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Moderne Goldmacher

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Textdaten
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Autor: W. Berdrow
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Titel: Moderne Goldmacher
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aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 763
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Moderne Goldmacher.

Von W. Berdrow.

Sie ist zu keiner Zeit ganz ausgestorben, die Hoffnung des Menschen, durch ein wunderbares Mittel das edle rote Metall, dessen die Welt niemals genug erhielt, aus minderwertigen Stoffen zu erschaffen. Schwindel und Aberglaube haben abwechselnd die Rolle des Treibers bei dieser eitlen Suche gespielt, aber ganz hat kein Mißerfolg die heiße Sehnsucht nach dem „Stein der Weisen“ auszurotten vermocht. Solange die chemische Wissenschaft noch auf der niedrigen Stufe des Mittelalters stand, hatte die Idee, Gold aus geringen Metallen zu machen, nicht einmal etwas Abenteuerliches. Sah man doch damals jede Erschmelzung eines Metalles aus seinem Erz als eine Umwandlung des Gesteins an, warum also sollte nicht auch die Verwandlung eines unedlen in ein edles Metall der fortschreitenden Kunst der Zerlegung gelingen? Viele um die früheste Entwicklung der Chemie verdiente Männer standen völlig unter dem Banne des alchimistischen Geheimkrams, und als letzterer im 18. Jahrhundert in wissenschaftlichen Kreisen den Boden mehr und mehr verlor, blieb doch die Alchimie und der „Stein der Weisen“ noch lange ein schöner Traum des Volkes und selbst der gebildeten Gesellschaft. Johann Friedrich Böttger, der betrogene Betrüger und glückliche Entdecker des Porzellans, hätte davon erzählen können, als ihm nach seiner Flucht aus Berlin der erste König von Preußen beinahe ein paar Regimenter auf sächsisches Gebiet nachschickte und dann August der Starke ihn sechs Jahre lang auf Moritzburg und Königstein, in Dresden und Meißen abwechselnd gefangen hielt, damit er ihm „Gold mache“. Hätte nicht das Porzellan Böttgern gerettet, so wäre wohl der Strick sein Ende gewesen, – so blieb es den Ausschweifungen seiner Genußsucht vorbehalten, ihn schon im 34. Jahre dem Tode zu überantworten.

Böttger hat das Goldmachen nicht herausgebracht, aber noch viele Hunderte haben nach ihm ihr Trachten am „Stein der Weisen“ erschöpft, wenn sie auch immer weniger Glauben und Wertschätzung bei ihren Zeitgenossen fanden. Am wenigsten wohl jener wunderliche Kauz, der sich vor mehreren Jahren bei einem der größten Juweliere Londons einfand – natürlich mit dem „Stein der Weisen“ in der Tasche. Er bewies es auch, daß er ihn hatte, erst mit einem, dann auf Geheiß des Geschäftsmannes mit zwanzig von letzterem hergegebenen Goldstücken, die er erst mit Säure behandelte, dann unter Hinzufügung eines schwarzen Pulvers in einem neue entdeckten Flußmittel schmolz, worauf jedesmal ein Goldklumpen vom dreifachen Gewicht entstand. Dann kam der Hauptcoup! Der Goldschmied sollte 40000 Goldstücke schaffen, der Alchimist wollte sie auf achtzehn Tage in seiner Säure „erweichen“ und dann auf einen Klumpen von 100000 Kronen zusammenschmelzen, von denen jeder die Hälfte erhalten sollte. Leider kam das famose Geschäft nicht zum Abschluß; der Juwelier zeigte sich als ein aufgeklärter Skeptiker, dessen Ansicht dahin ging, daß sein Partner die 40000 Goldfüchse viel eher in einen festen Reisekoffer als in die geheimnisvolle Säure versenken werde, und der moderne Alchimist wanderte ins Gefängnis.

Doch genug von der Vergangenheit und hinüber zur Gegenwart, die in den jüngsten Tagen einen neuen Weg in der „Kunst des Goldmachens“ geöffnet zu haben scheint, der, wenn wir ihn auch mit allem Vorbehalt wiedergeben, doch vor den älteren Träumereien den Vorzug einer sehr wissenschaftlichen Basis besitzt. Dasjenige Resultat der chemischen Wissenschaften, welches bereits vor hundert Jahren allen ferneren alchimistischen Experimenten ein Ende machen zu sollen schien, war die Erkenntnis von der Unzerlegbarkeit der Elemente. Je großer die Reihe der Grundstoffe, aus denen man die ganze Welt der organischen und unorganischen Substanzen zusammengesetzt fand, anwuchs, um so fester erwies sich jedes einzelne dieser Grundelemente gegenüber dem Bemühen, es weiter zu spalten. Man drang wohl noch durch bis zu der Erkenntnis, daß alle Elemente zusammengesetzt sind aus kleinsten Teilen, den Molekülen, daß die Moleküle wiederum Gruppen von sogenannten Atomen sind; aber die Atome kann man nicht mehr sehen, kann nichts mit ihnen beginnen, als sie rechnungsmäßig verwerten, und so blieb die Wissenschaft einstweilen bei dem Punkte stehen, daß ein Goldatom ewig ein Goldatom und ein Wasserstoffatom ein Wasserstoffatom bleiben muß.

