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Margret Bohner

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: Margret Bohner
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Entstehungsdatum: 1943
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Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Margret Bohner
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Einführung

Der Artikel Margret Bohner zeigt die von Bettina Brass zusammengestellten Tagebuchauszüge aus dem Jahr 1943, die Margret Bohner betreffen. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Bettina Brass in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Margret Bohner (1924–2022), die sich später Marguerite Andersen nannte, war die Tochter des Philologen und Schriftstellers Theodor Paul Bohner (1882–1963). Ihre Mutter war Martha Lydia, geborene Seeberg, Schwester des Theologie-Professors Erich Seeberg (1888–1945).

Fritz Wegscheider (1908–1987) war der Sohn von Martha Wegscheider (1882–1965), Gründerin und Inhaberin der Bunten Stube in Ahrenshoop, und des Arztes Dr. med. Max Wegscheider (1866–1928). Martha Wegscheider heiratete 1942 den Kunstmaler Hans Brass (1885–1959). Hans Brass und Fritz Wegscheider verband ein freundschaftliches Verhältnis.

Margret Bohner heiratete am 12. Mai 1943 Fritz Wegscheider und zog zu ihm nach Ahrenshoop. Margret Bohner packte bereits am 22. August 1943 ihren Koffer und verließ ihren Mann Fritz Wegscheider. Sie weigerte sich, zu ihm zurückzukehren. Die Ehe wurde am 7. Oktober 1943 geschieden.

Margret Bohner studierte später in Berlin und Paris und wurde eine anerkannte Professorin, Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin. Die Konflikte ihrer eigenen Entwicklung und Karriere mit ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter bilden ein Hauptthema in ihren Büchern. In ihrem Buch „De mémoire de femme“ hat Andersen ihrem ersten Mann Fritz Wegscheider in der Figur des „Paul“ ein Denkmal gesetzt.

Tagebuchauszüge

[a]
Sonntag, 31. Januar 1943.     

[...] [a] Von Fritz gestern Abend ausführlicher Brief u. heute früh kurze Nachricht. Er fährt am 2. Febr. auf Urlaub, bleibt dann bis Sonntag in Bln. u. [b] trifft sich dort mit seinem Stiefbruder Klaus, mit dem zusammen er am Montag bei uns eintreffen wird. In Bln. wird er seine bislang heimliche Braut treffen. Aus seinem gestrigen Brf. ist zu entnehmen, daß er entschlossen ist, ernst zu machen. Ich werde mich freuen, wenn es zu einer Heirat kommt, wenngleich ich voraussehe, daß diese Ehe sehr viele Schwierigkeiten mit sich bringen wird. Das wird bei Fritz aber immer der Fall sein, ob mit diesem oder einem anderen Mädchen, – u. an sich ist das kein Unglück. Das Leben ist nicht zum genießen da. So lange ich lebe, werde ich den jungen Leuten schon über die Klippen helfen u. vielleicht schenkt mir Gott noch so viele Jahre, bis sie beide allein weiterlaufen können. Das Mädchen ist sehr jung u. noch biegsam, da wird sich im Anfang noch viel machen lassen, wenn man klug u. vorsichtig ist. Anscheinend ist sie positiv zum Christentum eingestellt, das muß man pflegen u. stärken. Das Elternhaus dieses Mädchens ist freilich eine dunkle Null. Die Mutter, geborene Seeberg, Schwester des sogenannten Prof. Erich Seeberg, Theologe, – ist wohl noch religionsloser als ihr Bruder, der Vater Dr. Bohner ist Schriftsteller, ein verlotterter Mann, aber Sohn eines ehemaligen Schusters u. nachmaligen evang. Missionars in Afrika, der offenbar ein sehr frommer Mann u. bedeutender Christ gewesen ist. Vielleicht wird die Enkelin diese Anlage geerbt haben, – Gott gebe es. Wir wollen nun unablässig dafür beten! –

[1]
Donnerstag, den 4. Februar 1943.     

[...] [2]      Heute abend leutete Fritz aus Bln. an. Er wohnt bei seinen künftigen Schwiegereltern u. es scheint diese Sache in Ordnung zu gehen. Er soll nach dem Urlaub nun doch mit seiner ganzen Buchhandlung nach Toulouse übersiedeln, ich habe ihm geantwortet, daß ich das nicht glaube. – Am Montag wird er bei uns sein. – [...]

[3]
Dienstag, 9. Februar 1943.     

[...] [3]      Fritz brachte wie immer viel Leben, aber auch Unruhe. Abends erzählte er von den Tagen in Berlin im Hause der Eltern seiner Braut, die man nun wohl so nennen darf. Die Eltern dieses Mädchens sind noch schlimmer, als wie ich sie in Erinnerung hatte, – gänzlich disziplinlose, verantwortungslose Intellektuelle. Das Mädchen ist noch sehr jung u. steht zu ihren Eltern in heftiger Opposition, – man wird da viel zu tun haben, um sie in Ordnung zu bringen; aber da sie offenbar Fritz schon von früher Kindheit an sehr zugetan war u. ihn jetzt ehrlich liebt, so kann man hoffen, daß sie einer Erziehung zugänglich ist. Die weitere Entwicklung, Heirat usw. ist freilich noch nicht geklärt. Möge Gott seine Gnade über dem jungen Paare walten lassen, – der Geist des Großvaters möge sie schützen. – [...]

[3]
Mittwoch 10. Februar 1943.     

[...] [3] Fritz geht ganz auf in seiner jungen Liebe. Plan erörtert, ob seine Braut für einige Tage herkommen soll, doch könnte sie nur am Sonntag kommen u. da fährt kein Autobus von Ribnitz. Er wird's aber schon machen. [...]

[3]
Mittwoch 17. Februar 1943.     

[3]      Die ganze Woche ging hin mit der Beschäftigung mit Fritz u. seiner Braut. Sie kam am Sonnabend Nachmittag u. war für uns sofort eine sehr angenehme Ueberraschung. Sie ist sehr jung, am 15. Oktober erst 18 Jahre alt geworden, macht aber den Eindruck einer Zwanzigjährigen. Sie ist ziemlich groß u. schlank, etwas größer als Fritz, hat eine gute, elastische Figur, von sehr ruhigem, zurückhaltendem Wesen. Nach Ueberwindung der ersten Schüchternheit, die ich sofort dadurch bekämpfte, daß ich zu ihr Du sagte u. sie aufforderte, dasselbe uns gegenüber zu tun, entfaltete sie sich nach u. nach als ein warmherziges Geschöpf, dessen Verstand das Gefühl mindestens [4] beherrscht. Von mädchenhafter Sentimentalität keine Spur. Sie ist sachlich, reell, offen, ohne Hintergedanken u. in jeder Weise sehr geeignet, für Fritz eine gute Frau abzugeben. Sie ist Fritz an Verstand überlegen, wodurch der große Altersunterschied von 17 Jahren gut ausgeglichen ist – u. für Fritz ist es gut, wenn er eine Frau mit kühlem Verstand hat. Erotische Spannungen habe ich nicht bemerkt, diese Dinge scheinen bei beiden keine sehr große Rolle zu spielen, u. das ist sehr gut. Alles Elend meines Lebens ist immer nur daher gekommen. Es war deutlich zu fühlen, daß sie sich bei uns von Tag zu Tag immer wohler fühlte, immer mehr auftaute u. Vergnügen an unserer Gesellschaft fand. Beide, Fritz u. Margret, waren jeden Abend mit uns zusammen, ohne daß, ihr unsere Gesellschaft langweilig wurde, vielmehr schien es im Gegenteil, daß sie sich überaus wohl bei uns fühlte. – Selbstverständlich drehten sich die Gespräche vorwiegend um die Zukunft der jungen Leute u. ich war sehr dafür, diese möglichst bald in gesicherte Bahnen zu lenken. So haben wir vorerst den Plan gefaßt, daß die Hochzeit gleich nach Ostern, also im Mai, stattfinden soll, – ein schöner Monat zum Heiraten! Die Hochzeit soll möglichst hier bei uns stattfinden u. wir werden natürlich alles tun, um dieselbe so schön wie möglich zu gestalten. Heute Mittag um 12 Uhr fahren beide wieder nach Berlin, Fritz fährt dann morgen nach St. Quentin. Ich habe Margret einen langen, ausführlichen Brief an die Eltern mitgegeben u. ich hoffe, daß diese sich unseren Vorschlägen anschließen werden. Fritz wird nun vor viel Unruhe stehen, denn wenn er nach St. Qu. zurückkommt, wird sich inzwischen entschieden haben, was mit seiner Frontbuchhandlung wird u. ob er wirklich nach Toulouse kommt. Mit Fritz geht, seitdem er Soldat ist, alles so planmäßig für ihn günstig, daß ich darüber immer nur voll Staunen bin. Wie auch jetzt die Veränderung sein wird, die ihn in St. Qu. erwartet, wird sie für ihn bestimmt gut sein, denn es besteht für mich garkein Zweifel, daß Gott ihn zum Ziele führt. Dieses sichere Gefühl habe ich auch von Anfang an in Bezug auf seine Braut gehabt u. ich werde darin nicht getäuscht sein, zumal ich zu meiner großen Freude festgestellt habe, daß Margret, so weit das bei Protestanten üblich ist, in christlichem Geiste erzogen ist u. ganz bewußt daran festhält, obgleich die Schulerziehung dem sehr entgegengesetzt ist. Ich kann mir von ihr gut denken, daß sie eines Tages katholisch werden könnte, sie hat dazu zweifellos Anlage – u. das ist vor allem in Bezug auf Fritz sehr gut, der anders kaum zum Katholizismus kommen wird. So aber wäre es gut möglich. – Margret erzählte übrigens, daß ihre Mutter bereits eine leise Neigung zum Katholizismus hätte. – Natürlich ist sie ganz frei von nationalsozialistischer Gesinnung, wie auch ihr Elternhaus u. ihre beiden Schwestern. Der Vater war früher Studienrat, war sieben Jahre in Italien (Rom) Professor an irgend einem Institut, nach dem 1. Weltkriege Reichstagsabgeordneter für die demokrat. Partei, – die Mutter eine geborene Seeberg, Tochter des bekannten Theologen Reinhold Seeberg u. Schwester des Theologieprofessors Erich Seeberg, – dieser sehr fatalen Erscheinung, – der [5] hier ein Sommerhaus besitzt u. sich mit seiner Familie hier viel aufhält. Zum Glück ist er mit seiner Schwester ganz zerfallen, sodaß eine verwandtschaftliche Beziehung zu dieser Familie von uns vermieden werden kann. Margrets Vater lebt als freier Schriftsteller u. hat als solcher einen gewissen Namen. – [...]

[6]
Sonntag, 21. Februar 1943.     

[6]      Gestern den Entwurf für Fritzens Kriegstrauungs=Anzeige fertig gestellt. Nachmittags rief Erichson an, der grade gekommen war. Ich fragte ihn, ob Klischierung u. Druck möglich sei. Er sicherte mir zu, daß er alles machen wolle. [...]

[7]
Dienstag, 23. Februar 1943.     

[7]      Heute Brief von Dr. Bohner. Sehr höflich. Er ist prinzipiell mit allem einverstanden, was ich ihm betr. Heirat vorgeschlagen habe. – [...]

[7]
Donnerstag, den 25. Februar 1943.     

[...] [7]      An Fritzens Braut Margret geschrieben als Antwort auf ihren Brief, denn Martha, die heute schreiben wollte, kommt nun doch nicht dazu. – [...]


[8]
Sonntag, 28. Februar 1943.     

[...] [8]      Vorgestern Brief an Margret u. an den Vater Dr. Bohner, gestern an Fritz, den ich aber noch nicht absandte, weil Nachricht von ihm kam, daß die Verlegung seiner Buchhandlung an die Kanalküste nach Le Tréport nun verfügt worden sei. Er wird den Umzug in dieser Woche durchführen müssen, wodurch er zunächst einmal der Heldensuchaktion einigermaßen entzogen ist. Da die Kanalküste direkte Front ist, mag es hoffentlich sein, daß man dort keine Helden sucht, indem dort eben schon alle Helden sind. Diese Nachricht kam gestern nach einem langen Brief von Vorgestern, dem ersten nach seinem Urlaub. Er drückt darin seine dankbare Beglückung aus, daß wir seiner kleinen Braut so herzlich entgegengekommen sind. [...]


