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Merkwürdige Häuser. IV. Die alte Kreuzschule

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Ereignisse in Dresden vor und nach der Schlacht bei Kesselsdorf Merkwürdige Häuser. IV. Die alte Kreuzschule (1899) von Georg Beutel
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900)
Der angebliche Napoleon-Schlitten
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[164]
Merkwürdige Häuser.
IV.
Die alte Kreuzschule[1].

Die seit 1891 verschwundene alte Kreuzschule an der Ecke des Kreuzkirchplatzes und der Schulgasse zählte zu den ältesten Baulichkeiten der Stadt. Aelter noch als dieses Haus ist die Schule selbst. Gleichviel, ob sofort als Stadtschule begründet oder, wie wahrscheinlich, aus einer Pfarrschule der Kirche zum Hl. Kreuz hervorgegangen: sie besteht schon im 13. Jahrhundert. Wie über den Ursprung der Schule, so ist auch über die erste Erbauung und Lage des Schulhauses nichts mit Sicherheit festzustellen. Das Material ist so lückenhaft, die wenigen Thatsachen, die daraus gewonnen werden, stehen so vereinzelt und dürftig da, daß man darauf verzichten muß, sie zu einem völlig klaren Bilde zusammenzufügen. – In der ersten urkundlichen Erwähnung des Schulhauses im Jahre 1393 werden Theile der Kirche nach ihrer Lage zu demselben bestimmt, also hat es damals schon sicher in unmittelbarer Nähe der Kirche gestanden. Möglich, wenn auch nicht recht wahrscheinlich ist, daß die Schule in noch früherer Zeit ihren Platz in der Schreibergasse gehabt hat: die Beziehung zur Schule beziehungsweise zu den Schülern, die unleugbar im Namen dieser Gasse liegt – Schreiber war nämlich hier wie anderwärts die gewöhnliche Bezeichnung der älteren Schüler –, wäre schon durch die Nachbarschaft genügend gerechtfertigt oder könnte auch etwa durch den Umstand hervorgerufen sein, daß hier in der Nähe der Schule viele Schüler gewohnt hätten.

1480 fand, wie aus Rechnungsbemerken erhellt, ein Neubau statt. Als ausführender Meister wird öfters „Meister Jocuff Brewer“ genannt. Eine alte Schule wird auch gleich in den nächsten Jahren erwähnt, bei Gelegenheit von Ausgaben für ihre Ausbesserung. Sie wird damals mit dem neuen Hause gemeinsam weiter zu Schulzwecken benutzt worden sein, so daß der Neubau als Erweiterungsbau anzusehen wäre. Die alte Schule stand neben dem Organistenhause d. h. südlich von der Lage der nachmaligen alten Kreuzschule in der Westfront der Schulgasse. Diese ganze Gruppe von alten Gebäuden hinter der alten Kreuzschule ist 1615–16 neu errichtet und 1878 ganz abgetragen worden. Nach alledem dürfte die einfachste und wahrscheinlichste Annahme die sein, daß die Schule bis 1480 ihren Platz auf der eben bezeichneten Stelle hatte, und erst mit diesem Jahre an die Kirchplatzecke, wo sie bis zuletzt stand, vorrückte.

