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Merkwürdige Häuser

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Der Abschiedsbrief des letzten mittelalterlichen Pfarrers von Dresden Merkwürdige Häuser (1892, 1893) von Otto Richter, G. Beutel
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Das Dresdner Landwehrbataillon 1813/14
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[14]
Merkwürdige Häuser.
I.
Altmarkt Nr. 15 (Goldner Ring).


Das Haus am Altmarkte Nr. 25, in dem sich bisher die Restauration zum „Stadtkeller“ befand, war einer der ältesten Gasthöfe Dresdens. Kurfürst August hatte ihn im Jahre 1556 nebst anderen drei am Markte und drei in den Gassen gelegenen zum Erbgasthofe erklärt und ihm damit die Verpflichtung auferlegen wollen, für alle Zeiten bei diesem Gewerbe zu bleiben. Der Kurfürst hatte damit zu verhindern gesucht, daß die Gasthöfe, die damals wenig einbrachten und von denen bereits mehrere den Betrieb eingestellt hatten, sich noch mehr verminderten, so daß es schließlich bei Fürstenbesuchen und Landtagen für die Fremden an Herberge und in Kriegszeiten an Stallung gefehlt haben würde. Unser Gasthof führte den Namen „Goldner Ring“. Sein Besitzer war im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts Nickel Druß, dann im Anfange des 17. Jahrhunderts Gregor Germar. Der letztere bezeichnet sich 1607 ausdrücklich als „Gastwirth zum goldnen Ringe“; er war Ende September zum Getreideeinkauf nach Aken gereist gewesen und sollte bei der Rückkehr wegen der an manchen Orten herrschenden Pest nicht wieder in die Festung eingelassen werden; erst auf ein an den Kurfürsten gerichtetes Gesuch erlangte er nach mehrtägigem Warten die Erlaubniß zum Eintritt. Um 1630 ist Rosina Wittichin, 1641 Heinrich Fritzsche, 1643 Heinrich Bauer als Besitzer des Gasthofes zu ermitteln. Von ihnen liegen wiederholt Beschwerden über die zahlreichen, das Gasthofgewerbe angeblich zu Grunde richtenden Winkel-Gastwirthe vor. In einer solchen beruft sich Bauer darauf, daß sein Gasthof bereits seit mehr als zweihundert Jahren bestehe. Nach Bauers Tode wünschte, wie aus einem Berichte des Rathes vom 23. Januar 1670 hervorgeht, ein „vornehmer Hofminister“ das Grundstück zu erwerben [15] Der Rath ward beim Kurfürsten mit Erfolg dagegen vorstellig; er erklärte es für bedenklich, wenn wieder ein Gasthof einginge, denn es werde immer schwerer, die Reisenden und namentlich fremde Gesandtschaften angemessen unterzubringen. Im Jahre 1676 wird dann David Decker, gegen Ende des Jahrhunderts der Handelsmann Christian Friedr. Gentz und nach ihm George Friedr. Kauderbach und Gottfried Matthes als Besitzer erwähnt.

Der Goldne Ring war infolge seiner Größe und seiner bevorzugten Lage im 17. Jahrhundert und noch zur Zeit Augusts des Starken der vornehmste Gasthof in Dresden; später ersetzten ihn das Hôtel de Pologne und das Hôtel de Bavière in der Schloßgasse. Eine Reihe hervorragender, ja berühmter Persönlichkeiten hat der Goldne Ring beherbergt. Vielfach kehrten fremde Gesandtschaften dort ein. So im September 1599 ein vom Zaren Brixius Feodorus an den Kaiser abgeschickter Gesandter „Ofonosius Jwanswiz Wlasgew“, der ein Bündniß zwischen Rußland, dem Kaiser und Persien vermitteln sollte und nach Dresden ein Schreiben des Zaren an den Kuradministrator Friedrich Wilhelm überbrachte. Er hatte drei Dolmetscher, drei Falkenträger, drei Sekretäre und dreißig Knechte bei sich. Die aus der kurfürstlichen Kammer bezahlte Gasthausrechnung betrug nebst dem Fuhrlohn nach Außig 800 Gulden. Am 21. Mai 1600 kam wieder eine moskowitische Gesandtschaft, 40 Personen stark, auf der Rückkehr vom kaiserlichen Hofe nach Dresden. Ihr Schiff ward an der Elbe von sechs Herren vom Adel empfangen; diese gingen der dem Gesandten zur Verfügung gestellten Kutsche voran und geleiteten ihn in den Goldnen Ring, wo er bis zu seiner Weiterreise nach Hamburg am 25. Mai mit Küche und Keller vom Hofe versorgt ward. Im Jahre 1602 wohnten im Goldnen Ringe Gesandte des Bischofs von Bamberg, in der Zeit vom 9. Mai bis 18. August 1606 die württembergischen Gesandten Georg Leopold von Landau und der Rath Ponacker. Diese beanspruchten dem Herkommen nach den Ersatz der dort aufgelaufenen 1773 Gulden vom Kurfürsten Christian II., der denn auch die Zehrung, obwohl er sie etwas hoch fand, aus der Rentkammer bezahlen ließ. Im Jahre 1673 beherbergte unser Gasthof wieder eine moskowitische Gesandtschaft.

