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Mund- und Zahnmittel

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Autor: Bock
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Titel: Mund- und Zahnmittel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 745–747
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Curir-Schwindeleien. Geheimmittel, sympathetische Curen, homöopathische Heilkünstelei. Nr. 1
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[745]
Curir-Schwindeleien.
Geheimmittel, sympathetische Curen, homöopathische Heilkünstelei.
1. Mund- und Zahnmittel.


Das sind denn nun die Folgen des Aberglaubens, der uns von Jugend auf systematisch eingepflanzt wird und die Menschheit verdummt, daß das, was zur Heilung von Krankheiten empfohlen wird, um so mehr Anklang und Eingang findet, je blödsinniger und geheimnißvoller, je un- und übernatürlicher es ist. Wahrlich, trotz aller Civilisation und Cultur in unserer Zeit erscheint die jetzige, selbst die sogenannte gebildete Menschheit, sobald sich’s um Gesundbleiben und Gesundwerden handelt, doch noch ebenso beklagenswerth-, ja geradezu verächtlich-unwissend und ungebildet, wie die Hottentotten und die Menschen aus der Stein- und Bronzezeit. Nicht genug, daß jeder Ignorant, der weder von den Naturgesetzen, noch von den Einrichtungen und Processen im gesunden und kranken menschlichen Körper die leiseste Ahnung hat, ganz keck sein Urtheil und seinen Rath über Krankheit, Arzt, Arzneimittel und Heilmethoden angiebt, nein, er curirt auch selbst in’s Blaue hinein, unbekümmert darum, ob er Schaden anrichtet oder nicht! Tagtäglich wächst die Zahl der verschiedenartigsten Charlatanerien und Geheimmittel, und die rohesten Quacksalber aus den niedrigsten Ständen (Harnpropheten, Schäfer, verdorbene Schuster und Schneider, Abdecker, alte Weiber, Wunderdoctoren und Naturärzte etc.) ziehen Massen von Kranken lange Zeit an der Nase herum.

Nur die enorme Unwissenheit in naturwissenschaftlichen[WS 1] Dingen, sowie das entsetzlich geringe Schluß- und Urtheilsvermögen, welches die Meisten besitzen, sind schuld an diesem schimpflichen Aberglauben, der zur Zeit in der Menschheit herrscht und den Menschen weit unter das Thier stellt. Ihn benutzen Heilschwindler aller Art mit dem besten Erfolge, und eine Ausrottung dieses Aberglaubens bei Erwachsenen scheint gar nicht mehr möglich zu sein. Darum, Ihr Eltern und ganz besonders Ihr Lehrer, sucht im Interesse der Aufklärung schon von erster Jugend an Eure Kinder und Schüler dadurch zum richtigen Denken zu erziehen und vom Aberglauben frei zu erhalten, daß Ihr denselben soviel als möglich Einblicke in die Natur und deren Gesetze verschafft. Nur durch eine richtige Erziehung in den ersten Lebensjahren kann der Mensch gut und klug werden. Nur ein Mittel giebt es gegen den Aberglauben und das heißt: das Volk denken lehren.

Daß eine große Zahl von ganz lächerlichen Volksheilmitteln und von theueren Geheimmitteln existiren, daß so viele sympathetische Curen (das Besprechen der Krankheiten) sowie die homöopathische Heilkünstelei noch im Gebrauche sind, das legt ein recht deutliches Zeugniß von der Unwissenheit und dem Aberglauben der jetzigen Menschheit ab. Ja sogar Amulete, die gegen Krankheit jeglicher Art nicht nur, sondern auch gegen Kugel und Schwert schützen sollen, werden noch von Vielen getragen, ja in manchen Gegenden betet man die Krankheiten weg (Verbüßen, Besprechen). Ebenso ist der Glaube an den bösen Blick und die heilsame Wirkung von Lutze’s lebensmagnetischem Hauch noch nicht verschwunden; sogar Lebenselixire, die das Leben verlängern können, werden noch verkauft und noch Manche schneiden sich nur am Freitage die Nägel ab, um sich gegen Zahnschmerzen zu schützen. Sogar gebildete Mütter hängen ihren zahnenden Kindern allerlei Hokuspokus (wie eine Bernsteinschnur, Bänder mit Maulwurfs- oder Schneckenzähnen, kleinen Oliven, in Leder eingenähte Mausköpfe) um den Hals, um Krämpfe zu verhüten, und den Zusatz „unbeschrieen“ beim Loben eines wohlaussehenden kleinen Kindes hört man noch tagtäglich. Daß heilige Nothhelfer und Capellen (Gnadenorte) für einzelne Krankheiten in Hülle und Fülle vorhanden, ist bekannt. Kurz, wo man nur hinsieht und hinhört, trifft man auch sofort entweder auf unverschämte Frechheit von Seiten der Heilschwindler, oder auf Dummheit von Seiten des leidenden Publicums.

