Mathematische Principien der Naturlehre/Vorwort
Mathematische Principien der Naturlehre (1872) von Isaac Newton, übersetzt von Jakob Philipp Wolfers Vorwort, Vorrede |
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Die Alten hielten (nach Pappus’ Angabe) die Mechanik für sehr wichtig bei der Erforschung der Natur, und die Neuern haben, nachdem sie die Lehre von den substantiellen Formen und den verborgenen Eigenschaften aufgegeben, angefangen die Erscheinungen der Natur auf mathematische Gesetze zurückzuführen. Es erschien daher zweckmässig, im vorliegenden Werke die Mathematik so weit auszuführen, als sie sich auf die Physik bezieht.
Die Alten stellten die Mechanik auf zweifache Weise dar, als rationale, welche durch Beweisführung mit Genauigkeit vorwärtsschreitet und als practische. Zur letztern gehören alle Handfertigkeiten, von denen auch der Name Mechanik abgeleitet ist. Da aber die Künstler nicht sehr genau zu Werke zu gehen pflegen, so unterscheidet man dermaassen zwischen der Mechanik und der Geometrie, dass man alles Genaue zur letztern, alles weniger Genaue zur erstern zählt. Die begangenen Fehler darf man jedoch nicht der Kunst, sondern den Künstlern zuschreiben. Wer nämlich weniger genau zu Werke geht, ist ein unvollkommener Mechaniker; derjenige hingegen, welcher auf’s genaueste arbeiten könnte, würde der vollkommenste aller Mechaniker sein.
Die Darstellung von geraden Linien und Kreisen, welche der Geometrie als Grundlage dienen, gehört auch der Mechanik an. Die Geometrie lehrt nämlich nicht, wie man solche Linien beschreibt, sie setzt dies als bekannt voraus. Sie verlangt dass der Anfänger vorher gelernt habe, dieselben genau darzustellen, bevor er die Schwelle der Geometrie betritt. Sie lehrt hierauf, wie man durch diese Operationen Aufgaben lösen kann. Gerade Linien und Kreise beschreiben, sind Aufgaben, nicht der Geometrie sondern der Mechanik; erstere lehrt die Anwendung derselben und es gereicht ihr zum Ruhme, dass sie mit so wenigen, von anderswo hergenommenen Principien so viel leistet. Die Geometrie hat demnach ihre Basis in der praktischen Mechanik, und sie ist derjenige Theil der allgemeinen Mechanik, welcher die Kunst, genau zu messen, aufstellt und beweist.
Da aber die Handfertigkeiten hauptsächlich bei der Bewegung der Körper in Anwendung kommen, so bezieht man gewöhnlich die Geometrie auf die Grössen, die Mechanik auf die Bewegung. In diesem Sinne ist die rationale Mechanik die genau dargestellte und erwiesene Wissenschaft, welche von den aus gewissen Kräften hervorgehenden Bewegungen und umgekehrt den, zu gewissen Bewegungen erforderlichen Kräften handelt. Diesen Theil hatten die Alten in den fünf Kräften, welche sich auf Handfertigkeiten beziehen, ausgebildet. Sie betrachteten dabei die Schwere (da sie keine Kraft der Hand ist) kaum weiter, als bei den Gewichten, welche durch jene Kräfte bewegt werden sollen. Wir aber, die wir nicht die Kunst, sondern die wir die Wissenschaft zu Rathe ziehen, und die wir nicht über die Kräfte der Hand, sondern die der Natur schreiben, betrachten hauptsächlich diejenigen Umstände, welche sich auf Schwere und Leichtigkeit, auf die Kraft der Elasticität und den Widerstand der Flüssigkeiten und auf andere derartige anziehende oder bewegende Kräfte beziehen, und stellen daher unsere Betrachtungen als Mathematische Principien der Naturlehre auf.
Alle Schwierigkeit der Physik besteht nämlich dem Anschein nach darin, aus den Erscheinungen der Bewegung die Kräfte der Natur zu erforschen und hierauf durch diese Kräfte die übrigen Erscheinungen zu erklären. Hierzu dienen die allgemeinen Sätze, welche im ersten und zweiten Buche behandelt werden. Im dritten Buche haben wir, zur Anwendung derselben, das Weltsystem erklärt. Dort wird nämlich aus den Erscheinungen am Himmel, vermittelst der in den ersten Büchern mathematisch bewiesenen Sätze, die Kraft der Schwere abgeleitet, vermöge welcher die Körper sich bestreben, der Sonne und den einzelnen Planeten sich zu nähern. Aus derselben Kraft werden dann, gleichfalls vermittelst mathematischer Sätze, die Bewegungen der Planeten, Cometen, des Mondes und des Meeres abgeleitet.
Möchte es gestattet sein, die übrigen Erscheinungen der Natur auf dieselbe Weise aus mathematischen Principien abzuleiten! Viele Beweggründe bringen mich zu der Vermuthung, dass diese Erscheinungen alle von gewissen Kräften abhängen können. Durch diese werden die Theilchen der Körper nämlich, aus noch nicht bekannten Ursachen, entweder gegen einander getrieben und hängen alsdann als reguläre Körper zusammen, oder sie weichen von einander zurück und fliehen sich gegenseitig. Bis jetzt haben die Physiker es vergebens versucht, die Natur durch diese unbekannten Kräfte zu erklären; ich hoffe jedoch, dass die hier aufgestellten Principien entweder über diese, oder irgend eine richtigere Verfahrungsweise Licht verbreiten werden.
Bei der Herausgabe dieses Werkes hat Edmund Halley, dieser höchst scharfsinnige und vielseitig gelehrte Mann, vielfache Mühe verwandt. Er hat nicht nur die Correctur und die Holzschnitte besorgt, sondern war überhaupt auch derjenige, welcher mich zur Abfassung dieses Werkes veranlasst hat. Da er nämlich von mir einen Beweis der Gestalt, welche die Bahnen der Himmelskörper haben, verlangt hatte; so bat er mich, ich möchte denselben der Königlichen Gesellschaft mittheilen. Diese bewirkte hierauf durch ihre Aufforderung und Oberleitung, dass ich anfing, an die Herausgabe des Werkes zu denken. Nachdem ich aber mit den Ungleichheiten der Mondbewegung den Anfang gemacht hatte, beschäftigte ich mich mit den Gesetzen und dem Maasse der Schwere und anderer Kräfte, mit den Bahnen, welche Körper beschreiben, die nach beliebigen gegebenen Gesetzen angezogen werden, ferner mit der Bewegung mehrerer Körper unter sich, mit der Bewegung der Körper in widerstehenden Mitteln, den Kräften, der Dichtigkeit und Bewegung dieser Mittel, endlich mit den Cometenbahnen und ähnlichen Untersuchungen. Ich glaubte aber, die Herausgabe einige Zeit verschieben zu müssen, um das Uebrige ausfeilen und mit der ersten Untersuchung vereint veröffentlichen zu können. Dasjenige, was sich auf die Bewegung des Mondes bezieht (und freilich unvollkommen ist) habe ich in den Zusätzen des §. 107. zusammengefasst, damit ich nicht gehalten wäre, einzelne weitläufiger auseinander zu setzen, als der Sache werth ist und dasselbe gesondert zu beweisen, wodurch die Reihefolge der übrigen Sätze eine Unterbrechung erlitten haben würde. Einzelnes, was ich noch spät auffand, wollte ich lieber an nicht ganz passenden Stellen einfügen, als die Zahl der Sätze und der Citate ändern.
Möge alles mit Eifer gelesen werden, Mängel in einer so schwierigen Materie den Leser weniger zum Tadel, als zu neuen Versuchen und gefälliger Ergänzung veranlassen! Hierum bitte ich denselben recht dringend.