In dem großen Stadtbrande von 1491, der die südwestliche Hälfte der Stadt hinwegraffte, ward auch das neue Gebäude der Kreuzschule ein Raub der Flammen. Der Neubau, bei dem man ziemlich viel altes Material wieder benützte, wurde erst im Frühjahr 1493 begonnen und im selben Jahre auch zu Ende geführt. Während die Gesamtsumme für den Neubau von 1480 nur 30 Schock 13 Gr. 6 Pf. betrug, kostete der von 1493 beinahe das Vierfache, nämlich 119 Schock 26 Gr. 10 Pf., und muß mithin bedeutend umfangreicher angelegt gewesen sein, was bei dem kurzen Zeitraum, der dazwischen liegt, befremdlich erscheint. Vermuthlich hat erst der Brand von 1491 Raum für einen großen Neubau in dieser Gegend geschaffen, während man 13 Jahre vorher dem Erweiterungsbedürfniß nur mit einem Anbau abhelfen konnte. Die beim Stadtbrand stehengebliebene alte Schule, die erst durch den großen Neubau nach dem Brand für Schulzwecke entbehrlich wurde, finden wir bei einer Erwähnung in den Rechnungen von 1504 zum Organistenhause geschlagen. Als Baumeister von 1493 tritt der Zimmermeister Ambrosius Schmeyßer in den Rechnungen auf. In der Schule befanden sich die Wohnräume des Schulmeisters und seiner „Gesellen“, d. h. der ihm unterstellten Lehrer. Erst seit 1552 hatte der Rektor [165] ein eigenes Wohnhaus neben der Schule. Auch die Wohnungen der übrigen Lehrer finden wir später in den Nebengebäuden. Seit wann das Alumneum mit der Schule verbunden ist, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Es waren auch Kammern vorhanden, „Habitatzen“, in denen fremde Schüler Unterkunft fanden. Ein fahrender Schüler, Thomas Platter, der weit herum kam, spricht sich in seiner Selbstbiographie über Dresden zwar kurz, aber deutlich aus: „dort war durchaus keine gute Schule und auf der Schule in den Habitatzen alles voll Läuse“.

Der Bau von 1493 scheint nicht sehr gewissenhaft ausgeführt worden zu sein, denn, abgesehen von mehrfachen Ausbesserungen, die wenig später schon nöthig waren, schritt man bereits 1557 wieder zu einem vollständigen Neubau. Zu diesem Entschlusse führte die dringliche Erwägung, „in was sorglicher Gefahr die arme Jugend in der alten finsteren und ganz baufälligen Schule täglich sitzen und wesentlich sein müsse“. Die alte wurde eingerissen und dann der Neubau vorgenommen. Inzwischen wurde in des Rathes Hause auf der Breiten Gasse Schule gehalten. Um die Kosten zu beschaffen, rief der Rath die Beihilfe des Kurfürsten und der Bürger an. Die Gaben flossen zahlreich zu. Der Kurfürst spendete 100 Gulden und gewährte außerdem reichliches Baumaterial. Dazu verkaufte der Rath eine Reihe von Silberschätzen, die aus der Kreuzkirche stammten und bei Einführung der Reformation beschlagnahmt worden waren. Als Gesammtsumme für den Bau finden wir verzeichnet 2432 Gulden 7 Gr. 10 Pf. Mit dem Neubau war zugleich eine innere Neugestaltung der Anstalt verknüpft. Mit der Zeit fortschreitend, bot das neue Haus Raum für fünf Klassen, während im alten nur drei waren. Zwei weitere Klassen kamen noch im Laufe des Jahrhunderts hinzu. Gleichzeitig mit dem Neubau wurde ein Lokal in der Kreuzkirche über der Sakristei zur „Liberey“ (= Bibliothek) eingerichtet. Auch hierzu flossen viele milde Gaben. Abgesehen