Markgröningen und der Schäferlauf
Markgröningen und der Schäferlauf.
Es hat allhiesig gemeine Stadt Marggröningen vor andern und alleinig von uralt und urdenklichen Zeiten an das gnädigste Spezial-Privilegium, daß alle Schäfere dieses hochlöblichen Herzogthums alljährlich auf den Feyertag Bartholomäi allhier eine Zusammenkunft halten und dabei dem gewohnlichen Lauff abwarten, auch ihre Meister- und Leggelder gebührend entrichten müssen. Bei welchem Lauff Stadt wegen demjenigen Schäfer, der nach dem vorgesteckten Zihl den Hammel erstens erreichet, dieser ohnentgeltlich zukommt, denen Schäferinnen aber etlich Ehlen Barchet oder sonst etwas dafür zu verlauffen und ein Seckel zu vertanzen angeschaffet, sofort nachmals ein freyer Tanz auf offentlicher Gassen anzustellen erlaubt, und endlich noch denen ältesten Meistern etlich Duzend Nestel präsentiert werden … welch alles altem Herkommen gemäß Stadt wegen aus dem Burgermeister Amt bestritten wird.“
Also steht in dem „Saal- und Lagerbuch“ der Stadt Markgröningen, einem 583 Blätter umfassenden Schweinslederband, der von Johann Eberhard Paulus, einem Vorfahren des bekannten freisinnigen Theologen, 1751/54 „mit Fleiß zusammengetragen“ worden ist, auf Blatt 318 verzeichnet. Wenn ich aber den freundlichen Leser heute einlade, mit mir nach Markgröningen, dem uralten schwäbischen Landstädtchen, zu pilgern, so geschieht das nicht zu dem Zweck, daß wir miteinander in vergilbten Urkunden blättern, so treuherzig sie abgefaßt sein mögen, sondern wir wollen uns die Stadt selbst, wie sie heutzutage besteht, und ihr Fest, den „Schäferlauf“, wie er in der Gegenwart abgehalten wird, miteinander ansehen.
Wir steigen aus der Eisenbahnstation Asperg (zwischen Bietigheim und Ludwigsburg) aus. Den massig aufgebauten Hohenasperg mit seinem über Schubarts Kerkerzelle neu aufgeführten Wasserthurm lassen wir zur Rechten liegen und befinden uns, nachdem wir die Stadt Asperg durchschritten haben, in einer behaglichen, fruchtbaren, ziemlich ebenen Landschaft. Zur Rechten begleitet uns ein niedriger Höhenzug, der als westlicher Ausläufer des Aspergs allmählich sich abdacht, um dort, wo die fast bis auf die letzte Spur verwischten Trümmer der „Schlüsselburg“ liegen, noch einen steilen Vorsprung gegen das Glemsthal zu bilden.
Es ist frühmorgens im Spätsommer, am 24. August. Das Getreide ist eingeheimst, und neben dem Stoppelfeld, oder, um [561] mit dem alten Lagerbuch zu reden, dem „Stupfelfeld“, gedeihen die herbstlichen Futtergewächse.
Zur Linken haben wir Wiesen, durch welche der erlenumbuschte Leudelsbach sich der Glems zuschlängelt. Die Gegend athmet behäbigen Frieden; sie ist fast zu anspruchslos, als daß man sie träumerisch nennen könnte. Es ist die echte Hirtenlandschaft; wir befinden uns mitten in der Idylle.
Die Straße, die sonst nicht zu den betretensten des Schwabenlandes gehört, wiewohl der Postwagen täglich dreimal zwischen Markgröningen und Asperg hin- und herfährt, ist heute ungewöhnlich belebt. Die Schäfer im landesüblichen „blauen Hemd“, die Schäfermädchen in weißem Mieder, weißer Schürze und vielgefälteltem grünem, rothem oder
blauem Wollrock schreiten singend oder plaudernd die gerade Straße dahin. Sie haben das erste Anrecht auf das Fest, das zu Ehren der Treue eines ihrer Berufsgenossen gestiftet worden ist, wie wir später erfahren werden. Neben ihnen bewegen sich in größeren oder kleineren Gruppen die biederen Landleute der näheren oder ferneren Umgebung: der unternehmende landeskundige Metzger, der Bauer, den nebelspaltenden „Dreimaster“ auf dem würdigen Haupt, in straffgespannten, gelben hirschledernen Hosen; die Bäuerin im Sonntagsstaat mit der Haube und den langflatternden breiten Bändern. Auch der vornehmere Städter, der weiter her kommt, „das Volk zu studieren“, oder vielleicht, wie Richard Weitbrechts „Stadtjompfer“ – das Volk zu „geniren“, ist nicht daheimgeblieben.