Die Geheimmittel, welche entweder nur gegen bestimmte Krankheiten und Schönheitsfehler, oder, als Universalmittel, bei allen nur denkbaren Krankheiten von Nutzen sein sollen, sind entweder aus indifferenten Stoffen zusammengesetzt und darum ganz unschuldig, oder sie bestehen aus wirksamen Substanzen und können deshalb recht leicht gefährlich werden. Meistens werden sie dem Publicum durch erdichtete oder erschlichene und theuer erkaufte Zeugnisse als ausgezeichnete in ihrer Wirksamkeit empfohlen und natürlich für einen unverhältnißmäßig hohen Preis verkauft. Alle Geheimmittel sind gemeine Schwindeleien, theures nichtsnutziges Zeug, und das beste Mittel gegen den Geheimmittel-Schwindel bleibt die Aufdeckung desselben. – Um die Entlarvung der meisten dieser Geheimmittel haben sich außer verschiedenen andern Chemikern und Aerzten ganz besonders die Doctoren Hager, Jacobsen und Wittstein verdient gemacht. Die beiden ersten haben ihre Untersuchungen in den von ihnen redigirten und sehr belehrenden Industrieblättern veröffentlicht, der letztere gab ein vortreffliches, nicht blos den Aerzten und Apothekern, sondern auch dem übrigen, nämlich dem durch die Geheimmittel fort und fort geprellten Publicum verständliches und nützliches Taschenbuch der Geheimmittellehre[1] heraus. Auch im „wirthschaftlichen Hausschatze“, einem empfehlenswerthen Rathgeber für’s häusliche Leben,[2] findet man, außer einer Menge praktischer Winke für Küche, Keller, Toilette, Garten, Wäsche etc. die meisten Geheimmittel entschleiert.

Wir wollen nun die vorzugsweise in der Gunst des Volkes stehenden Geheimmittel, und zwar vorzugsweise nach den Untersuchungen oben genannter Doctoren, vornehmen und mit sympathetischen und homöopathischen Scherzen würzen. Denn ebenso scherzhaft wie die sympathetischen Curen mit allerlei Hokuspokus sind auch die homöopathischen, bei denen jedweder Hanstoffel, wenn er nur lesen und sich Dr. Müller’s Haus- und Familienarzt, oder Dr. Hirschel’s Arzneischatz kaufen kann, die prächtigsten homöopathischen Curen an seinen Mitmenschen zu machen im Stande ist. – Der Geheimmittelschwindel steht in den nordamerikanischen Staaten in der größten Blüthe und übersteigt wirklich alles vernünftig Denkbare; aber gegen die dortigen Reclamen sind auch die von Hoff, Daubitz und Goldberger nur armselige [746] Stümpereien. Das Nonplusultra von amerikanischem Geheimmittelschwindel ist folgendes: Durch Dr. Allinhead’s Diamanttropfen (aus den Säften geheimnißvoller Kräuter des tropischen Klimas bereitet) wird der ganze Mensch durchsichtig. Fünf von diesen Tropfen eingenommen, und das Individuum bekommt ein leichtes Frösteln und verfällt in einen sanften Schlaf, in welchem es gelind transpirirt. Schon nach einigen Minuten beginnt der Körper eine eigenthümliche Leuchtkraft anzunehmen und nach weniger als einer Viertelstunde ist der ganz fest schlafende Mensch vollkommen durchsichtig. Man sieht jetzt hinein in alle Geheimnisse des Lebens und etwaige Krankheitszustände erkennt man sofort. Die Durchsichtigkeit hält nicht lange an und es ist daher nöthig, daß ein rasch beobachtender Arzt zugegen ist, als welcher sich natürlich der Erfinder der Diamanttropfen, von welchen fünf Tropfen zwanzig Dollars (etwa achtundzwanzig Thaler) kosten, empfiehlt. Nach dem Transparentgewordensein bleibt nur eine kleine Erschöpfung zurück. – Nach Amerika ist Oesterreich die Pflanzstätte der modernen Beutelschneiderei, des Geheimmittelschwindels und der Marktschreierei, und davon trägt die dortige faule Patentwirthschaft die Schuld. Gegen dreitausend Geheimmittel giebt es in Oesterreich, welche in Zeitungen, unter Kreuzcouvert und in Preiscouranten ausgeboten und leider auch von Apothekern bereitet werden.