von den ziemlich zahlreichen baulichen Veränderungen, die im Laufe der Zeiten nöthig wurde, geht die 1891 verschwundene alte Kreuzschule auf jenen Neubau von 1557 zurück. Zunächst erfuhr im Jahre 1572 der Hof, der anscheinend ziemlich beschränkt war, eine Erweiterung: die Landesregierung trat ein Stück vom Hofraum des in der Nähe befindlichen Kuffenhauses an den Rath ab; der Rath ging in dieser Richtung weiter, indem er 1585 das ganze Kuffenhausgrundstück eintauschte und das alte baufällige Kuffenhaus niederlegte. Dadurch gewann das Schulgrundstück einen Ausgang hinten nach der Stadtmauer zu. – Eine Renovirung erfuhr das Schulgebäude im Anfang des nächsten Jahrhunderts wieder. 1619 war sie vollendet: zum Andenken an sie ließ der Rath über den Eingang der Thüre eine steinerne Tafel mit lateinischer Inschrift in goldenen Buchstaben anbringen, die später im Schulhof eingemauert wurde. Seit 1879 ist die Tafel in die neue Kreuzschule überführt und dort in der Eingangshalle angebracht. Weck in seiner Chronik hat die Inschrift übersetzt: „Gott zu Ehren, der Christlichen Kirchen zum Auffnehmen und der gantzen Stadt zum besten hat E. E. Rath der Stadt Dresden diese Schule der Gottesfurcht und freyen Künste Anno 1557. aufbauen, und Anno 1619. selbige auf Seine Kosten renovieren laßen. An die Jugend: O Schüler komm herzu, erst lerne Christum wißen, der guten Künste sey hernachmals auch beflißen“. Vom 30jährigen Kriege ist Dresden bekanntlich unmittelbar nicht betroffen worden, obwohl es mittelbar genug unter ihm zu leiden hatte. Die Reparaturen, die im weiteren Verkaufe des Jahrhunderts an dem Gebäude nöthig wurden, sind nicht auf Kriegsschäden zurückzuführen. Dagegen mag wohl der innere Verfall der Schule, über den gegen Ausgang des Krieges lebhafte Klagen geführt werden, im Zusammenhang mit dem Kriege stehen. Hauptsächlich wird als ein Zeichen des Verfalls der Disziplin der lässige Gebrauch von Stock und Ruthe beklagt. Die Schule hebt sich wieder unter dem Rektor Joh. Bohemus. Aber jene besondere Klage wegen Stock und Ruthe verstummt auch unter ihm nicht. Offenbar kam man damals von allzu ausgiebiger Anwendung dieser Züchtigungsart, wenigstens bei den älteren Schülern, langsam ab. Dieser Wechsel in der Disziplin leitete auf ein neues Zuchtmittel hin, auf das Carcer. Bei der Kirchen- und Schulvisitation von 1671 wurde die Erbauung eines solchen dringend empfohlen und vom Rath versprochen. Aber erst im Jahre 1692 löste der Rath sein Versprechen ein und bewilligte die Mittel zum Bau. Die Ausführung erfolgte offenbar im Zusammenhang mit der größeren Schulreparatur, die der Rath im Mai 1693 dem Bauamt übertrug[2]. Im Jahr 1700 bestand das Carcer schon. Eine andere bauliche Aenderung aber, die in der 1693 beabsichtigten Schulreparatur gleichfalls inbegriffen war, kam erst 1704 zur Ausführung: in die große Schulstube, in der bis dahin drei Lehrer gleichzeitig neben einander unterrichteten, wurden zur völligen Absonderung der Klassen steinerne Scheidewände eingezogen. Seitdem trat ein Stillstand in der Weiterentwicklung ein. – Von Nebenbauten ist das neue Konrektorhaus zu erwähnen, das 1667 an Stelle des ganz baufälligen alten errichtet worden war.

