Maria (Schewtschenko)
All meine Hoffnung, all mein Sinnen
Bist du, mein lichtes Paradies!
O laß dein Mitleid mich gewinnen!
Du aller Heil’gen Kraft und Wonne,
Du makellose Gnadensonne!
Dich fleh’ ich an mit Tränenflut:
O blick sie mild an, mit Erbarmen,
Gib ihnen jenen Märt’rermut,
Der deinen großen Sohn beseelte,
Daß sie ihr Kreuz und ihre Qualen
Bis an ihr Ende würdig tragen.
Laß ihnen deine Gnade strahlen,
Daß nach dem Leben voller Qualen
Sie sterben selig, ohne Zagen!
Und wenn des Elends dunkler Qualm
Von deinem heil’gen Wirken Kunde
In einem stillen Freudenpsalm.
Doch heut’, am Schluß eines qualvollen Lebens,
Sei deiner Erdentage Gang,
Mein letzter, trauriger Gesang.
Beim Joseph, jenem heil’gen Zimmermann
Oder Faßbinder, wuchs als Dienerin
Maria von der Kinderzeit heran,
Verwaist und arm, im armen, fremden Hause
In ihrer stillen, heil’gen Mädchenklause.
Oft blickt der Alte seine Dienerin
So liebend an als wie sein eigen Kind;
Er blickt sie an… und Stund auf Stund verrinnt.
Wohl denkt er: Keinen hat sie in der Welt,
Kein Haus, kein Gut!.. Allein, wie in dem Feld
Ein schwaches Kraut!.. So wäre sie denn mein!
Sie aber sitzt am Zaun und voller Freud’
Spinnt weiße Wolle ihm zu dem Sabbatskleid,
Die Ziege mit dem Zicklein hinzutreiben
Doch liebt sie singend stundenlang zu bleiben
Am stillen breiten See Tiberias
Und herzlich lacht sie wie zufrieden, daß
So gut und still der alte Joseph saß
Doch lang noch saß der Alte, blickte hin
Ihr nach, die Hand nicht haun, nicht hobeln will.
Die Ziege trank schon und sie weidet still,
Das Mädchen aber steht wie angepicht
Auf jenen klaren breiten See und spricht:
Tiberias, du der Seen Königin,
O sage mir, du Traute, Klare, Zarte,
Welch Schicksal meiner mit dem Joseph warte?
Wie sich im Winde neigt die Pappel, dichtbelaubt. –
Ich will ein Kind ihm sein, ich will ihm nützen,
Mit meinem jungen Arm den Alten stützen! –
Da schweift ihr heitrer Blick bergauf, bergab,
Und von den jungen Armen glitt herab
Der alte Chiton. Ach, so schön, so fromm,
So wunderbar anmutig stand sie da,
Wie niemals noch ein Menschenkind man sah.
Und ihre Schönheit war ihr Fluch hienieden.
Still ging sie am Seeufer dann entlang,
Ein breites Blatt fand sie am Felsenhang,
Pflückt’s ab und wie mit einem Hut bedeckt sie
Und ihren Pfad ins Hainesdunkel schlägt sie.
O strahlend Licht, der Weiber reinste du.
Du duft’ge Blum’! In welchem dichten Haine,
In welchen Schluchten findest du die Ruh’,
Zerschmelzt, wie Wasserschwall des morschen Dammes Planken
Zerreißt und überschwemmt die heiligen Gedanken?
Wo birgst du dann dein Haupt? Die Funken glühn
Umsonst ist sie zu löschen dein Bemühn,
Es dringt ins Blut dir, bis du brichst zusammen,
Bis du, nachfolgend dein geliebten Sohn,
Am Golgatha bei seinem Kreuze sinkst.
Die Zukunft an! O blick nicht, wie sie grinst,
O wisch dir ab die ahnungsvollen Zähren,
Bekränz mit Lilien dein Mädchenhaupt,
Mit rotem Feldmohn! Sieh, wie dichtbelaubt
Mag deine Zukunft dir ein Traum verklären!
[2. Fassung]
Beim Joseph, jenem heil’gen Mann,
Faßbinder oder Zimmermann,
Wuchs einst als Waise, als Bediente,
Maria auf und wuchs und grünte
In jener armen, fremden Hütte,
Im stillen, heil’gen Paradies.
Auf seine Magd der Alte blickte
Wie auf sein Kind, und oftmals ließ
Der Hand entsinken und erquickte
An ihrem Anblick seine Augen.
Es flohen eilig Weil auf Weil,
Starr saß er da und dachte wohl:
Verwaist und arm ist sie! So soll –
Gott will es – sie die meine werden?
Sollt’ ich zum Freund, zum Mann ihr taugen?
Für ihn zu einem Sabbatskleid,
Erhebt sich dann zur Mittagszeit,
Um an den Seestrand hinzutreiben
Die Ziege mit dem Zicklein klein
Doch liebt’ sie stundenlang zu bleiben
Am stillen See Tiberias.
