Ausdehnung der Thegnas seit dem 9. Jahrh. erkläre sich 1. durch Erblichkeit, 2. durch Aelfred’s Heeresreform. Letztere bleibt unklar; wahrscheinlich theilte er, ähnlich wie später Knut die Hauskerle, die Thegnas ein in Bezirkscompagnien [?] mit einer Burg als Mittelpunkt, wo sie ihren Dienst ableisteten [?]. Solche Einteilung veranlasste vielleicht [?] Malmesbury’s irrige Erzählung, Aelfred habe England in Hundert- und Zehntschaften gegen die Feindeseinfälle eingetheilt; und dazu stimmt Asser’s Nachricht von den 3 Ministri-Cohorten, deren jede einen Monat bei Hofe, zwei zu Haus blieb. – E. Hermann, Noch ein Wort über Mithio; eine rechtsgeschichtl. Studie (Lpz., ’90). Verf. versteht p. 46 in Ine 50 richtig „inhiwan“ nicht bloss als Hausgenossen [ich übersetze Gutsinsassen. Unter dem Strafsatz, der dem Herrn bei regelmässiger Fürsorge über seine Unterthanen (d. h. wenn die Sache überhaupt nicht vor’s öffentliche Gericht kommt) zusteht, scheint mir die Wette an ihn als den (patrimonialen) Richter gemeint]. Eine Unterscheidung zwischen Inland- (Domänen-) Bewohnern und „Folklandleuten“ finde ich in Ine nicht. Und der Northumbrer, der unter einem Grundherrn Land besitzt, braucht keineswegs ein „Folklandbesitzer“ (p. XI) zu sein; auch könnte diese von Wessex weit entlegene, von Ine über 3 Jahrhunderte getrennte Quelle schwerlich hierfür zur Erklärung dienen. Die Verbindung von hrof (Dach), gerefa und Graf, p. 34, ist verfehlt. Legalis in Edward Conf. 23 ist nur rechtsfähig. Der Gegensatz von Inland (p. 45) ist Gafol(geset)land, d. h. zu Pacht ausgethanes (keineswegs Folkland), und beides zusammen, nicht bloss die Domäne, ist Bokland. Der Geneat in Rectitudines 2 ist kein „freier ritterlicher Dienstmann“, p. 54 (vgl. Larking, Domesday of Kent 331*), worauf wohl Verf. verfiel durch Ine 19; auch ist der Cotsetla kein Freier, p. 62.

Stadt. Gilde. R. Sohm, Entstehung des Deutschen Städtewesens (Lpz. ’90), p. 35 f., führt die Gesetze Aethelberht 3 ff.; 8; 10 an für die neben der ordentlichen Composition dem König zu zahlende Bannstrafe bei einem Verbrechen in der Nähe des Königs; Ine 6 (wiederholt Grith 15) straft peinlich den Burgfriedensbruch, wenigstens den schweren, in des Königs Hause, ohne Rücksicht ob dieser anwesend war, und weicht damit früh vom ursprünglichen Rechte ab. – 0G. E. Fellows, The Anglo-Saxon towns and their polity; Diss. Bonn 1890. – T. W. Shore, Early boroughs in Hampshire (Archl. R. Nov. ’89, 286). In Britische Zeit reichen die Westsächs. Städte, wie Winchester, Southampton, hinauf: die Angelsächs. Gemeinde übernahm Keltische Erdwerke; und da nach ihnen manche Hundertschaft heisst, so bestand vielleicht auch diese Eintheilung, dem Walliser Cantred entsprechend, schon vor den Sachsen. – Max Pappenheim, Ein Altnorweg. Schutzgildestatut (Breslau ’88), hält p. 128 eine Beeinflussung des Norweg. Gildewesens durch Engl. Vorbilder zwar im Einzelnen für denkbar, aber weder für erwiesen, noch auch für nöthig anzunehmen, da die Factoren im Norden zur Entwickelung der Gilde ausreichen. Uebrigens [171] hält er fest, die Blutsbrüderschaft sei der Kern der Gilde [?], diese nehme das ursprünglich heidnische Opfergelage nur in sich