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Mutter und Kind (Gemälde der Dresdener Gallerie)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Mutter und Kind
Untertitel: Von B. van der Helst
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
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Erscheinungsdatum: 1848−1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
aktuelle Zuschreibung des Bildes: von Ludolf de Jongh
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Mother and Child.     Frau und Kind.

[238]
Mutter und Kind.
Von B. van der Helst.

Ueber das Geburtsjahr dieses ausgezeichneten holländischen Bildnißmalers sind die besten Kunsthistoriker nicht einverstanden. Jedenfalls aber muß dasselbe zwischen 1601 und 1613 fallen. Sein Lehrer wird nirgend erwähnt. Um so bewundernswürdiger ist dieser, als Autodidakt anzusehende Maler durch die hohe Vollendung, welche er in seinen Werken erreichte. In seiner vortrefflichen Färbung und Beleuchtung nähert er sich dem alten Zauberer Rembrandt; mit Van Dyk hat van der Helst die breite, klare Behandlung und ästhetische Auffassungsweise der Köpfe gemein und in der Darstellung der Gewandung kann er mit Terburg wetteifern. Ganz besonders zieht die charakteristische, sprechende Wahrheit seiner Portraits an.

Die feine geistreiche Auffassung der Form und des Inhalts menschlicher Gesichtszüge hätten van der Helst den glänzendsten Weg zur naturkräftigen Historienmalerei bahnen können, wenn der Fleiß eine größere Herrschaft über sein unbändiges Gemüth besessen hätte. Er malte, stets im Strudel wilder Zerstreuungen lebend, nur dann, wenn er durchaus Geld brauchte; übrigens betrachtete er seine Kunst ganz als eine Nebensache. Er lachte die Leute aus, welche für seine Bilder schweres Geld bezahlten und dieselben für Meisterwerke erklärten.

[239] Dieser Leichtsinn ist in den Augen des Kunstliebhabers um so unverantwortlicher, als Helst, bei seiner gänzlichen Nonchalance, mehre auf unsere Zeit herabgekommene Bilder malte, welche nur zu genau bezeugen, welcher geistreiche, feurige und kräftige Kopf lachend dem höheren Streben in der Malerei den Rücken wandte.

Eines seiner Bilder, in welchem er seinen höchsten Aufschwung nahm, gilt heute noch für unübertrefflich. Es ist das Schützenmahl im Museum zu Amsterdam, welches die Bürger dieser Stadt ihrem Hauptmanne Wits zur Feier des westphälischen Friedens im Jahre 1648 gaben. Das Gemälde ist von bedeutender Größe und zeigt vierundzwanzig portraitähnliche, lebensgroße Figuren in herrlicher Gruppirung. Sie sind in ihren reichen, malerischen Trachten mit einer Kraft, Kühnheit und Genauigkeit in der Ausführung gemalt, die in Erstaunen setzt. Die Charakteristik dieser Repräsentanten der alten Bürgerschaft Amsterdams ist so treffend, daß der Beschauer vielleicht nirgends bessere Studien als hier über das alte Wort machen kann: „Hie gut Holland allewege.“

Genreartig gehalten, mit einer guten Dosis feinen Humors gewürzt, ist das nicht weniger berühmte Bild in der Pariser Nationalgallerie, wo die vier Amsterdamer Bürgermeister tiefsinnig berathen, welcher Armbrustschütze beim Vogelschießen den Preis erhalten soll.

Ein drittes Meisterstück van der Helst’s, welches unwillkürlich an das Compromiß von de Biefve im Ausdruck der Figuren denken läßt, ist ein Bild, auf welchem dargestellt ist, wie die Repräsentanten von Holland den bekannten Waffenstillstand von 1639 beschwören.

Wir haben hier eins von van der Helst’s Bildnissen: eine Amsterdamer Bürgersfrau im Sonntagsanzuge, ihre etwa sechsjährige Tochter an der Hand haltend. Betrachtet man das Bild, so vergißt man sofort die Kunst des Malers, vor der überraschenden Wahrheit, mit welcher der Gegenstand des Bildes uns entgegentritt. Man stellt, statt das Gemälde als solches zu würdigen, Betrachtungen an über die Zeit und das Leben, welchem diese Frau angehörte. „Jeder Zoll Altholland!“ muß man unwillkürlich ausrufen bei dieser holländischen Gemüthlichkeit, diesem unerschütterlichen, ehrenfesten Wohlbehagen und bei der wahrhaft in’s Holländische übersetzten Poesie, welche in dem Gedanken von einer Mutter mit ihrem Kinde unabweislich sich bei uns hervordrängt.

Dann erst kann man sagen: aber wie ist das gemalt! Breit, sicher, kräftig stellt sich die Arbeit des Künstlers derjenigen der besten Meister im Bildnißfache zur Seite. Dies ist eines derjenigen Portraits, welches der geniale Künstler deswegen so sprechend wahr malte, um aus vollem Herzen über die dargestellte Person lachen zu können.

Van der Helst stiftete in Amsterdam, aus welcher Stadt er sich selten entfernte, die St. Lucasgesellschaft für Maler, in welcher mehrere angesehene Künstler, wie Kretser, Stokade u. s. w., Theil nahmen. Van der Helst aber wußte es immer so einzurichten, daß diese projectirte Akademie nie den Hauptcharakter einer Zechgesellschaft einbüßte. J. van Dyk nennt van der Helst den Castellan der Doelen, die nach dem Namen des Malers die Helstendoelen genannt wurden.

Van der Helst wird gegen 1670 gestorben sein.