- Cambridge, den 8. Mai 1686.
In dieser zweiten Ausgabe der Principien ist vieles hin und wieder verbessert, und manches hinzugefügt worden. Im Abschnitt II. des ersten Buches habe ich die Bestimmung der Kräfte, vermöge deren sich Körper in gegebenen Bahnen bewegen können, leichter und ausgedehnter dargestellt. Im Abschnitt VII. des zweiten Buches habe ich die Theorie des Widerstandes der Flüssigkeiten genauer erforscht und durch neue Versuche bestätigt. Im dritten Buche wird die Theorie des Mondes und die Praecession der Aequinoctien aus ihren Principien vollständiger abgeleitet und die Theorie der Cometen durch mehrere und genauer berechnete Beispiele von Bahnen bestätigt.
- London, den 28. März 1713.
Die lang ersehnte neue Ausgabe von Newton’s Naturlehre überreichen wir dem wohlwollenden Leser, vielfach verbessert und vermehrt. Den hauptsächlichsten Inhalt dieses berühmten Werkes kann man aus dem beigefügten Inhalts-Verzeichniss ersehen; das, was hinzugefügt oder verändert worden ist, erfährt man durch die vorstehende Vorrede des Verfassers. Es ist noch übrig, dass wir über die Methode dieses Werkes etwas hinzufügen.
Diejenigen, welche sich mit der Bearbeitung der Physik beschäftigt haben, kann man etwa in drei Klassen theilen. Einige schrieben nämlich einzelnen Arten von Dingen specifische und verborgene Eigenschaften zu, von denen alsdann die Operationen der einzelnen Körper, aus einer gewissen unbekannten Ursache abhängen sollten. Hierin besteht das Wesentliche der scholastischen Philosophie, welche von Aristoteles und den Peripatetikern herrührt. Sie behaupten, dass die einzelnen Wirkungen aus der Natur der Körper entspringen; woher aber diese Natur rühre, lehren sie nicht; sie lehren daher nichts. Da sie sich durchaus bei dem Namen der Dinge nicht bei den Dingen selbst aufhalten, kann man sagen, dass sie eine gewisse philosophische Sprachweise erfunden, nicht aber, dass sie Philosophie gelehrt haben.
Andere hegten daher die Hoffnung, das Lob eines bessern Eifers einzuernten, nachdem sie den unnützen Mischmasch von Worten weggeworfen hatten. Sie behaupteten demnach, die allgemeine Materie sei homogen, und alle den begrenzten Körpern eigenthümliche verschiedene Formation entspringe aus gewissen höchst einfachen und leicht zu erkennenden Beziehungen der sie zusammensetzenden Theilchen. In der That stellen sie so zwar ein Fortschreiten vom Einfachen zum Zusammengesetzten dar, wenn sie jene ursprünglichen Beziehungen der Theilchen so annehmen, wie die Natur sie zeigt. Allein da sie sich erlauben, eine beliebige unbekante Gestalt und Grösse der Theile, und eine unbestimmte Lage und Bewegung derselben anzunehmen; da sie selbst gewisse verborgene Flüssigkeiten erdenken, welche die Poren der Körper frei durchwandern, eine sehr bedeutende Freiheit besitzen und durch verborgene Bewegungen angetrieben werden: so versinken sie in Träumereien, indem sie die wahre Einrichtung der Dinge vernachlässigen, welche man vergebens durch falsche Vermuthungen abzuleiten suchen wird, da man sie kaum, selbst durch die sichersten Beobachtungen erforschen kann. Diejenigen, welche ihre Speculationen auf Hypothesen begründen, werden, wenn sie hierauf auch auf’s strengste nach mechanischen Gesetzen fortschreiten, eine Fabel, vielleicht eine elegante und schöne, jedoch nur eine Fabel aufbauen.
Es bleibt noch eine dritte Art von Naturforschern übrig, welche sich zur Experimental-Physik bekennt. Diese wollen zwar aus den möglich einfachsten Principien die Ursachen aller Dinge ableiten, allein als Princip nehmen sie etwas an, was noch nicht durch die Erscheinungen sich gezeigt hat. Hypothesen werden ersonnen, jedoch nehmen sie sie nur als Fragen, über deren Wahrheit geurtheilt werden soll, in die Physik auf. Sie verfahren daher nach einer zweifachen Methode, der analytischen und synthetischen. Die Kräfte der Natur und ihre einfachen Gesetze leiten sie aus einigen ausgewählten Erscheinungen, mittelst der Analysis ab, und legen die erstern, mittelst der Synthesis, als Beschaffenheit der übrigen Erscheinungen dar. Diese Erforschungsart ist jene bei weitem beste, welche vor den übrigen anzuwenden unser berühmter Verfasser für würdig und verdienstlich hielt. Dieser allein legte er hinreichenden Werth bei, um ihrer Ausbildung und Ausschmückung seine Bemühungen zu widmen. Er stellte als berühmtes Beispiel derselben die, mit Glück aus dem Gesetz der Schwere abgeleitete, Erklärung des Weltsystems auf. Dass die Kraft der Schwere allen Körpern innewohne, hatten die Einen vermuthet, die Andern gedacht; er aber, als der Erste und Einzige vermochte es, ihr Dasein mittelst der Erscheinungen zu erweisen und ihr durch ausgezeichnete Speculationen eine feste Grundlage aufzubauen.
Ich weiss wohl, dass auch einige Männer von bedeutendem Namen, durch gewisse Vorurtheile mehr als billig befangen, diesem neuen Principe ungern beigestimmt und selbst Unerwiesenes dem Erwiesenen vorgezogen haben. Den Ruf dieser Männer anzugreifen, liegt mir nicht im Sinne, ich will vielmehr Dir, wohlwollender Leser, mit wenigen Worten dasjenige auseinander setzen, woraus Du Dir selbst ein nicht ungünstiges Urtheil ableiten könnest.
Um nun unsern Beweis beim Einfachsten und Nächsten zu beginnen, wollen wir einmal kurz untersuchen, welches die Natur der Schwere auf der Erde ist; damit wir später sicherer fortschreiten können, wenn wir zu den weit von uns entfernten Himmelskörpern kommen. Alle Gelehrten sind jetzt darüber einig, dass alle Körper gegen die Erde gravitiren; dass es keine wirklich leichte Körper gebe, hat vielfache Erfahrung längst bestätigt. Was beziehungsweise leicht heisst, ist es nicht wirklich sondern nur scheinbar, es folgt dies aus der überwiegenden Schwere der angrenzenden Körper.
Wie alle Körper gegen die Erde schwer sind, so ist es umgekehrt auch die Erde gegen die Körper; dass nämlich die Wirkung der Schwere wechselseitig und gleich sei, lässt sich folgendermaassen zeigen. Denkt man sich die ganze Last der Erde in zwei Theile unterschieden, welche entweder einander gleich oder beliebig ungleich sind. Wenn nun die Gewichte der Theile nicht wechselseitig einander gleich wären, so würde das kleinere dem grösseren nachgeben und die verbundenen Theile sich ins Unendliche fort nach der Richtung gradlinig bewegen, nach welcher das grössere Gewicht hinstrebt. Dies ist der Erfahrung zuwider. Man muss daher annehmen, dass die Gewichte der Theile sich im Gleichgewicht befinden, d. h. dass die Wirkung der Schwere wechselseitig und gleich sei.
Die Gewichte gleich weit vom Mittelpuncte der Erde entfernter Körper sind den, in ihnen enthaltenen, Mengen der Materie proportional. Man schliesst dies aus der gleichen Beschleunigung aller Körper, welche vom Zustande der Ruhe ab, vermöge der Kräfte ihrer Gewichte, fallen; denn die Kräfte, durch welche ungleiche Körper gleich beschleunigt werden, müssen der Menge der zu bewegenden Materie proportional sein. Dass aber alle fallenden Körper gleich stark beschleunigt werden, erhellt daraus, dass sie im Boyle’schen Vacuum in gleichen Zeiten durch gleiche Räume fallen, indem hier nämlich der Widerstand der Luft aufgehoben ist. Genauer wird dies durch Pendelversuche bewiesen.