Der siebenjährige Krieg ging nicht um Dresden herum, wie der 30 jährige, sondern traf die Stadt sehr hart: aber auch in diesen Wirren, selbst bei dem Brande der Kreuzkirche, blieb die Schule verschont. Allerdings war sie in höchster Gefahr: ihre Errettung verdankte [166] sie der Entschlossenheit eines Lehrers und eines Schülers, des Tertius Gebauer und des Currendaners Radestock. Ihnen gelang es, dem Feuer, das schon an mehreren Stellen gezündet hatte, Einhalt zu thun und es auf ein Nebengebäude zu beschränken. Dieses, das Schulcollegenhaus in der Pfarrgasse, blieb zunächst als Brandstelle liegen und wurde erst im Beginn des 19. Jahrhunderts wieder errichtet. Ueberhaupt erfuhren im 18. Jahrhundert die Schulgebäude keine größere und nachhaltige Wiederherstellung. Zwar fühlte man das Bedürfniß dazu geraume Zeit, aber es waren keine Mittel verfügbar. Die kleinen mit der Zeit immer häufiger werdenden Ausbesserungen, mehr Flickereien, waren selbstverständlich nicht fähig, die Schule in gedeihlichem Stande zu erhalten. Selbst die Beschaffung der Mittel für diese laufenden Fälle machte Kopfschmerzen. Mit der finanziellen Fürsorge für die Schule war es damals schlimm bestellt. Im Jahre 1671 war von Superintendent und Rath die Anordnung getroffen worden, daß die bauliche Erhaltung der Schule nicht mehr von dem ohnehin stark belasteten Brückenamt, wie bisher, sondern aus dem Schulvermögen zu bestreiten sei. Hauptsächlich aus Stiftungen für Alumnen bestehend, litt aber dies Schulvermögen, den derart erhöhten Anforderungen gegenüber, sehr an Unvermögen.