Nach etwa fünfviertelstündiger Wanderung haben wir „Gröningen in der Mark“, wie die Stadt zum Unterschied von andern gleichnamigen Orten genannt wird, erreicht. So wehrhaft, wie Merians Kupferstich vom Jahre 1643 die Stadt darstellt, sieht sie heutzutage nicht mehr aus. Doch ragen die beiden, übrigens nicht ausgebauten Thürme der geräumigen gothischen Stadtkirche würdig über die Dächer empor, die sich im Eirund um sie her lagern. Die Häuser haben sich in festlichen Schmuck, in Tannenreis und Heidekrautgewinde gekleidet. Durch bescheidene, doch nicht drückend enge Gassen führt unser Weg auf den Marktplatz, wo das hochgiebelige, mit einem fast verschwenderischen Reichthum von Eichenbalken ausgeführte Rathhaus unsere Blicke fesselt.
Hier nimmt gegen elf Uhr vormittags die eigentliche Festlichkeit ihren Anfang. Schäferjünglinge und Schäfermädchen sammeln sich auf dem Rathhaus. Zunächst werden aus einer milden Stiftung zehn Neue Testamente unter sie verlost. „Ansonsten ist die christlöbliche Ordnung, daß die Schäfere von dem Rathaus aus mit Fahnen, Trommeln und Pfeiffen in einer wohleingerichteten Procession in die Kirchen ziehen zur Anhörung der ihnen besonders zu haltenden Predigt unter obrigkeitlichem Präsidio“.
In alten Zeiten wurde statt der Verlosung der Neuen Testamente das Leggeld von „denen Schäferen“ entrichtet, nämlich so lange noch Markgröningen die „Hauptlade“ oder der Vorort der Schäferzunft so ziemlich für alle Städte und Bezirke des württembergischen Unterlandes war. Dies ist aber nicht mehr der Fall, da im Jahre 1828 die Schäferzunft sich aufgelöst hat. Ihr Vermögen ist an die Stadtpflege Markgröningen übergegangen, von welcher demgemäß auch die Kosten der allgemeinen festlichen Veranstaltungen bestritten werden.
Betrachten wir uns nun die „wohleingerichtete Procession“, welche sich zu ordnen beginnt, etwas näher im einzelnen. Voran schreiten die Trommler und eine Abtheilung der Feuerwehr mit Fahnen. Eine Stadt wie Markgröningen, welche zwar von größeren Feuersbrünsten verschont blieb, aber im Jahr 1634 also ausgeplündert worden ist, daß mehr als die Hälfte der Häuser nach dem Dreißigjährigen Krieg in Trümmern lag, wird den Werth dieser neuzeitlichen Einrichtung wohl zu schätzen wissen. Es folgen die „Festreiter“, von welchen einer auf dem Festplatz außerhalb der Stadt seine Rolle zu spielen hat. An dem Festreiter bemerken wir, wie übrigens auch bei andern Festgästen, die „Nestel“ in gelben, rothen, grünen, blauen Farben.
Die „Nestel“, dünne, lange, bunte Bänder, aus Schafleder geschnitten, oder auch aus Florettseide oder Baumwolle geflochten, sind das Wahrzeichen des Schäferlaufs, wenn man auch jetzt kein „Koller“ und keine „Schnallenschuhe“ mehr damit zu knüpfen hat. Trägt doch auch der steinerne Herzog, der dort auf der Brunnensäule des Markplatzes steht, neben dem Herrscherstab in seiner Rechten jahraus jahrein seine Nestel, welche lustig im Winde flattern. – Den „Festreitern“ folgt die Musik. Daß sich ohne Sang und Klang ein Volksfest und vollends ein Schäferfest gar nicht denken läßt, versteht sich von selbst. Am Gasthaus „Zur Krone“ ist ein Gemälde angebracht, allwo drei Musikanten auf Dudelsack, Klarinette und Flöte muntere Weisen blasen, indeß sich im Hintergrund Hirt und Hirtin im Reigen drehen. Unsere Musikanten sind, seitdem sich vor noch nicht gar langer Zeit die Neuerung anläßlich eines Stuttgarter Schützenfestes bewährt hat, mit einer besonderen Tracht ausgestattet, welche der bekannten Betzinger oder auch der Steinlachthaler Volkstracht ähnelt.