Die anziehenden Kräfte der Körper verhalten sich in gleichen Abständen, wie die Menge der in denselben befindlichen Materie. Da nämlich die Körper gegen die Erde, und umgekehrt diese gegen jene gleich schwer ist, so wird das Gewicht der Erde gegen jeden Körper oder die Kraft, womit der Körper die Erde anzieht, dem Gewicht desselben Körpers gegen die Erde gleich sein. Dieses Gewicht wird aber der Menge der Materie im Körper proportional sein, daher wird auch die Kraft, womit jeder Körper die Erde anzieht, d. h. seine absolute Kraft derselben Menge der Materie proportional sein.
Die anziehende Kraft der ganzen Körper entspringt demnach und wird zusammengesetzt aus den anziehenden Kräften der Theile, indem bei vermehrter oder verminderter Last der Materie, wie gezeigt worden ist, die Kraft proportional vermehrt oder vermindert wird. Man muss daher annehmen, dass die Wirksamkeit der Erde aus der vereinigten Wirksamkeit Ihrer Theile zusammengesetzt werde, dass folglich alle irdischen Körper sich gegenseitig mit absoluten Kräften anziehen, welche im Verhältniss der anziehenden Materie stehen. Dies ist die Natur der Schwere auf der Erde; sehen wir nun, wie sie am Himmel beschaffen ist.
Dass jeder Körper in seinem Zustande der Ruhe, oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung verharre, wofern er nicht durch einwirkende Körper gezwungen wird, jenen Zustand zu verändern, ist ein von allen Gelehrten angenommenes Naturgesetz. Hieraus folgt aber, dass Körper, welche sich in Curven bewegen, also von den ihre Bahnen berührenden geraden Linien beständig abweichen, durch irgend eine fortwährend wirkende Kraft in ihrer krummlinigen Bewegung zurückgehalten werden. Da die Planeten sich in krummen Bahnen bewegen, muss nothwendig irgend eine Kraft da sein, durch deren wiederholte Wirksamkeit sie unaufhörlich von ihren Tangenten abgelenkt werden.
Nun muss man billiger Weise dasjenige zugeben, was durch mathematische Schlussweise auf’s bestimmteste erwiesen wird, dass nämlich alle Körper, welche sich in irgend einer in der Ebene befindlichen Curve bewegen und welche mit den, nach einem entweder ruhenden oder beliebig sich bewegenden Punkte gezogenen, Radien Vectoren um diesen Punkt der Zeit proportionale Flächen beschreiben, durch Kräfte angetrieben werden, welche nach demselben Punkte gerichtet sind. Da nun von den Astronomen ausgesprochen ist, dass die Planeten um die Sonne, die Trabanten aber um ihren Planeten den Zeiten proportionale Flächen beschreiben: so folgt, dass jene Kraft, durch welche sie beständig von den Tangenten abgelenkt und in krummlinigen Bahnen sich zu bewegen gezwungen werden, gegen die Körper gerichtet sei, welche sich im Centrum der Bahn befinden. Diese Kraft kann passend, in Bezug auf den sich bewegenden Körper Centripetal- und in Bezug auf den Centralkörper anziehende Kraft genannt werden, aus welcher Ursache sie sonst auch entspringen möge.
Ferner muss auch das Folgende, was mathematisch bewiesen wird, zugegeben werden. Drehen sich mehrere Körper mit gleichbleibender Bewegung in concentrischen Kreisen, und sind die Quadrate ihrer Umlaufzeiten den Cuben ihrer Abstände vom gemeinschaftlichen Centrum proportional; so verhalten sich die Centripetalkräfte umgekehrt wie die Quadrate der Abstände. Bewegen sich ferner Körper in Bahnen, welche Kreisen sehr nahe kommen und ruhen ihre Apsiden; so verhalten sich die Centripetalkräfte umgekehrt wie die Quadrate der Abstände. Dass einer dieser beiden Fälle bei jedem Planeten stattfinde, darin stimmen die Astronomen überein. Es verhalten sich daher die Centripetalkräfte aller Planeten umgekehrt, wie die Quadrate ihrer Abstände von den Mittelpunkten der Bahnen. Wirft jemand ein, dass die Apsiden der Planeten, ins besondere die des Mondes nicht gänzlich ruhen, sondern sich langsam und rechtläufig bewegen; so kann man hierauf erwidern, dass wir zugeben, durch diese sehr langsame Bewegung werde jenes Verhältniss der Centripetalkraft etwas vom umgekehrten doppelten abweichen, dass diese Abweichung jedoch gefunden werden könne und unmerklich sei. Denn das Verhältniss der Centripetalkraft des Mondes, welches vor allen am mehrsten gestört werden muss, übertrifft zwar etwas das doppelte, kommt jedoch diesem 60mal näher, als dem dreifachen. Noch näher der Wahrheit lautet die Antwort, dass dieses Fortrücken der Apsiden nicht aus einer Abweichung vom doppelten Verhältniss, sondern aus einer durchaus verschiedenen Ursache entspringe, wie auf vortreffliche Weise in diesem Werke dargethan wird. Es steht also fest, dass die Centripetalkräfte, durch welche die Planeten gegen die Sonne und die Trabanten gegen ihren Planeten gedrängt werden, sich genau umgekehrt wie die Quadrate der Abstände verhalten.
Aus dem Bisherigen folgt, dass die Planeten durch irgend eine beständig auf sie einwirkende Kraft in ihren Bahnen erhalten werden; ferner steht fest, dass diese Kraft immer gegen das Centrum der Bahnen gerichtet ist; es steht fest, dass ihre Intensität mit der Annäherung zum Centrum zu-, hingegen mit der Entfernung von demselben abnimmt, und zwar zu- und abnimmt in demselben Verhältniss, in welchem das Quadrat des Abstandes ab- und zunimmt. Wir wollen nun eine Vergleichung zwischen den Centripetalkräften der Planeten und der Schwerkraft anstellen, und sehen, ob sie vielleicht von derselben Art sind. Sie werden aber von derselben Art sein, wenn von dort und von hier dieselben Gesetze und dieselben Beziehungen bemerkt werden. Untersuchen wir zuerst die Centripetalkraft des, uns am nächsten liegenden, Mondes!