Nordfassade der Kreuzschule 1557–1812.

Anfangs deckte daher auch das Bauamt vielfach diese Auslagen. Das muß aber dann aufgehört haben. 1752 vernehmen wir aus Anlaß der Nothwendigkeit einer starken Reparatur des Rektorhauses und der andern Lehrerwohnungen die Klage, „daß die unabläßlich vorfallenden Reparaturen das geringe Schulvermögen zu keinen Kräften kommen lassen“. Wenn also selbst für solche nothwendigste Fälle eine Unterstützung des unzureichenden Schulvermögens nicht oder nur schwer zu erlangen war, so läßt sich denken, daß man noch weit mehr vor den für eine umfassende Umgestaltung erforderlichen großen Summen zurückschreckte. Für die ebenerwähnte Reparatur wurde „vor diesesmahl und ohne Consequenz“ ein Beitrag aus dem Maternihospitalvermögen gewährt. Im übrigen ward auch damals an der Bestimmung, daß die bauliche Erhaltung aus dem Schulvermögen zu bestreiten sei, nichts geändert. Die Folge war, daß auch die dringendsten Reparaturen, die sich nicht mehr verschieben ließen, wenigstens, mit Rücksicht auf die Schulkasse, in sehr langsamem Zeitmaß ausgeführt wurden. Die gelegentlich einer Reparatur von 1770 verfügte Rathsverordnung, die sich ähnlich lautend auch in anderen Jahren findet – „diese Reparaturen sind nach den Umständen der Casse nach und nach mit möglichster menage veranstalten zu laßen“ – bezeichnet am treffendsten die Art der damals für die Schule waltenden Fürsorge. Alle diese zahlreichen kleinen Ausbesserungen erzielten naturgemäß keine nachhaltige Wirkung. Die Gebäude verfielen immer mehr und mehr. Ihre Baufälligkeit beleidigte das Auge; im Innern mußte man alle Vorsicht brauchen, sich vor Fehltritten zu hüten. Hand in Hand mit dem baulichen Verfall ging ein rascher Verfall der Schule als Erziehungsanstalt. Gegen Ende des Jahrhunderts ward die Kreuzschulfrage brennend.[3] Da unternahm es im Jahre 1796 der damalige Inspektor der Kreuzschule, Vizestadtrichter August Gottfried Clausnitzer, die Frage in Fluß zu bringen. Er klagt in einem Vortrage an den Rath, „daß fast alle innere und äußere Gebrechen, welche einzeln schon die Unvollkommenheit eines Schulinstituts bezeichnen würden, bei der Kreuzschule sich zusammendrängen“ und spricht die Befürchtung aus, daß die Schule „endlich zu einem Sammelplatz und Aufenthaltsort roher und unwissender junger Leute herabsinken werde“. Als wichtigsten Schritt für die Verbesserung legt er dem Rathe die Erbauung eines neuen Schulgebäudes ans Herz und bezeichnet ausdrücklich nicht die bekannte Baufälligkeit als zwingenden Grund, „sondern, weil die Einrichtung des jetzigen Schulgebäudes gar nicht so beschaffen, daß die Schüler unter der gehörigen Obsicht sein können, und weil das, was zur Reinlichkeit und Ordnung schlechterdings erforderlich, darinnen gar nicht zu finden, so daß deshalb innere gute Einrichtungen, wovon immer eine in die andere eingreifen muß, gar nicht anzubringen sind“. Schärfer konnte der Zusammenhang des inneren Verfalls mit dem äußeren nicht hervorgehoben werden. Freilich gestand Clausnitzer in einem gleich darauf folgenden Vortrage selbst die Verlegenheit ein, in die er bei der Frage der [167] Kostenbeschaffung gerieth. Zunächst geschah nichts: die Schwierigkeiten, die bei näherer Betrachtung sich häuften, waren stärker, als die Thatkraft, sie zu besiegen. Im Jahre darauf brachte Clausnitzer seinen Antrag wieder vor. Er führte seine schon früher entwickelten Vorschläge über Bauplatz und innere Einrichtung noch weiter aus. Sein Gedanke war, das neue Schulgebäude auf dem Platze der noch stehenden aber wüsten und leeren Tertiatwohnung zu errichten, dann erst das alte Schulgebäude niederzureißen und nun an das neue mit Hinzuziehung der Plätze des Kirchner- und Organistenhauses zwei Seitenflügel mit Wohnungen für sämmtliche Lehrer anzubauen. Diesmal hatte er den Erfolg, daß der Rath beschloß, die Baufälligkeit der Schule untersuchen, Riß und Kostenanschlag fertigen zu lassen und an das Oberkonsistorium Bericht zu erstatten. Die Besichtigung ergab die Nothwendigkeit eines Neubaues. Die Geldfrage aber machte große Schwierigkeiten, umsomehr als damals die Preise und Löhne sehr hoch standen. Daß aus dem Schulvermögen auch nicht der geringste Beitrag zu dem Bau entnommen werden konnte, war von vornherein klar. Die Berichterstattung ans Oberkonsistorium verzögerte sich bis 1801. Neben anderen Quellen für die Kostendeckung war darin auch auf ein „erkleckliches Gnadengeschenk“ des Kurfürsten Bedacht genommen. Anfang 1802 bewilligte denn auch der Kurfürst ein Gnadengeschenk von 10.000 Thlr. für den Kreuzschulfiskus, jedoch unter der Bedingung, daß bei dem Neubau auf die Verbindung einer Industrial- und Bürgerschule, deren die Altstadt bedürfe, mit den unteren Klassen der Kreuzschule Rücksicht genommen werden.