auf (p. 11). Ein Aldermann, der der Dänischen Gilde vorsteht, aber in jenem Norweg. Statut mindestens nicht erwähnt ist, sei möglicher Weise vom Ausland übernommen; p. 69. – 0E. R. A. Seligmann, Two chapters on the mediaeval guilds of England (Publ. of the Amer. economic assoc., Baltim. ’87). – J. B. Bone: Borsholder (Notes Qu. 10I91, 38), von Borhes ealdor, Burgschaftsvorsteher, begegnen um 1570 in Kent, wofür die Westengländer Tithingman sagten. Und noch heisst Dumb (stummer) borsholder eine mit Kragen und Binde angeputzte Amtskeule, die bei (vielleicht nur noch komischen) Versammlungen auf dem Tische liegt. – G. Newman, Kentish note-book (citirt ebd. 31I91, 98), kennt in der Sakristei zu Wateringbury bei Maidstone einen noch im Anfang des 18. Jahrh. gebrauchten Dumb borsholder. [Ueber diesen s. H. Stevens, Archla. Cant. II, 85.] Diesen Stab führte einst der Borsholder der 12 Häuser, die das Rittergut Chart ausmachten und ein Zehnschaftsgericht bildeten. Im Court leet der Hundertschaft Twyford wurde er jährlich gewählt und zuerst aufgerufen. – Ueber Gross, Gild merchant s. o. p. 115. – K. von Amira a. a. O. 146 leitet von der Bundbrüderschaft, die bei mehreren Theilnehmern sich im Opfergelage ausdrückte, die Gilde ab, aus der nur durch Spezialisirung des Verbandzweckes Kaufgilde und Zunft erwachse.

Strafrecht. H. Brunner, Absichtslose Missethat im Altdeutschen Strafrecht (SB Berl. Ak. ’90, 816), zeigt, wie der Beowulfdichter v. 2486 die ungewollte Tödtung als unsühnbar, todeswürdig betrachtet. Die Misericordia (mercy) der königlichen Billigkeitsjustiz nahm sich, wie Verf. an Engl. Rechtsquellen des 12., 13. Jahrh. zeigt, des unfreiwilligen Todtschlägers an. [Der vermisste Fahrlässigkeitsbegriff folgt aus Aelfred 36, 1.] Des Herrn ursprüngliche Verantwortung für seines Unfreien Schuld schwindet anfangs theilweise, schon in Ine’s Gesetzen gänzlich, durch dessen Auslieferung an die Sippe des Verletzten, oder selbst blosse Entlassung. Ueberall empfängt älteres Engl. Recht durch Parallelen oder Ursprungsnachweise oder Zurückführung des Einzelsatzes auf seinen allgemeinen Gedanken Licht, auch wo seiner nicht (wie jedoch zum Deodand und namentlich zu LL. Henr. 87, 90) Erwähnung geschieht. – Ders., Duodecimal- und Decimalsystem in den Busszahlen der Fränk. Volksrechte (eb. ’89, 1039), erklärt die Busse 66 Schilling 6 ⅓ Pf. für Auge, Hand und Fuss, bei Aelfred 47, 71 für Halbirung des Wergelds mit Abzug eines Drittels, wahrscheinlich des Betrages der Magsühne. Die Busssysteme bei den Angelsachsen führen (aus älterer Zeit) auf die Grundzahlen 12 und (jünger) 10 zurück, die Factoren des German. Grosshunderts (hundtwelftig). – Ders., Abspaltungen der Friedlosigkeit, SavZ f. Rechtsg. Germ. XI, 62. Das Angelsächs. Recht kennt nicht bloss die negative Seite dieses Instituts, den Ausschluss aus Sippe, Vermögen und Recht, sondern gemäss dem älteren Recht, das den Staat zur Tödtung des Verbrechers verpflichtet, auch die Schuldigkeit jedes Rechtschaffenen, ihn zu verfolgen, und später die amtliche Belohnung für seine Niederwerfung; die Hundertschaft ist verpflichtet, den Dieb zu [172] fangen und erhält die Hälfte vom Vermögen des Diebes. Eine