Und herzlich, freudig lacht’ sie, daß
So still der alte Joseph saß
Sie wandelt lachend, singend hin.
Der Alte aber saß noch lange,
Der Hobel seiner Hand entfiel,
Er blickt’ ihr nach so liebend bange.
Das Mädchen aber steht wie auf der Lauer,
Tunik am Strand und rührt sich nicht,
Umspannt mit einem Blick voll Trauer
Den klaren breiten See und spricht:
Du breite Seekönigin,
Sag an, welch Schicksal meiner harre
Und jenem Greis mit treuem Sinn?
O Schicksal! – Und sie neigt ihr Haupt,
Die Pappel neigt. – Sein Kind bin ich
Und will ihn wie sein Kind beschützen,
Mit meinem jungen Arm will ich
Den Alten, Schwachen unterstützen.
Im Aug’ ein heilig Feuer glomm,
Es glitt vom jungen Arm herab
Der alte Chiton. Ach, so fromm,
So wunderherrlich stand sie da,
Und doch war ihr ein Dornenpfad beschieden,
Und ihre Schönheit war ihr Fluch hienieden!
Ein breites Blatt am Felsenhang
Damit ihr Haupt, das sittsam reine,
Verschwindet dann im dunklen Haine.
O unverlöschlich Licht der Welt!
Der Frauen reinste! Duft’ge Blume!
Im welchen dunklen Heiligtume
Verbirgst du dich vor jenem Grolle
Des unvermeidlichen Geschicks,
Das dir das Herz, das liebevolle,
Wie Wasserschwall des morschen Dammes Planken
Zerreißt und überschwemmt die heiligen Gedanken?
Wo birgst du denn dein Haupt? Schon glühn
Die Funken! Bald in lichten Flammen
Zu löschen jene heiße Glut.
Sie dringt dir bald ins Mark und Blut,
Bis du entkräftet brichst zusammen,
Bis – folgend dem geliebten Sohn –
Prophetisch blickt die Zukunft schon
Dich an <…> O sieh nicht, wie sie grinst!
O wisch die ahnungsvollen Zähren
Dir ab, bekränz dein Mädchenhaupt
Mit weißen Lilien! Ruhe still!
Der Ahorn lockt in seinen Schatten kühl…
Mag deine Zukunft dir ein Traum verklären!
Am Abend, wie ein stiller Stern,
Maria. Hoch erglänzt von fern
Der Taborberg im goldnen Glanze,
Die Augen blendend. Liebend ruhn
Marias holde Blicke nun
Nach Hause treibend, sang sie mit der reinen
Klangvollen Stimme eine alte Weise:
O Paradies,
Werd’ ich, o Gott,
Drin glücklich sein?
Wird mir die Lieb’,
Innig und süß,
Paradies?
Sie schwieg. Noch lang mit Blicken hing sie
Am Tabor, an der Sonne warm,
Nahm dann das Zicklein in den Arm
Und unterwegs drückt sie gelind
Ans Herz das Zicklein wie ein Kind
Und schaukelt es und küßt und spricht
Mit ihm gleich wie mit einem Schätzchen.
Schmiegt sich an sie und sträubt sich nicht
Und spielt an ihrer warmen Brust.
Zwei Meilen gut ging sie mit Lust
Fast tänzelnd stets und ward nicht müde.
Schon lang auf sein geliebtes Kind
Der alte Joseph; ihr entgegen
Ging er und grüßte sie geschwind
Und sagte still: Auf welchen Wegen
Komm doch hinein und ruh dir aus
Und wolle dann ein Nachtmahl kochen
Uns und dem jungen frohen Gast.
So komm denn, Töchterchen! – Was hast
Wer ist’s? – Er kommt von Nazareth
Und will bei uns hier übernachten.
Er spricht: Groß ist der Gott der Schlachten!
Die alte Frau Elisabeth
Zacharias ein Sohn verliehn,
Und Johann nannt’ der Alte ihn.
So ist’s.
Barfuß, das Haar so reich und kraus,
Mit weißem Chiton angetan
Und reingewaschen aus dem Haus.
Er stand so herrlich auf der Schwelle,
Er neigte sich und grüßte mild
Marien. Staunend stand sie da:
Ihr schien, als floß ein Licht so helle
Von seinem Antlitz und sie sah
Drückt’ sie sich ängstlich an die Seite
Des alten Joseph; dann geschwind
Bat sie den Gast hineinzukommen, –
Es gab ihr Blick ihm das Geleite.
Die frische Flut, setzt ihnen leise
Dann Milch und Käs’ zur Abendspeise.
Selbst aber aß und trank sie nichts
Und unverwandten Angesichts
Und lauschte still und vorgebeugt
Des jungen Gastes hehren Worten.