[9]
Mittwoch, 17. März 1943.     

[9]      Heute Nachmittag Besuch von Frau Prof. Erich Seeberg, mit der wir nun durch Fritzens Heirat in verwandtschaftliche Beziehung treten werden. Erich Seeberg ist der Bruder von Frau Dr. Bohner, der Mutter Margret's. – Sie kam aus Bln, wo ihre Wohnung total zerstört ist u. erzählte anschaulich von der Wirkung dieses letzten Bombenangriffs. Aber auch andere interessante Dinge erzählte sie, so von einer Hochverratsaffaire, die kürzlich in Bln. gelaufen ist, wobei die Angeklagten sich vorwiegend oder ausschließlich aus den Kreisen des Auswärtigen Amtes zusammengesetzt hätten. Alle sind zum Tode verurteilt, auch viele Frauen von hohen Beamten. Von dieser Sache habe ich schon vor einiger Zeit gerüchtweise gehört. – Auch berichtete sie, daß beim Bombenangriff sehr viele von den jetzt neuerdings bei der Flak eingesetzten 15-jährigen Jungens ums Leben gekommen, bzw. schwer verwundet worden seien. – Sie erzählte von verschiedenen Kollegen ihres Mannes, Pastoren, die in Konzentrationslagern waren, in denen vorwiegend hohe Beamte, hoher Adel, kathol. Priester u. evang. Pastoren gefangen gehalten werden u. ein qualvolles Dasein führen. Ferner von den täglichen Hinrichtungen im Gefängnis Plötzensee. – Sie meinte zu wissen, daß Hitler das Oberkommando, welches er sich angemaßt hatte u. das uns Stalingrad eingebracht hat, niedergelegt habe u. sich zur Erholung im Obersalzberg aufhalte. Auch das hörte ich vorher schon gerüchtweise. [...]

[9]
Sonntag, 21. März 1943.     

[...] [10]      Von Margret Telegramm, daß sie das Abitur bestanden hat. Fritz ist in Le Tréport, wo er seine Buchhandlung neu einrichtet. [...]

[11]
Ahr. d. 2. April 1943. Freitag.     

[...] [12]      Heute rief Margret an, – sie wird am 10. April mit ihrer Mutter herkommen u. wird bis zum 21. April bleiben. Die Mutter hat große Angst vor dem 20. April, dem Geburtstage des Führers, man glaubt, daß die Engländer an diesem Tage ganz Berlin kaput werfen werden. – [...]

[13]
Donnerstag, 8. Apr. 1943.     

[...] [14]      Ich habe mich damit beschäftigt, für Fritzen's Hochzeit Gedichte zu machen. Ein Gedicht soll ein kleines Mädchen aufsagen, welches am Polterabend der Braut den Kranz u. den Schleier übergeben soll, – ein zweites sollen Trude Dade u. Kurti Spangenberg gemeinsam aufsagen, u. ein drittes enthält meine u. Martha's Glückwünsche u. ich werde es selbst vorlesen. Alle drei Gedichte sind sehr nett geworden, ich bin selbst darüber erstaunt, denn ich habe in meinem Leben noch nie dergleichen gemacht. – [...]

[15]
Sonnabend, 10. 4. 43.     

[...] [15]      Heute ist Margret mit ihrer Mutter angekommen, Dr. Wessel hat beide von Ribnitz hierhergebracht. Sie wohnen beide drüben im kleinen Haus u. werden etwa 10 Tage hier bleiben. – [...]

[16]
Freitag, 16. April 1943.     

[...] [16]      Margret u. ihre Mutter sind sehr fleißig am Werk, die Wohnung einzurichten. Margret ist doch noch sehr jung, das zeigt sich so nach u. nach. Sie hat besten Willen, ist auch sehr verständig, aber gewisse Sachen sieht sie nicht wegen ihrer Jugend. Gestern Abend gab es deshalb eine kleine Auseinandersetzung zwischen Martha u. ihr, die zum Glück friedlich endete. [...]

[17]
Sonntag, den 18. Apr. 1943     
Palmsonntag.     

[17]      Heute Morgen große Andacht gehalten. Außer Martha waren Margret mit ihrer Mutter dabei, Frl. v. Tigerström und Trude Dade. Ich habe erst eine Erklärung zur ganzen Liturgie des Palmsonntags gegeben u. dann die Texte der Palmenweihe u. der Messe gelesen. Es dauerte von 11 Uhr bis 12 Uhr. Obwohl es sehr lang war, waren doch alle sehr bei der Sache, ganz besonders Mutter Bohner, die mir von Tag zu Tag immer besser gefällt. Fritz bekommt da bestimmt eine sehr gute Frau. Frau B. war so sehr bei der Sache, daß sie, obwohl es doch so lange gedauert hatte, nachher noch lange in ihrem Stuhl sitzen blieb u. garnicht aufstehen wollte. [...]

[17]      Gestern Abend habe ich den Kreuzweg von Reinhold Schneider vorgelesen, auch dabei waren Mutter u. Tochter B. sehr interessiert. Nachdem ich diesen Kreuzweg nun schon mehrmals vorgelesen habe, beherrsche ich ihn jetzt ganz gut, sodaß mir der Vortrag gut gelingt. [...]

[18]
Mittwoch, 21. April 1943     

[18]      Gestern Abend war Prof. Erich Seeberg zum Abendessen unser Gast. Formlos, wie er ist, brachte er seinen Hund mit, einen großen, schwarzen, sehr alten Neufundländer, der sich bei uns störend breit machte. Der Professor selbst ist zwar ein liebenswürdiger, aber doch sehr seichter Plauderer, der ein ernsteres Gesprächsthema durchaus vermeidet. Dazu erzählt er besonders gern Geschichten, die seine Freude über die Mängel anderer Menschen erkennen lassen, was bei einem Theologen recht befremdend wirkt. Ueberhaupt ist bei ihm nicht viel vom Theologen zu bemerken, abgesehen davon, daß er gelegentlich Zitate aus dem Alten Testament anwendet, um sich auf diese Art witzig zu machen. Zum Glück hat seine Schwester, Margrets Mutter, mit diesem Mann nicht die leiseste Aehnlichkeit.

     Um 1/2 11 Uhr ging er nachhause u. es war um diese Zeit bereits Motorengeräusch zu hören, doch brannte das Licht am Darsser Ort. Ich ging dann schlafen. [...]

[18]      Dr. Wessel brachte heute Margrets Schwester Christa mit ihren beiden kleinen Kindern aus Ribnitz herüber, – sie ist dort z. Zt. zu Besuch bei der Schwester ihres Mannes, die dort verheiratet ist, offenbar an einen sehr kleinen Beamten. Dr. W. wollte wissen, daß mehr als 500 Flugzeuge festgestellt worden wären. Es sind 30 Maschinen abgeschossen worden.

     Dr. W. nimmt heute Abend Frau Bohner, Margret u. ihre Schwester Christa mit den Kindern wieder mit nach Ribnitz. Die ersteren fahren dann morgen nach Bln. zurück. Wir fahren morgen Nachmittag nach Müritz. – [...]

[19]
Müritz, Ostermontag 26. April 1943.     

[20]      Uebrigens meldete sich auch Margret mit zwei Photographien als Ostergratulantin. Die Bilder hatte Fritz gemacht, eines davon ist sehr gut, – am Strande gehend. – [...]

[21]
Ahr. 28. April 1943. Mittwoch.     

[21]      Von Margret u. ihrer Mutter Briefe. Beide sprechen nochmals ihren tiefen Eindruck aus, den sie am Palmsonntag von unserer Hausandacht empfangen haben u. Margret bittet, künftig stets an diesen Andachten teilnehmen zu dürfen. Das ist überaus schön. Mutter u. Tochter werden am kommenden Sonnabend wieder nach hier zurückkommen.

     Auch von Fritz ein Brief. Er hat am Passions-Sonntag in Le Tréport Gottesdienst gehabt. Zu Ostern hat er sich mit dem Divisionspfarrer Jasper in St. Quentin verabredet u. wird auch dort an dessen Gottesdienst teilnehmen. Sein früherer Kamerad aus der Sanitätsabteilung, Pfarrer Hielscher, hat ihm geschrieben, er möchte gern Fritz u. Margret trauen, – aber das wird wohl kaum gehen. – Fritz hat an Ruth geschrieben u. ihr auf Grund meines Briefes an ihn meinen Standpunkt klargelegt. Vielleicht kommt sie dadurch zur Einsicht u. es wäre dann möglich, daß sie zur Hochzeit herkommen kann. Damit wäre dann wieder einmal ein Friede geschlossen. [...]

[22]
Ahr. Weißer Sonntag, 2. Mai 1943.     

[...] [22]      Gestern kamen Margret u. ihre Mutter aus Bln. zurück, was uns auch wieder allerhand Zeit kostet; aber das müssen wir nun in Kauf nehmen für Fritzens Hochzeit, die nun so wie so unsere ganze Kraft in Anspruch nimmt. Es ist so viel zu überlegen u. alles ist jetzt in der Kriegszeit nicht so einfach. Wir werden zur Kaffeetafel 30 – 40 Personen sein, zu den verschiedenen Mahlzeiten 12 – 14 Personen. Zum Glück hat Frau Gerda Knecht zugesagt, uns mit allem zu helfen. [...]

[22]
Ahr. Mittwoch den 5. Mai 43.     

[...] [22]      Margret fährt heute nachmittag mit Dr Wessel nach Ribnitz, von dort morgen früh nach Berlin. Sie wird dort auf Fritz warten, der am Dienstag dort eintrifft u. beide zusammen werden dann hierher fahren. Wenn nur schon diese Hochzeit vorüber wäre, die uns furchtbar viel Mühe u. Unruhe macht. Dazu kommt, daß Martha eine unbedachte Aeußerung getan hat, die Frau Bohner hörte, wodurch eine Verstimmung entstanden ist. Margret hat dann wieder sich unmutig über uns ihrer Mutter gegenüber geäußert, was wieder Frl. v. Tigerström hörte u. Martha wiedererzählte. Kurzum, es ist schwierig, die Harmlosigkeit zu bewahren u. ich mußte heute schon zum zweiten Male die Erregungen beschwichtigen u. ausgleichen. Es bleibt bei solchen Sachen natürlich immer etwas zurück. Margret möchte nun nach der Hochzeit für sich allein wirtschaften u. ich würde das auch für uns ganz angenehm finden, wenn dieser Entschluß nur nicht das Resultat heimlicher Verstimmung [23] wäre. –

Vorgestern waren Peter Erichson u. Frau Ristow bei uns u. Erichson brachte wie immer viel Anregung für die Gestaltung der Hochzeit. Wir wollen bei gutem Wetter einen kleinen Hochzeitszug durch die Straße machen, an der Grenze unseres Besitzes entlang. Erichson wird einen Kranz mit bunten Bändern machen lassen, der an einer Stange vorangetragen wird u. er wird auch dafür sorgen, daß irgend jemand auf der Ziehharmonika dazu Musik macht. – Das Wetter ist unentwegt so schön, daß man leider damit rechnen muß, daß es zur Hochzeit regnet. –

     Heute habe ich die Dahlien teilweise eingebracht.

     Nachmittags kam Erichson mit Frau Ristow nochmals u. brachte uns die ausgezeichnete Anregung, den großen Hochzeitskaffee bei Knecht zu geben. Das ist eine vorzügliche Lösung. Die Trauung findet dann um 3 Uhr bei uns in der Diele statt, wo alle Gäste versammelt sind u. wohin das Brautpaar aus dem kleinen Hause direkt durch den Garten kommt. Nach der Trauung formiert sich dann ein großer Hochzeitszug mit allen Gästen und geht zu Knecht. Auf diese Art halten wir uns das Haus frei für den Abend u. es kann in Ruhe das Abendessen vorbereitet werden. Wir sind gleich zu Frau Knecht gegangen, die sofort bereit war. Es ist das eine sehr große Erleichterung für uns. – [...]