Die Mund- und Zahnleiden sind durch so viele Geheim-, sympathetische und homöopathische Mittel zu verjagen, daß man gar nicht begreift, warum sie überhaupt noch existiren und die Menschen plagen. – Von Geheimmitteln sind die folgenden von den oben genannten Herren untersucht worden:

Mundwässer: Anatherin-Mundwasser von Popp in Wien, von welchem das sechs Loth enthaltende Glas 1 Thaler kostet, aber kaum den sechsten Theil werth ist, besteht hauptsächlich aus Quajak- und Sandelholz, Myrrhe und Chinarinde. Der Verfertiger scheint übrigens dieses Wasser anders zu bereiten, als er in der dem Patentamte eingereichten und später veröffentlichten Vorschrift angiebt. – Zahn-Mundwasser von Hückstädt in Berlin, zum Stillen der Zahnschmerzen, ist zusammengesetzt aus Aether (16 Th.), Nelken(3 Th.) und Cajeputöl (1 Th.). Das ¼ Loth enthaltende Glas kostet 5 Sgr. und hat nur 1 Sgr. wirklichen Werth. – Kosmetisches Mundwasser von Joh. Pohlmann. Ein Kaffeelöffel voll von dieser Essenz, mit ½ Glas Wasser gemischt, beseitigt den üblen Mundgeruch, erfrischt und stärkt das Zahnfleisch, macht die Zähne elfenbeinweiß und verhindert das Lockerwerden und Ausfallen derselben. Anissamen und Zimmet (von jedem 8 Loth), Quajak- und Benzoeharz (von jedem 4 Loth), Bertramwurzel (4 Quentchen) und rectificirten Weingeist (8 Pfund) lasse man einige Tage lang digeriren und filtrire die Flüssigkeit, setze hierzu 2 Quentchen feinstes Pfefferminzöl und 1 Pfund Löffelkrautwasser. – Mundwasser von Thiel in Berlin, gegen jede Art Zahn- und Zahnfleischleiden, üblen Mundgeruch, ist bereitet aus Krauseminze, Salbei, rothem Sandelholz, Wasser und Weingeist. Das acht Loth enthaltende Glas ist etwa 1 Sgr. werth. – Odontine von Dr. Pelser-Berensberg (Witte in Berlin), als Mundwasser gerühmt, besteht aus einem mäßig mit Sandelholz gefärbten Weingeist, gemischt mit Pfefferminzöl, Fenchelöl und Nelkenöl. Das drei Loth enthaltende Glas, das mit 2 Sgr. hergestellt werden kann, wird um 15 Sgr. verkauft. – Fluid-Ozon (Ozène) von Kroth in München (leider von Liebig attestirt), ein Mund- und Waschwasser, welches, wie Wasser verdünnt, alle üblen Gerüche zerstören soll. Es ist eine wässerige Lösung von übermangansaurem Natron, verunreinigt mit schwefelsaurem Natron und Chlornatrium. – Gesundheits-Blumengeist von Wald in Berlin, ein angeblich aus den feinsten Blüthenstoffen hergestelltes Parfüm, welches, mit Wasser verdünnt, ein unübertreffliches Mund- und Zahnwasser sein soll und weit theurer als Eau de Cologne ist. Es ist ein Gemisch aus 500 Th. Spiritus, 5 Th. aromatischer Tinctur, je 2 Loth Bergamott-, Lavendel- und Rosmarinöl, 3 Th. Thymianöl und 1 Th. Krauseminzöl. – Mundwasser des Dr. Pfeffermann, ist eine filtrirte Tinctur aus Sternanis (1 Loth), Gewürznelken (1/8 Loth), rother Chinarinde (1/8 Loth), Spiritus (24 Loth), Pfefferminzöl (10–12 Tropfen). Eine Flasche von 5 Loth kostet 27½ Sgr. oder von 10 Loth 11/3 Thlr., und ist nicht das Viertel werth.