Der berühmteste Gast im Goldnen Ringe ist aber der Zar Peter der Große gewesen. Während er bei seinem ersten Aufenthalte in Dresden vom 1. bis 4. Juni 1698 im Schlosse gewohnt hatte, kehrte er das nächste Mal, am 20. September 1711, im Gasthofe ein. In Abwesenheit des Kurfürsten von dem Oberstallmeister Grafen Friedrich Vitzthum von Eckstädt empfangen, begab er sich mit diesem sogleich zum Abendessen in dessen Haus auf der Scheffelgasse (das spätere Polizeihaus, jetzt Nr. 9), während seine Begleitung für ihn im Goldnen Ringe Quartier machte und den aus dem Hofkeller gesandten Tokaier in Empfang nahm, den er nachher selbst austrank. Nachdem er die Sehenswürdigkeiten der Stadt in Augenschein genommen, reiste er am 22. September nach Freiberg weiter. Bei der Abreise nahm er, wie ein amtlicher Bericht des Oberhofmarschalls von Pflugk meldet, einige Betttücher mit und war eben damit beschäftigt gewesen die grüntaffetnen Fenstervorhänge, die zur Ausstattung der Gasthofzimmer vom Hofe geliefert worden waren, eigenhändig einzupacken, als ein Stubenheizer, auch namens Peter, dieser eigenthümlichen Bethätigung seines Spartriebes entgegentrat und ihn zur Wiederherausgabe der Vorhänge veranlaßte.

Als der Zar auf der Rückreise von Karlsbad am 18. Oktober 1711 zum dritten Male nach Dresden kam, trat er wieder im Goldnen Ringe ab. Sein Lieblingsaufenthalt war die Hausknechtstube im Erdgeschoß hinten im Hofe, wo er in der ihm am meisten zusagenden Gesellschaft handfester Arbeitsleute frühstückte. Am 23. Oktober früh 9 Uhr fuhr er zu Schiff nach Torgau weiter. Während der Tage seiner Anwesenheit im September und Oktober wurde ihm zu Ehren die Wachparade statt auf dem Neumarkte vor dem Gasthofe auf dem Altmarkte abgehalten.

Im folgenden Jahre gebrauchte Peter der Große nochmals eine Kur in Karlsbad. Auf der Rückreise hielt er sich vom 17. bis 25. November wieder in Dresden auf, wohnte aber damals in dem viele Merkwürdigkeiten bietenden Hause des berühmten Goldschmieds Dinglinger auf der Frauengasse, jetzt Nr. 9. (Vergl. K. von Weber, die Besuche Peter des Großen in Dresden, im Archiv für die Sächs. Geschichte Bd. 11, 1873, S. 337 flg.)

Zur Zeit Augusts des Starken war der Goldne Ring einmal dazu ausersehen, als Rathhaus zu dienen. Nach dem Abbruche des alten, auf dem Markte freistehenden Rathhauses im Jahre 1707 hatte der Rath für seine Kanzleien das gräflich Taubesche Haus an der Ecke der Scheffelgasse eingerichtet. Aber schon 1729 war dieses so baufällig, daß er sich veranlaßt sah, den Goldnen Ring anzukaufen, um dahinein das Rathhaus zu verlegen. Der Kurfürst versagte aber seine Genehmigung dazu und der Kauf mußte rückgängig gemacht werden.

Im Jahre 1737 kaufte das Grundstück der Kommissionsrath Joh. Gottfr. Matthäi und ließ den Gasthofbetrieb eingehen. Es diente seitdem als Miethhaus; lange Zeit befand sich die Wohnung des Oberkonsistorialpräsidenten darin, auch der bekannte Vertraute der Kurfürstin Maria Antonia Walpurgis, Marquis [16] d’Agdollo, soll 1774 hier gewohnt haben. Die Erben Matthäis verkauften das Haus im Jahre 1800 an den Kattunhändler Gottlieb Schönherr, von dessen Erben es 1825 an den Dr. med. Joh. Aug. Ehrlich überging. Im Jahre 1840 kaufte es die Besitzerin des „Deutschen Hauses“ in der Scheffelgasse, Mimi verehelichte Kurth, für den Preis von 60 000 Thalern und eröffnete es aufs neue als Gasthof unter dem Namen Hôtel de l’Europe. Seit 1872 ist dieser Gasthofbetrieb wiederum eingestellt und es befand sich seitdem bis Ende März 1892 im Erdgeschoß eine Restauration.

Die früheste Abbildung des Hauses bietet eine Ansicht des Altmarktes aus dem Jahre 1609 (im Sammler Bd. 1, S. 77). Es hat damals ein Erdgeschoß und zwei Obergeschosse, acht Fenster in der Front, einen kleinen Erker im ersten Obergeschoß und über dem mittleren Theile der Fassade einen Dachgiebel; ein großes Wirthshausschild mit dem Ringe ist deutlich zu erkennen. Auf einem der Canalettoschen Gemälde vom Jahre 1752 zeigt das Haus drei Obergeschosse, der Erker ist beseitigt, der Giebel durch ein Dachfenster ersetzt. An dem heutigen, vier Stock hohen Gebäude befindet sich im Thorbogen noch ein altes Eisengitter mit einer bekrönten Monogramm-Cartouche, die den Buchstaben W zeigt und wohl auf einen Umbau zur Zeit der Rosina Wittichin, also während des dreißigjährigen Krieges, schließen läßt.

(Geschoßregister und Akten C. XLI. 1, 4, 19, 88 und F. XXII. 42d im Rathsarchive.)

Dr. O. Richter. 
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Merkwürdige Häuser.
II.
Altmarkt Nr. 10 (Marienapotheke).


Der erste Dresdner Apotheker, der uns dem Namen nach bekannt ist, war Magister Thomas Rotholz, am Taschenberge wohnhaft. Er wird in Urkunden seit dem Jahre 1440 erwähnt. Durch Privilegium vom 12. Juni 1467 ertheilte dann der Rath dem Johannes Huffener das alleinige Recht, eine Apotheke in der Stadt zu halten, und befreite ihn zugleich von allen städtischen Lasten. Dieser Apotheker Huffener brachte es bald zu einer angesehenen Stellung, ward 1471 Rathsmitglied und später auch Bürgermeister. In den Akten ist uns die vollständige Reihe seiner Nachfolger bis auf die neueste Zeit überliefert, da jeder sich das Privilegium der Apotheke neu bestätigen lassen mußte.

