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Melpomene/Band 2/100 Unsterblichkeit

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aus: Melpomene
Seite: Band 2, S. 267-270
von: [[{{{AUTOR}}}]]
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[267]

100. Unsterblichkeit.

Melod. XX.

1. Erhebe dich, o Sterblicher!
Aus Zeit- und Todes-Schranken,

2. Und segle durch das Wonnemeer
Unsterblicher Gedanken. –

3. Mag Zeit und Tod die ganze Welt
Mit Staub und Moder decken!

4. Das wahre Glaubenslicht erhält
Uns Christen ohne Schrecken.
[268]
5. Denn unser Geist ist Gottes Hauch,
Gemacht nach seinem Bilde;

6. Kann also nicht vergehn, wie Rauch
Bei Gottes Lieb und Milde.

7. Der Seele ganze Wesenheit,
Verstand, Vernunft und Willen,

8. Ihr heisser Durst nach Seligkeit,
Den keine Zeiten stillen,

9. Die Freiheit jeder Geisteskraft
In ihrem ganzen Streben,

10. Und jede Gab und Eigenschaft
Voll Thätigkeit und Leben,

11. Ihr zartes edles Rechtgefühl
Mit seinem Lob und Tadel,

12. Beweisst ihr unbeschränktes Ziel,
Und ihren Götteradel. –

13. So ist schon unsre Wesenheit,
Durch edle Seelentriebe,

14. Zur seligen Unsterblichkeit
Bestimmt von Gottes Liebe. –

15. So sagt uns auch das Glaubenslicht,
Das uns die Wahrheit lehret,

16. Und eine Lebensdaur verspricht,
Die ewig, ewig währet;

17. So lehrt der Hoffnung süsse Glut,
Die unsre Brust entflammet,

18. Die Liebe zu dem höchsten Gut,
Von dem ihr Feuer stammet:
[269]
19. So lehrt uns Gottes eigner Sohn
In seinen Tugendlehren.

20. Denn sagt: wo blieben Straf und Lohn,
Wenn Seelen sterblich wären??

21. Denn hier wird ja die Tugend nicht
Nach ihrem Werth belohnet,

22. Und öfter bleibt der Bösewicht,
So lang er lebt, verschonet;

23. Hier schwelget mancher im Genuß
Verbothner Erdenfreuden,

24. Und läßt bei seinem Überfluß
Den Armen Hunger leiden:

25. Dort aber wohnet Lazarus
In ew’gen Himmelsfreuden,

26. Der reiche Prasser aber muß
Die Pein der Hölle leiden. –

27. So wird, o Mensch! nach dieser Zeit
Dein Geist auf ewig leben.

28. Laß nun dein Herz voll Ewigkeit
Vor Furcht und Freude beben;

29. Bemühe dich mit Ängstlichkeit
Das Böse stets zu meiden;

30. Du würdest sonst nach dieser Zeit
Unsterblich seyn zum Leiden,

31. Und dieses dein Unsterblichseyn
Verzweiflungvoll verfluchen,

32. Umsonst das Ende deiner Pein
In der Vernichtung suchen;
[270]
33. Bestrebe dich: die Tugendbahn
Mit Freuden hier zu gehen;

34. Du wirst an ihrem Ende dann
Dich ewig selig sehen:

35. Dich soll der Sünder frecher Spott
Hierin nicht irre machen,

36. Die, fröhnend ihren Lüsten, Gott,
Und Ewigkeit verlachen;

37. Sie werden es, doch ach! zu spät
In jener Welt erfahren:

38. Daß ewig unser Geist besteht,
Sie aber Thoren waren.

39. Vertrau auf Gottes Wort, o Christ!
Die Seelen leben ewig,

40. Und mache, was unsterblich ist,
Durch Tugend ewig selig. –