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Litterarische Skizzen/Erzbischof Gabriel Aiwasowski

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Die Kongregation der Mechitaristen Litterarische Skizzen
von Arthur Leist
Gabriel Sundukianz
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VII.
Erzbischof Gabriel Aiwasowski.



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[115] Einer der hervorragendsten armenischen Philologen und Schriftsteller der Neuzeit ist Gabriel Aiwasowski, der Bruder des berühmten Malers, dessen Gemälde seit einer langen Reihe von Jahren auf allen grösseren europäischen Ausstellungen das Interesse aller Kunstfreunde auf sich ziehen.

Gabriel Aiwasowskis Bedeutung für die armenische Litteratur liegt hauptsächlich in dem Einflusse, den er als Mönch des Venediger Mechitaristenklosters dort auf die Förderung der philologischen Studien ausgeübt hat, nächstdem aber auch in seiner Wirksamkeit als Schriftsteller und der Fürsorge, die er der litterarischen Gesamtthätigkeit der Mechitaristen angedeihen liess.

[116] Das Leben dieses Mannes war wie das vieler anderer Armenier ein ziemlich bewegtes und sogar zeitweise ein stürmisches. Einer galizisch-armenischen Familie entstammend, wurde er im Jahre 1812 in Theodosia am Südufer der Krim geboren, wo noch heute sein Bruder, der Maler, sein Heim besitzt und zwar unmittelbar am Ufer des azurblauen Meeres, dessen Schönheiten und Reize er so meisterhaft auf die Leinwand zu zaubern weiss. Da er schon in der frühesten Kindheit glänzende Fähigkeiten an den Tag legte, so schickte ihn sein Vater nach Venedig in die Mechitaristenschule, wo er sich bald durch seine aussergewöhnliche Befähigung, fremde Sprachen zu erlernen, auszeichnete. Und er hat es wirklich in der Erlernung derselben weit gebracht, denn abgesehen von der armenischen, die er so ausgezeichnet kannte, dass sein Stil mit dem des klassischen Historikers Jeghische verglichen wird, sprach und schrieb er deutsch, italienisch, französisch und englisch. Ausserdem kannte er gründlich die polnische, rumänische, russische, türkische, persische und arabische Sprache. [117] Auch das Lateinische und Griechische war ihm seit den Kinderjahren bekannt und seiner theologischen Studien wegen hatte er zudem noch das Hebräische erlernt. Vom Armenischen waren ihm fast alle Dialekte geläufig und daher ist auch seine Ausdrucksweise so kräftig und hat nichts Erkünsteltes an sich.