Die Apotheke befand sich, wie die alten Geschoßregister ausweisen, ursprünglich auf der Südseite des Marktes zunächst der Schreibergasse, wahrscheinlich in dem jetzigen Rennerschen Hause Nr. 12. Aber schon in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts scheint sie auf die Ostseite verlegt worden zu sein, wo sie sich noch befindet. Bis fast zur Mitte des 17. Jahrhunderts heißt sie stets nur die „alte Apotheke“, erst in einem Schreiben vom Jahre 1645 bezeichnet sich der damalige Besitzer Zacharias Peißker als „Apotheker zur Marien“. Er hatte sie 1643 von „Marien, Caspar Peißkers gewesenen Apothekers Wittwen“ gekauft und vielleicht dieser zu Ehren so benannt. Der Name „Marienapotheke“ bürgerte sich erst allmählich ein; noch 1695 heißt sie in amtlichen Schreiben nur die „so genannte Marienapotheke“.

Als Aushängeschild diente der Apotheke ein aus dem 15. Jahrhundert stammendes, vortrefflich in Holz geschnitztes Marienbild, das der Besitzer Dr. Sartorius im Jahre 1841 dem Museum des Sächs. Alterthumsvereins schenkte. Dieses Bildwerk ist unbedingt älter als die Apotheke und wurde vielleicht am Hause schon vorgefunden, denn es war eine alte Sitte, Marienbilder an den Häusern aufzustellen. Keinesfalls aber wäre schon im Mittelalter ein Geschäftshaus nach der Mutter Gottes benannt worden.

Das Haus galt immer als eins der ältesten in der Stadt. Offenbar hat es sich sehr lange in der Gestalt erhalten, wie es wahrscheinlich nach dem großen Stadtbrande von 1491 erbaut worden war. Eine deutliche Abbildung davon giebt das Tzschimmersche Kupferwerk von 1678 (Vereins-Veröffentlichung Tafel E, Nr. 36). Es hatte ein Erdgeschoß und zwei Obergeschosse mit fünf Fenstern in der Breite. Das mittlere Dachfenster war zu einem sechseckigen Thürmchen ausgebaut, dessen Spitze bis an die Dachfirsten hinaufreichte. Die ganze breite Wandfläche über dem spitzbogigen Portale bis zum Dache hinauf nahmen zwei über einander stehende Gemälde ein, die in sehr großen bunten Figuren die Schöpfung und die Erlösung darstellten. Es ist dies der einzige uns bekannte Fall, daß an dem Aeußeren eines Bürgerhauses in Dresden große Wandgemälde, wie sie sich in süddeutschen Städten so häufig finden, angebracht waren; hier sind solche sonst nur an Prachtbauten, insbesondere dem Schlosse und dem Stallgebäude, ausgeführt gewesen. Diese Wandgemälde wurden bereits im Jahre 1722 bei einem Umbaue des Apothekerhauses ausgelöscht. In seiner veränderten Gestalt ist es auf den Canalettoschen Bildern des Altmarktes vom Jahre 1752 zu sehen: im ersten Obergeschoß ist ein Erker, im zweiten ein sechstes Fenster angebracht, an die Stelle des thurmartigen Dachaufbaues ist ein verziertes großes Dachfenster getreten. Bei der Beschießung von 1760 war die Apotheke dem Untergange sehr nahe; aber während die Nachbarhäuser zu beiden Seiten abbrannten, wurde sie, wenn auch stark beschädigt, doch vor völliger Zerstörung bewahrt. Bis auf unsere Zeit hatte sich von den alten Bautheilen zuletzt nur das gothische Portal gerettet, aber auch dieses ist bei dem vor zwei Jahren erfolgten Umbaue weggenommen und einstweilen im Zoologischen Garten untergebracht worden.

Was hat es denn nun aber für eine Bewandtniß mit der selbst in unsere neueren Chroniken übernommenen Sage, daß das Grundstück in alter Zeit ein Kloster gewesen sei? Nun, so viel liegt doch auf der Hand, daß schon der Raum dazu nicht entfernt ausgereicht hätte, denn selbst das bescheidenste Kloster konnte neben Wirthschafts- und Wohnräumen ein eigenes Kirchlein und ein Gärtchen für die Mönche oder Nonnen schlechterdings nicht entbehren. Bei der großen Bedeutung, die ein Kloster im Leben einer mittelalterlichen Kleinstadt einnahm, müßte es doch greifbarere Spuren hinterlassen haben, als die bloße Sage von seiner Existenz. In der That, es haben in Dresden stets nur die bekannten zwei Klöster, das Barfüßerkloster am Ausgange der Brüdergassen und das Augustinerkloster an der jetzigen Klostergasse in der Neustadt, bestanden und von einem dritten Kloster am Altmarkte kann nicht die Rede sein.

Und dennoch ist jene Sage nicht ohne jeden geschichtlichen Hintergrund, nur darf man sie nicht an die Marienapotheke selbst, sondern an das dazu gehörige Hinterhaus Nr. 10 in der großen Kirchgasse anknüpfen. Dieses nur 5 Fenster breite Häuschen nämlich ist einige Zeit eine sogenannte Terminei des Dominikanerklosters in Pirna gewesen.

Die Klöster der Bettelorden besaßen häufig in den Nachbarstädten ein Haus zum vorübergehenden Wohnsitze [52] für diejenigen Mönche, die mit der Einsammlung milder Gaben in der Gegend beauftragt waren. Es war ihnen hierfür ein bestimmter Bezirk, auf lateinisch terminus, zugetheilt und sie hießen davon Terminarier, ihre Herberge die Terminarei oder Terminei. Die Städte pflegten das Terminiren fremder Mönche nur auf Gegenseitigkeit zu gestatten, und wie das Dresdner Barfüßerkloster zu diesem Zwecke eine Niederlassung in Pirna halten durfte, so besaßen die Pirnaischen Dominikaner eine Terminei in Dresden. Derartige Termineien sind in späterer Zeit vielfach mit wirklichen Klöstern verwechselt worden und man hat an vielen Orten Klöster gesucht, wo solche nie bestanden haben: so auch in unserem Falle.

