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Litterarische Skizzen/Das armenische Zeitungswesen

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Gabriel Sundukianz Litterarische Skizzen
von Arthur Leist
Ein Vater seines Volkes
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IX.
Das armenische Zeitungswesen.



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[145] Obgleich das Zeitungswesen der Armenier bis heute noch nicht besonders entwickelt ist und mit dem des Abendlandes, was Verbreitung der Zeitungen anbetrifft, nicht verglichen werden kann, so hat es doch schon eine gute Spanne Zeit hinter sich und sogar seine Geschichte.

Die erste armenische Zeitschrift, welche das Licht der Welt erblickte, war der „Azdarar“. Derselbe wurde im Jahre 1795 von der armenischen Kolonie in Kalkutta ins Leben gerufen, bestand aber, da das Unternehmen nur ein sporadisches war und auf schwachem Boden ruhte, nur zwei Jahre.

Wenn man von dem in Kalkutta gegründeten „Azdarar“ absieht, waren es eigentlich [146] die Mechitaristen, die mit der Herausgabe armenischer Zeitschriften den Anfang machten. Im Jahre 1799 gründeten sie das „Taregrutjun“ oder „Jahrbuch“, das in alt-armenischer Sprache geschrieben war und siebenzehn Jahre lang bestand. Eigentlich war das noch keine Zeitschrift im rechten Sinne, denn sie erschien jährlich nur einmal, doch ist sie immerhin als das erste periodisch fortgesetzte Sammelbuch anzusehen, das dem Zwecke nach einer Zeitschrift nahe kam. Im Jahre 1807 gesellte sich hierzu eine gleichfalls in Venedig von den Mechitaristen herausgegebene Zeitschrift, der „Hischatakaran“ (Gedenkbuch). Dann entstand im Jahre 1812 in Konstantinopel das Zweiwochenblatt „Ditak Byzandian“ (Byzantinischer Beobachter), dessen Herausgabe der patriotische Verein Arscharuniaz besorgte. Nach diesen Versuchen, die wahrscheinlich noch keinen rechten Anklang im Volke fanden, trat in der Entwicklung der Presse eine längere Pause ein, denn von 1820–1838 hatten die Armenier gar keine Zeitung oder wenigstens keine solche, die ein Alter von mehreren Jahren erreicht [147] hätte. Nach dieser Unterbrechung waren es amerikanische protestantische Missionäre, die in Smyrna die Herausgabe einer Monatsschrift unternahmen. Dieselbe hiess „Magazin für gemeinnützige Kenntnisse“, war illustriert und brachte auch wirklich viel Gediegenes und Wissenswertes, aber da die Herausgeber allzu sehr ihre protestantischen Tendenzen zeigten, verlor das Blatt bald alle Leser und musste zu erscheinen aufhören.

Mit dem Jahre 1840 beginnt für das armenische Zeitungswesen die Zeit der ununterbrochenen Entwicklung und der in diesem Jahre von Lukas Baltasarian in Smyrna gegründete „Arschaluis Araratian“ (Die Morgenröte des Ararat) besteht noch heute. Derselbe fand bald unter allen Armeniern viel Anhang und erlangte durch seine zahlreichen Berichte aus allen von Armeniern bewohnten Gegenden, besonders aus Indien, eine gewisse Bedeutung. Für das Studium des armenischen Lebens der Neuzeit ist die „Morgenröte“ eine der besten Quellen. Baltasarian, obgleich arm, betrieb die Herausgabe des Blattes aus eigenen Mitteln [148] und musste schwer mit der Not kämpfen, denn die Zahl seiner Abonnenten betrug nie mehr als 600, was für die damaligen armenischen Verhältnisse immerhin viel war. Als ihm im Jahre 1846 eine Feuersbrunst die Druckerei zerstörte, fing der unermüdliche Mann von neuem an. Gleichfalls im Jahre 1840 erschien in Konstantinopel eine in türkischer Sprache, aber mit armenischen Schriftzeichen gedruckte Zeitung, die bald unter den Türken Verbreitung fand, denn bekanntlich ist das Lesen der einfachen armenischen Buchstaben viel leichter als das der türkischen. Gegenwärtig giebt es in Konstantinopel vier oder fünf türkische Blätter, die mit armenischen Lettern gedruckt werden. Im Jahre 1845 gründeten die Venediger Mechitaristen die Monatsschrift „Basmawep“ (der Polygraph), welche ebenfalls noch bis heute besteht. Zwei Jahre später begann der berühmte Dichter Taghetian in Kalkutta die Herausgabe des „Asgasser“ oder Patrioten, während in Konstantinopel wieder die protestantischen Missionare mit einem Tageblatte, dem „Awetaber“ oder Glücksboten auftraten, [149] um unter der armenischen Bevölkerung desto nachhaltiger ihre Propaganda betreiben zu können. Der Glücksbote ist sehr billig, hat aber nie, obgleich er bis heute besteht, mehr als 700 Zahlleser gehabt. Die Entstehung dieser Zeitung fällt ungefähr mit der Gründung der ersten evangelisch-armenischen Gemeinde in Konstantinopel zusammen. Der erste Pastor derselben war Apisoghom Hatschudarian, welcher zur Verbreitung der evangelischen Glaubenslehre unter den Armeniern viel beigetragen hatte. Je mehr die evangelischen Missionare jetzt Anhang fanden, desto mehr steigerte sich das Widerstreben von Seiten der Gregorianer und zur Bekämpfung der protestantischen Propaganda wurde der „Surhandak Konstantinopolso“ oder Konstantinopeler Bote gegründet, der später mit verändertem Titel das halbamtliche Organ des Patriarchen wurde.

