Licht und Liebe
Im Anfange war alles wüst’ und leer, ein kalter
Meeresabgrund; die Elemente der Dinge lagen wild durch
einander. Da wehete Lebenshauch vom Munde des Ewigen
und brach des Eises Ketten und regte wie eine brütende
Taube sanft die erwärmenden Mutterflügel.
In dunkler Tiefe regte sich alles nun, aufringend zur Geburt. Da erschien der Erstgebohrne, der Engel des Angesichts, das sanft erfreuende Licht.
Das holde Licht, vereint mit der Mutterliebe, die über den Wassern schwebete; sie schwangen sich auf zum Himmel und webten das goldene Blau: sie fuhren hinunter zur Tiefe und füllten mit Leben sie an: sie trugen die Erd' empor zu Gottes Altar, bestreuend sie mit immerverjüngten Blumen: den kleinsten Staub beseelten sie.
[199] Und als sie Meer und Tiefen und Luft und Erde mit Leben erfüllet hatten, da standen sie rathschlagend still und sprachen zueinander: „Lasset uns Menschen schaffen, unser Bild; ein Gleichniß Des, der Himmel und Erde durch Licht und Liebe schuf.“ Da fuhr Leben in den Staub: da stralte Licht des Menschen göttliches Antlitz an und die Liebe wählete sein Herz zu ihrer stillen Wohnung.
Der ewige Vater sahs und nannte die Schöpfung gut: denn alles erfüllte, alles durchdrang sein immerwirkend Licht und seine holde Tochter, die belebende Liebe selbst.
Was murrst du, müßiger Weiser, und staunst die Welt, wie ein dunkles Chaos an? Das Chaos ist geordnet; ordne du dich selbst. Im wirkenden Leben nur ist Menschenfreude; in Licht und Liebe nur des Schöpfers Seligkeit.