[23]
Donnerstag, 6. Mai 1943     

[23]      Gestern Abend bei Prof. Erich Seeberg. Es waren noch da: Frau Bohner, Frl. v. Tigerström u. Frau Prof. Seeberg. Unglücklicherweise kam auch Herr Dr. Ziel, um Seeberg zu sagen, daß heute im Dorfe der Film „Die Entlassung“ laufe. Herr Ziel hat wiederholt Versuche gemacht, mit mir zu verkehren, was ich stets abgelehnt habe mit der Begründung, daß ich überhaupt jeden gesellschaftlichen Verkehr ablehne. Nun stellte er fest, daß ich zu Seebergs gegangen war. Ich würde niemals dorthin gegangen sein, wenn ich nicht durch Fritzens Heirat in ein gewisses verwandtschaftliches Verhältnis [24] zu Seebergs gekommen wäre, sodaß ich diesen Besuch mehr Fritz u. Margret zuliebe gemacht habe. Herr Ziel wird es nun so auffassen, als hätte ich gegen ihn eine besondere Abneigung. Zwar stimmt das in gewissem Grade, aber es ist peinlich, daß es so gekommen ist.

     Von Erich Seeberg habe ich gestern aber einen weit besseren Eindruck gewonnen. Er ist doch nicht bloß ein amüsanter Schwätzer, sondern hat sehr vernünftige u. auch klare Ideen, die sich auf ein sehr gründliches historisches Wissen stützen. Er ist ja Kirchenhistoriker. Seiner Meinung nach ist eine Rettung Europas nur möglich, wenn sich Europa auf seine alten, christlichen Grundlagen besinnt, wobei er einer Vereinigung der beiden christl. Konfessionen das Wort redet, ohne allerdings für sich selbst die Konsequenzen zu ziehen, denn die Autorität des Papstes glaubt er für sich selbst nicht ertragen zu können. Er gab aber zu, daß er dieses nur für sich als Theologe sage, während es für den protestant. Laien ziemlich unwesentlich sei. Es scheint, daß er sich eine papstfreie, einheitliche katholische Kirche für Deutschland denkt. Er formulierte seine Ansicht etwa so: Der Nationalsozialismus kommt als Grundlage für ein geeintes Europa nicht in Frage, – das ist klar erwiesen. Eine andere Idee als Grundlage ist bislang nicht vorhanden, – bleibt nur die christliche Grundlage, wofür die bisherige evangelische Kirche geopfert werden muß, ein Opfer, das seiner Meinung nach nicht allzu schwer sein wird. Das ist wohl klar u. richtig gesehen; aber diesem Opfer stehen bislang noch die evangelischen Theologen entgegen, die sich dem Papste nicht unterordnen werden, – das ist wohl der springende Punkt. Ich entgegnete ihm, daß diese gefürchtete Autorität des Papstes doch wohl ein Kinderschreck sei, durch jahrhundertelange Propaganda hochgezüchtet; aber da war er skeptisch. – Jedenfalls verlief der ganze Abend außerordentlich angeregt u. ich habe große Lust bekommen, mich öfter mit ihm über diese Fragen zu unterhalten. – Im Hause ist besonders sein Arbeitszimmer sehr schön. – Er erzählte sehr amüsant von gelegentlichen Berührungen mit kathol. Bischöfen, denen er sehr große Hochachtung entgegenbringt, weil sie, wie er sagte, sehr gebildete u. kultivierte Menschen seien. So weit ich bemerken konnte, ist aber sein Christentum recht theoretisch u. sehr skeptisch, – er zweifelte, ob Gott sich wirklich uns Menschen in Jesus Christus offenbart habe u. er begründete diesen Zweifel mit der ungeheuren Ausdehnung des Kosmos. Man könne, meinte er, nicht einsehen, warum Gott sich grade diesen kleinen Weltkörper Erde zu seiner Offenbarung ausersehen habe, – es sei unwahrscheinlich. Ich erwiderte, daß dies nicht unwahrscheinlicher sei als die Tatsache, daß Gott sich unter den Völkern grade das verachtetste Volk der Juden ausgesucht habe u. daß außerdem vor Gott Größenunterschiede in unserem Sinne nicht existierten. Außerdem sagte ich, daß ja nirgends behauptet werde, daß dies die einzige Offenbarung Gottes sei, vielmehr sei doch die Existenz von Engeln eine ganz andere Offenbarung, – niemand könne wissen, ob die verschiedenen Chöre der Engel im Kosmos nicht ähnliche Wohnsitze hätten, wie wir Menschen auf der Erde. – Er gab das zu.

     In solchen Gesprächen verging der Abend äußerst anregend u. es war bereits 12 Uhr, als wir nachhause gingen. – [...]

[25]      Die Anzeigen zur Hochzeit sind fertig beschriftet, morgen beginne ich mit der Absendung.

     Ruth hat aus Regensburg angerufen, sie kommt nun doch zur Hochzeit u. bringt die kleine Ortrun mit. – [...]

[26]      Frau Bohner telephonierte mit ihrem Mann in Bln., der sagte, daß Margret zur Bahn gefahren sei, weil Fritz heute schon in Bln. ankäme. So scheint er also doch einen ganzen Urlaubstag plus gemacht zu haben. Wir warteten auf einen Anruf, aber hörten nichts. Er wird wohl morgen anrufen.

     Die Vorbereitungen der Hochzeit verursachen große Unruhe.

[26]
Ahr. Donnerstag, 13. Mai 1943.     

[26]      Gott sei gedankt, daß dieses Hochzeitsfest vorüber ist, – es war überaus anstrengend. – Am Dienstag Mittags kamen zuerst Fritz mit Margret u. Vater Bohner, der sehr elend aussieht, aber besonders mir mit großer Höflichkeit entgegenkam. Otto Wendt u. seine Frau Lita mit ihrem Sohn Max. Eine Stunde später kamen Fritz mit Margret u. Vater Dr. Bohner u. Ruth. Wir aßen gemeinsam zu Mittag. Abermals 2 – 3 Stunden später kam Marthas Vetter, der Pastor Karl-Ernst Wendt aus Casekow b. Blumberg i. Pom, in der Nähe von Stettin, mit seiner Frau Hedwig, ein typisches Landpastorenpaar, sehr würdig u. sympathisch. Wir tranken gemeinsam Kaffee, d.h. das Pastorenpaar bekam noch gewärmtes Essen (Dorsch). Am Montag hatte ich bereits den Altar aufgebaut in der Diele, in der Ecke, wo unsere weiße Muttergottes steht. Ich hatte die ganze Ecke bis zur Decke, u. diese auch, mit einem weißen Dekorationsstoff mit silberner Flimmerwirkung ausgeschlagen u. das Ganze Baldachin-artig mit demselben Stoff in Lachsfarbe abgeschlossen. Dieser lachsfarbene Stoff, der vorzüglich zur lachsfarbenen Wand der Diele paßte, war nach rechts u. links weit auseinandergerafft, so daß die Muttergottes wie eine rechte Maienkönigin unter diesem Baldachin stand. Hinter ihr waren grüne Blattpflanzen u. zu ihren Füßen eine Fülle von Stiefmütterchen, dazu die zwei dreiarmigen Leuchter, besteckt mit roten Kerzen. Der eigentliche, weiß gedeckte Altartisch stand davor, doch so, daß die Muttergottes viel höher stand. Auf dem Altar standen nochmals zwei silberne, hohe Leuchter mit weißen Kerzen, in der Mitte das Kruzifix. Am Boden rechts u. links vom Altar standen große Vasen mit Tannengrün, auf der Heizung links vom Altar Tulpen u. Flieder, auf dem hochgelegenen Fenster rechts vom Altar ebenfalls. Diese ganze Dekoration wirkte überaus schön u. imponierend. Ich hatte etwas Angst, wie der protestantische [27] Pastor sich zu dieser Maienkönigin stellen würde, doch ging alles ganz glatt. Später stellte ich fest, daß Karl-Ernst überhaupt sehr katholikenfreundlich ist u. guten Umgang mit kathol. Geistlichen pflegt. –

     Abends gegen 18 Uhr kamen die Gäste zum Polterabend. Es waren zugegen: Fritz u. Margret, Ruth, Dr. Bohner u. Frau u. Christa Schmidthals, Otto Wendt u. Frau mit Max, Pastor Wendt mit Frau, Martha u. ich, Frl. v. Tigerström, dazu kam noch vorübergehend Charlotte Schmitt als Mutter ihrer kleinen Jutta, die der Braut Kranz u. Schleier übergab u. dabei ein von mir gemachtes Gedicht ganz entzückend deklamierte. Vorher hatten Kurt Spangenberg u. unser Mädchen Trude Dade gemeinsam ebenfalls Verse aufgesagt, die ich verfaßt hatte. Kurt Sp. hatte einen Gehrock seines Vaters an u. einen alten Cylinder auf dem Kopf, Trude war von Frl. v. Ti., sehr niedlich herausgeputzt worden. Beide vertraten mit ihrem Glückwunsch die einheimische Bevölkerung. Etwas später trug ich dann selbst ein längeres Scherzgedicht vor, bzw. las es vor. Es waren das meine ersten Gedichte, oder besser Knittelverse, die ich in meinem Leben zustandegebracht habe, aber sie waren wirklich scherzhaft u. machten sehr guten Eindruck. Ich hatte eine vorzügliche Bowle gebraut, da Dr. Bohner gut für Wein gesorgt hatte. Dieser war im letzten Augenblick am Sonnabend eingetroffen mit einer Kiste sehr anständiger Cigarren. Die Bowle bestand aus 6 Fl. rotem Nahewein u. einer Flasche deutschem Schaumwein, das Ganze auf einer Dose Pfirsichen. Es schmeckte sehr gut u. sie wurde restlos ausgetrunken. – Gegen 11 Uhr Abends ging, der Spektakel der Dorfjugend los, der leider wie meistens sehr ausartete. Diese rohe Gesellschaft warf nicht bloß große Massen von Scherben vor die Tür, sondern fuhr in Blockwagen ganze Berge voll alten Blechgerümpel vor die Haustür. Als ihnen das noch nicht genügte, schleppten sie unsere Gartenmöbel zusammen u. türmten diese noch über diesen Unrathaufen. Eine Scheibe in der Haustür ging dabei noch in Scherben. Als sie dann dazu übergingen, die Müllkisten hinter dem Hause umzustülpen u. vor der Küchentür auszuleeren, u. als ich hörte, daß sie noch weiteres Gerümpel anfahren wollten, rief ich den Bürgermeister an u. bat um Schutz. Dieser benahm sich sehr ordentlich, indem er mir durch die Zollbeamten einen Posten vors Haus stellen ließ. – Alles dies störte natürlich sehr sodaß eine sehr gute, ernste Rede, die Dr. B. auf dem Herzen trug leider davon beeinträchtigt wurde. Unsere Gäste mußten später durch den rückwärtigen Ausgang das Haus verlassen, weil man durch den Vordereingang nicht gehen konnte. Alle Gäste wohnen im Kurhaus, mit Ausnahme von Ruth.

     Am nächsten Morgen beschwerte sich Martha beim Lehrer Deutschmann den sie zufällig auf der Straße sah, über die Jungens. Der Lehrer ließ sofort die Jungens antreten u. sie mußten den ganzen Unrat beiseite räumen u. abfahren. Die dadurch versäumten, Schulstunden mußten sie nachmittags nachsitzen. So hatten sie ihre Strafe. – Am Dienstag war das Wetter sehr kalt u. regnerisch gewesen, es war der Letzte der drei gestrengen Herren, – am Mittwoch war strahlender Sonnenschein, Windstille u. es war prachtvoll warm. So ist es auch heute noch. –

     Um 10 Uhr fuhr das junge Paar nach Born in schön mit Tannengrün u. Narzissen geschmückten Wagen von Spangenberg. Trauzeugen waren Otto Wendt, der Fritzens Patenonkel ist, u. Vater Bohner. Frau Bohner u. Ruth fuhren als Begleitung mit, weil das Wetter so schön war u. die Fahrt durch den Darss ja wirklich sehr schön ist. Der Wagen kam erst nach 1 Uhr zurück u. wir aßen dann ein warmes Frühstück, Tomatensuppe, Hammelragout. Um 3 Uhr fand dann die sehr schöne Trauung statt. Frl. Marry von Paepke, die grade eben angekommen war, spielte meisterhaft Harmonium, welches wir von Steinäcker's geliehen hatten, Karl-Ernst [28] hielt eine sehr schöne Predigt, die auf alle Teilnehmer sehr stark wirkte. Die feierliche Dekoration tat das ihrige dazu. Es waren in der Diele 40 Personen oder mehr versammelt, außer den vielen Kindern, die auf der Treppe hinauf saßen wie die Engelchen auf der Himmelsleiter. Evi Niemann hatte im letzten Augenblick noch aus Müritz einige wundervolle Kalla-Blüten beschaffen können, sodaß die Braut dadurch eine sehr schönes Brautboukett im Arme tragen konnte. Die Diele war natürlich übervoll von Menschen, aber grade das war sehr schön. Vater Bohner war besonders ergriffen u. man sah, daß er verzweifelt mit den Tränen kämpfte. Es ist das nun die letzte seiner drei Töchter, die er hergibt u. grade für Margret hatte er gehofft, daß sie studieren würde. –

     Nach der Trauung bewegte sich der Brautzug langsam u. sehr feierlich-fröhlich zu Knechts, wo die Kaffeetafel stattfand. Max Wendt trug einen bunten Kranz mit blau-weißen Bändern an einer hohen Stange voraus, dann folgte das Brautpaar u. anschließend die Gäste. Bei der Kaffeetafel saß ich zwischen Martha u. Frau Krappmann, dann Dr. Krappmann. Es gab eine Fülle von Kuchen u. Torten aller Art, alles von Frau Knecht sehr liebevoll gemacht. Es blieb viel übrig.