Versäumnissstrafe begegnet wenigstens später. Wer den flüchtigen Dieb schont wird friedlos, wer Gerüfte unterlässt, dessen Wergeld schuldig, wer Gerüfte versitzt, bussfällig. Der Staat geht activ gegen das Vermögen des Friedlosen vor. So lange der Friedlose im Asyl weilt, unterliegt er nur der Nahrungsentziehung. Der dorther Ausgelieferte gewinnt das Leben, wird mit Wergeld, Knechtschaft oder Gefangenschaft gestraft, und die Kirche minderte hier wie überall die Todesstrafen zu Gunsten von Bussen. Auf handhaftes Verbrechen stand Friedlosigkeit, bezw. Todesstrafe als deren Vollstreckung, auch ohne amtliche Justiz, durch den Verletzten oder durch den Richter ohne rechtsförmliche Klage. War die Friedlosigkeit zur Verbannung gemildert, so trat sie bei Bannbruch wieder voll ein. Das Fränk. Königthum erklärte den Treueid seines Unterthanen schon gebrochen durch Ungerechtigkeit und Ungehorsam, konnte daher fortan nicht mehr alle Fälle mit strenger Friedlosigkeit strafen, und errang also eine arbiträre Strafgewalt. Wer dieser verfiel, hiess, auch im Normann. und Agnorm. Tochterrecht, „in misericordia (merci)“ des Herrn; er erkaufte diese Gnade durch Amerciamentum, dessen Höhe später für viele Fälle fest bestimmt wird. Als Abspaltung der Friedlosigkeit steht Strafknechtschaft auf Sonntagsentweihung (die später nur Geld büsst), was Brit. Glaubensboten nach Alemannien überführen; sie trifft auch Frau und Kinder, mit deren Wissen der Vater stahl, den Dieb, den Hurer, den wegen Missethat dem Verletzten ausgelieferten Knecht. Ein Jahr lang kann die Sippe ihn lösen, sonst verliert sie den Anspruch auf Wergeld für ihn. Er konnte freigelassen (was die Kirche empfahl) oder verkauft werden. – 0Holmes in Arch. giuridico 42 (’89) behandelt die Verantwortlichkeit besonders mit Rücksicht auf Schadenszufügung durch Sklaven, Thiere und Sachen, die man ursprünglich dem Geschädigten herausgeben oder durch Geld lösen müsse (später dürfe), so dass auch wo eine Sache schädigte, ursprünglich Rache, später erst Ersatz geübt werde. So Kleinfeller, CBl Rechtswiss. IX, 185. – 0L. Günther, Die Idee der Wiedervergeltung in der Gesch. und Philosophie des Strafrechts. I: Das Deutsche Recht (’89) belegt den Talionsgedanken durch Aelfred’s Einleitung. Brunner weist dies ab, da Aelfred bloss die Exodus übersetzt; der Indogermane besass den Gedanken der Entsühnung; das German. Recht folge erst der Kirche, wie in anderen Rückschritten, zur Talion. – 0A. Blanchet, L’amputation de la main dans les anciennes lois monétaires [u. a. der Angelsachsen], Ann. soc. franç. numism. ’90, 226. – Schröder, Rechts-G., behandelt (p. 343) aus Angelsächs. Recht die nur wo Wergeld nicht erlangbar erlaubte Fehde, die Spurfolge hinter Gestohlenem (347), Bussgeld im Gegensatz zur Wita, die dem Friedensgeld entspricht (332). Der Halsfang, das Präcipuum für des Getödteten nächste Verwandte, scheine eine Gebühr für den Friedenskuss [?] (334), die Trennung der Erbsühne (die der Todtschläger der engeren Familie) von der Magsühne (die seine Sippe der weiteren Verwandtschaft des Erschlagenen zahlt), das irrig mit Delatura gleich gesetzte Meldfeoh und das Ersatzgeld neben der Diebstahlsbusse (337 ff.).