Nunmehr kommen die zum Feste besonders eingeladenen „Ehrengäste und die Mitglieder der Kollegien“. Hier bemerken wir den Oberamtmann von Ludwigsburg oder den Stellvertreter, den er entsendet hat. „Von Ludwigsburg!“ – Früher war Markgröningen selbst eine Oberamtsstadt, wie Heyd in seiner vortrefflichen „Geschichte der vormaligen Oberamtsstadt Markgröningen“ gleich auf dem Titelblatt und auch sonst nachdrücklich der Welt zum Bewußtsein bringt. Die Wunde schmerzlicher Erinnerung, daß Markgröningen eine Oberamtsstadt gewesen ist – sie ist vielleicht jetzt noch nicht ganz vernarbt! – Hier bemerken wir den Stadtschultheißen, der uns einen Blick in das „Saal- und Lagerbuch“ verstattet hat; hier den Stadtpfleger, der das Jahr über die im Eigenthum der Stadt befindlichen Festkeidungen verwahrt und bei den Anordnungen zu würdiger Begehung des Bartholomäustages alle Hände voll zu thun hat. Hier schreiten die Männer vom Gemeinderath und vom Bürgerausschuß, die das Fest seit den Tagen ihrer Kindheit schon so oft mitgefeiert haben.
Hinter ihnen folgt die Schäfermusik. Sie stimmt den „Schäfermarsch“ an, welcher, wenigstens nach Heyds Versicherung, auf das Gemüth des echten und gerechten Markgröningers denselben Zauber ausübt wie der Kuhreigen auf das Herz des Schweizers. Die rührend einfache Weise theilen wir am Schlusse unseres Artikels mit.
Nun zwei Kronenträger. Der Schäferbursche und das Schäfermädchen, welche aus den Wettkämpfen des Tages als [562] Sieger und Siegerin hervorgehen, sind berechtigt, für diesen Tag eine messingene, mit rothem Tuch ausgefütterte Krone zu tragen.
Hierauf die älteren Schäfer, welche sich am Wettkampf des Tages nicht betheiligen, mit Fahnen, Schippen (Hirtenstäben) und denjenigen Preisen, welche, abgesehen von der „Krone“, den glücklichen Siegern zutheil werden sollen. Diese Schäfer führen in ihrer Mitte den bekränzten Preishammel und das ebenfalls festlich geschmückte Preismutterschaf, denen wir hernach auf dem Festplatz wieder begegnen werden.
Jetzt aber naht die Hauptsache, die „springenden Schäfer und Schäferinnen“, d. h. die etwa 25 Burschen und ebensoviele Mädchen, welche beim Wettlauf um die verschiedenen Preise ringen. Nur wer Schäfer beziehungsweise Schäferin ist, oder wenigstens einen Schäfer seinen Vater nennt, hat das Recht, bei den Wettspielen sein Jahrhundert in die Schranken zu fordern.
Nun folgen die Lateinschüler – Markgröningen hält seit alten Zeiten etwas auf klassische Bildung – dann wieder zwei Preisträger, welche die für die „Wasserträgerinnen“ bestimmten Preise an Stangen oder Rechen tragen. Alsbald erscheinen auch die wassertragenden, mit ihren „Gölten“ (hölzernen Eimern) ausgestatteten Jungfrauen.
Endlich die „Sackläufer“, von denen noch die Rede sein wird. Dann der Kriegerverein. Eine zweite Abtheilung der Feuerwehr schließt die „wohleingerichtete Procession“ ab, welcher wir nunmehr als „Volk“ im allgemeinen uns anreihen.
Wir ziehen in die eine Anzahl denkwürdiger Alterthümer in ihren Hallen bergende Stadtkirche, welche den Namen des heiligen Bartholomäus trägt.
Lassen wir während des Orgelspiels uns die Sage künden, welche der Volksmund vom geschichtlichen Ursprung des Festes zu berichten weiß!