     Nach der Kaffeetafel war dann das Abendessen bei uns. Es waren 18 Personen: Fritz, Margret, Ruth, Christa, Herr + Frau Bohner, Martha u. ich, Frau Prof. Mariechen Seeberg, die ich als Tischdame hatte, Prof. Erich Seeberg u. Frau, Karl-Ernst Wend u. Frau, Otto Wendt u. Frau mit Max, Dr. Wessel, Frl. v. Tigerström. Es gab Brühe, Seelachs, Rinderbraten mit Gemüse u. Kartoffeln, Nachtisch, Nahewein, zum Schluß franz. Sekt. Ich hielt nach dem Fisch meine Rede, später auch Dr. Bohner, was ich nicht erwartet hatte, da er schon am Polterabend gesprochen hatte. Es sprach dann noch Karl-Ernst Wendt u. zuletzt Ruth. Nach dem Essen waren wir noch eine Weile oben im Wohnzimmer zusammen, wo ich dann mit Ruth eine gründliche Aussprache hatte. Alle Differenzen der letzten Zeit sind damit nun glücklich beigelegt u. es ist das alte Vertrauensverhältnis wieder hergestellt. Die Gäste gingen gegen 12 Uhr, aber Martha, Ruth u. ich saßen noch bis 2 Uhr zusammen u. besprachen Dinge, die sonst nie zur Sprache kommen. –

     Am Donnerstag war dann, Gott sei Dank, etwas Ruhe. Unsere Trude ließ uns im Stich u. Martha mußte sich selbst bemühen, im Wohnzimmer so weit Ordnung zu schaffen, daß wir angenehm frühstücken konnten. Am Nachmittag wollte Dr. Bohner kommen, um sich über die Bunte Stube näher informieren zu lassen, doch kam er nicht. Dafür waren Karl=Ernst u. seine Frau da u. später auch Otto mit Frau u. Max. Wir waren alle sehr erschöpft.

[28]
Sonntag, den 16. Mai 1943.     

[28]      Freitag Nachmittag fuhren die Eltern Bohner mit Christa wieder ab, mit ihnen Ruth, am frühen Morgen waren Karl-Ernst mit seiner Frau abgefahren, u. zwar über Prerow. Mit der Abfahrt von Frau Bohner trat für uns eine erhebliche Erleichterung ein, denn diese Frau hat, wie sich immer mehr herausstellt sehr wenig dazu beigetragen, die Schwierigkeiten zu überwinden, die für uns mit dem Eintritt der Schwiegertochter in unseren engsten Kreis naturgemäß gegeben sind. Anstatt ihre Tochter anzuhalten, sich uns einzufügen, hat sie sie offenbar nach Kräften ermuntert, sich gegen uns zu behaupten u. das hat bereits zu unangenehmen Klarstellungen geführt, die um so peinlicher waren, als wir, besonders Martha, durch die wochenlange Anstrengung, die die Vorbereitung der Hochzeitsfeier von uns verlangt hat, reichlich erschöpft waren. Martha war diesen Dingen nicht mehr gewachsen. – Abends waren Otto u. Frau mit Max bei uns u. es kam zu einer gereizten Aussprache, die Gott sei Dank durch das gute, frauliche Wesen von Lita wieder in Ordnung gebracht wurde. Der letzte Grund zu diesen Dingen lag in Frau Bohner, die mit größter Selbstverständlichkeit unsere Einrichtungen u. Gegenstände für ihre Tochter u. für sich selbst in [29] Anspruch nahm, ohne sich je zu bedanken, wie sie überhaupt die Tatsache, daß wir die ganze Last der Hochzeit auf uns genommen haben, als selbstverständlich u. ohne Dank hingenommen hat. Es wird sehr gut sein, wenn Margret jetzt von dieser Mutter getrennt ist, denn von ihr ist offensichtlich nichts Gutes zu erwarten.

     Am Sonnabend waren Abends nochmals Otto usw. bei uns u. heute um 11 Uhr sind auch sie abgefahren. Nun ist Ruhe. Fritz bleibt noch bis Mittwoch. Dann werden wir mit Margret allein sein. Es haben sich in diesen Tagen genug Wolken am Horizont aufgetürmt u. wir können nur Gott bitten, daß er alles zum Besten lenken möge. [...]

[29]      Nachmittags waren wir: Martha, ich, Fritz u. Margret bei Frau Prof. Mariechen Seeberg, gen. „der Silberhase“ zum Kaffee eingeladen. Frau Prof. Seeberg war beim Hochzeitsessen meine Tischdame gewesen. Sie ist die Tochter eines hohen, evangelischen Geistlichen aus Rußland u. war dann mit einem Seeberg verheiratet, der m. W. ebenfalls Theologe war, u. zwar in Rostock. Er ist aber längst verstorben. Frau S. hat ihre Jugend in Petersburg zugebracht u. konnte anschaulich von dem luxuriösen Leben jener längst vergangenen Zeiten erzählen. Jetzt hat sie hier in Ahr. ein Haus, in welchem sie seit einigen Jahren im Sommer u. im Winter lebt, zusammen mit ihrer Tochter Doris, die eine Bildhauerin von durchschnittlicher Begabung, aber von sehr nettem Wesen ist. Frau S. selbst war uns im Geschäft als Kundin stets eine ziemlich fatale Erscheinung, doch zeigte sie sich heute in ihrem Hause von einer wesentlich angenehmeren Seite. Das Haus ist teilweise hübsch eingerichtet, gleichsam mit den Trümmern eines früher luxuriösen Lebens. [...]

[29]
Montag, 17. Mai 43.     

[...] [29] Nachmittags bei Margret u. Fritz zum Kaffee. Es war sehr gemütlich, das Wohnzimmer ist hübsch eingerichtet, sehr behaglich das Sofa. Martha sah sich die Post durch, die das junge Paar bekommen hat u. die sehr umfangreich ist, aber zum größten Teil auch sehr nichtssagend. Auch hierin Massenproduktion bei abnehmendem, inneren Wert. Es scheint, als ob nach den manchmal gefährlichen Spannungen der ersten Zeit sich langsam eine harmonischere Stimmung herausentwickeln wolle. [...]

[30]
Mittwoch, 19. Mai 1943.     

[30]      Gestern Abend war Fritz mit Margret bei uns. Wir tranken eine Flasche von dem Nahe-Wein, den Vater Bohner zur Hochzeit gestiftet hat. Viel ist nicht übrig geblieben u. diese 25 Flaschen sind nebst 50 Cigarren das Einzige, was die Eltern Bohner zur Hochzeit beigetragen haben. Nicht eben viel! [...]

[30]      Fritz reist morgen Nachmittag wieder nach Frankreich und seine junge Frau bleibt dann allein zurück. Es wird nicht einfach sein, weder für sie, noch für uns. [...]

[31]
Sonntag, 4. nach Ostern, 23. 5. 43.     

[31]      Morgens sehr schöne Morgenandacht in Gegenwart von Margret u. Frl. v. Tigerström. Messe des heutigen Tages u. kurze, auf Martha gemünzte Ausführung über die göttliche Tugend der Geduld, angeregt durch den Jakobusbrief der heutigen Lesung, die von Martha verstanden u. gut aufgenommen wurde. Dann Brief an Schwester Grete geschrieben, die am 26. Mai Geburtstag hat. Nachmittags langer Brief an Dr. Bohner, der mich um Daten u. sonstige Angaben der Bunten Stube gebeten gebeten hatte. Abends Martha u. Margret Stalin weiter vorgelesen. [...]

[32]
Dienstag, 25. Mai 1943.     

[...] [32] Arbeite jetzt täglich im Geschäft. Auszeichnung der Ware, Organisation der Ware usw. Margret, die mit mir arbeitet, ist überaus eifrig. Wir richten den Turm als Warenlager ein, – wir haben so wenig Ware, daß wir damit auskommen. [...]

[33]
Sonntag, 30. Mai 1943.     

[...] [33]      Heute früh eine sehr erbauliche Andacht mit Martha u. Margret, die sich immer besser eingewöhnt.

[34]
Dienstag, 8. Juni 1943.     

[34]      Martha's Geburtstag. Festlicher Frühstück mit Bohnenkaffee und Käse, der von Fritz geschickt ist u. weichen Eiern. Margret war dabei. Auf dem Geschenktisch von mir ein silber=vergoldetes Armband, italienische Filigranarbeit, welches vor einigen Tagen mit anderen, ähnlichen Dingen von der Firma Henzog Seifert aus Hamburg grade zur rechten Zeit eintraf. Fritz u. Margret schenkten ein Paar entzückende Handschuhe aus Glacé-Leder, Parfüm, Seifenpulver u. ein Buch. [...]

[35] Es ergab sich im Gespräch, daß zwischen Fritz u. Margret eine kleine Verstimmung herrscht, hervorgerufen durch Fritzens leider vorhandenen Minderwertigkeitskomplex gegenüber den Leuten mit akademischer Bildung, zu denen Margret natürlich ein ganz selbstverständliches Zugehörigkeitsgefühl hat, – insbesondere, so weit es sich um Mitglieder ihrer Familie u. des hiesigen Forensenkreises handelt. Es muß versucht werden, dergleichen Spannungen auszugleichen. [...]

[35]
Sonnabend, 12. Juni 43.     

[...] [35]      Prof. Erich Seeberg hat Schlaganfall gehabt u. ist hier eingetroffen. Rechtsseitige Lähmung. Er ist Anfang 50. – Sehr früh! [...]

[36]
Dienstag, 29. Juni 43.     

[...] [36]      Am Sonntag war unsere kleine Andacht sehr still, denn nur Margret u. die kleine Christa, das Kind aus dem Ruhrgebiet, waren zugegen. Ich stellte zu meiner Freude fest, daß Margret die Antworten im Staffelgebet bereits gut sprach. Wir feierten Fronleichnam u. ich versuchte, den Sinn dieses Festes darzulegen u. die Forderungen, die sich für uns daraus ergeben. Sowas ist immer etwas trocken u. lehrhaft, aber ich bemerkte doch, daß Margret aufmerksam zuhörte. [...]

[36]      Gestern erhielt ich von Fritz eine Nachricht, daß jetzt alle Offiziere, die mehr als zwei Jahre in Frankreich sind, nach dem Osten versetzt werden u. daß dies auch für Mannschaften demnächst verfügt werden würde. Es sind bereits entsprechende Erhebungen in dieser Hinsicht bei ihm gemacht worden. Er hofft zwar, daß es sich um reinen Austausch handelt u. er im Osten auch wieder als Buchhändler eingesetzt werden wird, doch scheint mir das mindestens zweifelhaft. – Die Sache beunruhigt ihn sehr, zumal er auch andeutet, daß zwischen ihm u. Margret irgendetwas unklar ist. Vor einiger Zeit gestand uns Margret, daß sie sich über einen Brief von Fritz heftig geärgert hätte, aber ich sehe da noch nicht ganz klar. [...]

[36]
Sonntag, 11. Juli 1943.     