Die hiesige Herberge der Dominikaner befand sich anfangs gegenüber dem Barfüßerkloster. Laut Urkunde vom 10. April 1523 vertauschten sie dieselbe gegen die Behausung des achtbaren und würdigen Herrn Gregor Walther „in der Gassen hinter der Apotheken zwischen Thomas Kuntzen und dem Eckhause“, wozu der Rath unter Uebertragung der Geschoßfreiheit auf das neue Haus seine Genehmigung ertheilte (Cod. dipl. Sax. II, 5 S. 483). Die Mönche erfreuten sich ihres Besitzes nicht lange: schon nach 16 Jahren ging das Haus infolge der Einführung der Reformation kaufsweise an den Rath zu Dresden über. In einer Urkunde vom 6. August 1539 bekennen Prior und Konvent des Klosters zu Pirna, „daß sie wegen anliegender Noth und Schulden, auch weil sie etliche Personen aus ihrem Mittel mit Kleidung, Zehrung und anderer Nothdurft abfertigen müssen, da sie in diesen schwinden Zeiten bei einander sich nicht erhalten können, ihr Haus die Terminarei genannt zu Dresden beim heiligen Kreuz im Gäßlein zwischen Ludewig Lincken und Jacof Kuchlers Häusern gelegen an den Rath zu Dresden erblich und unwiderruflich für 300 rhein. Gulden verkauft haben“; der Rath gab ihnen hierbei die Vertröstung, daß er ihnen, falls sie künftig wieder ein Haus bedürfen würden, zur Erwerbung eines solchen behilflich sein werde (Cod. II, 5 S. 486).

Der Rath verfolgte bei der Erwerbung des Hauses jedenfalls nur den Zweck, dessen Steuerfreiheit damit zu beseitigen. Er wird es sicher nach Neubelegung mit Geschoß bald wieder veräußert haben, nur läßt sich vorläufig die Zeit des Verkaufs nicht genauer ermitteln. In dem ersten uns erhaltenen Geschoßregister von 1585 erscheint es bereits nicht mehr als selbständiges Grundstück; es war in der Zwischenzeit an den Besitzer der Marienapotheke übergegangen und von diesem als Hinterhaus zu dem anstoßenden Hauptgrundstücke hinzugeschlagen worden.

Das Wahre an der Sage von der klösterlichen Vergangenheit der Marienapotheke beschränkt sich also darauf, daß deren jetziges Hinterhaus an der großen Kirchgasse in den Jahren 1523 bis 1539 als Terminei des Pirnaischen Dominikanerklosters diente und etwa 2 bis 3 auf den Bettel ausgeschickte Mönche (das Kloster in Pirna hatte im ganzen kaum mehr als 30 Insassen) beherbergte.

Dr. O. Richter. 
[99]
Merkwürdige Häuser.
III.
Kreuzstraße Nr. 10 (gräflich Loß’sches Palais).


Das Haus, welches zur Zeit die Sammlungen der Stadt Dresden, Rathsarchiv, Stadtbibliothek, Stadtmuseum, und mit ihnen ein gut Stück Stadtgeschichte in Schrift, Bild und Denkmal in sich birgt, hat auch selbst seine Geschichte. Stadthaus ist es erst seit wenigen Jahren. Ortsgeschichtskundigen ist es als das frühere Loß’sche Palais bekannt und bemerkenswerth.

Das heutige Gebäude ist von jeher ein Doppelhaus. Diese Eigenschaft wird in den zwei Thoreingängen mit eigenen Höfen sichtbar und fand ihren amtlichen Ausdruck in der früheren Bezeichnung mit den beiden Nummern 14 und 15. Das eigentliche alte Hauptgrundstück, das erst später durch Angliederung des anderen erweitert wurde, ist die Nr. 15, d. h. gegenwärtig das zu dem öffentlichen Eingang gehörige Grundstück.