Die geradlinigen Wege, welche die aus dem Zustande der Ruhe in Bewegung übergehenden Körper, im Anfange der letztern und in gegebener Zeit beschreiben, sind, wenn sie durch beliebige Kräfte angetrieben werden, diesen proportional. Dies ergiebt sich durch mathematische Rechnung. Es wird daher die Centripetalkraft, welche auf den in seiner Bahn sich bewegenden Mond wirkt, sich zur Schwerkraft an der Oberfläche der Erde verhalten, wie der Weg, welchen der Mond in einem sehr kleinen Zeitraume zurücklegen würde, wenn er vermöge der Centripetalkraft sich der Erde näherte und seiner Kreisbewegung ganz beraubt wäre, zu dem Wege, welchen ein schwerer Körper in demselben kleinen Zeitraume nahe bei der Erde beschreiben würde, wenn nur die Schwerkraft ihn zum Fallen antriebe. Der erste dieser beiden Wege ist gleich dem Sinus versus des Bogens, welchen der Mond in derselben Zeit beschrieben hat. Dieser Sinus versus misst nämlich die Entfernung, welche der Mond von der Tangente, vermöge der Centripetalkraft in derselben Zeit erlangt hat, und kann daher aus der gegebenen Umlaufszeit des Mondes und seinem Abstande vom Mittelpunkte der Erde berechnet werden. Den zweiten Weg findet man, wie Huygens gelehrt hat, durch Pendelversuche. Stellt man daher die Rechnung an, so wird der erste Weg sich zum zweiten, oder die Centripetalkraft des in seiner Bahn sich bewegenden Mondes zur Schwerkraft an der Oberfläche der Erde verhalten, wie das Quadrat des Erdhalbmessers zum Quadrat des Halbmessers der Mondbahn. Dasselbe Verhältniss hat auch dem Obigen die Centripetalkraft des in seiner Bahn sich bewegenden Mondes, zu derselben Kraft in der Nähe der Erdoberfläche. Die letztere Centripetalkraft ist daher gleich der Kraft der Schwere. Beide Kräfte sind nicht von einander verschieden, sondern eine und dieselbe. Wären sie nämlich von einander verschieden, so müssten die, durch die vereinigten Kräfte angetriebenen Körper doppelt so schnell gegen die Erde fallen, als bloss vermöge der Schwerkraft. Es ist demnach ausgemacht, dass jene Centripetalkraft, durch welche der Mond beständig von der Tangente abgezogen, oder fortgestossen und in seiner Bahn erhalten wird, die Schwerkraft der Erde sei, welche sich bis zum Monde erstreckt. Es stimmt dies auch mit der Vernunft überein, dass jene Kraft sich auf grosse Entfernungen erstrecke, da man auch auf den höchsten Bergspitzen keine bemerkbare Abnahme derselben wahrnehmen kann. Der Mond ist daher gegen die Erde schwer, und durch Gegenwirkung ist die Erde eben so schwer gegen den Mond, was auch vollständig in diesem Werke bestätigt wird da, wo von der Meeresfluth und dem Fortrücken der Nachtgleichen die Rede ist, welche aus der Wirkung der Sonne und des Mondes auf die Erde entspringen. Hier und dort werden wir belehrt, nach welchem Gesetze die Kraft der Schwere, in grössern Entfernungen von der Erde, abnimmt. Da nämlich die Schwere von der Centripetalkraft des Mondes nicht verschieden, diese letztere aber dem Quadrat des Abstandes umgekehrt proportional ist; so nimmt auch die Schwere in demselben Verhältniss ab.
Gehen wir nun zu den andern Planeten über. Da die Umläufe der Planeten um die Sonne, und der Trabanten um den Jupiter und Saturn Erscheinungen von derselben Art, wie der Umlauf des Mondes um die Erde sind, weil erwiesen ist, dass die Centripetalkräfte der Planeten gegen den Mittelpunkt der Sonne, die der Trabanten gegen die Mittelpunkte von Jupiter und Saturn gerichtet sind; da ferner alle diese Kräfte sich umgekehrt wie die Quadrate der Abstände von den Mittelpunkten verhalten, wie die Centripetalkraft des Mondes sich umgekehrt wie das Quadrat seines Abstandes von der Erde verhält: so muss man schliessen, dass sie alle von derselben natürlichen Beschaffenheit seien. Wie der Mond gegen die Erde, und umgekehrt die Erde gegen den Mond schwer ist, so sind auch alle Trabanten gegen ihren Centralplaneten und dieser gegen sie, so wie endlich alle Planeten gegen die Sonne und diese gegen jene schwer.
Die Sonne ist daher gegen alle Planeten und Trabanten, und diese gegen jene schwer. Denn die Trabanten bewegen sich, während sie ihren Centralplaneten begleiten, zugleich mit diesem um die Sonne. Aus demselben Grunde sind daher Planeten und Trabanten gegen die Sonne schwer, und umgekehrt. Dass aber die Trabanten gegen die Sonne gravitiren, ergiebt sich ausserdem aus den Ungleichheiten des Mondes, deren sehr genaue, mit bewundernswerthem Scharfsinne dargelegte, Theorie sich im dritten Buche dieses Werkes findet.
Dass die anziehende Kraft der Sonne sich nach allen beliebigen Richtungen bis in sehr grosse Entfernungen fortpflanze und sich auf die einzelnen Theile des umliegenden Raumes ergiesse, kann man offenbar aus der Bewegung der Cometen schliessen. Diese kommen aus ungeheuern Entfernungen in die Nähe der Sonne, und kommen dieser bisweilen so nahe, dass sie dieselbe in der Gegend des Perihels nur eben nicht zu berühren scheinen. Die Theorie derselben, welche vor diesem die Astronomen vergebens gesucht hatten, ist in unserm Jahrhundert endlich glücklich aufgefunden und auf’s Bestimmteste durch Beobachtungen bewiesen worden; wir verdanken es unserm Autor. Es ist demnach klar, dass die Cometen sich in Kegelschnitten bewegen, deren Brennpunkt im Mittelpunkte der Sonne liegt, und dass ihre nach der Sonne gezogenen Radienvectoren der Zeit proportionale Flächen beschreiben. Aus diesen Erscheinungen aber erhellt und wird mathematisch bewiesen, dass jene Kräfte, durch welche die Cometen in ihren Bahnen erhalten werden, nach der Sonne gerichtet und den Quadraten ihrer Abstände von deren Centrum umgekehrt proportional sind. Daher gravitiren die Cometen gegen die Sonne, und die anziehende Kraft der letztern erstreckt sich nicht allein auf die Planeten und Trabanten, welche sich in gegebenen Abständen und fast in derselben Ebene befinden, [Dieser letztern sind auch mehrere der in der neuem Zeit entdeckten kleinen Planeten, der sog. Asteroïden nicht unterworfen. Bem. d. Herausg.] sondern auch auf die Cometen, welche sich in den verschiedensten Gegenden des Himmels und in den mannigfaltigsten Entfernungen aufhalten. Hierin besteht also die Natur der gravitirenden Körper, dass sie ihre Kräfte in alle Entfernungen und auf alle gravitirenden Körper ausdehnen. Daraus folgt aber, dass alle Planeten und Cometen einander wechselseitig anziehen und gegen einander schwer sein müssen. Dies wird auch durch die, den Astronomen nicht unbekannte, Störung des Jupiters und des Saturns bestätigt, welche aus der gegenseitigen Wirkung dieser Planeten auf einander entspringt, wie auch durch jene oben erwähnte langsame Bewegung der Apsiden, welche aus einer ähnlichen Ursache hervorgeht.
So gelangen wir endlich dahin, aussprechen zu müssen, dass die Erde, die Sonne und alle die letztere begleitenden Himmelskörper sich wechselseitig anziehen. Ferner werden auch die kleinsten Theilchen der anziehenden Körper ihre anziehenden Kräfte haben, welche im Verhältniss der Menge der Materie zu wirken vermögen, wie oben von den irdischen Körpern gezeigt worden ist. In verschiedenen Abständen aber werden auch die Kräfte dieser sich umgekehrt wie die Quadrate der Abstände verhalten; denn es wird mathematisch bewiesen, dass die nach diesem Gesetz anziehenden Kugeln aus Theilchen zusammengesetzt sein müssen, welche nach demselben Gesetze anziehen.