Nachdem er seine Studien beendigt hatte, wurde er unter die Zahl der Mechitaristen aufgenommen und begann nun seine Thätigkeit als Lehrer der europäischen und orientalischen Sprachen und als solcher hat er viel zum Nutzen der Kongregation sowie auch der armenischen Litteratur gewirkt, denn mehrere der tüchtigsten armenischen Schriftsteller und Sprachkenner der letzten Jahrzehnte sind aus der Schar seiner Schüler hervorgegangen. Fast alle, die bei ihm Sprachunterricht genossen und sich unter seiner Leitung in der armenischen Sprache vervollkommt haben, zeichnen sich durch Kraft und Klarheit der Ausdrucksweise aus. Auch beschäftigte er sich damals mit Schriftstellerei und schrieb eine „Russische Geschichte“ sowie eine „Geschichte [118] der Osmanen“, zwei Werke, die allerdings wenig auf selbständigen Forschungen des Verfassers beruhen, aber in einer vorzüglichen Sprache geschrieben sind, so dass sie noch heute in den armenischen Schulen als sprachliche Musterstücke benutzt werden. Im Jahre 1843 gründete er im Verein mit anderen Mechitaristen die noch heute bestehende Monatsschrift „Basmawep“ (der Polygraph), die ihrer Zeit unter allen Armeniern sehr verbreitet war und viel zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse beigetragen hat. Längere Zeit hindurch war er ihr Leiter und seine in derselben veröffentlichten Aufsätze gehörten zu dem Besten, was diese Monatsschrift je geboten hat. Auch war er in diesen Jahren gewissermassen die litterarische Autorität im Venediger Mechitaristenkloster und alles, was damals hier in litterarischer Hinsicht geschaffen wurde, geschah unter seiner Leitung und seinem Einflüsse. Im Jahre 1848 wurde er zum Direktor der armenischen Muradjan-Schule in Paris ernannt und hier in der Weltstadt fand der geistreiche Mönch, der doch im Grunde ein [119] Weltmann war, viel Anregung zu neuer, kraftvoller Thätigkeit und sein Einfluss auf die litterarische Kulturarbeit der Mechitaristen hörte hier keineswegs auf. Unter seiner Leitung gelangte die Muradjan-Schule zu hoher Blüte, denn er versammelte um sich die gediegensten Lehrer und übernahm selbst mehrere der bedeutenderen Unterrichtsfächer. Zum Nachteil für die Schule sah sich jedoch Aiwasowski nach einigen Jahren segensreicher Thätigkeit genötigt sein Amt niederzulegen und in Folge der Hürmüsianschen[1] gegen die armenisch-gregorianische Kirche gerichteten Erklärung aus dem Orden auszuscheiden. Hierauf lebte er noch mehrere Jahre in Paris, wo er eine in französischer und armenischer Sprache geschriebene illustrierte Zeitschrift „Die Taube des Ararat“ herausgab und als Erzieher der Kinder des reichen ägyptischen Armeniers Artim-bej thätig war. Schliesslich verliess er Paris, trat zur gregorianischen Kirche über und begab sich nach Russland, wo ihn die Regierung [120] zum Verweser der bessarabischen Diözese ernannte. Die in Russland wohnenden Armenier brachten jedoch dem gewesenen Katholiken wenig Sympathie entgegen und suchten seinen Ruf durch unbegründete Beschuldigungen zu schmälern. Zu seinen erklärtesten Gegnern gehörten der Dichter Nalbandianz und der Gelehrte Nasarianz, die in der damals in Moskau erscheinenden armenischen Zeitschrift „Hüssüssa-pail“ scharfe Artikel gegen ihn richteten. Bald nach seiner Ankunft in Russland gründete Aiwasowski in seiner Vaterstadt Theodosia eine grossartige Musterschule, zu deren Errichtung und Erhaltung ihm von einem reichen Armenier eine sehr bedeutende Summe zur Verfügung gestellt wurde. Ihrer Organisation nach versprach diese Schule eine Musterlehranstalt zu werden und wurde auch von zahlreichen Schülern, die bis aus Konstantinopel und Kleinasien kamen, besucht, aber da die ganze Einrichtung zu kostspielig war, so waren die Hilfsmittel bald erschöpft und die Schule musste geschlossen werden. Schon vorher hatte Aiwasowski sein Amt als Bistumsverweser [121] niedergelegt und lebte nun mehrere Jahre in Theodosia, bis er vom Katholikos nach Etschmiadsin berufen wurde, um der neu gegründeten armenischen geistlichen Akademie als Rektor vorzustehen. Bald darauf wurde er auch zum Erzbischofe von Georgien und Imeretien ernannt und als solcher starb er im Jahre 1880 in Tiflis.

Als Schriftsteller im weiteren Sinne steht Aiwasowski allerdings weit hinter vielen seiner armenischen Zeitgenossen, aber sein Einfluss auf die litterarische Thätigkeit der Mechitaristen, seine Wirksamkeit als Philologe und Förderer der armenischen Litteratursprache ist von Bedeutung. Er schrieb mehrere die armenische Sprache betreffende philologische Werke, sowie mehrere über Theologie, die von der armenischen Geistlichkeit sehr geschätzt werden. Überhaupt war seine Thätigkeit als schriftstellernder Theologe für die gregorianische Kirche von Bedeutung, denn er trat energisch gegen die Beeinflussung der römisch-katholischen Propaganda auf und bekämpfte das Unfehlbarkeitsdogma, indem er [122] das hierauf bezügliche Werk Döllingers ins Armenische übertrug. Von mehreren anderen seiner Übersetzungen ist die gelungenste die Übertragung der Fabeln von Krylow aus dem Russischen, eine Arbeit, die in sprachlicher Hinsicht klassische Vorzüge besitzt.