[36]      Am vorigen Sonntag war unsere Andacht stark besucht. Am Abend vorher waren zwei Aquinata-Schwestern eingetroffen, längst erwartet. Schw. Marie-Luise u. Schw. Maria. Sie hatten noch eine junge Studentin aus Bln. mitgebracht. Alle drei nahmen an der Andacht teil, dazu noch eine Schwester, die Pflegeschwester bei Frau Kuhnke, u. endlich noch Frau Asta Smith, dazu Martha u. Margret. [...]

[37]
Sonntag, 18. Juli 1943.     

[...] [37]      Margret hat Besuch von einem Ehepaar Neher aus Berlin, sehr angenehme Menschen. Der Mann ist Maler u. Bühnenbildner. [...]

[37]
Montag, 19. Juli 1943.     

[37]      Gestern Abend war das Ehepaar Neher, Margret's Besuch, bei uns. Klaus u. Margret ebenfalls. Herr N. ist ein sehr lebendiger Mensch der von sich aus das Gespräch auf Religion brachte. Er hat offenbar großes Interesse für Katholizismus, doch bleibt das noch sehr im Aeußerlichen stecken. Die Frau macht im Gegensatz zu ihm einen etwas sturen Eindruck, sehr protestantisch. Im Verhältnis zu Margret war dieser Abend insofern nicht unwichtig, als sie für Herrn N. eine starke Zuneigung zeigt, Herr N. mir selbst aber unterlegen ist. Da er mir ganz offensichtlich große Sympathie entgegenbringt, wird dies das Verhältnis zwischen mir u. Margret befestigen. Außerdem ist Herr N. eine Variante ihres Vaters, mit dem er auch äußerlich Aehnlichkeit hat. Man kann das vielleicht ausnutzen, um Margret's Verhältnis zu ihrem Vater zu verbessern. – [...]

[38]
Donnerstag, 22. Juli 1943.     

[...] [38]      Gestern Abend war Dorfversammlung in Sachen Luftschutz. Ich habe Klaus mit Margret hingeschickt. Nach Margret's Erzählung hat Prof. Reinmöller eine gradezu groteske Rede gehalten, denn er ist Oberbefehlshaber für den Luftschutz im Dorf. Er ordnete an, daß alle Leute heute sofort zum Strande gehen sollen, um Sand zu holen. Das ist aber überall längst geschehen. Ferner ordnete er an, daß überall Wassereimer aufgestellt werden müßten, jedoch besitzt kein Mensch mehr Eimer, die er nicht unbedingt gebrauchte. Schließlich ordnete er an, daß überall Feuerpatschen bereit stehen sollten, jedoch besitzt kein Mensch mehr Scheuertücher oder andere geeignete Stoffe, nachdem durch die wiederholten Spinnstoffsammlungen auch der letzte alte Lappen längst abgegeben worden ist. Diese sämtlichen Anordnungen des Herrn Professor sind also Quatsch. – Dann aber hat dieser Mann, über den das ganze Dorf lacht, weil er unter dem Pantoffel seiner Hausdame steht, mit der er ein Verhältnis hat, eine blutdürstige Rede gegen die Engländer gerichtet, die in dem Ausrufe gipfelte: Der Tag der Rache kommt, – dann wird diese ganze Insel in Feuer u. Schwefel untergehen u. diese Schweine werden totgeschlagen werden bis zum Letzten. – [...]

[39]
Sonntag, 25. Juli 1943.     

[...] [39]      Klaus ist heute in aller Frühe abgefahren, Margret hat ihn nach Wustrow gebracht, von dort fuhr er mit dem Dampfer. Seinen Jens hat er hier gelassen. [...]

[40]
Mittwoch, 28. Juli 1943.     

[...] [41]      Unter diesen Beunruhigungen haben wir uns entschlossen, die Enkelkinder beschleunigt nach Regensburg zurück zu schicken. Wir fürchten zwar kaum, daß hier in Ahr. etwas passieren könnte, obgleich bei der fürchterlichen Trockenheit und Hitze, welche seit Wochen herrscht, ein paar Brandplättchen genügen, um alles Gras in Brand zu setzen, aber vor allem fürchten wir, daß nun bald der furchtbarste Angriff auf Bln. stattfinden wird, u. dann ist den Kindern der Heimweg verlegt. Also werden wir sie morgen nach Ribnitz schicken, von wo sie dann Lene Dude, jetzige Frau Breken, ihr früheres Mädchen, nach Regensburg bringen wird. Damit sind wir dann zwar einiger Freude, aber auch sehr großer Last u. Sorge ledig. Jens, der Sohn von Klaus, bleibt vorläufig noch hier unter Margret's Obhut.

[42]
Mittwoch, 11. August 1943.     

[42]      Gestern kam Fritz. Wir warteten mit dem Essen, doch wurde es 1/2 3 Uhr, bis er eintraf. Mit ihm kam Borchers, der Schwiegersohn Papenhagens. Er hatte eine Kiste bei sich u. sagte, daß dies seine ganze Wohnungseinrichtung sei; alles andere ist verbrannt. Der kleine, schwächliche Mensch war noch weniger geworden u. sah in seiner schäbigen Pionier-Uniform sehr erbarmungswürdig aus.

     Fritz machte einen sehr veränderten Eindruck; es war, als ob er Dinge dächte, von denen wir nichts wissen. Man muß abwarten. [...]

[42] Während wir oben im Wohnzimmer sprachen, ertönte aus der Diele ein Guitarrespiel u. der wunderschöne Gesang eines frommen Abendliedes. Als der Gesang verklungen war, ging ich in die Diele, hörte aber nur noch, daß jemand das Haus durch die [43] Küchentür verließ. Ich ging vorne herum ums Haus u. traf einen Herrn, der momentan als Sommergast hier ist u. der mir im Geschäft durch sein ungemein originelles Wesen oft aufgefallen ist u. mit dem ich mich gern unterhalte. Offenbar hat er auch eine Neigung zu mir. Ich stellte ihn u. er sagte mir, er habe gehört, daß Fritz gekommen sei u. das habe ihm die Idee gegeben, dem jungen Paare ein Ständchen zu bringen. Margret habe ihm gesagt, daß wir geistlichen Besuch hätten u. da habe er auch uns ein Ständchen gebracht. Er war überaus nett u. ich habe mich herzlich gefreut. Ich werde nun versuchen, diesen Menschen näher kennen zu lernen. – [...]

[43]
Freitag, 13. Aug. 1943.     

[...] [44]      Fritz, der mit Margret gestern Abend ebenfalls bei uns war, hat sich gestern Nachmittag kurz bei mir ausgesprochen. Er sagte mir, daß er Margret sehr verändert fände, – ich mußte ihm das bestätigen, – leider. Es ist schon seit Wochen so, daß sie zwar willig tut, was man ihr sagt, aber sie zeigt dabei nicht das mindeste Interesse. Es war natürlich nun die Frage zur Sprache gekommen, was sie im Winter tun soll. Diese Frage spielt seit langem eine Rolle u. wurde zwischen ihr u. Klaus schon oft erörtert. Sie will nach Bln., um zu studieren, wogegen Klaus ihr eindeutig gesagt hat, daß das nicht ginge. Sie hat als Fritzens Frau hier zu bleiben, so langweilig das für sie auch sein mag. Studiert sie aber in Bln., so wird sie sich von Fritz entfernen. Sie hat sich deshalb auch an ihren Vater gewandt, der ja ursprünglich nichts lieber gesehen hätte, als wenn sie studiert hätte u. der deshalb gegen diese Heirat war. Sie hat deshalb geglaubt, von ihrem Vater Hilfe zu bekommen. Dieser hat das aber abgelehnt u. hat ihr erklärt, daß darüber allein Fritz zu entscheiden habe. Das hat sie dem Vater sehr übel genommen.

     Fritz ist natürlich auch gegen diese Idee, die sich ja schon rein wirtschaftlich nicht durchführen läßt, da Fritz garnicht in der Lage ist, das Studium zu bezahlen, besonders, da es sich ja nur um eine Laune u. eine Abwechslung handelt. – Ueber diese Frage ist es zwischen beiden schon früher brieflich zu Auseinandersetzungen gekommen, die sich jetzt in anscheinend scharfer Form wiederholt haben. Ich habe Fritz den Rücken gestärkt u. habe ihm empfohlen, fest zu bleiben auf Biegen oder Brechen. – Das Schlimmste ist, daß Margret im September ihre Mutter erwartet, die natürlich die Albernheiten noch unterstützen wird u. überhaupt einen denkbar schlechten Einfluß ausüben wird. Es werden da manche Kämpfe bevorstehen. – [...]

[45]
Sonnabend, 14. Aug. 43.     

[...] [45] Wie ich jetzt von Fritz höre, war er gestern Abend gekommen, um einige Zigaretten zu erbitten, – aber er war dann wohl doch zu bescheiden, um es zu tun. Es tut mir sehr leid.

[45]
Montag, 16. August 1943.     

[45]      Gestern mit Fritz u. Margret gefrühstückt mit Bohnenkaffee u. Ei. Nach dem Frühstück wollten beide an unserer Andacht teilnehmen, doch berührte Fritz das Thema von Margrets geplantem Winterstudium in Berlin. Diese Sache war bereits zwischen Klaus u. Margret wiederholt zur Sprache gekommen u. Klaus hatte ihr sehr eindringlich gesagt, daß dieses eine törichte Idee sei, durch die sie sich von Fritz entfernen würde. Sie sei jetzt eben die Frau von Fritz u. habe als solche in Ahrenshoop zu bleiben, selbst wenn sie sich im Winter arg langweilen sollte. Es war aber schon zu erkennen, daß Klaus sie nicht überzeugen konnte. – Auch an ihren Vater hatte sich M. dieserhalb gewandt, der jedoch alles abgelehnt hatte u. der geantwortet hatte, daß er dazu garnichts tun könne, es sei allein Fritzens Sache. – Klaus hat dann Fritz in Brüssel mehrfach gesprochen u. hat ihn gewarnt. Er hat ihm sehr richtig gesagt, daß Fritz, falls er in dieser Sache nachgeben würde, Margret entgleiten würde. Er hat richtig gemeint, daß man von M. verlangen müsse, als junge Frau jetzt zuhause zu bleiben u. nicht in Bln. eine Zerstreuung zu suchen. In dieser Ueberzeugung kam Fritz auch hierher. Schon sehr bald kam er dann zu mir, um mit mir die Sache zu besprechen, da M. wiederum davon angefangen hatte. Ich habe Fritz gesagt, daß er unbedingt in der Ablehnung fest bleiben müsse [46] wenn er nicht für's ganze Leben seine Autorität einbüßen wolle. Wenn M. jetzt schon, drei Monate nach der Hochzeit, solche Pläne hätte, wäre das ein Zeichen mangelnden Ernstes u. ein Winter in Bln. mit sogenanntem Studium würde der Anfang der Eheauflösung sein. – Fritz begriff das. – Gestern nun war zu erkennen, daß es M. dennoch verstanden hatte F. herum zu kriegen, – u. das löste bei Martha eine regelrechte Explosion aus. Es gab eine sehr heftige Auseinandersetzung, bei der ich Martha mit aller Kraft unterstützte. M. saß dabei u. sprach kein einziges Wort. – Schließlich ging sie wortlos hinaus. Fr. blieb noch etwas u. es war zu merken, wie er sich über unsere kräftige Hilfe freute. [...]

[46]      Zum Mittagessen erschien M. wieder, freundlich u. harmlos, als wäre nichts gewesen, sodaß wir den Eindruck hatten, als wäre sie durch uns nun überzeugt worden von der Torheit dieser Idee. – Gesprochen wurde darüber nicht. [...]

[46]      Abends kam Fr. zu uns. Er war den ganzen Nachmittag mit M. im Darss gewesen u. berichtete, daß M. keineswegs von uns überzeugt worden sei, sondern hartnäckig bei dieser Idee bleibe. Es kam nun allerhand zur Sprache, so auch, daß M. sich plötzlich weigere, Kinder zu bekommen, wohingegen sie früher ganz gegenteilig davon gesprochen hat. Wir haben ihm nach Kräften den Rücken gestärkt, – es muß jetzt biegen oder brechen.

[46]
Dienstag, 17. August 1943.     