[173] Rechtsverfahren. O. Opet, Geschichte der Processeinleitungsformen im ordentlichen Deutschen Rechtsgang; I: Volksrechte (Bresl. ’91). Die bisher angenommene Vorladung des zu Verklagenden durch den Kläger privatim (Mannitio) spricht Verf. den Angelsachsen ab. [Mit Unrecht; denn Hlothaere 10 ordnet Klage und Bürgschaftsstellung zeitlich dem Erscheinen vor Gericht voran (so urtheilt auch Mayer, GGA ’91, 374) und spricht von „anklagen und vor Gericht treffen“, wahrscheinlich nicht im ἓν διὰ δυοῖν]. Er weist allerdings Fälle nach, in denen der Process erst im Gericht, gleich mit der Klagerhebung, begann, aber er beweist seine Behauptung nicht, dass mit dieser Einleitungsform (Mallatio) bis etwa 850 jeder Rechtsgang angefangen habe, und aus ihr allein sich die Dingpflicht aller Freien erkläre. Dass die Mallatio der Angelsächs. Verfassung nicht widerspreche, würde jeder zugeben, auch ohne dass Verf. ausführlich, doch ohne ein neues richtiges Ergebniss, die Angelsächs. Gerichte geschildert hätte. [Međel und Thing kann Shire und Hundred nicht entsprechen, weil die Kenter nur in Lathe, nicht in Hundred, Gericht hielten (Stubbs, Const. hist. I, 100); Prälaten spielten in den Grossräthen der Kleinkönige ebensolche Rolle wie in der späteren Reichsversammlung; Ine’s Scirman kann Amtmann heissen ohne Bezug auf spätere Shire]. Um ja der Dingpflicht keinen anderen Zweck als die Mallatio zuzugestehen und letztere also zur nothwendigen Hypothese zu stempeln, leugnet Verf. jeden Antheil der Dingleute an der Rechtsprechung, gestützt auf die bekannten Stellen, die allerdings nur des Richters erwähnen und ihm den Hauptantheil, nicht bloss die Verkündung des Urtheils, zuzuweisen zwingen [ohne doch eine Controle durch die Gemeinde auszuschliessen]. Die Urkunden späterer Zeit, die für die Urtheilsfindung durch die Gemeinde sprechen, scheidet Verf. aus [mit Unrecht; oder er müsste nun die spätere Entstehung des Volksantheils als eine Rückkehr zu alter Sitte erklären]. Seit c. 850 gehe die Dingpflicht der Freien unter, so meint Verf. [und räumt die ihm deutlich widersprechenden Gesetzstellen des 10. und 11. Jahrh. gewaltsam aus dem Wege]. „Vollständige Befreiung von der Dingpflicht“ gewährt das Forstrecht [ja, aber nur den Forstinsassen, gerade gegen Gemein-Engl. Recht. Die Dingpflicht der Reichsunmittelbaren schärfte Heinrich I. 1109–11 ein, und untersagte den nach Versäumnissstrafgeldern gierigen Sheriffs, willkürlich Dinge zu gebieten, mit ausdrücklichem Bezugnehmen auf Altengl. Recht; vgl. DZG III, 213. Die Verfassungsgesch. des 12. Jahrh. müsste Verf. ganz umbauen, um Raum zu schaffen für seine Hypothese, die nicht zu verwechseln ist mit der Thatsache, dass die Grafschaftsversammlung allmählich aristokratischer ward]. Später, im 10. und 11. Jahrh., bestehen für die Processeinleitung die zwei früheren Formen fort: Kläger kommt mit Beklagtem zur Angehung des Richters überein oder spricht den Unvorbereiteten im Ding an. Drittens aber kann er ihn durch die Obrigkeit vorladen lassen. [Erst seit damals? Auch Mayer hält die so späte Entstehung der Bannitio nicht für erweisbar.] Dagegen nicht wirklich existire die Privatladung, von der die Leges Henrici 41, 2 berichten mit den Ausdrücken „mannitio, soinus“, die [wie im