Mittelniederdeutsche Minnelieder
[100]
I
Ek hadde my sulves uterkoern
My to troste an herten
Eynen valken, de my wol bevel
Genschich ane smarten;
Myt anghestrickeden schellen.
Her god! most ek on by my han,
So worde we gude ghesellen!
[101]
II
O werde trost, erkenne myn smert,
De ich to dyr an myn herten drage!
Nicht laeß dich syn in vast na schertze,
Bedencke dy recht, wes ich dich sage.
So gans an dich, dat wer myr leit
Unde brenget grot pyn den hertzen myn,
Des nicht vorghet, du schone maget!
Wenth al myn hoppen to dich staet,
Unnde war ick dy gedenenn kan,
So den ich dich vermogenlich,
Synt dy myn herte vyl gudes gan,
Ast billich wer na mynen beger.
Altyt so byn ich dich underdan.
Ich en geer up dusser erden nicht mer,
Dan wat der eren themlich wer,
Synt dich myn herte vil gudes gan,
III
Richke here godtz van hemmil,
Ick klage dich al myn leit,
Das helff mych wedder wenden!
Wan alle de lude sich frouwet unnd synt gemoyt,
Mit willen don ich dat gerne,
Wo et my dar namals geit.
Se luchtet uth eren ogen recht
So de morgensterne,
Ich en wet nicht, war se mich is na er verne,
De my ten frouden is beschert.
Se kan uth eren munde wal
Rode rosen struwen.
Eyn gans lant, dat mach sich er wal frouwen:
Se ist eyn juncfrowe der hogesten schar.
Anmerkungen (Wikisource)
Vorlage für Stammlers Abdruck von Lied I war nach eigenen Angaben:
- Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. 695 Helmst., Bl. 147v Handschriftencensus, geschrieben 1383. Den Text druckte aber bereits Otto von Heinemann: Die Helmstedter Handschriften. Bd. 2, Wolfenbüttel 1886, S. 147 HAB.
Vorlage für II und III:
- Universitätsbibliothek Münster, Hs. 331 (verbrannt), Bl. 35v Handschriftencensus, Anfang 16. Jahrhundert. Erstdruck: Germania 18 (1873), S. 293f. Commons