Zum Inhalt springen

Nebenan

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Kurt Tucholsky
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Nebenan
Untertitel:
aus: Das Lächeln der Mona Lisa, S. 113-115
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1929
Verlag: Rowohlt
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in: Weltbühne, 27. Juli 1922
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]
[113]
Nebenan

Im Schankzimmer einer Berliner Kneipe. Nach der Polizeistunde. Der Wirt döst hinter der Theke. Aus den Zapfhähnen fallen monoton Tropfen auf das Blech. Im spärlichen Licht der zwei trüben Gasflammen kauert eine dunkle Gestalt an einem Tisch. Aus dem Extrazimmer tönen Stimmen.

Der Wirt (fährt auf): Na, Willem – nu jeh man nach Hause –! Feierahmt!

Die Gestalt: Laß mir noch ’n bisken, Paul! Bei mir zu Hause frier ick zu Puppenlappen. Wir ham keene Kohlen. Du sitzt ja hier doch noch … Wejen die da … Wie lange kann ’n diß noch dauern?

Der Wirt: Na, die machen noch lange! Wat ’n richtja Kriejerverein is, der hört nich vor morjens sechsen uff. Uah …

Die Gestalt: Sei ma stille! Hör ma –!

(Im Extrazimmer klopft jemand an ein Glas. Es wird still.)

Eine Stimme: Karaden! Im Andenken an das zweite Garderement zu Fuß bitte ich Sie, mit mir unsres allerhöchsten Kriegsherrn und seiner Paladine zu gedenken. Wer wie wir vier Jahre lang Schulter an Schulter im Felde gestanden hat, wer wie wir die gleichen Gefahren, die gleichen Entbehrungen ausgehalten hat – der hat die Pflicht, die über das Reich hereingebrochene rote Gefahr …

Die Gestalt (ist aufgestanden. Alter Mantel mit weiten Ärmeln, abgeschabt und ärmlich): Watn? Wer issn det –?

Die Stimme: … auch fürderhin die Säulen von deutscher Sitte und deutscher Art zu vertreten die Ehre haben. Von hinten erdolcht, hat unser tapferes Heer, die ungeheuren [114] Opfer nicht scheuend, bis zum letzten Hauch von Mann und Roß …

Die Gestalt: Nanu? Die Stimme kenn ick doch … Det is doch … Paule …!

Der Wirt: Wat hastn?

Die Stimme: Wir Offiziere voran, hat das zweite Garderement zu Fuß immer seinen Mann gestanden, wenn es galt, die Fahnen unsres allerhöchsten Kriegsherrn …

Die Gestalt: Paul!

Der Wirt: Schnauze! Wat machste hier sonnen Krach?

Die Gestalt (nähert sich der Tür): Det is er! Det is er! Und wenn ick hunnert Jahr alt wer, die Stimme vajeß ick nich! Det is er!

Der Wirt: Wißte leise sein! Wer is det –?

Die Gestalt: Unsa olla Kompanieführer! Is det son kleena Dicka?

Der Wirt: Ja doch – mit Jlupschoogen!

Die Gestalt: Det is er! Natürlich is er det! Wat saacht er da?

Die Stimme: Folgen Sie auch weiterhin meinem Vorbild, unserm Vorbild, und seien Sie eingedenk …

Die Gestalt: Paul – er hat se alle in Kasten jesteckt! Wer eenen Fußlappen zu wenig hatte: rin in Kasten! Paul, er hat se anbinden lassen, vastehste … die Beljier immer munter drum rum … die ham jelacht, die Äster … er hat ooch jelacht. Wir hatten ihn in Jarneson …, ick ha damals Wache jeschohm. Jede Nacht kam er mit ’ne andre Sau ruff – ick hab imma missen präsentieren! Wat saacht er?

Die Stimme: Solange Deutschland solche Männer hat wie Ludendorff und seine Offiziere, kann es nicht untergehn –!

[115] Die Gestalt: Ick han …!

Der Wirt: Willem! Jeh von de Dhiere wech! Mach dir nich unjlicklich!

Die Gestalt: Ick habe zweendreißich Mark Rente – un Der?

Der Wirt: Wißte von de Dhiere wech!

Die Stimme: Un so bitte ich Sie, mit mir anzustoßen, auf das Wohl …

Die Gestalt: Hab keene Angst, Paule. Ick kann ja die Dhiere janich uffkriejen. Ick … (er schwenkt seine weiten Ärmel. Sie sind leer.)

Das Nebenzimmer: Hurra! Ra! Rra –!