[...] [46]      Zwischen Fritz + Margret immer noch keine Klärung. Dieses törichte Kind besteht auf seinem Kopf. Sie zeigt dabei, daß sie nicht nur kein Pflichtgefühl hat, sondern daß es ihr an Herz u. Gemüt fehlt. Sie gibt Fritz gegenüber frei zu, daß sie ihn nicht liebt u. wundert sich, daß er das nicht schon im Mai, – also gleich nach der Hochzeit, – gemerkt hätte. Sie weigert sich, Vernunft anzunehmen u. glaubt offenbar, daß es für sie wichtiger wäre, „Freiheit“ zu erlangen, wobei sie glaubt, frei zu werden, wenn sie fortläuft. – Unter diesen Umständen wird sie kaum zu halten sein, zumal wir nicht auf die Vernunft ihrer Mutter rechnen können, die ja den stärksten Einfluß hat. – Fritz quält sich schrecklich u. er tut mir sehr leid, – er hätte Besseres verdient. Doch weiß nur Gott, wozu das dient. [...]

[47]
Sonnabend, 21. Aug. 1943.     

[47]      Margret schien zur Einsicht gekommen zu sein, jedenfalls erklärte sie, auf ihr Studium verzichten zu wollen u. im Winter hier bleiben zu wollen, jedoch nicht, wie sie zu Fritz sagte, aus Liebe zu ihm, sondern aus Zwang. Ich hielt das noch immer für kindischen Trotz u. begnügte mich vorerst mit dem Sieg, den Fritzens Standhaftigkeit davongetragen hatte. Gestern nachmittag waren Frau Prof. Marie Seeberg mit ihren beiden Töchtern Stella u. Doris bei Fritz + Margret zum Kaffee. Margret hatte auch uns durch Fritz auffordern lassen, aber wir hielten es für besser, nicht hinzugehen. Fritz erzählte uns dann Abends, daß M. jetzt ganz vernünftig sei. Die drei Damen Seeberg, die wohl eine schwache Ahnung von dem Konflikt haben mochten, da Martha der sehr netten Doris gegenüber etwas davon gesagt hatte, sind rührend bemüht gewesen, Margret zur Vernunft zu bringen, wobei Stella auch eine positive Idee beisteuerte, indem sie Margret vorschlug, im Winter den Kindern der Forensen, die ja vermutlich in großer Zahl hier sein werden wegen der Bombenangriffe, wissenschaftlichen Unterricht zu geben. – Obwohl ich selbst nicht glaube, daß M. dazu überhaupt fähig ist, nahm sie diesen Gedanken doch mit Begeisterung auf, sodaß Fritz ihr versprach, daß er dafür sorgen wolle, daß sie in diesem Falle im Geschäft nicht im Geringsten beschäftigt werden würde. Es schien so, als sollte auf diese Weise der ganze Konflikt doch noch eine Lösung finden. – Heute früh traf aber ein Telegramm von Margrets Mutter aus Schwarzenberg ein, wo sich diese momentan aufhält. Es ist das ein kleiner Ort in den Alpen irgendwo in der Nähe des Bodensees. Sie telegraphierte, sie sei krank geworden u. Margret müsse sofort zu ihr kommen. Ich sagte zu Fritz, daß ich dieses Telegramm für eine abgekartete Sache zwischen Mutter + Tochter hielte u. daß es eine glatte Unverschämtheit sei, Margret zu rufen, während Fritz für 14 Tage hier im Urlaub ist. Es war das natürlich nur ein Gefühl von mir, doch erreichte ich damit, daß Fritz zurücktelegraphierte, daß Margret's Kommen während seines Urlaubs ausgeschlossen sei. Fritz bestätigte mir auch, daß Margret sich über das Telegramm u. die angebliche Erkrankung der Mutter nicht im Geringsten aufgeregt gezeigt hätte, obgleich sie heute wieder einmal selbst den ganzen Tag über die Kranke gespielt u. im Bett gelegen hatte. Auch diese Krankheit halte ich für Simulation. Heute abend nun kam Fritz in sehr aufgeregtem Zustande [48] zu uns u. berichtete, daß Margret heute Nachmittag, während Fritz im Geschäft war, an die Mutter einen Brief geschrieben habe, den sie, wie sie es mit all ihren Briefen u. Sachen macht, herumliegen ließ, sodaß Fritz in die Lage kam, einige Sätze daraus zu lesen. Sie schrieb darin, sie wüßte nun, daß ihre Ehe kaput gehen würde, sie bereute es, diese Heirat gemacht zu haben, u. das heutige Telegramm zeigte ihr, daß die Mutter sie verstanden hätte. – Daraus geht hervor, daß die Idee dieses Telegramms zwar nicht von Margret stammt u. sie das Telegramm nicht bestellt hat, daß sie aber schon vorher der Mutter in einem Sinne geschrieben hat, daß dieses Telegramm die Antwort darauf war. – Margret hat Fritz diesen Brief verschlossen zur Beförderung übergeben. Wir haben die Sache besprochen: Fritz wird den Brief nun in ihrer Gegenwart öffnen u. ihn lesen u. wird sie zur Rede stellen. Es ist damit bewiesen, daß sie gegen Fritz u. uns im höchsten Grade unehrlich ist u. ein doppeltes Spiel treibt. Sie hat damit endgültig die Voraussetzungen zu einer Ehe zerstört u. es zeigt sich kein Weg mehr, wie das längst erschütterte Vertrauen wieder hergestellt werden soll, nachdem wir alle bis zu diesem Augenblick besten Willens gewesen waren, einen solchen Weg doch noch zu finden. – Armer Fritz.! [...]

[48]
Sonntag, 22. August 1943.     

[48]      Heute früh Andacht. Ich hielt eine kleine Ansprache über das Sonntags-Evangelium vom reuigen Zöllner u. hoffärtigen Pharisäer. Jede Sünde geht auf Stolz u. Hoffart zurück. Eigenliebe. „Ich diene nicht!“ Dieses Thema konnte ich gut auf Margret ausmünzen. [...] [48]      Fritz hat gestern Abend Margret wegen des Briefes an ihre Mutter zur Rede gestellt. Sie hat sich nicht weiter verteidigt, wollte bloß den Brief zurückhaben, doch hat Fritz ihn nicht gegeben. Er gab ihn heute morgen mir zur Aufbewahrung. Als Fritz heute morgen nach der Andacht rüberging, – M. war zur Andacht nicht gekommen, – fand er sie ihren Koffer packen, wobei sie weinte. Auf seine Frage antwortete sie, sie wolle nach Schwarzenberg zu ihrer Mutter fahren. Fritz wendete nichts dagegen ein. So ist sie heute Nachmittag abgefahren, ohne vorher das Bedürfnis gehabt zu haben, sich vor uns zu rechtfertigen u. sich von uns zu verabschieden. Was nun daraus werden wird, steht bei Gott, dessen Wille geschehe, Amen!

[49]
Montag, 23 Aug. 1943.     

[49]      An Margrets Vater, Dr. Bohner, Brief entworfen mit ausführlicher Darstellung der Geschehnisse.

[49]
Mittwoch, 25 Aug. 1943.     

[49]      Brf. an Dr. Bohner mit Schreibmaschine mit drei Durchschlägen geschrieben, drei eng geschriebene Seiten. Der Brf. geht heute eingeschrieben ab. – [...]

[49]
Donnerstag, 26. Aug. 1943.     

[...] [49]      Gestern Abend spät kam noch Frau Margot Seeberg, Erich's Frau, um ihre u. ihres Mannes Empörung über Margrets Betragen auszusprechen. – Fritz ist heute früh 515 Uhr wieder abgefahren. Er war sehr niedergedrückt, der arme Kerl, nachdem er gestern noch einen höchst frechen Brief von Margret erhalten hat, den sie unterwegs in Rostock geschrieben hatte. Es scheint doch unmöglich, daß diese Sache sich wieder einrenken ließe.

[49]
Sonnabend, 28. Aug. 1943.     

[49]      Gestern Abend war Prof. Erich Seeberg mit seiner Frau bei uns. Wir tranken einen Nahewein. Seebergs waren sehr bemüht, uns ihre Sympathie zum Ausdruck zu bringen u. ihre Empörung über Margrets Betragen. Wir besprachen eingehend die Maßnahmen, die von uns ergriffen werden könnten. Ich sagte, daß ich an Dr. Bohner einen aufführlichen Brief gerichtet hätte mit einer genauen Schilderung der Vorgänge u. daß ich diesen Brief verfaßt hätte in der Absicht, für den äußersten Fall eine brauchbare Unterlage für den Rechtsanwalt zu haben. Seeberg fand das gut. Wir besprachen, was sonst noch geschehen könne u. Seeberg meinte, ich solle garnichts tun, um Margret u. ihre Mutter im Ungewissen zu lassen. Margret würde dadurch [50] unsicher werden u. schließlich von selbst zurückkommen. Ich hielt dem entgegen, daß Margret inzwischen an Fritz schreiben würde, u. zwar in derselben unverschämten Haltung, mit der sie bereits bei ihrer Abreise von Rostock aus an ihn geschrieben hatte. Anstatt ihr Unrecht einzusehen, machte sie ihm noch Vorwürfe. Es besteht aber bei Fritzens weicher Gemütsart die Gefahr, daß er nachgibt. Außerdem wird Margret, wenn sie wirklich zurückkommen sollte, sicher ihre Mutter mitbringen u. wir hätten dann zwei Teufel im Hause. Aus diesen Ueberlegungen heraus hatte ich bereits einen Brief an Margret entworfen. Derselbe ist von äußerster Schärfe. Ich sagte Seeberg diese Bedenken u. laß ihm dann den Briefentwurf vor. Er fand ihn ganz ausgezeichnet u. überzeugte sich, daß ich mit meiner Ansicht Recht hätte, u. redete mir sehr zu, diesen Brief abzusenden. Ich werde ihn morgen mit der Maschine schreiben u. Fritz einen Durchschlag senden. – Seebergs gingen erst um 12 Uhr fort, es war sonst ein sehr angenehmer Abend. – [...]

[50]
Sonntag, 29. August 1943.     

[...] [50]      Nach Tisch den Brf. an Margret in die Maschine geschrieben u. einen Brf. an Fritz. Währenddem kamen 2 Schwestern aus Müritz mit 3 Dienstmädchen, die natürlich bei uns Kaffee trinken wollten. Martha, die garnicht wohl war, hatte zwar vorher geschlafen, doch war sie sehr angestrengt. Ich nahm ihr die Kaffeebereitung ab, aber sie mußte dann doch mit allen in die Bunte Stube. Als sie nicht zurück kam, ging ich auch rüber u. traf sie in der Tür in sehr schlechtem Zustand. Sie sagte, daß sie ohnmächtig geworden sei u. man sah, daß sie hingefallen war. Ich brachte sie gleich wieder ins Bett. Es ist ein Glück, daß wir uns entschlossen haben, Montags das Geschäft nicht zu öffnen, so hat sie bis Mittwoch Zeit, sich zu erholen. Die Sache Fritz-Margret hat sie doch sehr mitgenommen. [...]

[51]
Donnerstag, 2. Sept. 43.     

[...] [51]      Von Dr. Bohner gestern Antwort auf meinen Brief. Höflich, aber sehr nichtssagend. Er geht auf das Betragen seiner Tochter überhaupt nicht ein, – er lehnt es ausdrücklich ab, darauf zu antworten mit der merkwürdigen Begründung, daß Fritz selbständig um Margret gefreit habe u. nur er mit ihm zu verhandeln habe. – Er geht nur auf das Studium seiner Tochter ein u. erklärt, daß er ein solches sehr begrüßen würde, jedoch müsse Fritz die Kosten tragen. Er bestreitet, daß durch ein solches Studium diese Ehe gelockert würde, behauptet vielmehr, daß Margret im Winter hier ohne Beschäftigung sei u. daß Margret schon vor der Heirat gesagt hätte, sie wolle im Winter studieren. Das stimmt aber nicht, vielmehr hat sie mir ausdrücklich erklärt, sie wolle sich im Winter hier mit Unterricht befassen u. im Uebrigen wolle sie viel Lesen. – Er teilt mir mit, er habe Margret geschrieben, daß sie nach hier zurückkehren solle. – Das wird sie ja zunächst bestimmt nicht tun, – wir werden sehen. An Fritz hat er geschrieben, daß M. im Winter eine Beschäftigung braucht. Er schreibt ferner, Fritz habe ihm vor der Heirat gesagt, daß er Margret einen monatlichen Unterhalt von 200, – Rm. zusichere u. daß dieses Geld den Unterhalt während des Studiums reichlich decken würde. Ich weiß nicht, ob Fritz, der ja manchmal gern angibt u. sich aufspielt, dergleichen gesagt hat, doch kann ich mir das nicht gut denken, vor allem nicht in der Form, wie Dr. B. das aufzufassen scheint, daß M. von Fritz sozusagen ein Taschengeld von 200, – Rm. bekäme. Er kann damit doch höchstens gemeint haben, daß er alles in allem an Unterhalt Miete, Kleidung, Taschengeld usw. diesen Betrag aufwenden könne, – u. zwar wird er das wohl als Antwort auf die Frage des Vaters über die Sicherstellung seiner Tochter gesagt haben. – Diesen Brief werde ich jedenfalls nicht beantworten, denn am Schluß wiederholt Dr. B. nochmals, daß für ihn alles über Fritz gehen müsse.