Zahntincturen: Zahntinctur von Nic. Baké in Stuttgart, ist eine mit schlechtem Branntwein bereitete Wermuthtinctur, von welcher der Leidende so viel nehmen muß, bis er berauscht ist, dann hört der Zahnschmerz auf. – Zahntinctur von Jovanovits ist eine Auflösung von Gerbsäure (1 Th.) in der Tinctur von Spilanthes oleracca (18 Th.). – Mailänder Zahntinctur von Rau, Universalmittel gegen alle Zahnleiden und auch zum Reinigen der Zähne, läßt sich durch Digeriren von Kino und Zimmtrinde (1 Th.) mit Alcohol (100 Th.) und Zusetzen von Pfefferminzöl um den zehnfach niedrigern Preis herstellen. – Zahntinctur von Vogler ist ein weingeistlicher Auszug von Quajakholz, Sassafrasholz, Bertramwurzel, langem Pfeffer, Nelken und Sandelholz. – Zahntinctur von Walker in Eßlingen, kostet 40 Kreuzer und ist nur 4 Kreuzer werth; sie läßt sich durch Ausziehen von Bertramwurzel mit Weingeist und Zusetzen von aufgelöstem Kampfer und Quajakharz herstellen. – Zahntinctur von Weber ist eine Lösung von einigen Harzen und Kampher in Weingeist mit etwas Terpentinöl. Das 1 Loth enthaltende Fläschchen koset 36 Kreuzer und sein wirklicher Werth ist 3 Kreuzer. – Zahntinctur von Prof. Wundram (Tooth-Ache-Drops), ein Gemisch aus Cajeputöl, Rosmarinöl, amerikanischem Pfefferminzöl (je 1 Th.), und wasserfreiem Spiritus. – Extract-Radix, von F. Schott in Frankfurt a. M., zur Beseitigung jeder Art von Zahnschmerz, ist ein Branntweinauszug aus Sturmhutkraut und Einbeerkraut. Das höchstens ½ Sgr. werthe Glas kostet 12½ Sgr. – Paraguay-Roux von Roux und Chaix in Paris, ein Universalmittel gegen Zahnschmerzen und Scorbut, eine sehr concentrirte Tinctur der Bertramwurzel, Para-Kresse und Inula bifrons. Dasselbe Präparat soll auch unter dem Namen Cheltenham teeth-liquor im Handel vorkommen. – Spiritus-Bohemi, gegen alle Arten von Zahnschmerzen, ist eine weingeistige Lösung von Kampher und Nelkenöl, 1 Sgr. werth und wird (1 Loth) für 1 Thaler verkauft. – Anthosenz von Heß stillt nicht nur jeden Zahnschmerz, sondern auch alle anderen Schmerzen in kürzester Zeit. Es ist ein Gemisch sehr kleiner Mengen wohlriechender Oele (Nelken- und Palmarosaöl), Moschustinctur und Ananasäther; kostet zwar nur 5 Sgr., ist aber trotzdem noch zu theuer. – Zahnmittel von Höcker in Ronneburg, zur Beseitigung von Schmerzen und Brand der Zähne, besteht aus einer Tinctur (eine Mischung aus 3 Th. Gewürznelkenöl, 1 Th. Cajeputöl und 2 Th. starken Spiritus) und aus einem Pulver (ein fein zerriebenes Gemisch aus doppelt-kohlensaurem Natron und Kochsalz). Preis von 12½ Sgr. viel zu hoch.