Dieses muß schon immer, so weit wir es verfolgen können, ein ansehnliches Haus gewesen sein. Anfangs Patrizierhaus ging es dann in die Hände mehrerer adeliger Geschlechter über. Der erste Besitzer, den wir ermitteln können (Geschoßbuch 1585–1595), ist der Bürgermeister Sebastian Kreiß (Kröß), ansässig als Dresdner Bürger seit 1564, regierend im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts. Sein Schwiegersohn war der berühmte kurfürstliche Baumeister Paul Buchner. Kreiß kaufte ein kleines Nachbarhaus hinzu, als dessen Besitzer nach einander ein Hans Graupitz und ein Franz Linke genannt werden. Aus der Vereinigung beider Häuser entstand nun ein Grundstück, das den adeligen Grundstücken in der Nähe nicht weit nachstand. Auch ein Garten gehörte dazu. – Von des Bürgermeisters Wittwe ging es um 1620 in die Hände des kurfürstlichen Kammermeisters Georg Reichbrod über. Dieser war ein angesehener Mann in der Stadt und stand auch zum Rathe in guten Beziehungen. Bei der Hochzeit seiner Tochter mit dem Stadtprediger M. Zimmermann lud er den Rath ein und dieser spendete aus seinem Silberschatz einen Becher. Seiner Bitte entsprechend verlieh ihm für seine Person der Kurfürst im Jahre 1624 auf sein Haus freien Weinschank auf Lebenszeit. Dies Recht erlosch wieder, als Reichbrod das Haus 1633 an den Oberstlieutenant Daniel von Schlieben verkaufte. Die Kaufsumme betrug 3000 Gulden, dazu noch eine kleine Summe als Herdgeld; sie war aber 1639 noch nicht getilgt, sodaß Reichbrod Klage anstrengte; denn dieser wurde selbst von Gläubigern, unter denen ein Hans Burkhard von Schönberg und ein Wolf Friedrich von Minckwitz sich befanden, hart bedrängt. – Der Oberstlieutenant von Schlieben, der im dreißigjährigen Kriege Kriegsdienste that, war zugleich auch kurfürstlicher Kammerjunker und als solcher auch im Hofdienst thätig; er starb 1649. – Von seinen Angehörigen gelangte das Haus wohl ungefähr in der Mitte der sechziger Jahre an Frau Maria von Klengel, geb. Bex. Sie ist die Gemahlin des berühmten Oberlandbaumeisters Wolf Caspar von Klengel, der 1691 als Generalwachtmeister und Oberkommandant der Festung Dresden verstarb. Von ihm bis zum ersten uns bekannten Besitzer dieses Hauses, dem Bürgermeister Kreiß, knüpft sich ein Band der Verwandtschaft: dessen Tochter und ihr Gatte, Paul Buchner sind seine Urgroßeltern. Aus dem Jahre 1678 haben wir eine Ansicht des Hauses: auf den Kupferstichblättern, die Gabriel Zschimmer dem Festzug in seiner „Durchlauchtigsten Zusammenkunft“ widmet, findet sich auch diese Seite der Kreuzgasse abgebildet. Danach ist unser Haus ein zwar stattlicher, aber einfacher und schmuckloser zweistöckiger Bau von 7 Fenstern Front mit einem 3 Fenster breiten Dachgiebel gewesen. – Die Besitzerin, Frau von Klengel, die für unsere Stadt noch dadurch Bedeutung hat, daß sie letztwillig für alle Hospitäler, Waisenhäuser und Findelhäuser [100] Legate stiftete, überlebte ihren Gemahl um 26 Jahre und starb 1717. Sie hatte auch noch anderweiten Besitz. Ihr Haus in der Kreuzgasse aber übertrug sie schon 1715 ihrer Tochter Sophie Eleonore, die seit 1695 mit dem kurfürstlichen Kammerherrn und Kämmerer, späteren Oberküchenmeister Hans Adolf von Haugwitz vermählt war. Nach seinem Tode reichte sie 1719 dem Geheimen Rath Rudolf Gottlob Freiherr von Seyffertitz die Hand.[1] – Unser Haus ging aber schon im Jahre 1722 in andere Hände über: unterm 10. Juni dieses Jahres wird als Besitzerin desselben Frau Erdmuthe Sophie von Loß geb. von Dieskau auf Zschepelin eingetragen. Vor ihrer Vermählung ist das Fräulein von Dieskau bekannt als Nachfolgerin der Gräfin Dönhoff in der Gunst Augusts des Starken. Das Herz des Königs aber glühte nicht lange für sie, sondern entzündete sich bald an einer anderen Flamme, dem Fräulein von Osterhausen. Die Dieskau war nach Pöllnitz ein Wunder von Schönheit, das Vollkommenste, was die Natur bilden konnte – bis auf den Geist. Sie war weder geistvoll noch lebhaft und daher nicht geeignet, den geistliebenden König lange zu fesseln. 1721 vermählte sie sich mit dem Hofmarschall Johann Adolf von Loß, der später sächsischer Gesandter in London, München, Versailles war, dann Kabinetsminister wurde und 1759 starb.

Nachdem Frau Erdmuthe Sophie 1722 das Haus auf der Kreuzgasse erworben, blieb es von da ab im dauernden Besitz der Loß’schen Familie. – Die vom Loß sind ein altes Geschlecht, vielleicht mit der schlesischen Familie von Loos eines Ursprungs: sie treten seit der Mitte des 16. Jahrhunderts im Meißnischen auf und sind reich begütert: z. B. Hirschstein bei Meißen, Pillnitz, Olbernhau waren in ihrem Besitz. Seit ihrem Auftreten im Meißnischen widmen sie sich auch eifrig dem Dienst des Landesherrn und bekleiden hohe Staatsstellungen. 1741 wurden der erwähnte Johann Adolf und sein Bruder Christian vom Kurfürsten während seines Reichsvikariats in den Reichsgrafenstand erhoben.

Nicht nur der Dauer, sondern auch der Art nach wurde die Verbindung unseres Hauses mit diesem Geschlechte eine sehr feste. Frau Erdmuthe Sophie, die es erworben, und ihr Gatte Johann Adolf mochten es lieb gewonnen und seinen festen Besitz als einen werthvollen erkannt haben: denn in ihrem 1758 errichteten und 1768 eröffneten letzten Willen, in dem sie ein Familienfideikommiß stifteten, schlugen sie auch dieses Haus dazu und legten es somit für die Zukunft als städtisches Stammgut der Familie fest. – 1731 hatte das Grundstück durch die Gnade des Königs eine kleine Erweiterung erfahren: der König schenkte der Frau von Loß, einst ja vorübergehend der Dame seines Herzens, „zu besserer Bequemlichkeit ihres Wohnhauses“ vom anstoßenden Fraumutterhaus einen Platz, auf dem bisher der Accisrath und Geh. Kämmerer Lange einen Stall und eine Küche hatte. – 1760 wurde das Haus wie viele andere ein Opfer der preußischen Bomben und sank in Asche und Trümmer. Bald aber erstand es neu aus dem Schutte auf. Der Fideikommißwerth des neuen Gebäudes wird 1779 und 1790 zu 15 000 Reichsthalern festgesetzt. – Nicht lange Zeit darauf erhielt es wieder durch die Gnade des Fürsten einen diesmal recht ansehnlichen Zuwachs. Da der Wiederaufbau des ebenfalls von den Flammen verzehrten Fraumutterhauses eingestellt wurde, vielmehr für die Zwecke, denen es diente, vom Fiskus das Schreibersche Haus in der Pirnaischen Gasse (Landhausstraße) angekauft worden war, wurde der Raum des Fraumutterhauses zertheilt: ein Stück davon schenkte der Kurfürst auf dem Vererbungswege der Reformirten Gemeinde, die ihr Bethaus dort errichtete, wieder ein anderes im Jahr 1773 dem Geheimen Rath Johann Adolf (II.) von Loß, seit 1770 Eigenthümer des nebenanliegenden Loß’schen Hauses, einem Neffen des erwähnten älteren Johann Adolf.