[52]
Sonnabend, 11. Sept. 1943.     

     Am Donnerstag Nachmittag erhielt ich von Fritz die Abschrift eines Briefes, den sein Schwiegervater an ihn gerichtet hat. Es ist dies der erste Brief den er von Seiten der Familie seiner Frau seit seinem Urlaub überhaupt bekommen hat, – u. wenn ich nicht an Herrn Dr. Bohner geschrieben hätte, so hätte er auch diesen nicht bekommen. Diese Familie stellt wahrhaftig einen Gipfel an Gewissenlosigkeit dar. Herr Dr. B. bedauert zwar, daß seine Tochter fortgelaufen ist u. er teilt Fritz mit, er habe ihr geschrieben, daß sie zurückkehren solle, – doch diese denkt garnicht daran. Im Uebrigen aber steht Herr B. ganz auf der Seite seiner Tochter. Selbst die gewissenlose Haltung seiner Frau, die in diesem ganzen Spiel ganz offensichtlich der treibende Keil gewesen ist, findet Herr B. eine harmlose „Frauenlist“, wie sie durch die Jahrtausende gehe u. die nur Wert wäre, darüber zu lachen. Zu dieser Sache hat Herr B. nichts weiter zu sagen, als daß es unfair von Fritz gewesen wäre, einen Brief Margrets an diese Mutter zu öffnen u. zu lesen. Diese Haltung ist einfach unbegreiflich. Sonst ist der ganze Brief in einer seichten, großväterlichen Heiterkeit gehalten u. durchaus wohlwollend u. es ergibt sich daraus, daß dieser Mensch nichts ist als ein intelligenter Feigling u. Trottel.

     Ich habe sofort an Fritz geschrieben u. ihm Anhaltspunkte gegeben, in welcher Weise er diesen Brief beantworten solle, denn er bat mich darum. Nachdem ich meine Antwort in den Kasten geworfen hatte, ging ich mit Martha spazieren wegen des schönen Herbstwetters. Draußen trafen wir Prof. Erich Seeberg, der sich uns anschloß u. sehr erstaunt war, als er hörte, daß weder wir noch Fritz bisher eine Nachricht von Margret bekommen hätten. Er erzählte uns, daß ein Brief von Margrets Mutter an seine Frau eingetroffen sei. Seine Frau sei momentan in Berlin u. er habe den Brief geöffnet u. ihn nur flüchtig überlesen. So weit er sich erinnere, stand darin, daß Margret einen Scheidungsantrag stellen wolle. – Wir waren natürlich auf's Höchste verblüfft, – auf meine Frage, welchen Scheidungsgrund Margret denn habe, sagte er, das wisse er nicht. Er war offenbar selbst höchst empört über diese Mitglieder seiner Familie. Er sagte mir, daß er nicht ganz genau wisse, ob das mit der Scheidung wirklich so im Briefe stehe, wie er es jetzt übersetze, – aber dem Sinne nach doch so ähnlich, – er würde mich später anrufen u. mir Genaueres sagen. – Martha u. ich gingen dann nachhause u. ich schrieb an Fritz sofort einen zweiten Brief, in welchem ich ihm diese Begegnung mitteilte u. ihm empfahl, unter diesen Umständen seinem Schwiegervater überhaupt nicht zu antworten. Der Brief ging noch mit gleicher Post ab, so daß Fritz beide Briefe zur gleichen Zeit erhält. Später rief dann Prof. S. an u. sagte mir, er habe den Wortlaut aus der Erinnerung doch etwas übertrieben. Er las mir am Telephon den Brief vor. Er ist offenbar eine Reaktion auf den äußerst scharfen Brief, den ich sofort nach Fritzens Abreise an Margret geschrieben hatte. Frau B. hat daraus entnehmen können, daß alle Seebergs auf unserer Seite stehen – u. das ist ihr äußerst unangenehm. Sie will sich nun an ihre Familie wieder heranmachen u. schreibt davon, daß sie so gern in diesem Winter nach Ahrenshoop gekommen wäre, daß das nun nicht ginge, da Margret sich weigere, nach hier zurückzukehren u. da sie selbst – natürlich ganz unbegründet – in den Verdacht geraten sei, als sei sie bei dem ganzen Zerwürfnis die treibende Kraft gewesen. – Sie spricht also wohl das Wort Scheidung nicht aus, läßt aber erkennen, daß sie mit einer solchen rechne u. spricht auch davon, daß in diesem Falle ihre Tochter Margret die Schuldige sein würde. – Nun also, – es ist somit ganz klar, daß Margret nicht zurückkommen will, daß sie die Ehe nicht fortsetzen will, also eine Scheidung [53] unter allen Umständen wünscht, selbst wenn sie die allein Schuldige ist. Frau B. drückt dann noch die Befürchtung aus, daß wir dabei sehr, „kleinlich“ verfahren würden. Es ist mir nicht klar, was sie damit meint. Vielleicht meint sie, daß wir rachsüchtig sein würden. Sie braucht darin nichts zu fürchten, denn wir werden froh sein, wenn Fritz sich von dieser Person löst. – Das wird das Schwierigste sein, denn er schreibt mir, daß er doch noch sehr an ihr hänge u. von sich aus an eine Scheidung nicht denke, – er hofft vielmehr, daß sich nach dem Kriege, wenn er wieder hier ist, alles wieder einränken läßt. Diese Hoffnung wird in jedem Falle trügen, denn dieser Frau fehlt es einfach an sittlichem Bewußtsein, ein Erbteil von ihren beiden Eltern. –

     Fritz schreibt ferner, daß in der Frontbuchhandlung in Dieppe bereits Mädchen eingesetzt worden seien u. daß er damit rechnen müsse, daß ab 1. Okt. das auch in Le Tréport der Fall sein würde. Damit hätte dann sein schönes Frontbuchhändler-Dasein leider ein Ende u. er muß darauf gefaßt sein, nun zum Schluß doch noch irgendwo als Soldat eingesetzt zu werden. Hoffentlich wird das nicht an der Front sein. [...]

[...] [54]      Am Sonntag Abend werden wir bei Erich Seeberg sein, da werden wir über den Brief der Frau Bohner Näheres hören. –

[54]
Montag, den 13. Sept. 43.     

[54]      Gestern Abend waren wir also bei Prof. Erich Seeberg. Seine Frau u. die Tochter Erika waren auch da, diese will in den nächsten Tagen heiraten. Es ist das die Tochter, von der Margrets Mutter einmal zu mir sagte, sie sei eine Dirne.

     Erich Seeberg las uns den Brief von Margrets Mutter vor. Sie schreibt sehr unklar in allgemeinen Wendungen von der Entwicklung, die die Ehe Margret-Fritz genommen habe. Sie habe stets gegen diese Ehe Bedenken gehabt u. es sei nun so, daß Margret sich weigere, hierher zurückzukehren. Irgend eine Begründung gibt sie nicht, deutet nur an, daß Margret dadurch die Schuld auf sich nehmen müsse u. bedauert scheinheilig, daß Margret „in ihrer impulsiven Art“ (sprich: unbeherrschte Ungezogenheit) noch während Fritzens Urlaub abgereist sei, wobei sie ganz naiv zu vergessen scheint, daß sie ihrer Tochter das Telegramm sandte, mit welchem sie eine Erkrankung log u. M. zur sofortigen Abreise aufforderte. Sie meint ebenso naiv, daß sie durch dieses Telegramm in den falschen Verdacht geraten sei, die Ehe zu zerstören. Nachdem sie noch eine Bemerkung macht, daß sie von uns nun allerhand Kleinlichkeiten erwarte, bedauert sie, daß durch diese Sache ihr Plan gescheitert sei, im Winter hier in Margrets Wohnung ein angenehmes Dasein zu führen. Damit ist für sie die Sache erschöpft. – Der Brief ist unklar, ohne Gedanken, u. läßt alles offen, – dies ist auch Seebergs Ansicht. Alle Seebergs sind nach wie vor empört. –

     Wesentlich interessanter war das übrige Gespräch, das sich anschließend entwickelte. Es wurde gefragt, was es denn nun eigentlich sei, was Margret so enttäuscht habe, sodaß sie einfach abreiste. Erika, die sich wohl auf solche Dinge gut versteht u. mit der sich Margret ausgesprochen hat, erklärte rund heraus, Margret sei von Fritz erotisch enttäuscht worden. Ich war darüber verwundert u. fragte, ob ein Mädchen von 18 Jahren, das eben noch zur Schule gegangen sei, erotisch enttäuscht sein könne. Eine solche Enttäuschung setzt entweder bereits gesammelte Erfahrungen voraus oder eine sehr wuchernde Fantasie, die dann in des Praxis in der Tat stets Enttäuschungen hervorrufen muß. Und ich fragte ferner, ob eine solche Enttäuschung dieses Verhalten rechtfertigen könne. [55] Erika machte daraufhin ziemlich handgreifliche Andeutungen, daß Margret bereits mit 14 Jahren gewisse Erlebnisse gehabt habe u. seitdem bereits tatsächlich einige Erfahrungen gesammelt habe. Ihre Fantasie scheint dadurch wirklich sehr angeregt worden zu sein. Ferner deutete Erika an, daß im Falle Fritz aber von einer solchen Enttäuschung nicht gesprochen werden könne, sie schien zu wissen, daß sie bereits damals, als Fritz hier auf Urlaub war u. sie ihn nur ein einziges Mal gesehen hatte, diesen Besuch bis zum Morgen ausgedehnt habe. – Wenn das der Fall ist, dann liegt hier von Fritzens Seite ein Verschulden vor, welches diese ganze Sache in ein neues Licht rückt. – Dann hätte er wissen können, was er von diesem Mädchen zu halten hatte, – u. dann ist er gegen mich unehrlich gewesen, denn er wußte, daß ich die absolute Reinheit voraussetzte. Zwei Tage vor seiner Hochzeit, am Tage, als er ankam, habe ich noch mit ihm darüber gesprochen u. habe ihn gebeten, seine Braut nicht vor der Hochzeitsnacht zu berühren. Er hat sich das angehört u. hat mich in dem Glauben gelassen, das bisher nichts geschehen sei. – Von hier aus fällt also eine Schuld auch auf ihn. –

[55]
Sonntag 19. Sept. 43     

[...] [55]      Vorgestern erhielt ich einen unerwarteten Brief von Herrn Dr. Bohner. Nachdem er es anfangs abgelehnt hatte, mit mir zu verhandeln, schreibt er jetzt drei Seiten eng mit der Maschine voll. Er verteidigt seine Frau u. seine Tochter u. er macht den Versuch, die ganze Geschichte auf das Wirtschaftliche zu schieben, als hätte Fritz ihm u. seiner Tochter mehr versprochen, wie gehalten worden sei. Dieser Brief ist so albern, daß ich garnicht darauf geantwortet habe. Er teilt aber mit, daß seine Tochter nun an Fritz geschrieben habe u. ihn gebeten habe, sie frei zu geben. Nun herrscht darüber wenigstens Klarheit. Gestern kam ein Brief von Fritz aus Brüssel, wo er bei seinem Bruder war. Er schreibt, daß er mit seinem Mitarbeiter in der Frontbuchhdlg. telephoniert habe, der ihm gesagt hat, daß ein Brief von Margret aus Schwarzenberg gekommen sei. Fritzens Brief ist am letzten Sonntag geschrieben u. er schreibt, daß er erst am Dienstag wieder in Le Tréport sein kann. – Ich habe ihm den Inhalt des Briefes von Dr. B. sofort mitgeteilt u. habe ihn gebeten, eine Vollmacht zu schicken für Rechstanw. Rütz. Ich fürchte, daß er, wenn er Margrets Brief eher bekommt, wie meinen, was ja natürlich der Fall sein wird, Dummheiten macht, denn aus all seinen Briefen geht hervor, daß er doch immer noch auf eine Rückkehr Margret's hofft. Eine solche ist natürlich ausgeschlossen, denn so viel wird sie wohl begriffen haben, daß sie es mit uns vollkommen verschüttet hat u. daß dieser Riß nicht mehr zu reparieren ist. Der Brief von Dr. B. läßt erkennen, daß Fritz vor der Hochzeit seinem Schwiegervater gegenüber in materiellen Dingen etwas aufgeschnitten hat. Es ist das dieser Hang zur Angeberei, der allen Wegscheiders eigen ist u. der zweifellos ein bedauerliches Zeichen geistiger Unreife ist. Davon wird Fritz nicht freizusprechen sein. Er tut so, als ob die Bunte Stube ein Weltunternehmen sei u. er hat die großen, materiellen Nöte, die noch garnicht so weit zurückliegen, anscheinend längst vergessen. Man wird ihn wohl, wenn dieser Krieg zuende ist, erst einmal wieder ducken müssen. – [...]