Zahntropfen: Algophon, Mittel gegen Schmerzen hohler Zähne, ist eine Auflösung von ätherischem Senföl (¼ Loth) in Löffelkrautspiritus (2 Loth.) – Zahntropfen von Dr. Davidson, ein Gemisch aus gleichen Theilen Cajeput- und Nelkenöl, mit etwas Morphium in Weingeist gelöst; jetzt nur ein Gemisch aus 3 Theilen Cajeput- und 1 Theil Nelkenöl. – Zahntropfen von Oberläuter, auf Baumwolle in den Zahn zu bringen, ist eine weingeistige Lösung von Birken- oder Fichtentheer und das kaum ein halbes Loth enthaltende Glas kostet fünf Silbergroschen, ist aber nur einen Pfennig werth. – Zahntropfen (mit elektrischem Strom) von Traberth in Eisenach, sind eine Mischung von viel Schwefelkohlenstoff und wenig ätherischem Senföl in rothgefärbter Baumwolle. Das kaum ein halbes Quentchen Flüssigkeit enthaltende Gläschen kostet 15 Sgr., während sein wirklicher Werth sich noch nicht auf 2 Sgr. beläuft. – Odontine, gegen Zahnschmerz, eine Mischung von Cajeputöl (1 Theil), Wachholderöl (1½ Theil), Nelkenöl (1½ Theil) und Aether (12 Theile.) – Feytonia (gegen Zahnschmerz), ist eine Lösung von Kampher (1 Th.) in Cajeputöl (2 Th.) und Chloroform (4 Th.), nebst einer Spur Nelkenöl.

Balsam: Zahnbalsam von Hoffmann in München, zur sofortigen Stillung der heftigsten Zahnschmerzen, Befestigung des Zahnfleisches etc. kostet 36 Kreuzer, um das Zwölffache mehr, als der wirkliche Werth beträgt, und läßt sich durch Versetzen von Catechutinctur (¼ Loth) mit Nelkenöl (28 Tropfen) herstellen. – Henriettenbalsam gegen Zahnschmerzen und scorbutische Zustände des Zahnfleisches, soll durch Ausziehen der unter dem Namen Carobe de Giudra vorkommenden Auswüchse der Pistacea Terebinthus mit dem dreifachen Gewichte Weingeist bereitet werden. – Opiate pour les dents von Pinaud, eine Zahnlatwerge aus rothgefärbtem Zuckersyrup, Kreide, Gyps und Magnesia. Kostet 36 Kreuzer bei einem Werth von 12 Kreuzer.

Paste: Aromatische Zahnpasta von Suin de Boutemard in Rheinsberg (dem verkappten Goldberger in Berlin), eine feste Masse aus Oelseife, Stärkemehl, Kugellack, kohlensaurem und schwefelsaurem Kalk, Bimsstein und ein wenig Pfefferminzöl. Anderthalb Loth kosten 21 Kreuzer, um 18 Kreuzer zu viel. – Odontine-Pasten, zum Reinigen der Zähne, bestehen vorzugsweise aus Seife oder Fett mit feingepulvertem Bimsstein und Austernschalen, gebranntem Alaun, Zucker, Nelken- und Pfefferminzöl. – Jod-Paste, zum Tödten der Zahnnerven, ist ein mit Berlinerblau gefärbtes und mit Glycerin in Teigform gebrachtes Gemenge von arseniger Säure und salzsaurem Morphin. Sie enthält also gar kein Jod und ist ¼ Frank werth, kostet aber (etwa 17 Gran) 5½ Franken. – Puritas, k. k. patentirte Mundseife von Dr. C. Faber, berühmtes Reinigungs- und Conservirungsmittel der Zähne, kostet 20 Sgr. und ist 2 Sgr. werth. Obschon patentirt und auf der Londoner Ausstellung mit Medaille belohnt, ist diese Seife doch nur ein ganz gewöhnlicher Schwindel der Geheimmittelkrämerei. Sie besteht aus 30% Seifenpulver, 50 Schlemmkreide, 15 Florentiner Lack, 5 Alaun, und ist mit etwas wohlriechendem Oele parfümirt. – Aromatische Mundseife von Zalom, deren Patent seit einem Jahr erloschen ist, wird so bereitet: man nimmt 1 Pfund gute Seife, zerschneidet sie in dünne Streifen und löst sie in destillirtem Wasser auf. – Dann setzt man 6 Loth feingesiebter Ossa sepiae hinzu und läßt das Ganze auf gelindem Feuer mit einem Zusatze von ¼ Maß Rosen- oder Orangenblüthenwasser einsieden, worauf noch etwas Pfefferminzöl, Salbeiöl, Jungfernhonig und Weinessigextract zugesetzt wird.