Es war einmal ein Graf zu Gröningen, der hatte einen Schafknecht namens Bartholomäus. Dieser Knecht ward bei dem Grafen verleumdet, daß er Schafe aus der Herde heimlich verkaufe und das Geld für sich behalte. Um die Treue des Knechtes zu erproben, zog der Graf fern über Land und kam, als Metzger verkleidet, nach einiger Zeit zurück. Er ging zu Bartholomäus hinaus auf das Feld und wollte sehen, ob er für Geld und gute Worte Schafe von ihm bekäme. Er bat und schmeichelte als Händler, bot viel Geld und griff, da der Knecht auf den Handel nicht eingehen wollte, nach einem Stück der Herde. Da ergrimmte der Knecht und schlug den frechen Metzger mit seinem Schäferstecken. Nun gab sich der Graf zu erkennen, lobte die Treue seines Dieners, schenkte ihm einen Hammel und befahl, daß an seinem Namenstag die Schäfer alle Jahre ein Fest der Freude und der Erinnerung an diese That feiern sollten.
Das ist die Geschichte „vom treuen Barthle“. –
Inzwischen hat, nachdem einige Verse eines Kirchenliedes gesungen worden sind, der zweite Geistliche der Stadt die Kanzel betreten. Er knüpft an das an, was die heilige Schrift von der Hirtentreue oder vom Laufen in den Schranken und vom Erlangen des Kleinods sagt, und hält eine Predigt, für welche schon der alte Heyd den Rath giebt, daß sie nicht allzulang sein solle! Es ist inzwischen Mittag geworden!
Von der Kirche aus bewegt sich der Festzug in der oben erwähnten Ordnung auf den Festplatz. Dieser liegt vor dem „oberen Thor“ und ist ein ebenes, abgeräumtes Stoppelfeld. Landschaftlich betrachtet, ist er recht gut gewählt: im Süden erblickt man das Schloß Solitude, östlich den Asperg. Besonders malerisch ist der Blick gegen Westen über das tiefeingeschnittene Glemsthal auf waldige Anhöhen, an welche sich vereinzelte Bauernhöfe schmiegen. Südöstlich hat man die Stadt vor sich, aus welcher besonders das weit ausgedehnte Lehrerinnenseminar und Waisenmädchenhaus hervortritt.
Am westlichen Ende des Stoppelfeldes ist eine mit Tannenreis, Blumen, Heidekraut, Obst, Feldfrüchten, buntem Tuch (Blau-gelb sind die Stadtfarben) recht hübsch geschmückte Tribüne errichtet, auf welcher das „obrigkeitliche Präsidium“ Platz nimmt. Nördlich und südlich ziehen sich vier lange Bankreihen für das zuschauende Volk hin.
Auf diese Weise ist eine Rennbahn, ungefähr 25 Schritte breit und 260 Schritte lang, hergestellt. Auf der Ackerkrume stehen noch die Stoppeln, auch macht sich da und dort eine Distel breit, was für die nackten Füße, welche diese Rennbahn durchmessen sollen, dem Vergnügen ein Körnlein Salz beimengt. In der Mitte der Bahn ragt ein Kletterbaum mit einem stattlichen grünen Kranz und verschiedenen aus Kleidungsstücken etc. bestehenden Gaben, welche dem unverdrossenen Ueberwinder jetzt schon verlockend winken.
Oestlich wird der Anfang der Rennbahn mit einer ein Schäferbild tragenden Standarte bezeichnet. Hier sammeln sich die „springenden Schäfer und Schäferinnen“ und entledigen sich ihres Schuhwerks. Zuerst kommen die Mädchen an die Reihe. Der Festreiter giebt, indem er ein weißes Tuch schwenkt, das Zeichen, daß der Lauf beginne, und jagt den Läuferinnen voraus der Tribüne zu. Welche der Läuferinnen zuerst das Ziel, einen an der Tribüne befestigten hölzernen Widderkopf berührt, setzt sich die dort für sie bereitliegende Krone aufs Haupt und hat den ersten Preis, das Mutterschaf, gewonnen. Die übrigen vier oder fünf Preise – Kleidungsstücke – werden an die der Reihe nach zuerst Ankommenden der etwa 20 Wettläuferinnen vertheilt.