Im Jahre 1846 entstand auch in Tiflis eine armenische Zeitung und zwar der „Kowkas“ oder Kaukasus. Den Anlass dazu gab der damalige Statthalter Transkaukasiens, Fürst Woronzow, der es mit der Verbreitung europäischer [150] Kultur in der von ihm verwalteten Provinz sehr ernst nahm und daher auch das Zeitungswesen unterstützte.

Da allmälig auch die Belletristik rege wurde und sich das Bedürfnis, die gebildeteren Klassen des armenischen Volkes über die politischen und sozialen Vorgänge im Abendlande aufzuklären, fühlbar machte, so wurde von einem Verein gebildeter Konstantinopeler Armenier den Wiener Mechitaristen eine bedeutende Geldsumme mit dem Auftrage überwiesen, eine ganz den Zeitforderungen entsprechende Monatsschrift herauszugeben. Dieselbe trug den Namen „Europa“ und wurde 1858 nach mehrjährigem Bestehen in ein Familienblatt umgewandelt. Noch vier Jahre vorher entstanden in Konstantinopel zwei Zeitungen, die sich bald eine gewisse Bedeutung errangen. Die erste war „Nojan Aghawui“, die Taube Noahs und wurde von zwei jungen Leuten, Markosian und Abro, herausgegeben. Beide waren Dolmetscher bei der Pforte und hatten daher die Möglichkeit, immer neue und zuverlässige Nachrichten zu bringen. Die zweite ist [151] der noch heute bestehende „Massis“ oder Ararat, welcher in Konstantinopel eifrig die Interessen der Armenier verteidigt und sich trotz der vielen Hindernisse, die einem solchen Unternehmen in der Türkei entgegen stehen, geschickt durch die Scylla und Charybdis hindurchzuwinden wusste. Der Herausgeber des „Massis“, welcher nunmehr als belletristisches Wochenblatt besteht, ist Ütüdschian. Er hat sich durch Übersetzungen aus dem Französischen und Englischen bereits einen Namen gemacht.

Gegen Ende der fünfziger Jahre entstanden neben Konstantinopel auch an anderen Orten armenische Zeitschriften, die teils der Politik, teils den Wissenschaften und der schönen Litteratur gewidmet waren. So wurde in Paris von drei zur katholischen Kirche übergetretenen Mönchen die illustrierte Monatsschrift „Massiaz Aghawui“ oder Taube des Ararat gegründet, die später nach Theodosia in der Krim verlegt und dort von einem tüchtigen Philologen, dem Erzbischof Ajwasian fortgesetzt wurde. In Konstantinopel entstanden [152] die „Mussajk Massiaz“, die Musen des Ararat, welche nur Übersetzungen von Bühnenstücken brachten, ebendaselbst die „Mehu Konstantinopolso“, die Biene von Konstantinopel, welche ein satierisches Zweiwochenblatt war und den armenischen Bürgern der türkischen Hauptstadt fühlbare Stiche austeilte. In Tiflis gründete ein Pfarrer namens Mandinian die noch bis heute bestehende „Mehu Hajastani“, die Biene Armeniens, deren Leitung im Jahre 1862 der Philologe Simonianz übernahm, dann in Moskau Professor Nasarianz den „Hüssisapail“, das „Nordlicht“ u. s. w.