Quadripartitus] Fränk. Rechte entstammen; das sei nur gelehrte Erinnerung des Compilators an die Lex Salica. [Dazu berücksichtigt der Satz [174] zu deutlich Anglonormann. Verhältnisse im Einklang mit anderen Stellen; vgl. Bigelow, Hist. of proced. in Engl., Norman 217. Die Formel Schmid Ap. XI (besser Cockayne, Leechdoms III, 287) sagt von einem Erblasser: „niemand sprach ihn klägerisch an in Hundred oder anderer Versammlung, in Marktplatz oder Kirchengemeinde“, letzteres beides doch offenbar im Gegensatz zum Gericht.] Im Einzelnen: Henr. 7, 7 bestimmt Dorfabordnung zur Grafschaft nicht allgemein, sondern nur an Stelle der Herrschaft, die sonst regelmässig dort ihre Hintersassen vertritt; vgl. Maitland, EHR ’88, 419. In p. 60 sehe ich keine Vorladung, in II Cnut 19 = I Wil. 44 Pfändung behufs Erzwingung des Processbeginns, nicht des Urtheilsvollzugs. „Li sumenour“ heisst „die Vorlader“ (laut II Cnut 25 obrigkeitliche), nicht der Kläger. In Hlothaere 8 kommt „mote“ nicht von motian (das allerdings gerichtlich verhandeln heisst, so dass Earle „motie“ bessern möchte), sondern vom archaischen „moetan“, belegbar nur bei Sweet, Oldest texts 650. Leges Henrici entstanden nicht nach 1152. Ueber Ælfred’s Hundertschaften verschlechtert (Pseudo!-) Ingulf nur Malmesbury’s Bericht. Das p. 34 Angeführte ist eine Interpolation vom Ende des 13. Jahrh. im [sog.!] Edward Confessor. Cnut’s Forstrecht ist fraglos unecht, weil es die Versio (Colbertina) Cnut’s benutzt. Die Angelsächs. Urkk. citire man lieber nach Birch oder Earle, Hist. Eliensis und Ingulf nach neueren Ausgaben, p. XI, 10 lies Konrad Maurer; 5,30 Beklagten. Zum Theil diese Lücken in historischem Wissen verschulden die Fruchtlosigkeit dieses einen Abschnittes in der fleissigen Arbeit eines Verfassers, der belesen, vorurtheilslos und juristisch scharf, zum Rechtshistoriker sonst manche Eigenschaft mitbringt. Vgl. CBl f. Rechtswiss. 10, 249. – E. Mayer, GGA ’91, 345, macht gegen Opet für eine Ladung zum Process durch die Partei die Angelsächs. Formel „crafian 7 cwidian“ geltend, analog der Gulathingslög. Vielleicht regele Hlothaere nur zwei Ausnahmen von der Regel (dass der Process mit Ladung beginne und Bürgenstellung erst nach erhobener Klage erfolge); er gewähre nämlich auch bei Klage ohne Ladung dem Kläger Bürgschaft und sichere der aussergerichtlichen Bürgschaft dieselben Folgen wie der nach der Klage. In den 100 Schilling, die Verklagter, wohl dem König, verwirkt, wenn er trotz Bürgenstellung seine processuale Pflicht bricht, findet er mit Recht das Wergeld des gemeinfreien Kenters. Die Höhe der Summe gegenüber der Strafe von nur 12 Schilling bei Bürgschaftsverweigerung erkläre sich aus dem späteren Processstadium [?], wo Ungehorsam schwerer ins Gewicht fiel, oder besser daraus, dass nunmehr der Bürge dem Gläubiger als Schuldknecht verfiel. [Mir scheint das Wergeld an Stelle der Friedloslegung zu stehen, die „eintrat, wenn eine Partei sich weigerte, Erfüllung des Urtheils anzugeloben“; Brunner, Schwurger. 58.] – K. M[aure]r, CBl ’90, 669, vergleicht die Isländ. Ableistung desselben Reinigungseides in drei verschiedenen Tempeln mit Aelfred’s Gesetz 33 [über den Schwur des Klägers wegen gebrochener Gottverbürgung in 4 Kirchen, wogegen Verklagter sich in 12 Kirchen rein schwört; vgl. auch die Reinigung in 3 hundretis I. Aethelred 1, 3; II. Cnut 22, 1; 30, 2; Henric. 