Ansicht der Kreuzschule 1812–1891.

Die Hereinspielung dieser Frage verwickelte die Angelegenheit und trug, neben den Kriegsereignissen, viel Schuld an dem langsamen Fortgang der Sache. Der Rath wünschte, wofür auch Clausnitzer sich aussprach, die Kreuzschule als Gelehrtenschule zu erhalten und eine solche Verbindung zu vermeiden. Nach mehrfachem Schriftenwechsel über diese Frage theilte das Oberkonsistorium im September 1805 mit, daß der Kurfürst von einer materiellen Verbindung einer Bürgerschule mit der Kreuzschule absehe und nur eine räumliche Verbindung wünsche, die Ueberlassung seines Gnadengeschenks aber von dem Nachweise abhängig mache, wie der übrige Kostenaufwand gedeckt werden solle. Die Antwort darauf verzögerte sich. Es ging inzwischen 1807 ein Antrag des nunmehrigen Inspektors der Kreuzschule, Kämmerer Fehre, ein, anstatt des Neubaues eine umfangreiche Reparatur vorzunehmen. Der Rath aber lehnte unter Vorgang des Bürgermeisters Clausnitzer den Antrag ab. Darauf sandte er im Februar 1808 dem Oberkonsistorium Bericht ein, wie er den auf etwa 50.000 Thlr. veranschlagten Bauaufwand allmählich zu decken gedenke und erbat sich vom Kurfürsten daraufhin einen Vorschuß von 40.000 Thlr. Die Antwort, die erst 1810 kam, entsprach nicht diesem Wunsche. Sie nahm Bezug darauf, daß der Kostspieligkeit des Neubaues und den schlechten Zeitumständen gegenüber auch Meinungen für eine bloße Reparatur obwalteten, und forderte, indem sie die Anlegung einer Bürgerschule fallen ließ, eine genaue Lokalbesichtigung zum Zwecke der Feststellung, ob nicht doch eine Reparatur genüge. Die geforderte Besichtigung fiel in diesem Sinne aus. So war das Schicksal der Kreuzschule entschieden und der seit einem halben Menschenalter betriebene Neubau ins Wasser gefallen. Und es darf dies als ein Glück angesehen werden: denn das damals Geschaffene hätte doch, auch wenn es für seine Zeit gut gewesen wäre, den mit einem Male sich mehrenden Erfahrungen und Bedürfnissen der anbrechenden neuen Zeit des raschen Fortschritts nicht Stand halten können. – Mittels Reskripts vom 1. November 1811 war allerhöchstenorts „genehmigt“, daß man den Neubau auf andere Zeit aussetze und sich jetzt auf die möglichen Hauptreparaturen und verbesserte Einrichtungen im Inneren beschränke. Das Gnadengeschenk aber wurde auf 15.000 Thlr. erhöht, wovon die eine Hälfte für die Reparaturkosten sofort ausgezahlt, die andere zu einem bleibenden Schulkapitale bestimmt werden sollte. Der Bau wurde Anfang 1812 begonnen und im Laufe des Jahres zu Ende gebracht[4]. Der Kostenaufwand betrug 12.628 Thlr. 13 Ngr. 1 Pf. Nur die fast verfallene Tertiatwohnung wurde abgebrochen. Die äußere Ansicht veränderte sich insofern, als der bisher an der Hauptfassade befindliche Renaissancegiebel [168] einem zweiten Stockwerk, das über dem Dach neu angesetzt wurde, zum Opfer fiel. Damit schwand der obwohl einfache, so doch gefällige Schmuck aus kunstfroher Renaissancezeit und die vollendete Nüchternheit trat an dessen Stelle. Die Schule gewann das Aussehen, das sie bis zu ihrem Abbruch ziemlich unverändert behalten hat. Was damals geschaffen wurde, verdiente sich die Zufriedenheit der Beteiligten. Der Rektor Paufler erhob sich in einer lateinischen Rede zu folgender kothurnischen Lobeserhebung, die von der Nüchternheit des gepriesenen Bauwerks seltsam absticht: „Wir erfreuen uns eines gleichsam neu aufgeführten, nicht nur reparirten Gebäudes. Auf altehrwürdigem Grunde wie auf festen Füßen stehend, erhebt unsere Schule hochaufgerichtet ihre Augen von der Erde zum Himmel empor“.