Die Forschung warf jedoch in der jüngsten Zeit die Frage auf, ob denn die Atome der uns bekannten Elemente wirklich nur einfache oder zusammengesetzte Gebilde sind. Man könnte sich ja einen Urstoff denken, dessen Atome, zu besonderen Gruppen vereint, das ergeben, was wir heute Atome der Elemente nennen. Wäre diese Anschauung richtig, dann wäre es ja auch denkbar, daß man ein Element zerlegen, in ein anderes verwandeln, aus Eisen Gold machen könnte!

Schon die Wahrscheinlichkeit dieser Hypothese war ausreichend, mehr als einen Chemiker wieder vor das alte Ziel der Umwandlung der Elemente, die so lange für unmöglich galt, zu stellen. Der Amerikaner Caro Lea begann damit, die Auflösung des Silbers durch gewisse chemische Prozesse in einer bisher unerreichten Feinheit zu bewerkstelligen, und an seine Versuche schlossen sich diejenigen des schon bei früheren Arbeiten auf anderen chemischen Gebieten erfolgreichen Chemikers St. H. Emmens in New York, welche noch einen Schritt weiter führten. Emmens behauptet, es sei ihm gelungen, die Dissoziation oder Auflösung des Silbers soweit zu treiben, daß das letztere ohne Hinzufügung eines neuen Elementes seine früheren Eigenschaften erheblich ändert und an Aussehen und spezifischem Gewicht dem Golde ebenso ähnlich wird wie dem Silber. Worin diese Umwandlung besteht, ist schwer zu sagen; Emmens hält sie für eine willkürlich hervorzubringende Aenderung des Atomgewichtes des Silbers, wodurch dasselbe eine Stellung in der Elementenreihe erhält, welche zwischen Gold und Silber etwa die Mitte angiebt. Er hat das von ihm für ein neues Element gehaltene Produkt dementsprechend „Argentaurum“ (argentum = Silber und aurum Gold) getauft und glaubt zuversichtlich, durch seine Entdeckung den ersten und schwersten Schritt auf einem Wege gethan zu haben, auf dem die Menschheit bisher gleichsam nur nachtwandelte: in der Kunst des Goldmachens.

Emmens hält jedoch den Weg, auf dem er zu seinem Ziele gelangt sein will, geheim. So lange er ihn nicht offenbart und so lange seine Versuche von anderen nicht nachgeprüft worden sind, muß er sich schon gefallen lassen, daß die skeptische Welt ihm aufs Wort nicht glaubt, sondern, durch so viele trübe Erfahrungen auf diesen: Gebiete gewitzigt, eher annimmt, daß auch der modernste Goldmacher das Opfer einer Täuschung sei. Uebrigens stehen Emmens und Lea mit ihren Versuchen nicht vereinzelt da. Der bekannte Tausendkünstler Edison hat sich auch mit dieser Frage beschäftigt und es soll ihm gelungen sein, aus Silber einen Stoff zu erhalten, der in seinen physikalischen Eigenschaften, Farbe, Dichte etc., sich wie Gold verhält. Ein anderer Amerikaner, Professor Ira Remsen von der John Hopkins-Universität in Baltimore, soll schon lange das Kunststück, Silber in Gold zu verwandeln, entdeckt haben und sich gegenwärtig mit der Vervollkommnung seines Verfahrens beschäftigen. Neuerdings hat der bekannte Elektriker Tesla eine silberne Platte der Wirkung von Roentgenstrahlen ausgesetzt und will dabei gleichfalls wesentliche Veränderungen in der Beschaffenheit des Silbers erzielt haben.

Soweit jedoch bis jetzt die Versuche der Goldmacher der Neuzeit nachgeprüft werden konnten, hat sich stets gezeigt, daß die chemische Beschaffenheit der behandelten Metalle nicht verändert wurde. In den Retorten der Chemiker ist bislang noch stets ein Wasserstoffatom eben Wasserstoffatom und ein Goldatom Goldatom geblieben. Man kennt schon seit lange eine besondere Abart des Silbers, das rote Silber, das wie Gold glänzt und äußerlich dem edleren Brudermetall täuschend ähnlich sieht. Vielleicht handelt es sich bei den genannten Untersuchung, nur um ähnliche physikalische Veränderungen des Silbermetalls.