Pulver: Anadoli von Kreller in Nürnberg, orientalische Zahnreinigungs-, Stärkungs-, Erhaltungs-, und Athem-Erfrischungsmasse, ein Pulver, welches 36 Kreuzer kostet und nur 3 Kreuzer Werth hat; es besteht aus Seife (42 Theile), Stärkemehl (44 Theile), levantischer Seifenwurzel (12 Theile) und ist parfümirt mit Bergamott- und Citronenöl.– Chinesisches Zahnpulver ist weiter nicht, als höchst fein präparirter Bimsstein. –

Wolle: Zahnwolle von Bergmann, die jeden Zahnschmerz stillen soll, wenn man sie an einem Ende anzündet, gleich wieder ausbläst und den Dampf der fortglimmenden Wolle einathmet. Es ist ein fingerlanges, in Staniol eingewickeltes Strähnchen von Baumwollfäden, welches nicht einen Pfennig werth ist und zwei und einen halben Silbergroschen kostet. – Zahn-Pillen von Schreyer, gegen Zahnschmerzen, enthalten als Hauptbestandtheile Kochsalz und Pfeffer, kosten 18 Kreuzer und sind höchstens 1 Kreuzer werth.

[747] Kinderzahnen: Elektromotorisches Zahnhalsband für Kinder der Gebrüder Gehrig in Berlin, welches das Zahnen erleichtern soll, ist ein doppelter Sammetstreifen, in welchem sich der Länge nach zwei übereinander liegende, mit Schwefel imprägnirte Leinwandstreifen befinden. Das Stück kostet 10 Sgr. und sein reeller Werth ist höchstens 2 Sgr. – Zahnperlen (patentirte) für Kinder, von Gehrig und Grunzig in Berlin; eine Schnur mit 36 Perlen aus vulcanisirter Gutta-Percha; 15 Sgr. kostend und nur 3 Sgr. werth. – Zahnperlen von Ramçois in Paris (August Leonhardi in Freiburg), sind nichts als beinerne Kügelchen, kosten einen Thaler und sind nur einige Silbergroschen werth. – Sirup de dentition von Delabarre in Paris, zur Erleichterung des Zahndurchbruchs täglich einige Male auf das Zahnfleisch gestrichen, ist nichts weiter als Safransirup, kostet 3½ Frank und ist schon mit 6 Kreuzern bezahlt. –


Zahnkitt: Zahnkitt von Sorgel in Paris, zum Ausfüllen hohler Zähne, ist basisches Zinkchlorid. – Ein anderes Zahnamalgam zum Ausfüllen besteht aus Quecksilber (69 Theile) und Kupfer (31 Theile).