64, 9; 65, 3; 67, 1] und ähnlichen Schwüren mancher anderer German. Rechte. – G. Baist, Der gerichtl. Zweikampf (Rom. Forsch. V, 442), citirt aus Gunnlaugsaga 7, dass der [175] Isländer bei den Angelsachsen den privaten Gebrauch des Zweikampfs bei Besitzstreitigkeiten wiederfand, obwohl Angelsächs. Rechtsdenkmäler ihn nicht erwähnen, und das Normann. Kampfordal in ausgesprochenem Gegensatz zu Englands heimischen Rechtsgewohnheiten erscheint. Der Zweikampf im gerichtl Beweisverfahren ist nicht Urgermanisch, den Angelsachsen fremd und erst unter christl. Einfluss eingetreten. – E. Hermann, Die – – – Altgerman. Mobiliarvindication (Unters. z. Dt. Rechts-G., hrsg. v. Gierke 20, ’86) 41 ff., behandelt scharf und selbständig die Spurfolge verlorener Fahrhabe im 10. Jahrh. Er schreibt der Obrigkeit (Polizei) dabei zu weite Thätigkeit zu. Sein Widerspruch gegen Schmid, p. 431 scheitert an thaer up eode (dort hinauf ging, nicht: von dorther zugeführt sei). Zu p. 51: team, Zug, hat nichts zu thun mit temian, zähmen. Zu p. VII : den Sequester verstand auch Houard; aber „l’om, il, sa, sun, lui“ kann nicht Inhaber und Kläger bedeuten, sondern nur ersteren; „vele“ ist einfach dasselbe wie aequalis; s. Littré s. v. égal. Zu p. 63: „swerian be“ heisst Eid leisten je nach Höhe von. Pag. 1043 ist Schmid falsch verstanden, 1801; 1511; 1044 mit Unrecht getadelt, p. 1032 schon von Toller verbessert. Pag. 105 ist „sun seinur“ nicht der Eigenthümer beschlagnahmten Viehes, sondern sein (des Entwenders) Herr. Gegen p. 149 („ceapian“ stets gewerbsmässig handeln) spricht Atbt. 77. Pag. 150 heisst „up“ nicht öffentlich, sondern „auf dem Lande“. Dass von jeher jeder Kauf gerichtlich geschah, ist unbewiesen. – R. Schröder, HZ 65, 308, stimmt Brunner bei, dass im Angelsächs. Gericht die Bestätigung des vom Richter vorgeschlagenen Urtheils durch die Gemeinde nur theilweise zu bloss passiver Assistenz sank. – Ders. behandelt, Deutsche Rechts-G. p. 349 f., die Klage mit Anefang, den Treuhänder, das Verbot von Unbekannten oder zeugenlos zu kaufen und 365 f. die Pfändung durch die Partei auf Zahlungsbefehl des Richters nach nicht eingehaltenem Gelöbniss der Urtheilserfüllung.

Kirchenrecht. Zehnt. Asyl. Vgl. DZG V, 458; 461 f.; oben p. 142. – J. H. Round, The south porch (Archl. R. II, 215). Unter der Südthür der Kirche fand Wittumbestellung statt [wie in Deutschland unter der nördlichen „Brautthür“ Eheschliessung; Weinhold, Dt. Frauen I, 378], aber auch Pachtzahlung, sonstiges Rechtsgeschäft und sogar in Canterbury in Angelsächs. Zeit Erledigung von Processen, die Hundertschaft, Grafschaft und Königsgericht nicht hatten beilegen können. Dies citirt Eadmer aus Leges vor 1066 [deren sonstige Spur fehlt. Die Stelle entnimmt Round der schlechten Copie bei Gervas, die zweimal sinnlos lautet. Aus Eadmer selbst druckte Raine, Lives of – – – York I, xlvj.] – J. Blötzer, Die geheime Sünde in der altchristl. Bussdisciplin (ZKTh XI, 593), zeigt, dass Beda und Egbert nur dem, der öffentlich sündigte, öffentliche Busse bestimmen, nicht dem geheimen Sünder. – 0D. Tesoroni, The Anglo-Saxons at Rome, legt nach ungedruckten