[56]
Sonnabend, den 25. Sept. 1943.     

[...] [56] Ich verdrückte mich dann bald, denn inzwischen kam die Post, unter der sich ein Brief von Fritz befand, den ich erst einmal in Ruhe allein lesen wollte.

     Dieser Brief ist wenig erfreulich. Er hat also von seiner Frau tatsächlich einen Brief erhalten, in dem sie ihn bittet, sie freizugeben. Gleichzeitig hat er meine Briefe bekommen, in denen ich die Auflösung dieser Ehe schon als Selbstverständlichkeit behandelt habe. Aber aus seinem Brief geht hervor, daß er zunächst noch garnicht daran denkt, die Frau gehen zu lassen. Er glaubt, daß Margret unter dem Einfluß der Mutter steht, doch vergißt er, daß sie sich von ihm getrennt hat, schon ehe er überhaupt selbst auf Urlaub gekommen war. – Wenn Fritz sich von der Frau nicht trennen will, weiß ich nicht, was da werden soll. Es ist schlechthin undenkbar, daß wir hier zusammen mit Margret leben sollten, denn ein Interesse für das Geschäft hat sie nicht. Ihre frühere Idee, an Kinder wissenschaftl. Unterricht zu erteilen, kann sie jetzt nicht mehr ausführen, denn nun wird kein Mensch mehr sein Kind ihr zum Unterricht anvertrauen. Und wenn dann Fritz nach dem Kriege daß Geschäft wieder übernehmen will, wird er von ihr keine Hilfe haben, sondern nur Kosten, denn es hat sich ja gezeigt, daß sie anspruchsvoll ist u. daß Fritz vor der Hochzeit leider sehr aufgeschnitten [57] hat. Er hat Margret u. ihre Eltern in den Glauben versetzt, daß er ein reicher Mann wäre u. M. hat offenbar geglaubt, ein Leben voll Vergnügungen führen zu können, an Arbeit hat sie nicht gedacht. So viel ist jedenfalls klar, daß wir uns nach diesem Kriege keinesfalls zurückziehen können, denn diese Frau wird das Geld verschwenden u. Fritz wird Wachs in ihren Händen sein. Wenn Fritz auf dieser Frau besteht, wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als sich einen anderen Beruf zu suchen, der ihm genug abwirft, um den Ansprüchen dieser Frau zu genügen. – Wenn das geringste Vertrauen dazu bestände, daß Margret wenigstens in religiöser Beziehung einsichtig wäre, dann wollte ich es mit ihr trotz allem wohl wagen, – denn das war immer meine Hoffnung, daß Margret, die doch die Enkelin von zwei Theologen ist, so viel religiöse Grundlage besäße, daß sie hierin bildungsfähig sei. Vor der Hochzeit hat sie ja auch in der Tat den Anschein erweckt, als ob diese Voraussetzung zuträfe, aber hiervon ist nichts übrig geblieben als eine heimliche, aber deutliche Opposition. Sie wird also Fritz nicht zur Religion hinbringen, sondern sie wird ihn davon entfernen, – u. das ist für mich ausschlaggebend, aus diesem Grunde wird das nie eine geordnete Ehe werden. – [...]

[58]
Sonntag, den 3. Oktober 1943.     

[58]      Am Mittwoch kam überraschend Fritz, nachdem er schon am Montag von Berlin aus angerufen hatte. Er hat es ermöglicht, einen Sonderurlaub zu erhalten zur Regelung seiner Ehe-Angelegenheit. In Berlin konnte er feststellen, daß Bohners bereits einen Rechtsanwalt genommen u. eine Ehescheidungsklage vorzubereiten begonnen hatten. Da es ihnen an jeglichen stichhaltigen Gründen fehlte, machte Herr Dr. B. Fritz gegenüber Einschüchterungsversuche, indem er mit der Anzeige gewisser innerer Vorgänge in der Bunten Stube drohte, in die Margret im Sommer Einblick bekommen hatte. Fritz, der nach Berlin gekommen war in der Hoffnung, doch noch alles wieder einränken zu können, war wie aus den Wolken gefallen. Nachdem er mit Margret gesprochen u. diese ihn kalt u. verletzend behandelt hatte, überzeugte er sich, daß eine Aufrechterhaltung dieser Ehe unmöglich war u. erklärte sich bereit, in die Scheidung einzuwilligen. Er ging mit seinem Schwiegervater zu dessen Rechtsanwalt, der die Sache bereits bearbeitet hatte u. der Fritz einen Kollegen benannte, welcher seine Interessen wahrnehmen sollte. Nach Fritzens Schilderung sind diese beiden Anwälte die einzigen anständigen Menschen in diesem ganzen Spiel. Fritz erklärte sich bereit, eine formelle Schuld auf sich zu nehmen, indem er zugab, mit einer nicht genannten und erfundenen Nachrichten-Helferin in Frankreich inzwischen Beziehungen angeknüpft zu haben. Herr Dr. B. erklärte, die sämtlichen Kosten tragen zu wollen u. seine Tochter solle nicht das Recht haben, den Namen Wegscheider weiter zu tragen. – Ob das Gericht sich damit begnügen wird, die angebliche Beziehung zu dieser nicht genannten Nachrichten-Helferin als einzigen Scheidungsgrund gelten zu lassen, ohne darauf zu bestehen, daß diese fingierte Person als Zeugin vernommen wird, bleibt abzuwarten. Früher wäre das unmöglich gewesen, aber im nationalsozialistischen Staat mag das ja gehen. – Nachdem Fritz das geregelt hatte, kam er zu uns u. reiste gestern Vormittag wieder ab. Der arme Kerl ist wirklich zu bedauern. Er war überaus niedergeschlagen. Aber es ist das erste Mal, daß ihm etwas wirklich bis in die innerste Seele gegangen ist u. wir erhoffen davon, daß es eine Wendung für ihn bedeuten möge. Er wird vielleicht dadurch zu einer ernsteren u. tieferen Lebensauffassung gelangen – u. dann möge dieses Unglück gesegnet sein. – Ich habe ihm die Bekenntnisse des hl. Augustin als Lektüre mitgegeben.

[59]
Sonnabend, den 23. Okt. 1943.     

[...] [59]      Gestern Mittag kamen Erich Seeberg + Frau. Erich wollte wissen, wie die Sache zwischen Fritz + Margret steht, er wußte noch nicht, daß die Ehe bereits am 7. Oktober rechtskräftig geschieden worden ist. Er ist nach wie vor voll hellster Empörung über Bohners u. hat seiner Schwester gegenüber brieflich dieser Empörung Ausdruck gegeben. [...]

[60]
Sonnabend, 30. Oktober 1943     

[...] [60]      Gestern Nachmittag trafen wir Erich Seeberg. Wir machten bei dem herrlichen Wetter, das wir gegenwärtig haben, einen kleinen Spaziergang. S. erzählte mir, daß er einen Brief von seiner Schwester erhalten habe, der verschiedene Anklagen gegen Fritz enthalte. Ich muß heute Vormittag zu ihm gehen, da diese Anschuldigungen offensichtlich erlogen sind. [...]

[60]
Sonntag, den 31. Oktober 1943.     
Christkönigsfest     

[...] [60]      Gestern Vormittag bei Erich Seeberg. Klärte verschiedene Dinge auf, die Frau Bohner total falsch dargestellt hat. Ich erfuhr dort, daß [61] Margrets Schwester Christa Schmitthals am Nachmittag kommen würde, um Margrets Sachen zu holen. Sie hatte zuerst bei Frau Prof. Marie Seeberg angefragt, ob sie dort wohnen könne. Nachdem ihr das abgelehnt worden war, fragte sie dasselbe bei Erich Seeberg mit demselben Erfolg. Sie wohnt nun, so viel ich weiß, bei Frau Garthe. Heute Mittag rief sie bei uns an u. meldete sich für 3 Uhr an. Martha ging rüber in's kleine Haus u. hat ihr das Notwendigste gesagt, sonst aber jede Unterhaltung abgelehnt. Ich habe sie nicht gesprochen, doch wird sie wohl noch 3 – 4 Tage hier bleiben. [...]

[62]
Sonntag, 21. November 1943.     

[...] [62]      Gestern kam Prof. Erich Seeberg u. brachte uns einen Brief seines Schwagers Dr. Th. Bohner, in dem dieser versucht, seine Tochter Margret zu rechtfertigen. Erich S. war empört. Herr B. unternimmt es tatsächlich, seine Tochter zu verteidigen, indem er nicht ohne Genugtuung von dem „Zigeunerblut“, spricht, welches er von seinem Urgroßvater her haben will, der, wie er stolz schreibt, ein Seiltänzer gewesen sei. Im Uebrigen führt er noch weitere Dinge an, die er Fritz u. auch uns vorwirft, die allesamt unwahr oder verdreht sind. Dieser Brief ist eine Unverschämtheit. Die moralische Minderwertigkeit, die daraus spricht, mag ja ebenfalls auf jenen Seiltänzer zurückzuführen sein. [...]

[63]
Montag, 29. November 1943.     

[63]      Gestern wieder einmal eingehenden Brief an Fritz geschrieben zu seinem Geburtstag am 4. Dezember. Ich habe mal die Sache umgedreht u. habe Margret zwar nicht verteidigt, aber doch die psychologischen Voraussetzungen zu ihrem Verhalten gesucht, um Fritz daran klar zu machen, wo seine eigenen, grundlegenden Mängel liegen. Hoffentlich hat es bei ihm endlich mal den Erfolg zur Selbsterkenntnis. [...]

[64]
Freitag, 10. Dezember 1943.     

[...] [64]      Jens ist heute morgen um 9 Uhr von uns gegangen. Er mußte zu Fuß nach Wustrow, zusammen mit dem Mädchen von Frau Schmidt-Isserstädt. Hoffentlich verläuft seine Reise glatt. Von seinem Vater gestern ein Brief, der eine Andeutung enthält, daß Fritz neue Scherereien mit Bohners hat.

[65]
Sonntag, den 3. Advent, 12. 12. 43.     

[...] [66]      Gestern bekam ich einen Brief von Fritz vom 18. 11., der also 3 Wochen gebraucht hat. Endlich war es wieder einmal ein Brief, nicht bloß eine dürre Nachricht. Er reagierte auf einen Brief von mir, in dem ich ihm über die Briefe berichtete, welche Bohners an Erich Seeberg gerichtet haben u. in denen sie sich durch gemeine Verdrehungen zu rechtfertigen suchen. – Zum Glück erfolglos. – [...]

[70]
Sonntag, 10. März 1946.     

[...] [71]      Frau S. brachte uns auch eine Neuigkeit, die uns persönlich angeht. Sie erzählte, daß Fritzens ehemalige Frau Margret sich mit einem französischen Offizier verheiratet habe u. gegenwärtig in Tunis sei, was bei mir sofort das Wortspiel von einem „Tunis=Gut“ auslöste. So hat Margret also den Weg zu einem richtigen Abenteurerleben gefunden. [...]