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Nach dem Sturm (Die Gartenlaube 1887/45)

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Nach dem Sturm
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 744–745, 756
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[744–745]

Nach dem Sturm. Von R. Jordan.
Photographie im Verlage von Fr. Hanfstängl in München.

[756] Nach dem Sturm. (Mit Illustration S. 744 und 745.) Ja, er ist vorüber, im Südosten steht das schwarze Gewölk, vom Sturm auf einen Haufen zusammengefegt. Der Sturm ist vorüber. Die beiden Männer, Vater und Sohn, haben ihm Stand gehalten. Hart ging es her und mehr als einmal flog das Stoßgebetlein „Gott sei uns gnädig“ über die stummen Lippen der Beiden, wenn der wüthende Nordwest den Mast zu brechen drohte und im Wogenkampfe das Fahrzeug wie eine Eierschale umhergeworfen wurde. Wie durch ein Wunder entkamen sie dem Unwetter, heil an Leib und Leben, nur mit leichter Havarie am Schiff, aber – o dieses Aber! Wie viel Seufzer, stumme Klagen, verzweiflungsvolle Thränen werden ihm folgen! Die beiden Männer wissen das genau und doch müssen sie die Unglücksbotschaft verkünden. Sobald die Beiden das sichere Festland betreten, strömen sie herzu, die Frauen und Töchter, die Greise, welche nicht mehr „hinauskönnen“, und die Kinder. Sie laufen an den Strand und mit Fragen werden die glücklich Heimgekehrten bestürmt. Nun muß es heraus. Es geschieht auch; aber mit welch zartem vorsichtigen Mitgefühl wissen diese rauhen Männer das Schreckliche mitzutheilen! Das hat Meister Jordan’s Pinsel zu überraschend naturwahrem Ausdruck gebracht.

Sie fischten hoch in der Nordsee, und nicht sie allein; eine kleine Flotte hatte ja den heimischen Hafen verlassen. Da brach das Wetter los; jedes der kleinen Fahrzeuge hatte mit sich zu thun in schwerer Noth und keines konnte auf die Noth des anderen achten. So kamen sie, durch Sturm und Wellen vertrieben, einander aus Sicht. Unter furchtbaren Anstrengungen, stets den Tod vor Augen, suchten Vater und Sohn im schwankenden Boote den Hafen zu gewinnen. Da, backbord von ihnen, unter den tobenden Wassern fast begraben, sehen sie ein zweites Fahrzeug kämpfen. Es hat den Mast verloren; unablässig stürzen die Wogen darüber hinweg; in Gischt und Schaum ist keine Menschenseele, auch kein Schiffsmann zu erkennen. Um das eigene Leben ringend, können die Beiden nicht zur Hilfe eilen. Wer hat den Vater, den Gatten, den Liebsten verloren, für ewig verloren? An wessen Thür wird nun der bleiche Hunger, das Elend pochen? Welches von den unschuldigen, harmlosen Kindlein wird niemals das helle Vaterauge schauen? O unbarmherziges Meer! Sie Alle werden jetzt warten Stunde um Stunde; jedes Boot, welches am Horizont erscheint, wird ihre bange schwache Hoffnung nähren. Das eine oder andere Fahrzeug wird, muß wiederkehren; kamen doch die beiden Erzähler glücklich heim! Gewiß, sie werden kommen, heute oder morgen, oder auch übermorgen! Vielleicht ist jenes Wrack das eines ausländischen, eines norwegischen Schiffes – an solchen Strohhalm klammert sich die bange Erwartung bis zu dem Tage, der die tödliche Gewißheit bringt.