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Lethe (Meyer)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Conrad Ferdinand Meyer
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Titel: Lethe
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 169-170
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von H. Haessel
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
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Quelle: Google-USA* und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[169]

Lethe.[WS 1]

Jüngst im Traume sah ich auf den Fluten
Einen Nachen ohne Ruder ziehn,
Strom und Himmel stand in matten Gluten
Wie bei Tages Nahen oder Fliehn.

5
Saßen Knaben drin mit Lotoskränzen,

Mädchen beugten über Bord sich schlank,
Kreisend durch die Reihe sah ich glänzen
Eine Schale, draus ein Jedes trank.

Jetzt erscholl ein Lied voll süßer Wehmuth,

10
Das die Schaar der Kranzgenossen sang –

Ich erkannte deines Nackens Demuth,
Deine Stimme, die den Chor durchdrang.

In die Welle taucht’ ich. Bis zum Marke
Schaudert’ ich, wie seltsam kühl sie war.

15
Ich erreicht’ die leise zieh’nde Barke,

Drängte mich in die geweihte Schaar.

Und die Reihe war an dir, zu trinken
Und die volle Schale hobest du,
Sprachst zu mir mit trautem Augenwinken:

20
„Herz, ich trinke dir Vergessen zu.“


[170]
Dir entriß in trotz’gem Liebesdrange

Ich die Schale, warf sie in die Flut,
Sie versank und siehe, deine Wange
Färbte sich mit einem Schein von Blut.

25
Flehend küßt’ ich dich in wildem Harme,

Die den bleichen Mund mir willig bot,
Da zerrannst du lächelnd mir im Arme
Und ich wußt’ es wieder – du bist todt.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Lethe, das Vergessen, einer der Flüsse in der Unterwelt der griechischen Mythologie