Dieses zum Fraumutterhaus gehörige, jetzt an den Grafen Loß vererbte Grundstück war rechtlich wie baulich ein selbstständiges gewesen. Der Bäcker Peter Firl kaufte es 1586 von Anton Knebel für 910 Gulden. 1607 kaufte es Johann Georg I. zu dem anstoßenden, von ihm bewohnten Hause hinzu. Das letztere, 1550 von Hans Dehn-Rothfelser für den Hauptmann Melchior Hauffe erbaut, wurde nach dessen Tode von Kurfürst August angekauft, durch ein Nachbarhaus erweitert und dann mehrfach zu prinzlichen Hofhaltungen benutzt. Als Johann Georg Kurfürst wurde, schenkte er es seiner [101] Mutter Sophia zum Hofhalt. Von ihr behielt es den Namen Fraumutterhaus. Auf dem erwähnten Zschimmerschen Kupferstich ist es ebenfalls mit abgebildet: das eigentliche Hauptgebäude, das frühere Hauffe’sche, ist ein schöner Renaissancebau, die beiden anderen, darunter das Firl’sche, sind weit bescheidener. Das Firl’sche Haus gehörte zum Fraumutterhaus bis 1738. In diesem Jahre schenkte es der König gegen Erbzins dem Geh. Kämmerer François Du Pont, der schon vorher darin wohnte, wie vor ihm der Accisrath und Geh. Kämmerer Lange. Du Ponts Erben jedoch traten es 1742 an den Fürsten ab: und so kam es wieder zum Fraumutterhaus. In dieses war inzwischen, nachdem es seit 1705 die Académie de Peinture[2] und von 1708 ab auch die Oberrechnungskammer beherbergt hatte, 1740 aus der Kleinen Brüdergasse die königliche Amtsexpedition verlegt worden. Das wieder mit ihm vereinigte ehemals Firl’sche Haus wurde nun als das kleine Amtshaus zum Unterschied vom eigentlichen Fraumutterhaus, dem großen Amtshaus, bezeichnet. 1760 brannte es mit diesem ab.

Den Platz des kleinen Amtshauses also mitsammt den bereits angefangenen Grundbauten überließ der Kurfürst 1773 unentgeltlich dem Grafen Loß, der ihn 1779 an seine Gemahlin Auguste Amalie geb. Gräfin Löser für 1500 Thaler verkaufte. Ende desselben Jahres führte die Gräfin auf dieser Stelle ein von Grund aus steinernes Gebäude auf, welches in das daneben liegende Loß’sche Haus hineingebaut und vollständig mit ihm verbunden war. 1790 kaufte es der Graf wieder zurück. Zum Fideikommiß ist aber dies Nebengebäude nicht gekommen. – Die beiden neuen Häuser hatten vollständig das Ansehen eines einzigen großen dreistöckigen Hauses mit 14 Fenstern Front. Als ein solches bespricht sie auch Hasche 1781 in seiner „Umständlichen Beschreibung“ (I, 303). Er hebt das edle Ansehen dieses Palais bei aller seiner Einfachheit und Schmucklosigkeit hervor und rühmt besonders die sehr bequem und ganz im neuen Geschmack ausgestattete Anlage des Innern. Seiner ziemlich ausführlichen Beschreibung nach entspricht die damalige Ansicht fast ganz der heutigen, nur geringfügige Aenderungen sind zu bemerken. – Auch Daßdorf und Lehninger loben den einfachen und edlen Stil, sowie die geschmackvolle innere Einrichtung. Für jene nüchternste Zeit der Dresdner Baukunst galt dieses Palais eben als ein hervorragendes Bauwerk. Mit seiner Hinterseite stieß es an den Festungswall. Ein Theil der Lindenallee des Wallgartens wurde dazu erkauft und erhöhte durch den angenehmen Spaziergang, der sich hier bot, wesentlich den Reiz des Grundstückes. Ferner kam 1780 nach dem Neubau der Festungsbaukirche über dem Pirnaischen Thore die alte unter August III. hinter dem Fraumutterhaus erbaute Festungsbaukirche dazu und wurde in [WS 1] einen Pferdestall umgewandelt. Erst 1889 wurde dieses Gebäude abgebrochen. Neben dem Stall ward auch eine Reitbahn eingerichtet. 1824, nach der Niederlegung der Festungswerke, wurde von der Demolitionskommission ein Platz und ein Weg hinter dem Stall dem Grafen Loß überlassen.