Die vorhergehenden Schlüsse beruhen auf dem folgenden Grundgesetz, welches von allen Gelehrten angenommen wird, dass nämlich für gleichartige Wirkungen dieselben Ursachen gelten, wenn man die Eigenschaften kennt, oder sie noch nicht erkannt hat. Wer wollte wohl daran zweifeln, dass, wenn die Schwere den Fall eines Steines in Europa bewirkt, dieselbe Ursache den Fall in Amerika bewirke? Wenn in Europa eine wechselseitige Schwere zwischen einem Steine und der Erde stattfindet; wer wird dann dieselbe wechselseitige Schwere in Amerika bezweifeln? Wenn die anziehende Kraft des Steines und der Erde in Europa aus den einzelnen Kräften der Theile zusammengesetzt wird; wer wird alsdann eine ähnliche Zusammensetzung in Amerika ableugnen? Wenn die Anziehung der Erde sich in Europa auf alle Arten von Körpern und in alle Entfernungen fortpflanzt; wer wird alsdann nicht eine ähnliche Fortpflanzung in Amerika annehmen? Auf diese Regel gründet sich alle Physik; hebt man sie auf, so kann man nichts von allen Dingen zugleich behaupten. Die Beschaffenheit einzelner Dinge wird durch Beobachtungen und Versuche bekannt; daraus schliessen wir, allein nach dieser Regel, auf die Natur aller Dinge.
Da nun alle Körper, welche sich auf der Erde oder am Himmel befinden, und an denen man Beobachtungen oder Versuche anstellen kann, schwer sind; so wird man allgemein behaupten müssen, dass die Schwere allen Körpern zukomme. So wie man sich keine Körper denken kann, welche nicht ausgedehnt, beweglich und undurchdringlich wären; kann man sich auch keine vorstellen, welche nicht schwer wären. Die Ausdehnung, Beweglichkeit und Undurchdringlichkeit sind nur durch Versuche bekannt, und ganz auf dieselbe Weise hat man auch die Schwere kennen gelernt. Alle Körper, welche wir beobachtet haben, sind ausgedehnt, beweglich und undurchdringlich; und hieraus schliessen wir, dass alle Körper, auch die nicht beobachteten, ausgedehnt, beweglich und undurchdringlich sind. Ebenso sind alle beobachteten Körper schwer, und hieraus schliessen wir auf die Schwere aller Körper, auch derjenigen, welche wir nicht beobachtet haben. Wollte Jemand behaupten, die Fixsterne seien nicht schwer, weil man ihre Schwere noch nicht wahrgenommen hat [Bei den in den neueren so zahlreich beobachteten Doppelsternen dürfte man doch wohl die Gravitation derselben als vermöge directer Beobachtung ihrer gegenseitigen Bewegung festgestellt annehmen Bem. d. Her.]; so könnte man aus demselben Grunde die Behauptung aufstellen, dass sie weder ausgedehnt, noch beweglich, noch undurchdringlich seien, weil man diese Eigenschaften derselben noch nicht beobachtet hat. Wozu bedarf man der Kräfte? Unter den ursprünglichen Eigenschaften aller Kräfte findet entweder die Schwere statt, oder es finden ebensowenig die Ausdehnung, Beweglichkeit und Undurchdringlichkeit statt. Die Natur der Dinge wird entweder richtig durch die erstere, oder nicht richtig durch die drei letztern erklärt.
Ich höre, dass manche diese Schlüsse nicht billigen und, ich weiss nicht was, von verborgenen Eigenschaften murmeln. Sie pflegen nicht immer die Schwere als etwas Verborgenes anzunehmen, und sind der Meinung, dass die verborgenen Ursachen weit von der Forschung abliegen. Diesen erwidert man leicht, dass diejenigen Ursachen keine verborgenen sind, deren Dasein durch Beobachtungen auf’s deutlichste erwiesen wird, sondern nur diejenigen, deren Existenz, verborgen oder erdichtet, aber noch nicht erwiesen ist. Die Schwere wird daher keine verborgene Ursache der Erscheinungen am Himmel sein, indem aus den Erscheinungen selbst dargethan worden ist, dass sie wirklich existire. Diejenigen nahmen vielmehr zu verborgenen Ursachen ihre Zuflucht, welche, ich weiss nicht was für Wirbel einer gänzlich ersonnenen und den Sinnen ganz unbekannten Materie annehmen, durch welche jene Bewegungen hervorgebracht werden sollen.
Wird man aber desshalb die Schwere eine verborgene Ursache nennen, und sie unter diesem Namen aus der Naturlehre verbannen, weil ihre Ursache verborgen und noch nicht gefunden ist? Diejenigen, welche dies behaupten, mögen sehen, dass sie keine absurde Behauptung aufstellen, wodurch sie endlich die ganze Grundlage der Physik umreissen würden. Obgleich man durch beständige Verknüpfung der Ursachen vom Zusammengesetzten zum Einfachen fortzuschreiten pflegt, kann man doch nicht weiter kommen, sobald man zur einfachsten Ursache gelangt ist. Von der letztern kann keine mechanische Erklärung gegeben werden; würde diese gegeben, so wäre die Ursache noch nicht die einfachste. Wird man daher diese einfachsten Ursachen verborgene nennen und dieselben verbannen wollen? Zugleich würden dann auch die unmittelbar von ihnen abhängenden und eben so die weiter abhängenden Ursachen verbannt werden, bis die Naturlehre von allen Ursachen frei und gereinigt wäre.
Manche halten die Schwere für unnatürlich und nennen sie beständig ein Wunder. Sie wollen sie daher verwerfen, da in der Physik aussernatürliche Ursachen nicht stattfinden. Bei der Widerlegung dieses durchaus thörichten Einwurfes, welcher die ganze Naturforschung umstösst, zu verweilen ist wohl kaum der Mühe werth. Entweder leugnen sie, dass die Schwere allen Körpern innewohne, was jedoch nicht behauptet werden kann, oder sie halten sie desshalb für aussernatürlich, weil sie aus anderen Beziehungen der Körper und daher nicht aus mechanischen Ursachen entspringt. Sicher finden ursprüngliche Beziehungen der Körper statt, welche von andern nicht abhängen, weil sie eben ursprüngliche sind. Man mag daher zusehen, ob nicht alle diese aussernatürliche und desshalb zu verwerfen seien, und zusehen, wie künftig die Naturlehre beschaffen sein würde.
Einigen gefällt diese ganze Physik des Himmels desshalb weniger, weil sie den Meinungen von Cartesius zu widerstreiten und kaum damit vereinigt werden zu können scheint. Diese mögen an ihrer Ansicht Freude finden, jedoch müssen sie auch billig handeln, und andern die Freiheit nicht versagen, welche sie für sich selbst in Anspruch nehmen. Es wird daher erlaubt sein, Newton’s System, welches uns wahrer erscheint, beizubehalten und zu umfassen, wie auch den durch Erscheinungen dargethanen Ursachen lieber zu folgen, als gänzlich erdichteten und noch nicht erwiesenen. Zur wahren Forschung gehört, die Natur der Dinge aus wirklich existirenden Ursachen abzuleiten und die Gesetze aufzusuchen, nach denen der hohe Weltschöpfer die schönste Ordnung herstellen wollte, nicht aber die, nach denen er es konnte, wenn es ihm beliebt hätte. Es stimmt nämlich mit der Vernunft überein, dass aus mehreren etwas von einander verschiedenen Ursachen dieselbe Wirkung hervorgehen könne; diejenige Ursache wird aber die wahre sein, aus welcher sie in der That und wirklich hervorgeht, die übrigen finden in einem wahren Systeme nicht statt. In sich selbst bewegenden Uhrwerken kann dieselbe Bewegung des Zeigers entweder aus einem angehängten Gewichte, oder aus einer inwendig eingeschlossenen Feder entspringen. Wenn das zerlegte Uhrwerk wirklich mit einem Gewichte construirt ist, so wird man denjenigen auslachen, welcher sich eine Feder gedacht hat und durch eine so voreilig erdachte Hypothese die Bewegung des Zeigers erklären wollte. Man muss durchaus die innere Einrichtung der Maschine erforschen, um das wahre Princip der vorausgesetzten Bewegung als erkannt anzusehen. Ein ungefähr ähnliches Urtheil muss man über diejenigen Naturforscher fällen, welche den Himmel mit einer gewissen sehr lockern Materie ausgefüllt und eine beständige Wirbelbewegung derselben annehmen. Wenn sie auch durch ihre Hypothesen den Erscheinungen aufs genaueste Genüge leisten können, so dürfen sie doch nicht behaupten, ein wahres Natursystem vorgetragen und die wahren Ursachen der Himmelsbewegungen gefunden zu haben; wofern sie nicht die Existenz dieser, oder wenigstens die Nichtexistenz anderer Ursachen nachgewiesen haben. Wenn daher gezeigt ist, dass in der Natur eine wirkliche Anziehung aller Dinge stattfinde; wenn ferner auch gezeigt ist, nach welcher Weise man alle Bewegungen am Himmel durch sie erklären könne, so würde der Einwurf, dass dieselben Bewegungen durch Wirbel erklärt werden müssten, wenn wir auch die Möglichkeit der letztern zugegeben hätten, eitel und wahrhaft lächerlich sein. Wir geben aber diese Möglichkeit nicht zu. Die Erscheinungen können nämlich auf keine Weise durch Wirbel erklärt werden, was unser Verfasser vollständig und durch die klarsten Gründe dargethan hat, so dass diejenigen mehr als billig ihren Träumen nachhängen müssen, welche sich die erfolglose Mühe geben, die unpassendste Dichtung auszubessern, und mit neuen Erdichtungen auszuschmücken.
