Musikalisches (Die Gartenlaube 1854/2)
[24] Musikalisches. Die Hausmusik hat Robert Schumann einen neuen Genre zu verdanken; er hat soeben in der Musikalienhandlung von Bartholf Senff in Leipzig drei Balladen herausgegeben für Declamation mit Klavierbegleitung. Die Musik ist in Verbindung mit dem gesprochenen Worte ganz an ihrer Stelle und vermag zu einem schönen Gedichte und dessen richtigem Vortrage die Seelenstimmung des Zuhörers gar wirksam zu erhöhen. Vielleicht wird man also für die Folge nun bisweilen in Gesellschaft und Concert mit Accompagnement declamiren, wie man jetzt singt. Sei dem wie ihm wolle, diese Balladen müssen schon der Eigenthümlichkeit wegen Interesse einflößen. Nr. 1: „Schön Hedwig“ von Hebbel ist ein Gedicht inniger Freude und Ritterlichkeit. Schumann hat dazu eine Musik gesetzt, welche in dem kleinen Umfange von etwa hundert Tacten lauter Schönes enthält; überall ist vortrefflich Maaß gehalten, nirgends nimmt die Musik mehr Boden in Anspruch, als ihr zukommt; sie umdunkelt die Gruppen nicht, sie giebt ihnen Beleuchtung durch Töne. Nur sechs Seiten, aber eine schöne Gabe. Nr. 2: „Ballade vom Haideknaben“ von Hebbel und Nr. 3: „Die Flüchtlinge“, Ballade von Shelly, sind schaueriger Natur und besonders die letztere ein wild bewegtes Nachtstück. Mit doppelter Macht wird hier das Herz bewegt, wenn zu den düstern Gedichten Schumann’s charakteristisch schildernde Accorde und zuckende Rhythmen ertönen.