Graf Johann Adolf II., seit 1777 Kabinetsminister, leitete von 1790 ab die auswärtige Politik des sächsischen Staates, wurde aber im November 1806 auf Befehl Napoleons von seinem Fürsten in voller Ungnade entlassen und starb am 15. März 1811. Erbe des Hauses war Graf Johann Adolf III., Geheimer Rath und Hausmarschall. – In den nun folgenden Kriegsjahren spielte das Haus insofern eine Rolle, als der französische Gesandte, seit 1811 Baron de Serra hier seine Wohnung nahm.[3] Dieser Umstand ist auch die Ursache, daß in diesen Mauern sich ein Vorgang von allgemeiner geschichtlicher Bedeutung abspielte. Der damalige Minister des Auswärtigen, Graf Senfft, zeichnet die Begebenheit ausführlich in seinen Memoiren (erschienen 1863) auf. Auch ein Privatbrief aus dem Dezember 1812 schildert den Vorgang. Man wußte in Dresden zwar schon von dem Rückzuge der Franzosen und der Schlacht an der Beresina, ohne aber doch entfernt die Wuchtigkeit des Schlages zu ahnen, der Napoleon betroffen. Da langte der Kaiser in der Nacht vom 13. zum 14. Dezember früh 2 Uhr, begleitet vom General Caulaincourt, in Dresden an und wollte in der Wohnung seines Gesandten [102] absteigen. Da aber der Fuhrmann den Weg nicht wußte, hielten sie in der Moritzstraße vor dem Hause Nr. 721, in dessen zweitem Stock noch Licht war und riefen. Der Arzt Seegert, der das Fenster öffnete, beschrieb den Fremden die Wohnung des Gesandten. Der Aufforderung herunterzukommen und den Weg zu zeigen, begegnete der Arzt mit der Antwort, es sei zu kalt, außerdem sei er kein Wegweiser, sie sollten sich an den Nachtwächter wenden. Dieser brachte die Reisenden an ihr Ziel. Der Gesandte war bereits durch einen Courier von der bevorstehenden Ankunft benachrichtigt worden und empfing den Kaiser. Sofort schickte man zum König und ließ ihn wecken. Dieser kleidete sich in fliegender Eile an und ließ sich, um keine Zeit zu verlieren, in einer gewöhnlichen Miethsänfte in Serras Wohnung tragen, er, der nie zuvor ein Privathaus in Dresden betreten hatte. Der Kaiser lag im Bette seines Gesandten und unterhielt sich so anderthalb Stunden mit dem König. Er sprach von seinen Verlusten und Hilfsquellen, von seinen Befürchtungen und Hoffnungen und von der allgemeinen Lage, gab dem König politische Verhaltungsmaßregeln und versprach bald mit neuen Streitkräften wiederzukommen. Als sich der König zurückgezogen hatte, erschien bald darauf, vollständig reisefertig, Napoleon im Salon, in aller Gemüthsruhe einen Gassenhauer trällernd. Noch einige Fragen an die Umgebung, unter der auch Senfft sich befand, eine kurze Unterhaltung mit dem König, eine eilige Mahlzeit – und um 7 Uhr bestieg er mit seinem Begleiter einen der Königin gehörigen Schlitten und reiste nach Erfurt weiter. Bis dorthin dienten ihm als Eskorte zwei Quartiermeister der Sächsischen Garde.

Eine Erinnerung an diesen unter denkwürdigen Umständen erfolgten Besuch des Hauses bildet der Schlitten[WS 2], mit dem der Kaiser hier ankam und der von einem Edelmann in der Gegend von Wilna herrührte. Er war zerbrochen und wurde deshalb zurückgelassen; seitdem ist er auf dem Boden des Hauses aufbewahrt und später wieder in Stand gesetzt worden. Ein Geschenk des Grafen Kleist vom Loß, des Verkäufers dieses Hauses, bildet er jetzt eine hervorragende Merkwürdigkeit des Stadtmuseums. – Im folgenden Jahre, wo die Hand des Krieges lang und schwer auf Dresden lastete, verdankte das Palais dem Umstand, daß der französische Gesandte hier wohnte, die Befreiung von Einquartierung.

Graf Johann Adolf III. hatte neben einem Sohn, der jung verstarb, nur drei Töchter. Mit ihm starb sein Geschlecht im Mannesstamme aus. Seine älteste Tochter, Gräfin Auguste, war vermählt mit Wilhelm Bogislav von Kleist-Tychow; der 1823 mit der vom König von Preußen bestätigten Annahme des Namens Graf Kleist vom Loß für seine Nachkommen die Anwartschaft auf Nutznießung des Gräfl. Loßschen Familienfideikommisses erwarb und so das alte Geschlecht mit Namen und Recht weiter führte. Gräfin Auguste starb 1828. Ihr Gemahl ging eine zweite Ehe mit Elisabeth Gräfin Medem ein. – 1830 verkaufte Graf Loß sein Hausgrundstück an seinen Schwiegersohn Grafen Kleist, wurde aber in einem Prozeß durch die Fideikommiß-Interessenten genöthigt, 1838 durch Rückkauf das Haus zum Fideikommiß zurückzubringen, und erkannte 1846 ausdrücklich in einer Erklärung die Fideikommißeigenschaft desselben an. Das betraf aber nur das Hauptgebäude mit der Katasternummer 536. Der auf dem Platz des Fraumutterhauses erbaute Theil des Doppelhauses, Nr. 535, der nicht mit zum Fideikommiß gehörte, verblieb dem Grafen Kleist. 1839 erhielten die Häuser jenes die Hausnummer 15, dieses die Nr. 14 und die Katasternummern 387 und 386.

Im Jahre 1852 am 7. März starb der letzte Graf Loß im hohen Alter von 84 Jahren. Das Fideikommiß, darunter das Haus auf der Kreuzgasse Nr. 15, ging auf seinen Enkel, den Grafen Bogislav Adolf Leopold Kleist vom Loß über. An diesen fiel durch den Tod seines Vaters Grafen Wilhelm Bogislav 1860 auch Nr. 14 und war somit wieder mit dem Hauptgebäude in einem Besitz vereinigt. – Der Graf Loß hatte das Palais selbst bewohnt und zwar das erste Stockwerk. Im Hause seines Schwiegersohnes, Nr. 14, bewohnte den zweiten Stock seit 1836 der königliche Oberstallmeister und Generaladjutant Generallieutenant Friedrich Josef Anton von Fabrice, der 1850 starb, der Vater des späteren Generals und Ministers von Fabrice. – Graf Bogislav Adolf Leopold war königlicher Kammerherr und Ministerresident in Neapel und Rom und befand sich daher meist auswärts. Er starb 1869. Sein Erbe war der 1863 geborne Graf Bogislav Adolf Leopold Boris. Beide hielten sich nur selten hier auf. Das Haus wurde zum Theil vermiethet. Unter den Miethbewohnern sind zu nennen: Kammerherr Graf Vitzthum und nach ihm seine Wittwe und sein Sohn 1855–1867; von 1860–1869 bewohnte das erste Stockwerk beider Häuser der österreichische außerordentliche Gesandte Freiherr von Werner; im Erdgeschoß Nr. 14 war die Gesandtschaftskanzlei; 1870–1875 wohnte in den Räumen, die der österreichische Gesandte innegehabt hatte, der königliche Kammerherr und Geheime Rath Graf Hohenthal; und endlich bis 1890 hatten inne das erste Stockwerk die adelige Gesellschaft Ressource seit 1879, und das zweite seit 1876 der Finanzminister Graf von Könneritz.