päpstl. Archivalien die älteste Niederlassung des Angelsächs. Klerus nahe dem Vatican dar, schenkt aber nach Ac. 10VIII89, 87 einigen Angelsächs. Chroniken zu viel Glauben. – 0Roundell earl of Selborne, Ancient facts and fictions, concerning churches and tithes (’88). Er behauptete bereits 1886 in A defence of the Church of England against [176] disestablishment (3. Aufl. ’87), dass die Kirchen unabhängig (vom Staat nur bestätigt) begründet und begütert worden seien, dass die heutige Anglican. Kirche die des MA. fortsetze und keine Schöpfung des Staats sei. [Vgl. LawQR ’87, 243; CBl Rechtswiss. Jan. ’90, 160.] Hier durchforscht er (nach A. T. Lyttelton, EHR ’89, 765) sorgfältig, genau und unparteilich die Quellen des canon. Zehntenrechts und die Gesch. des Zehnten in der Abendländ. Kirche. In Theil II will er beweisen, die Dreitheilung des Zehnten, von dem nur ein Drittel dem Klerus gehörte, war nie allgemeines Engl. Recht, sondern ruhe auf interpolirten oder fremden Sätzen eines Fränk. Capitulare, dem Excerptiones [Pseudo-] Egberti und Canones Aelfrici, reine Privatarbeiten, nur folgen. Diese Benedictiner setzen die Dreitheilung in Aethelred’s Gesetz unauthentisch ein [dagegen s. DZG V, 392]. Des Verf. Behauptung, erst Eadgar habe zum Zehnt weltlich verpflichtet, widerlegte schon EHR [vgl. Stubbs, Councils III, 636]; Selborne wollte dazu dem Concil von 787 mit unrecht den nationalen Charakter absprechen. Die Pfarren erhielten ihren Zehnt je durch eine bestimmte Schenkung vom Grundherrn, nicht durch allgemeine Gesetzgebung. Anfangs floss der Zehnt ganz an die Mutterkirche, seit Eadgar ein Drittel an die Landkirche; auch die übrigen zwei Drittel fielen allmählich der Pfarre zu; ein Gesetz darüber ist nicht vorhanden; um 1200 war die Entwicklung fertig. Mit Recht leugnet zwar Verf. eine legislative Kirchspielgründung durch Theodor; aber die Anfänge zu ihr weist ihm EHR bereits aus Eddi (über Wilfrid) und Beda (über Cedd) nach. – Theilweise gegen ihn wendet sich 0W. Easterby, The hist. of the law of tithes in England (Yorke prize essay of – – – Cambridge for ’87); vgl. HJb X, 686; „ausgezeichnet“ JBG ’88, III, 122. – M. E. Bagnall-Oakeley, Sanctuary (Tr. Bristol. archl. soc. ’89/90, 131), verzeichnet die Asyl-Gesetze seit Ine, sammelt werthvolle (auch Kelt.) Notizen [nur ohne Ordnung und Kritik], und bildet Thürklopfer von Zufluchtskirchen aus dem 12.–15. Jahrh. ab, die Hagoday hiessen; der älteste ist vom Durhamer Dom, angeblich von 1140. – 0T. J. de Mazzinghi, Sanctuaries, Staffordshire; vgl. Reliq. ’88, 56; Antiq. 17, 275. – L. Fuld, Das Asylrecht im MA. (Zs. vergl. Rechtswiss. 7, 151), meint, bei den Angelsachsen habe sich das hier besonders frühe Asylrecht des fürstlichen Gebäudes bald zu einem persönlichen der Nähe des Herrschers umgestaltet. [Ging nicht die Entwicklung umgekehrt von der Person auf deren Haus über? Vgl. oben p. 170.] Verf. geht auf Einzelheiten des frühen Engl. Asyls wenig ein, liefert ihm aber reiche Parallelen durch fremde Rechte.

Berlin, März 1891.

F. Liebermann.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 507
  2. Vorlage: Schlewig-Holsteins
  3. Vorlage: uud
  4. Dieser Verweis scheint fehlerhaft zu sein, es gelang Korrekturleser nicht, ihn sinnvoll aufzulösen.