Die Homöopathie hat gegen Mund- und Zahnleiden eine Unzahl von Arzneistoffen in Nichts-Form aufzuweisen, denn sie führt z. B. bei Zahnschmerzen ganz andere Heilmittel in’s Feld, wenn der Schmerz in den Schneidezähnen sitzt, andere bei dem Schmerz in den Augen- oder Backzähnen, andere, wenn der Schmerz auf der rechten oder linken Seite, oben oder unten wüthet, wenn er nur Nachts, nur am Tage, Morgens, Vormittags, Mittags, Nachmittags gegen Abend, Abends, im Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter auftritt; wenn er sich verschlimmert: Abends, Nachts, durch Wärme, durch Kälte, durch Essen, durch Trinken, durch Sitzen und Liegen, durch Geistesarbeiten, Tabakrauchen, Stochern, Berühren, Saugen an den Zähnen; wenn er sich bessert: durch kalte Luft, kaltes Trinken, Wärme, warmes Trinken und Essen, Kauen, Drücken, Stochern, Liegen, Gehen, Ruhe, Aufsitzen im Bette, Warmwerden im Bette, Tabakrauchen, in der Stube, beim Zähneputzen, durch Schlaf. Im homöopathischen Hausarzte von Constantin Hering sind nicht mehr als 222 (schreibe zweihundertzweiundzwanzig) verschiedene Zustände bei Zahnleiden aufgeführt, von denen ein jeder durch andere (und zwar bis zu zwanzig) Mittel zu heben ist. – Dr. Müller führt dagegen in seinem Haus- und Familienarzte uns dreiundfünfzig solcher Fälle auf, wo aber bei dem einzelnen, ganz bestimmten Falle auch bis zu dreizehn verschiedene Mittel verordnet werden können.

Nun, Leser! wie gefällt dir Das? Da sind mir denn doch die vom dummen Volke erdachten

sympathetischen Curen

noch weit weniger lächerlich, als dieser von angeblich wissenschaftlich gebildeten Männern veröffentlichte Unsinn. – Die wirksamsten von den sympathetischen Curen gegen Zahnschmerz sind folgende: 1) Man nehme einen alten Zahn aus einem Todtenkopfe, reibe den schmerzhaften Zahn damit und stecke den alten Zahn nun wieder in seine gehörige Stelle. – 2) Man spuke auf die untere Seite eines Kieselsteins, den man am Wege findet, und lege ihn nachher wieder an seine alte Stelle. – 3) Man hänge sich einen Menschenzahn an den Hals. – 4) Man spreche leise zu dem Kranken: „Der Herr Jesus warne die Zahnwüthigen; darinnen waren Würmer, drei weiße, drei schwarze, drei rothe; er nahm die andern zwei und schlug sie damit todt. Das sag’ ich dir zur Buße. †††. – 5) Man kann den Zahnschmerz auch abschreiben, wenn man einen Hufnagel nimmt, an eine Stelle geht, wo sich drei Wege kreuzen, und zwischen die Wege auf die Erde die Zeichen schreibt: „Rex, Pax, Max, ppo in Folio;“ darauf schlägt man den Nagel in eine Thür. – 6) Nimm den Zahn eines Todtenkopfes und eine Bohne; bohre ein Löchlein in die Bohne, in dieses stecke eine lebendige Laus, verwahre das Löchlein wohl mit Wachs und trage den Zahn sammt der Bohne, in ein Tüchlein gemacht, am Halse. – 7) Man nehme von dem Moos, das im Beinhause an den Todtenköpfen wächst, und binde es an die Backe. – 8) Man gehe Nachts zwölf Uhr auf den Kirchhof und beiße in ein Todtenbein. – 9) Man jage eine Katze so lange über geackerte Felder, aber immer quer über, bis sie zwischen den Beinen schwitzt; mit dem Schweiße bestreiche man den kranken Zahn und der Schmerz ist für immer vorbei.

Daß sympathetische Curen, und zumal die aufgeführten, das Zahnweh sicherer heilen als die homöopathischen Nichtse, steht fest. Am sichersten wird dieses Weh aber gehoben, wenn der Kranke sofort zum Zahnarzte geht und sich den schadhaften Zahn, wenn es nöthig ist, entweder ausziehen oder reinigen und plombiren läßt. Sodann hat er aber seinen noch gesunden Zähnen die richtige Pflege angedeihen zu lassen, damit sie nicht hohl werden.
Bock.




  1. Taschenbuch der Geheimmittellehre. Eine kritische Uebersicht aller bis jetzt untersuchten Geheimmittel. Zunächst für Aerzte und Apotheker, dann zur Belehrung und Warnung für Jedermann. Von Dr. Wittstein. Nördlingen 1867.
  2. Wirthschaftlicher Hausschatz. Praktische Vorschriften und Rathschläge für alle Vorkommnisse in der Hauswirthschaft und im täglichen Leben. Leipzig. Ambr. Abel.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: naturwissenschaflichen