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Majestätsbeleidigung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Karl Henckell
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Titel: Majestätsbeleidigung
Untertitel:
aus: Gesammelte Werke, Bd. 2, München 1921, S. 142–144
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1883–1886
Erscheinungsdatum: 1921
Verlag: J. M. Müller
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[142]

Majestätsbeleidigung
Magdeburg, 22. Dez. 1891

Der Königl. Erste Staatsanwalt Akt-Z. V I.-Nr. 1000/91 T.-B. Nr. V. 12817


     In dem Verfahren wider Ihren Ehemann, den Schriftsteller Heinrich Peus, wegen Vergehens gegen § 95 St.-G.-B., erhalten Sie auf Ihre Eingabe vom 19. d. M. hierdurch zum Bescheide, daß ich bei aller Anerkennung Ihrer traurigen Lage zu meinem Bedauern nicht in der Lage bin, die Haftentlassung Ihres Mannes, der eine schwere Strafe zu gewärtigen hat, vom Amts wegen zu befürworten.

     An Frau Minna Peus, geb. Leinau, zu Dessau.


Der Satan wurde Staatsanwalt,
Sein Herz, das war wie Eis so kalt.
Gott gab im Zorne dem Geschmeiß
Zum Busen einen Kübel Eis,

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Und wo sonst Menschen Mitleid fühlen,

Da konnte man Champagner kühlen.

Zu Magdeburg in Vorhaft saß
Ein Sozialist, der jüngst vergaß,
Daß hoch im deutschen Vaterland

10
Ein Götze thront, S. M. genannt,

Des heiligen Namen zu betasten
Genügt, verbrechrisch zu belasten.

[143] Zum Schutze solcher Majestät
Sind diesem Götzen früh und spät

15
Vom Mummelsee bis Helgoland

Viel Götzenwächter vorgespannt,
Die jedem Lästerer des Götzen
Das Messer des Gesetzes wetzen.

Zu Dessau lag mit reifem Leib

20
Im Wochenbett ein junges Weib.

Sie sah die schwere Stunde kommen
Und schrieb und bat so angstbeklommen
Den Büttelvogt: „O laßt’s geschehn!
Darf ich ihn nicht noch einmal sehn?!“

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Sie fleht’ und schrieb zum andern Mal

In Finsternis und Seelenqual.
Vor ihren Augen fuhr der Tod
Schon auf sie zu in schwarzem Boot,
Und schaukelnd schwamm auf fahlem Teiche

30
Das Wieglein mit der kleinen Leiche.


Da, wie sie gell um Hilfe rief,
Bracht’ ihr die Wärterin den Brief –
Vom Mann, zum Trost in Pein und Gram?
O nein! Die Weihnachtsbotschaft kam

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Vom Staatsanwalt. So schloß sein Schreiben:

„Bedaure sehr, Ihr Mann muß bleiben!

[144] Wir lassen keinesfalls ihn los,
Dafür ist seine Schuld zu groß.
Man wird ihn schwer bestrafen müssen …“

40
Das arme Weib sank in die Kissen

– Ein jäher Schrei durch Mark und Bein! –
Und starb. Hier steht ihr Leichenstein:

„Im Reich der Gottesfurcht allhie
Zur Zeit der Schmach ward schwanger sie.

45
Ihr Mann fiel in des Satans Krallen,

Da hat es Gott dem Herrn gefallen,
Und nahm sie zu sich in der Nacht
Der majestätischen Niedertracht.“