Wenn die Planeten und Cometen durch Wirbel um die Sonne geführt werden, so müssen die fortgeführten Körper und die sie zunächst umgebenden Theile der Wirbel mit derselben Geschwindigkeit und nach derselben Richtung sich bewegen; sie müssen dieselbe Dichtigkeit und dasselbe Beharrungsvermögen, im Verhältniss der Menge ihrer Materie besitzen. Es ist aber bekannt, dass die Planeten und Cometen, während sie sich in derselben Gegend des Himmels befinden, sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten und nach verschiedenen Richtungen bewegen. Es folgt daher nothwendig, dass jene Theile der himmlischen Flüssigkeit, welche gleich weit von der Sonne entfernt sind, in derselben Zeit nach verschiedenen Richtungen und mit verschiedener Geschwindigkeit fortwandern; denn eine andere Richtung und Geschwindigkeit muss für den Fortgang der Planeten, und eine andere für den der Cometen erforderlich sein. Da dies nicht erklärt werden kann, so muss man entweder gestehen, dass alle Himmelskörper durch die Materie nicht fortgeführt werden, oder erklären, dass ihre Bewegungen nicht durch einen und denselben Wirbel, sondern durch mehrere ausgeführt werden, welche unter einander verschieden sind und denselben, um die Sonne gelegenen Raum durchwandern.
Wenn sich mehrere Wirbel in demselben Raume befinden und sich wechselseitig durchdringen, wenn sie ferner mit verschiedenen Bewegungen umlaufen; so werden diese Bewegungen denjenigen der fortgeführten Körper ähnlich sein, welche sehr regelmässig und in Kegelschnitten, bald sehr excentrischen bald der Kreisform nahe kommenden, stattfinden. Man kann daher mit Recht fragen, wie es möglich sei, dass diese Bewegungen unverändert erhalten, und nicht im mindesten durch die Einwirkung der entgegenstehenden Materie, während so vieler Jahrhunderte gestört werden. Wahrlich, da diese erdichteten Bewegungen zusammengesetzter und schwieriger zu erklären sind, als jene wahren Bewegungen der Planeten und Cometen, so scheint es mir unnütz, sie in die Physik aufzunehmen; da jede Ursache einfacher sein muss, als ihre Wirkung. Ist einmal die Freiheit zu fabeln aufgestellt, so könnte jemand behaupten, alle Planeten und Cometen seien wie unsere Erde von Atmosphären umgeben; eine Hypothese, welche mehr mit der Vernunft übereinzustimmen scheint, als die der Wirbel. Hierauf könnte er die Behauptung aufstellen, diese Atmosphären bewegten sich vermöge ihrer natürlichen Beschaffenheit um die Sonne und beschrieben Kegelschnitte. Diese kann man sich wahrlich leichter vorstellen, als eine ähnliche Bewegung der Wirbel, welche gegenseitig durcheinander hindurchgehen. Endlich könnte er die Annahme aufstellen, dass die Planeten und Cometen durch ihre Atmosphären um die Sonne geführt werden und könnte so wegen der aufgefundenen Ursachen der Himmelsbewegungen einen Triumpf feiern. Jeder, welcher aber diese Fabel für verwerflich hält, müsste auch die andere verwerfen; denn ein Ei ist dem andern nicht ähnlicher, als die Hypothese der Atmosphären derjenigen der Wirbel.
Galilei hat gelehrt, die Abbiegung von der geraden Linie, welche ein geworfener und in einer Parabel sich bewegender Stein erleidet, entspringe aus der Schwere des Steines gegen die Erde, also aus einer verborgenen Eigenschaft. Es ist jedoch möglich, dass ein anderer pfiffiger Physiker eine andere Ursache aufstelle. Er wird also eine lockere Materie erdichten, welche weder durch das Gesicht, noch durch das Gefühl, noch durch irgend einen Sinn wahrgenommen wird und welche sich in den, der Oberfläche nahen, Gegenden befindet. Er wird ferner behaupten, diese Materie bewege sich nach verschiedenen Richtungen und mit verschiedenen, häufig entgegengesetzten Geschwindigkeiten und sie beschreibe parabolische Linien. Hierauf wird er auf folgende schöne Weise die Abbiegung des Steines erklären, und sich so den Beifall des grossen Haufens erwerben. Der Stein, wird er sagen, schwimmt in jener lockern Flüssigkeit und indem er ihrem Laufe nachfolgt, kann er nicht zugleich eine andere Bahn beschreiben. Die Flüssigkeit bewegt sich aber in einer Parabel, also muss der Stein dasselbe thun. Wer wird nun nicht den höchst scharfsinnigen Geist dieses Philosophen bewundern, der aus mechanischen Ursachen, nämlich der Materie und der Bewegung die Erscheinungen der Natur erklärt, so dass auch der grosse Haufen es begreifen kann? Wer wird aber nicht jenen guten Galilei verspotten, welcher mit grossen mathematischen Hülfsmitteln die glücklicherweise aus der Naturlehre verbannten verborgenen Eigenschaften auf’s neue einzuführen versucht hat? Doch es verdriesst mich, länger bei Possen zu verweilen.