Die eigentliche Blütezeit für die türkisch-armenische Presse begann in den sechziger Jahren nach dem Inkrafttreten der von der türkischen Regierung den Armeniern zugestandenen teilweisen Konstitution. Nach dieser Reform vermehrte sich auch die Zahl der armenischen Schulen und bald begann es sich auf allen Gebieten des geistigen Lebens sichtlich zu regen. Die Zeitungen wuchsen nun wie Pilze nach dem Regen hervor, aber die meisten derselben hatten nur ein kurzes Dasein. [153] Ein junger Buchdrucker schuf sogar einen „Papagei Armeniens“, zu dem er selbst den Inhalt schrieb und ihn persönlich seinen wenigen Zahllesern ins Haus trug.

Später entstanden in Petersburg unter der Leitung von Raphael Patkanian, der „Hüssis“ oder „Norden“, in Tiflis der „Kranich der armenischen Welt“, „Krunk Hajos Aschchari“, in Etschmiadsin auf Veranlassung des verstorbenen Patriarchen Georg IV. der bis heute bestehende „Ararat“ und noch andere länger oder kürzer sich haltende Blätter in den transkaukasischen Städten Baku, Tiflis, Schuscha und Eriwan. Eine der bedeutendsten armenischen Zeitschriften, welche je erschienen, war die im Jahre 1876 in Tiflis von Abgar Joannissiany gegründete Monatsschrift „Porels“, welche die Erscheinungen des gesamten Kulturlebens der Gegenwart umfasste und ihrem Inhalte nach den europäischen Revuen nahe kam. Im Jahre 1881 wurde sie in ein Wochenblatt „Ardsagank“ (Echo) umgewandelt, das noch bis heute besteht.

Die Gesamtzahl aller von 1795–1885 [154] bei verschiedener Dauer erschienenen armenischen Zeitungen und Zeitschriften beläuft sich auf 141.

Von 1795–1840 betrug die Zahl derselben 7; von 1840–1850 14; von 1850–1860 28; von 1860–1870 49; von 1870–1885 43.

Der Aufschwung in den sechziger Jahren trat, wie schon oben bemerkt worden, nach der Konstitution ein, war jedoch nicht von Dauer, wogegen in den siebenziger Jahren die meisten Zeitungen ein bleibenderes Dasein hatten.

Dem Inhalte nach zerfielen die bisher in armenischer Sprache erschienenen Blätter in 51 politische Zeitungen, 29 belletristisch-wissenschaftliche Monatsschriften, 30 politisch-belletristische, 4 pädagogische, 4 musikalische, 3 für das Bühnenwesen, 2 für Hygienie und Medizin, 1 für Rechtswissenschaft, 7 humoristische, 2 Modenzeitungen u. s. w.

Gegenwärtig erscheinen in armenischer Sprache folgende Zeitungen und Zeitschriften. In Konstantinopel: Die Tageblätter „Arewelk“ [155] (Der Orient) mit einer Wochenausgabe für das Ausland, „Hairenik“ (Das Vaterland), „Puntsch“ (Der Blumenstrauss), „Luis“ (Das Licht). Die Wochenschriften „Massis“ (Ararat), „Awetaber“ (Der Bote), Organ der protestantischen Missionäre, „Awetaber Mankanz“ (Kinderbote), „Bjurakn“ (Tausend Quellen), „Buras-tan Mankanz“ (Kindergarten), „Ntanik“ (Die Familie). Die Monatsschriften „Gitakan Scharshum“ (Wissenschaftliche Bewegung), „Jerkragunt“ (Globus), „Matenadaran Shoghwrtian“ (Volksbibliothek) – hyghienische Zeitschrift –, „Scharsum“ (Bewegung), litterarisch-philosophische Zeitschrift. In Smyrna. Die Monatsschrift: „Arewelian Mamul“ (Östliche Presse) und das Tageblatt „Arschaluis Araratian“ (Morgenröte des Ararat). In Warna die wöchentlich zweimal in französischer und armenischer Sprache erscheinende Zeitung „Irawunk“ (Das Recht). In Venedig die Monatsschrift „Basmawep“ (Der Polygraph. In Marseille die zweimal wöchentlich erscheinende Zeitung „Armenia“. In Tiflis die Tagesblätter „Mschak“ (Der Arbeiter), „Nor Dar“ (Das neue [156] Zeitalter) und „Mehu Hajastani“ (Die Biene Armeniens), das Wochenblatt „Ardsagank“ (Echo) und die Kinderzeitschrift „Achpjur“ (Die Quelle). In Etschmiadsin die Monatsschrift „Ararat“ und in Achalzik (Transkaukasien), die Monatsschrift „Mankawashanoz“ (Der Erzieher).