Nicht sofort sollte die Schule zum vollen Genuß ihrer verbesserten Räume gelangen. Es brach das für Dresden so schlimme Jahr 1813 herein. Im August und September wurden die Räume trotz lebhaften Widerspruchs des Rektors von den Franzosen als Aufenthalt für die gefangenen und theils verwundeten feindlichen Offiziere in Anspruch genommen. Ueber 400 Mann lagen darin. Die Schule war förmlich ausgetrieben. Die Alumnen wohnten bei Predigern und Lehrern, der Unterricht fand außerhalb statt oder fiel aus.

Nach überstandenen Kriegswirren wuchs und blühte die Schule unter der 30jährigen Leitung des Rektors Gröbel in dem erneuten Gebäude fröhlich auf und stieg bis zu einer noch unerreichten Schülerzahl. Daher konnte es nicht fehlen, daß sich allmählich wieder Unzulänglichkeit der Räume fühlbar machte: um die Mitte des Jahrhunderts drängten die Verhältnisse immer mehr und mehr auf völligen Neubau und Errichtung eines zweckentsprechenden und würdigen Gymnasialgebäudes hin. Auf Anregung eines vom Kultusministerium unterm 27. Dezember 1846 erlassenen Regulativs für die Gelehrtenschulen wurde ein neuer Lehrplan ausgearbeitet, zu dessen vollständiger Ausführung es zumindest einer Erweiterung der Räumlichkeiten bedurfte. Ja, es wurden schon Stimmen laut, die von diesem Standpunkte, sowie von einem anderen, der bisher bei der Einrichtung von Schulen allgemein noch wenig Beachtung gefunden hatte, von dem Standpunkte der Gesundheitspflege aus, in gleicher Weise die Dringlichkeit eines völligen Neubaues betonten. Zunächst kam es aber nur zum Allernothwendigsten. In den Jahren 1849 und 1850 wurden Erweiterungen und Verbesserungen, die jenen beiden Bedürfnissen Rechnung trugen, vorgenommen. Die Rektorwohnung wurde vom Rektor geräumt und zu Schulzwecken eingerichtet, wie es unter Gröbel schon mit dem Konrektorat geschehen war. Von 1851 ab drang der Rektor Klee alljährlich in den Schulnachrichten auf Errichtung eines neuen zweckentsprechenden Gebäudes. Neben den alten Fehlern, Mangel an Raum und Licht, machten sich in diesen Jahren noch neue Uebelstände sehr stark fühlbar: der durch den wachsenden Verkehr in dieser Gegend gesteigerte Straßenlärm und untilgbare Staub und Schmutz. Im Juni 1855 wurden die Schulräume von der Gymnasialkommission, im März 1856 vom Stadtrath einer Besichtigung unterworfen und dabei die Mängel als der Art anerkannt, daß nur ein Neubau abhelfen könne. Im April d. J. ward denn auch wirklich vom Rathe eine Deputation zur Erbauung eines neuen Schulhauses niedergesetzt. Die Nothwendigkeit der Abwehrung des städtischen Verkehrs, der Beschaffung eines großen freien Raumes für die Alumnen und eines Platzes für den im Regulativ von 1846 angeordneten Turnunterricht legten die Wahl einer anderen Gegend für den Neubau nahe. Es wurde erst der Johanniskirchhof, dann der Seißsche Garten am Dohnaplatz, eben die heutige Stelle, ins Auge gefaßt. Behördlicherseits fiel noch der Umstand ins Gewicht, daß die Beschaffung einer ausreichenden Baufläche neben der alten Schule mit mindestens ebenso viel Kosten verknüpft war, als die Verwendung des genannten im Gemeindebesitz befindlichen Gartengrundstückes. Am 18. Februar 1862 endlich war der Neubau an dieser Stelle beschlossen und von den Stadtverordneten am 28. Mai genehmigt. Im Sommer 1863 wurde der Bau begonnen. Am 1. Mai 1866 ward die neue Kreuzschule eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben.

Das alte Haus blieb noch stehen und that für einen Halbinvaliden noch recht wackere Dienste. Die kaum von der Kreuzschule verlassenen Räume bezog die am 28. Mai 1866 eröffnete „Aushilfsschule“, später 9. Bezirksschule. Daneben kam ins Erdgeschoß die bisher in der Scheffelgasse befindliche Altstädter Sparkasse, die bis 1875 hier blieb. Nach der Uebersiedelung der 9. Bezirksschule an den Georgplatz im August 1868 nahm deren Platz zeitweilig ein Theil der 6. Bezirksschule ein bis zur Fertigstellung ihres neuen Hauses an der Stiftsstraße im November 1870. Zu Ostern 1871 bezog sodann die neugegründete 10. Bezirksschule das Haus, breitete sich allgemach darin aus und wuchs groß, bis nach fast zwei Jahrzehnten auch ihr es zu eng darin wurde. Am 26. September 1890 nahm sie von dem alten Hause Abschied und zog dann in ihr neues Heim an der Marschallstraße: Damit war das Schicksal der alten Kreuzschule besiegelt. Nachdem Anfang 1891 die Stadt das Gebäude von der Kreuzschulstiftung für 134.000 Mark erworben hatte, begann am 12. Juni der Abbruch und ein Trümmerhaufen bezeichnete bald die Stätte, wo Jahrhunderte hindurch viele Geschlechter aufblühender Jugend in Arbeit und Kurzweil sich getummelt hatten. Dr. G. Beutel.     



  1. Vergl. Otto Meltzer, die Kreuzschule bis 1539. Dresden 1886. – Ders., die Kreuzschule vor 200 Jahren. Dresden 1880. – H. M. Neubert, Rechtsverhältnisse der Kreuzschule. Dresden 1862. – Eine wichtige Quelle bilden durchgehend die Kreuzschulrechnungen, sowie für einzelne Fälle besondere Baurechnungen.
  2. Akten des Rathsarchivs B. VII a. 191 k.
  3. Vergl. für das folgende B. VII a. 193 i., B. II. 78. 80.
  4. Ausgeführt wurde der Umbau durch Maurermeister F. C. Hünich nach dessen Plänen (jetzt im Rathsarchiv), denen wir auch nebenstehende Ansicht der Schule vor dem Umbau verdanken.