Die Summe der Sache kommt auf das Folgende hinaus. Die Zahl der Cometen ist sehr gross und ihre Bewegungen erfolgen ganz regelmässig, so wie sie dieselben Gesetze befolgen, denen die Planeten bei ihren Bewegungen unterworfen sind. Sie bewegen sich in Kegelschnitten, und zwar in sehr excentrischen. Sie kommen von allen Seiten her, und gehen nach allen Theilen des Himmels hin; sie durchwandern ganz frei die Gegenden der Planeten und schreiten oft gegen die Ordnung der Zeichen fort. Diese Erscheinungen werden auf’s sicherste durch die astronomischen Beobachtungen bestätigt, und können nicht durch Wirbel erklärt werden; ja sie können nicht mit den Planeten-Wirbeln zusammen bestehen. Die Bewegungen der Cometen werden durchaus nicht stattfinden können, wenn jene erdichtete Materie nicht gänzlich vom Himmel fortgeschafft wird. [Encke hat sich jedoch bewogen gefunden, um eine bei seinem Cometen wahrgenommene Erscheinung der beschleunigten Rückkehr zum Perihel zu erklären, ein widerstehendes Mittel anzunehmen. Bem. d. Her.] Werden nämlich die Planeten durch Wirbel um die Sonne geführt, so müssen die Theile dieser Wirbel, welche jeden Planeten am nächsten umgeben, eben so dicht als dieser sein, was schon oben gesagt worden ist. Alle Materie also, welche die Erdbahn berührt, wird gleiche Dichtigkeit mit der Erde besitzen, diejenige Materie aber, welche sich zwischen der Erd- und Saturnsbahn befindet, wird entweder eine grössere oder kleinere Dichtigkeit haben. Damit nämlich der Zustand des Wirbels von Dauer sein könne, müssen die weniger dichten Theile den Mittelpunkt einnehmen, die dichtern hingegen sich entfernter vom Mittelpunkt befinden. Da nun die Umlaufszeiten der Planeten im 3/2ten Verhältniss ihrer Abstände von der Sonne stehen, müssen die Perioden der Theile des Wirbels dasselbe Verhältniss beibehalten. Daraus folgt aber, dass die Centrifugalkräfte dieser Theile sich umgekehrt wie die Quadrate der Abstände verhalten. Die aber weiter vom Mittelpunkte entfernten streben mit geringerer Kraft, sich von demselben zu entfernen, und wenn sie daher weniger dicht wären, müssten sie nothwendig der grösseren Kraft nachgeben, mit welcher die dem Centrum nähern Theile aufzusteigen streben. Die dichtern würden demnach auf-, die weniger dichten absteigen und eine wechselseitige Ortsvertauschung stattfinden, bis die flüssige Materie des ganzen Wirbels so gelegen und geordnet wird, dass sie im Gleichgewicht verharren könne. Befinden sich zwei verschieden dichte Flüssigkeiten in demselben Gefässe, so wird die dichtere, vermöge der grössern Schwerkraft, nach der tiefsten Stelle streben und auf gleiche Weise kann man behaupten, dass die dichtem Theile des Wirbels, vermöge der grössern Centrifugalkraft, nach der höchsten Stelle streben. Jener ganze und bei weitem grösste Theil des Wirbels, der ausserhalb der Erdbahn liegt, wird nach der Menge der Materie eine Dichtigkeit und also auch eine Trägheit besitzen, welche nicht kleiner als die der Erde ist. Daraus entspringt aber ein ungeheurer Widerstand für die Bewegung der Cometen, ein ungeheurer und sehr bemerkbarer, um nicht zu sagen ein Widerstand, welcher ihre Bewegung ganz aufheben oder vernichten zu können scheint. Es ist aber aus der ganz regelmässigen Bewegung der Cometen bekannt, dass dieselben keinen Widerstand erleiden, welcher im geringsten bemerkt werden kann, und dass dieselben daher keineswegs auf eine Materie stossen, welche irgend eine Kraft zu widerstehen, oder irgend eine Dichtigkeit oder irgend eine Kraft der Trägheit besitzt. (Vgl. die Bemerkung in der vorhergehenden Parenthese. Bem. d. Her.)
Der Widerstand der Mittel entspringt nämlich entweder aus der Kraft der Trägheit, welche der flüssigen Materie innewohnt, oder aus einem Mangel an Schlüpfrigkeit. Der aus dem letztern entspringende Widerstand ist sehr gering und kann in den gewöhnlich bekannten Flüssigkeiten wahrgenommen werden, wenn dieselben nicht wie Oel und Honig sehr zähe sind. Der Widerstand, welchen man in der Luft, im Wasser, Quecksilber und andern derartigen nicht zähen Flüssigkeiten wahrnimmt, ist fast ganz von der ersten Art, und kann nicht durch irgend einen Grad von Feinheit vermindert werden, wenn die Dichtigkeit und Kraft der Trägheit der Flüssigkeit, denen dieser Widerstand proportional ist, unverändert bleiben. Dies hat unser Verfasser sehr deutlich in der Theorie des Widerstandes bewiesen, welche noch genauer in dieser zweiten Ausgabe auseinandergesetzt und durch Versuche fallender Körper vollständiger bestätigt wird.
Die Körper theilen, indem sie fortschreiten, ihre Bewegung allmählig der sie umgebenden Materie mit, verlieren durch diese Mittheilung und erleiden durch den Verlust eine Verzögerung. Die Verzögerung ist daher der mitgetheilten Bewegung proportional. Die letztere verhält sich aber, wenn die Geschwindigkeit des fortschreitenden Körpers gegeben ist, wie die Dichtigkeit der Flüssigkeit. Daher ist die Verzögerung oder der Widerstand eben dieser Dichtigkeit proportional, wenn nicht die verlorene Bewegung durch die, nach den hintern Theilen des Körpers zurückgehende, Flüssigkeit ersetzt wird. Dies wird man aber nicht behaupten können, wenn nicht die Einwirkung der Flüssigkeit auf die hintern Theile des Körpers gleich ist der Einwirkung des Körpers auf die Flüssigkeit an der vordern Seite, d. h. wenn nicht die relative Geschwindigkeit, mit welcher die Flüssigkeit von hinten auf den Körper stürzt, gleich ist derjenigen Geschwindigkeit, womit der Körper auf die Flüssigkeit stürzt. Es müsste also die absolute Geschwindigkeit der zurückgehenden Flüssigkeit doppelt so gross sein, als diejenige der fortgestossenen, was unmöglich ist. Auf keine Weise kann daher der aus der Dichtigkeit und der Kraft der Trägheit entspringende Widerstand der Flüssigkeiten aufgehoben werden. Man muss demnach schliessen, dass die Himmelsflüssigkeit keine Kraft der Trägheit besitze, da sie keine Kraft zum Widerstande habe; dass sie keine Kraft besitze, wodurch eine Bewegung mitgetheilt werden kann, da sie keine Kraft der Trägheit hat; dass sie keine Kraft besitze, wodurch eine beliebige Aenderung entweder in einem einzelnen oder in mehreren Körpern hervorgebracht werden kann, da sie keine Kraft zur Mittheilung der Bewegung hat; endlich dass ihre ganze Wirksamkeit nicht vorhanden sei, da sie nicht vermögend ist, irgend eine Aenderung hervorzubringen. Warum sollte man also diese Hypothese, welche durchaus grundlos ist, und nicht im mindesten zur Erklärung der Natur der Dinge dient, nicht eine sehr unpassende und des Naturforschers ganz unwürdige nennen dürfen? Diejenigen, welche annehmen, der Himmelsraum sei mit einer flüssigen Materie erfüllt, diese sei aber nicht träge, heben mit diesen Worten den leeren Raum auf und legen ihn zur Seite. Denn da eine derartige Flüssigkeit auf keine Weise vom leeren Raume unterschieden werden kann, so findet der Streit nur über den Namen, nicht aber über die Natur der Dinge statt. Sollten manche so sehr der Materie ergeben sein, dass sie auf keine Weise einen von Körpern leeren Raum zugeben wollen; so wollen wir einmal sehen, wohin diese endlich gelangen müssen.