Ganz ähnlich gestaltet sich der Wettlauf der Schäferburschen. Hier ist ein Hammel der erste Preis. Manchmal giebt es freilich auch Streitigkeiten zu schlichten. Als ich etliche Tage vor dem letzten Feste nach Markgröningen kam, weidete ein Münchinger Schäfer auf dem Stoppelfeld. Er erzählte mir, vor Jahren sei er auch einmal wettgelaufen und vorn dran gewesen, aber im letzten entscheidenden Augenblick von einem tückischen Mitbewerber am Rockzipfel erfaßt und zu Fall gebracht worden. – Wackerer Münchinger, solches kommt auch anderswo vor als auf dem Stupfelfeld! –
Friedlich beschließt übrigens diesen Theil der Festlichkeit ein gemeinsamer Tanz der wettlaufenden Paare.
Eigenartiger ist das „Wassertragen“ der Mädchen. Die Mädchen nehmen einen mit Wasser gefüllten Kübel auf den Kopf und laufen, ohne das Gefäß zu berühren, dem Ziel, einer großen am Ende der Rennbahn aufgestellten Kufe, zu. Bei dieser Gelegenheit gilt es, nicht bloß flink zu sein, sondern auch mit stetiger Sicherheit seine eigene Person und den Kübel im Gleichgewicht zu halten. Die erste Jungfrau, welcher es gelingt, ihren Kübel, ohne daß sie Wasser verschüttet hat, in die Kufe zu leeren, hat wiederum einen ersten Preis gewonnen. Und so noch etliche andere der Reihe nach.
Nun folgen die Belustigungen für die männliche Schuljugend; das Sacklaufen oder Sackhüpfen, das wohl allerwärts bekannt ist. Es ist an die Stelle des früher üblichen Hahnentanzes getreten, wobei es darauf ankam, daß von einem tanzenden Paare ein auf einen hohen Pfahl gestelltes Glas Wasser geschickt heruntergenommen wurde. Rüstige Kletterer holen sich im Schweiß ihres Angesichtes – zuweilen brennt am 24. August die Sonne recht heiß auf das Stoppelfeld, zuweilen wird aber auch das Fest gründlich verregnet – ihre Preise vom Kranze des Kletterbaums.
Endlich geht der Zug in die Stadt zurück, woselbst in dem Rathhaussaale und in den verschiedenen Herbergen bis zum hereinbrechenden Abend lustig getanzt wird, während die Gassen und Gäßchen munteres Jahrmarkttreiben erfüllt. – Wir haben noch reichlich Zeit und Gelegenheit, uns leiblich zu stärken und uns etwas aus der alten Geschichte Markgröningens, von den Grafen von Calw, den Welfen, den Hohenstaufen, in deren Besitz die Stadt früher war, von den Grüningern und den Schlüsselburgern, vom Reichsadler und von der Reichssturmfahne, welche die Stadt bis heute im Wappen führt, erzählen zu lassen. Oder wir können die eine und andere bauliche Merkwürdigkeit, die Stadtkirche mit ihren Chorstühlen und ihren alten Grabmälern, das Rathhaus mit seinen Eichenbalken und seiner künstlichen Uhr, die Trümmer der frühgothischen Spitalkirche im Garten des 1297 gegründeten Heiliggeistspitals besichtigen.
Das ist Markgröningens „Schäferlauf“, welcher urkundlich bis ins 15. Jahrhundert hinauf nachzuweisen ist, indem er in Spitalrechnungen vom Jahr 1443 erwähnt wird.
Das Fest hat noch tiefe Wurzeln im Volksgemüth, wenn auch nicht zu leugnen ist, daß es gegenüber früheren Zeiten, da die württembergischen Herzöge und ihre Gemahlinnen die Feststadt mit ihrem Besuch beehrten – 1444 Graf Ludwig, 1484 Graf Eberhard im Bart – und da eine einzige vornehmere Markgröninger Familie 70 – sage und schreibe siebzig – Festgäste beherbergte, an Glanz und Bedeutung verloren hat.
[563] Vielleicht könnte das Fest belebt und veredelt werden, wenn man sich entschließen würde, mit dem „Lauf“ eine dramatische Aufführung zu verbinden.
Ich meine, die Geschichte „vom treuen Barthle“ wäre ein dankbarer Stoff für ein Volksschauspiel!
Wer wagt sich daran? –