Am 19. Juli 1888 verkaufte Graf Kleist vom Loß die beiden Häuser an die Stadtgemeinde für den Gesammtpreis von 430 000 Mark (Nr. 14: 97 000 Mark, Nr. 15: 333 000 Mark); für das Haus Nr. 15 mußte [103] die Genehmigung vom königl. Amtsgericht als Fideikommißbehörde eingeholt werden. Die Stadtgemeinde kaufte die Grundstücke, um den nöthigen Flächenraum zu gewinnen für einen künftigen Rathhausneubau, der die jetzt räumlich zerstreuten Zweige der Stadtverwaltung vereinigen soll. – Bei der neuen Hausnumerirung der Kreuzstraße wurden die bisher immer getrennt gezählten Häuser unter der Nr. 10 vereinigt. Einstweilen sind mehrere Rathsämter, namentlich auch Rathsarchiv, Stadtbibliothek und Stadtmuseum darin untergebracht. – Die Zeit ist aber vielleicht nicht mehr fern, da die eigentliche Hauptabsicht, die der Rath beim Ankauf dieses Hauses im Auge hatte, sich erfüllt und in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, und zum Theil auf seinem Boden, ein würdiges und unserer Stadt zur Zierde gereichendes Rathhaus sich erhebt!

Archivassistent Dr. G. Beutel. 

  1. Freiherr ò Byrn in seiner kurzen Biographie Klengels erzählt, daß Sophie Eleonore, „wenn man der Saxe galante als historischer Quelle trauen darf“, kurze Zeit in ein galantes Verhältniß zu August dem Starken trat, noch vor der Königsmarck: nun nennt aber Pöllnitz die Dame, um die es sich allein handeln kann, Fräulein von Kessel. ò Byrn spart die Mittheilung, wie er zu der Annahme einer Namensverwechselung bei Pöllnitz kam. Im Uebrigen spricht viel für die Aufstellung, daß in der That hier der flüchtig schreibende Pöllnitz nach mehr als 30 Jahren den Namen der Dame mit einem ähnlich klingenden verwechselt hat. Die Vornamen stimmen überein und, was die Hauptsache, auch sein Fräulein von Kessel wird mit einem Herrn von Haugwitz vermählt. Endlich ist sehr auffällig, daß Vehse, der neben Pöllnitz noch andere Quellen hat, namentlich die handschriftlichen Memoiren Haxthausens, zwar bei der Aufzählung der Favoritinnen Fräulein Kessel nennt, bei einer späteren gelegentlichen Erwähnung aber davon spricht, daß Aurora von Königsmarck und Fräulein Klengel, ihre Vorgängerin, den Kurfürsten nach Karlsbad begleiteten. Auch daß das Bildniß der Frau von Haugwitz, späteren Baronin von Seyffertitz, im Venussaale des alten Pillnitzer Schlosses einen Platz hatte, macht es wahrscheinlich, daß sie an dem der Liebe und Schönheit ergebenen Hofe Augusts eine Rolle gespielt habe. – Wenn ò Byrns durch mancherlei Umstände gestützte Annahme richtig ist, so haben hintereinander zwei ehemalige Geliebte Augusts des Starken unser Haus inne gehabt.
  2. Am 5. Februar 1728 wurde die damals unter der Direktion des berühmten Louis Sylvester stehende Malerakademie im Fraumutterhause vom König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der vorher beim Geheimen Rath von Loß zu Mittag gespeist hatte, „mit großem Vergnügen“ besichtigt, worüber der Hof- und Staatskalender für 1729 eingehend berichtet.
  3. De Serra nahm diese Wohnung erst nach dem Tode des alten Grafen Loß, des Kabinetsministers, ein, während sein Vorgänger und auch er in der ersten Zeit in der Pirnaischen Gasse Nr. 690 (Landhausstraße) gewohnt hatte. Der jüngere Graf zog nach dem Tode des älteren, der im eigenen Hause wohnte, zunächst nicht herein, sondern behielt seine schon bei Lebzeiten des Vaters innegehabte Wohnung Pirnaische Gasse Nr. 689 a fort. Dagegen ist er nach dem Weggang des französischen Gesandten von Dresden in sein Haus eingezogen, wie das Adreßbuch von 1816, das erste nach den Kriegsjahren, nachweist. Demnach scheint der Schluß gestattet, daß in der Zwischenzeit dem Baron de Serra die Wohnung des verstorbenen Kabinetsministers eingeräumt war. Unterstützt wird diese Annahme durch eine Bemerkung Senffts, nach der das Bett des Ministers „se trouvait être celui de la comtesse de Loss“: das legt fast die Deutung nahe, daß die ganze Wohnung mit ihrer Einrichtung, wie sie lag und stand, dem Baron überlassen worden war. Nun spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Kabinetsminister Graf Loß im ersten Stockwerk gewohnt hat, wie das für den Hausmarschall aus den späteren Adreßbüchern sicher hervorgeht. Somit wird der im Folgenden geschilderte Vorgang aller Wahrscheinlichkeit nach im ersten Stock sich abgespielt haben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: doppeltes in
  2. siehe auch Dresdner Geschichtsblätter Band 2: Der angebliche Napoleon-Schlitten.