Entweder werden sie sagen, diese Einrichtung der überall angefüllten Welt, wie sie sie sich vorstellen, sei aus dem Willen Gottes zu dem Zweck hervorgegangen, damit für die Operationen der Natur ein gegenwärtiges Hilfsmittel in dem sehr feinen, alles durchdringenden und erfüllenden Aether vorhanden sei. Dies kann aber nicht behauptet werden, indem durch die Erscheinungen der Cometen gezeigt worden ist, dass dieser Aether keine Wirkung ausübt. Oder sie werden sagen, er sei aus Gottes Willen zu irgend einem Zweck hervorgegangen, was man jedoch nicht behaupten kann, indem eine davon verschiedene Einrichtung der Welt aus demselben Grunde aufgestellt werden könnte. Sie können endlich auch behaupten, nicht aus dem Willen Gottes, sondern aus irgend einer Naturnothwendigkeit sei er hervorgegangen. Sie müssen also endlich in den schmutzigen Bodensatz der unreinsten Heerde versinken. Sie träumen nämlich, es werde alles durch das Fatum, nicht aber durch die Vorsehung regiert, die Materie habe durch ihre eigene Nothwendigkeit, immer und überall existirt, sie sei unbegrenzt und ewig. Setzt man dies voraus, so wird sie auch überall gleichförmig sein, indem die Mannichfaltigkeit der Formen durchaus der Nothwendigkeit widerstreitet. Sie wird auch unbewegt sein; denn wenn sie nothwendigerweise sich nach irgend einer bestimmten Richtung und mit einer gegebenen Geschwindigkeit bewegte, müsste sie eben so nothwendig sich nach einer andern Richtung und mit einer andern Geschwindigkeit bewegen. Nach verschiedenen Richtungen und mit verschiedener Geschwindigkeit kann sie sich aber nicht zugleich bewegen; daher muss sie unbewegt sein. Auf keine Weise konnte die, durch die schönste Mannichfaltigkeit der Formen und Bewegungen ausgezeichnete Welt anders, als aus dem freien Willen des alles vorhersehenden und beherrschenden Gottes hervorgehen.
Aus dieser Quelle sind alle jene sogenannten Naturgesetze hervorgegangen, in denen man wohl viele Spuren von weiser Ueberlegung, aber keine von einer Nothwendigkeit wahrnimmt. Wir müssen aber jene Gesetze nicht aus ungewissen Vermuthungen ableiten, sondern durch Beobachtungen und Versuche erlernen. Wer die Principien der Naturlehre und die Gesetze der Dinge finden zu können glaubt, indem er sich allein auf die Kraft seines Geistes und das innere Licht seiner Vernunft stützt, muss entweder annehmen, die Welt sei aus einer Nothwendigkeit hervorgegangen und die aufgestellten Gesetze aus derselben Nothwendigkeit folgen lassen; oder er muss der Meinung sein, dass, wenn die Ordnung der Natur durch den Willen Gottes entstanden sei, er, ein elendes Menschlein eingesehen habe, was als das Beste zu thun sei. Eine gesunde und wahre Naturlehre gründet sich auf die Erscheinungen der Dinge, welche uns, selbst wider unsern Willen und widerstrebend zu derartigen Principien führen, dass man in ihnen deutlich die beste Ueberlegung und die höchste Herrschaft des weisesten und mächtigsten Wesens wahrnimmt. Diese Principien werden aber deshalb nicht weniger zuverlässig sein, weil sie vielleicht einigen Menschen weniger willkommen sind. Für diese werden sie Wunder und verborgene Eigenschaften sein, an denen sie keinen Gefallen finden; allein die boshafter Weise beigelegten Namen darf man nicht aus Versehen auf die Dinge übertragen; wenn man nicht zuletzt erklären will, dass die Naturlehre sich auf Atheismus gründen müsse. Dieser Menschen wegen braucht man die Naturlehre nicht umzustürzen, indem die Ordnung der Dinge nicht geändert werden will.
Bei rechtschaffenen und billigen Richtern wird daher die so vorzügliche Forschungsweise gelten, welche sich auf Versuche und Beobachtungen gründet. Diesen wird man kaum ausdrücken dürfen, welche Erleuchtung und welche Würde aus diesem vorzüglichen Werke unseres Verfassers hervorgehen wird. Sein besonders glücklicher Geist, womit er alle die schwierigsten Aufgaben löst und dahin sich ausdehnt, wozu der menschliche Geist sich zu erheben kaum hoffen durfte, wird von allen denjenigen bewundert und anerkannt werden, welche etwas tiefer in diesen Dingen bewandert sind. Nachdem er die Riegel fortgeschoben hatte, eröffnete er uns den Zugang zu den schönsten Mysterien der Dinge. Er legte uns den eleganten Bau des Weltsystems vor Augen und gestattete, es von einem Punkte zu durchschauen, dergestalt dass selbst König Alphons, wenn er jetzt wieder aufstünde, kaum Einfachheit oder Harmonie darin vermissen würde. Demnach dürfen wir jetzt die Majestät der Natur näher beschauen und uns der schönsten Betrachtung erfreuen; wir können den Erbauer und Herrn des Weltalls tiefer anbeten und verehren, worin der bei weitem grösste Nutzen der Naturforschung besteht. Blind muss derjenige sein, welcher aus der besten und weisesten Einrichtung der Dinge nicht sogleich die unbegrenzte Weisheit und Güte des allmächtigen Schöpfers ersähe; thöricht derjenige, welcher es nicht gestehen wollte.
Newton’s ausgezeichnetes Werk wird daher der sicherste Schatz gegen die Angriffe der Gottlosen sein, und nirgends wird man glücklicher, als aus diesem Köcher, Geschosse gegen die gottlose Schaar entnehmen können. Dieses fühlte zuerst und bewies in gelehrten englischen und lateinischen Reden der in allen Wissenschaften ausgezeichnete Mann und vorzügliche Begünstiger ausgezeichneter Talente, Richard Bentley, eine grosse Zierde seines Jahrhunderts und unserer Akademie, der würdige und redliche Lehrer in unserm Collegium. Diesem muss ich mich in mehrfacher Beziehung verpflichtet bekennen, und auch Du, wohl wollender Leser, wirst ihm Deinen schuldigen Dank nicht versagen. Er, ein langjähriger Freund des Verfassers, sorgte zugleich für den Ruf seines Freundes und die Beförderung der Wissenschaften. Da von der frühern Ausgabe nur seltene und theuer zu bezahlende Exemplare übrig waren, überredete er durch häufige Anregung und trieb endlich, indem er ihn nur eben nicht tadelte, den herrlichen, durch Bescheidenheit und Gelehrsamkeit gleich ausgezeichneten Mann, ihm zu gestatten, dass diese neue Ausgabe des Werkes, durchgehends aufs neue ausgefeilt und mit neuen Zusätzen bereichert, auf seine Kosten und unter seiner Leitung erscheinen dürfe. Mir aber übertrug er nach seinem Rechte die nicht undankbare Aufgabe, mit Kräften für die Verbesserung zu sorgen.
- Cambridge, 12. Mai 1713.
In dieser dritten Ausgabe, welche Heinrich Pemberton, ein in diesen Gegenständen erfahrener Mann besorgt hat, wird manches im zweiten Buche über den Widerstand der Mittel etwas ausführlicher als früher dargestellt, und hinzugefügt sind neue Versuche über den Widerstand schwerer Körper. Im dritten Buche ist der Grund, aus welchem der Mond durch die Schwere in seiner Bahn erhalten wird, ausführlicher auseinander gesetzt, sowie neue Beobachtungen über das gegenseitige Verhältniss des Jupiters-Durchmesser nach Pound hinzugefügt sind. Ferner finden sich hier einige Beobachtungen des im Jahre 1680 erschienenen Cometen, welche Kirch in Deutschland angestellt hat und die vor kurzem in unsere Hände gelangt sind. Sie zeigen, wie nahe parabolische Bahnen sich den Bewegungen der Cometen anschliessen. Auch die Bahn jenes Cometen wird nach Halley’s Berechnung etwas genauer als früher, und zwar in einer Ellipse gegeben. Es wird gezeigt, dass der Comet 9 Himmelszeichen hindurch seinen Weg nicht weniger genau in dieser elliptischen Bahn beschrieben hat, als es die Planeten in den, durch die Astronomie bestimmten, elliptischen Bahnen zu thun pflegen. Auch die Bahn des 1723 erschienenen Cometen ist nach Bradley’s Berechnung hinzugefügt.
- London, 12. Jan. 1725.
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