Mithra
[126]
Mithra.
Sie sagen:
Mystischen Kult hab' einst
Die Höhle belauscht, und Blut
Sei hier geflossen in dampfenden Strömen, purpurn,
Der Gott thront, dem die Opfer verröchelt .... Nacht war's,
Als ich herniederstieg, lautlos, ungeseh'n,
Und im Takt der Wogen pocht' es in meinen Schläfen;
An's moos'ge Gestein
Die zuckenden Hände in's Farrenkraut, und aufstieg
Ein feucht-schwüler Duft daraus wie ein brünstiger Odem.
Ich wollt' ein Geheimnis belauschen, wollt'
Die Macht empfinden, die hier
Ihr Blut hingaben für leuchtende Morgenwolken
Und Leben für Licht .... Noch stand
Die Nacht vor mir, die Königin:
In die Himmel ragte ihr Antlitz
Ihr violenfarbiger Sammetmantel — unter
Den weichen Tritten kräuselte sich die Fluth.
[127] Und still war's.
Wie in Todesstarre lag
Schwarz drohten die Küstenberge
Zu mir herüber, schwarz floß
Mit der Finsternis das Meer zusammen – und
Sie dehnte sich aus und wuchs in meine Seele
Ein Grausen durchs Herz: wenn sie
Nun ewig währte? Wenn dumpf
Und bleischwer ihre Last
Das Leben erdrückte? Ihr Schooß
In lichtloser Ferne der Klang erstürbe? – Hinwelkten
Zuerst die Blumen wie Kinder; dann sänk'
Aus brütender Höhe Vogel um Vogel, mit
Gebroch'nem Aug' und zuckendem Fittich – aufraste
Durchs Aug' ihm in die Seele
Und Verzweiflung erfaßte ihn!
Hinwürgten
Die Muthigsten sich selbst;
Das Grau'n die Stimmen und
Sie stierten zitternden Leib's
In die Nacht hinaus und lauschten
Dem Angstgeheule der Bestien, davor
Verstummen könne und mit der Finsternis
Die Einsamkeit sie verschlänge ....
Dann schleichen sie
Zum Meer hinab und spähen,
Die Angst nicht Sprache verlieh'n:
Hinzieht
Die Fluth, doch die Wellen klingen nicht
Und stumm bleibt die Tiefe! Da reißt sie
Mit ihnen ihr Größenwahn,
Hinstürben
Ihre Lügen, ihre Schuld,
Ihre Götter, ihre Götzen,
Wie ein Hohngelächter des Weltraum's ....
Da streifte
Ein herb-kühler Hauch meine Stirn,
Aufschauerte es
Der junge Tag! Fortscheuchte er
Die Dämm'rung, daß ihre grauen Schleier flogen,
Und Grenzen gab er
Den Dingen und Farben, und aufriß
Entgegenbäumte sich
Wie eine Geliebte das Meer dem nahenden Gott!
Dort stieg
Er auf in furchtbarer Majestät,
Gingen Urwelt-Schauer, und
Er hüllte sich in die Farbe des Blut's wie Moloch!
Und begehrte er Blut – was gält'
Ein Leben, an seinem Altare hingeschlachtet,
[129] Hat er
Die Millionen nicht
Geschaffen, die Tag für Tag
Entgegen ihm jauchzen? Kann er
In seinem Flammenschooß
Das Geheimnis uns'res Ursprungs, unseres Endes,
Und heischte
Er heut' ein Opfer für seine Wiederkehr,
Es zitterte der Stahl in jeder Hand ....