Med. Topographie Gmuend:059
Franz Joseph Werfer Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd | |
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[114] eignen Pfarrer und eigne Schule haben: und erfreulich ists wirklich zu sehen, wie bey solchen Gelegenheiten und daher nähern Berührungen manche sonst vorgefaßte Urtheile und Volksmeinungen zum Besten jedes Theils sich ändern und berichtigen, und somit, wie die Menschen zuvor selbst sich nähern und kennen, auch dann gegenseitig ihre Gewohnheiten und Gebräuche ehren und schätzen lernen; denn oft stellt uns die Ferne im verkehrten Lichte dar, was die Nähe nur rein und in Wahrheit geben kann. Ehemals wohnten auch Juden hier, und sollen eine eigne Schule gehabt haben, woran noch der sogenannte Judenhof erinnert; aber schon 1397 wurden dieselben wieder aus der Stadt verwiesen. Die Einwohnerzahl hat sich seit den letzten 10 Jahren um 280 Seelen vermindert; denn im Jahr 1802 zählte man noch 5580 Seelen; und im vorherigen Dezennium soll sie sogar um 1500 Seelen abgenommen haben. Da nun diese Abnahme nicht einer vermehrten Mortalität zugeschrieben werden kann, so muß die Ursache davon wohl größtentheils in den schon länger andauernden, für unsre Stadt sehr ungünstigen merkantilischen Verhältnissen nach Aussen, und der nothwendig daraus entspringenden Nahrungs- und Verdienstlosigkeit unsrer Manufakturisten gelegen seyn; denn schon vor 30 und mehrern Jahren, wo die Bevölkerung noch um ein bedeutendes stärker war, fieng dieselbe merklich sich zu vermindern an, als viele unsrer Manufakturisten wegen damals schon eingetretener Abnahme der Arbeit auszuwandern veranlaßt wurden. In wiefern sich übrigens die Denk- und Lebensweise hiesiger Einwohner innerhalb dem [115] letzten Dezennium gegen frühere Zeiten im allgemeinen verändert habe, mag zum Theil aus bereits gesagten zu erkennen seyn. Manche bey noch reichsstädtischer Verfassung ungekannte und daher ungewohnte Verfügungen einer neuen Regierung traten an die Stelle der alten, wornach nicht nur der einzelne in seinem Thun und Lassen, sondern auch vorher öffentlich bestandene Gebräuche und Einrichtungen, wie leicht zu erachten, sich fügen und bequemen mußten: besonders aber sahen sich bey der seit vielen Jahren durch die mancherley auswärtigen Handelsbeschränkungen veranlaßte Arbeits- und Verdienstlosigkeit, gar manche unsrer Manufakturisten nothgedrungen andere sich darbietende Nahrungs- und Arbeitszweige zu ergreifen; und viele andere bey dem immer mehr sinkenden Wohlstand große Einschränkungen in ihrem häußlichen und öffentlichen Leben zu machen, da man sonst bey noch etwas bedeutenden Handelsflor der Stadt, und daher reichlich fließenden Verdienst unter allen Klassen mehr wohl und genüglich im allgemeinen lebte, sich manchen Vergnügungen und Ergötzlichkeiten überließ, denen man jetzt ganz oder größtentheils entsagen muß; und selbst die vor dem über fünf Jahrhunderte bestandene frey reichsstädtische Verfassung – nachdem die Stadt von ihrer Gründung an kaum zwey Jahrhunderte der Staufischen Dynastie unterthan gewesen – erlaubte manche Freyheit und Unbeschränkheit im Leben und gegenseitigen Verkehr, was jetzt den eingetretenen Veränderungen und Zeitumständen zufolge nothwendig aufgehoben, oder vielen Beschränkungen unterworfen ist; lauter Dinge, welche früher oder später, mehr oder |