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Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski/IV. Die Diamanten

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IV. Die Diamanten
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aus: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski
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von: Georg Weerth
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IV.
Die Diamanten.

Treue Freunde des Ritters Schnapphahnski, bedauern wir mit ihm die harte Prüfung, die das Schicksal in Folge jenes bekannten Abenteuers mit der göttlichen Carlotta über ihn verhängte. Die Moral der Geschichte war, daß weder mit einem schönen Frauenzimmer noch mit einem Garde-Offizier zu spaßen ist, und daß man nicht den Wüstling und den Bramarbas herausbeißen soll, wenn man wirklich nur ein so unschädlich liebenswürdiger Mann wie der Ritter Schnapphahnski ist. Der Adonis Carlotten’s, der Gardelieutenant v. W.-M.[1], dessen tugendhafte Entrüstung wir nicht genug anerkennen können, war schuld daran, daß unser Ritter für einige Zeit die Einsamkeit suchte, um in stillen Betrachtungen jene Ruhe des Gemüthes wiederzufinden, die er auf so leichtsinnige Weise verscherzt hatte. Zu der Furcht vor den Lakaien aus O. und zu den unangenehmen Erinnerungen aus Troppau gesellte sich nun noch die Angst vor dem verhängnißvollen Dokumente der [47] Berliner Offiziere, und wir brauchen wohl nicht zu versichern, daß das Eine oder das Andere manchmal sehr störend auf die Morgenträume unseres Helden einwirkte. Der jugendlich kühne Flug unseres Ritters war gelähmt; wie mancher andere ehrliche Mann fühlte er allmählich, daß er dem Straßenkothe näher war als den Sternen und daß der schöne schwarze Schnurrbart vielleicht das Beste an dem ganzen Menschen sei. Diese und ähnliche melancholische Gedanken waren indeß nur vorübergehend; der Ritter war von zu guter Raçe, als daß er das Leben nicht von der heitersten Seite aufgefaßt hatte.

Mag es Dir noch so schlecht gehen, sagte er oft zu sich selbst, zum allerwenigsten kannst Du doch noch immer ein ausgezeichneter Diplomat werden! Dies tröstete Hrn. v. Schnapphahnski.

Wir werden später sehen, wie unser Ritter diesen diplomatischen Gelüsten wirklich Luft machte. Ehe wir dazu übergehen, wollen wir ihm noch etwas durch die labyrinthischen Gänge seines Berliner Daseins folgen.

Wie gesagt, durchlebte der Ritter nach seiner letzten Prüfung eine Periode der Erniedrigung. Zuerst liebte er eine Gräfin, dann eine Carlotta, jetzt sollte er unter das Corps de Ballet geraten – – zwei leidliche Beine hatten Eindruck auf unsern Ritter [48] gemacht. Wir bitten unsere Leser wegen dieser ungemeinen Wahrheitsliebe auf’s demüthigste um Verzeihung.

Die Beine des Balletts waren damals in Berlin en vogue. Der höchste Geschmack hatte sich dazu herabgelassen und wir würden ein Verbrechen begehen, wenn wir nachträglich darüber spötteln wollten. Uebrigens schwärmen wir selbst für den Tanz. Gibt es etwas reizenderes als die süße Musik der Schenkel? Gibt es etwas berauschenderes, als wenn eine Fanny Elsner ihre Bachschen Fugen, eine Taglioni ihre Beethovenschen Symphonien, und eine Grisi ihre weichen, wollüstigen Donizettischen Arien tanzt? Jedesmal, wenn ich die Grisi sah, da war ich fest davon überzeugt, daß Gott den Menschen nur der Beine wegen geschaffen hat; gern hätte ich mich köpfen lassen; es wäre mir einerlei gewesen; ich hielt den Kopf für werthlos und ich begriff nicht, weshalb die Beine nicht die Ehre haben, oben zu stehen und weshalb der Kopf nicht nach unten geht – mit einem Worte: die Beine hatten meinen Verstand auf den Kopf gestellt. Ist es die Kraft des kleinen Fußes, aus dem das Bein so schlank emporsteigt wie ein Lilienstiel aus der Wurzel, der den ganzen Leib so graziös zu tragen weiß wie der Stamm einer Fächerpalme seine prächtig harmonische Krone – oder ist [49] es der Schwung des ganzen Körpers, wenn er in sanften Wellenlinien melodisch dahinschaukelt und all’ unsere Gedanken mit fortreißt in das wogende Meer der Sinnlichkeit – was uns dem Tanz einer Grisi mit wahrhaft religiöser Andacht zuschauen läßt? Ich weiß es nicht, aber ich danke Dir Mutter Natur, daß Du nicht nur Deine Vulkane ihre Flammen gen Himmel schleudern und Deine tannenbewachsenen Felsen so herrlich mit blitzendem Schnee prangen läßt, sondern daß du auch Rosen und Lilien geschaffen hast und ich liebe Dich, weil Du so graziös und so bezaubernd bist herab von den ewigen Sternen, dort oben in dem Blau der Unendlichkeit bis hinunter in die Fußspitze eines schönen Weibes.

Aehnliche, wohlfeile Betrachtungen durchfuhren auch den Ritter Schnapphahnski, als er nach einigen aufmerksamen Studien, zwar nicht Helenen in jedem Weibe und nicht die Grisi in jeder Korpsspringerin entdeckte, wohl aber die Bemerkung machte, daß auch in der untern Sphäre der menschlichen Gesellschaft für Geld und gute Worte des Süßen viel zu erwarten ist. Es rieselt uns kalt über den Rücken – – zum ersten Male müssen wir von Geld und zugleich von Liebe sprechen. Ja wahrhaftig, wir sehen unsern Ritter abermals eine Stufe hinabrutschen – [50] was ihm früher die Götter aus freien Händen gegeben: er kauft es!

Liebe kaufen! Gibt es etwas Gemeineres? Als einst am 1. Mai die Welt begann – ich glaube nämlich, daß die Welt am 1. Mai ihren Anfang nahm und nicht am 1. Januar, wie man fälschlich vermuthen möchte, sintemalen die armen nackten Menschen, da sie nicht mit Stiefeln und Sporen auf die Welt kamen, ja im Januar sofort wieder erfroren wären – als, wie gesagt, die Welt am 1. Mai ihren Anfang nahm und die goldne Sonne lachte und die Blumen dufteten und die Quellen rieselten, da sprach der Spatz zu der Spätzin: Spätzin, ich achte dich! Da sprach der Haifisch zu seines Gleichen: Fräulein Haifisch, ich verehre Sie! Da brüllte der Löwe zu der Löwin: Löwin, du gefällst mir! und der Mann sprach zum Weibe: Frau, ich liebe dich! Das war eine schöne Hochzeit. Man trank Burgunder und aß Austern nach Herzenslust. Menschen und Thiere saßen in bunter Reihe und als das Banquett vorüber war, da siedelten sich die Spatzen in den Lüften an, die Haifische im Wasser, die Löwen in der Wüste, und die Menschen in Ninive, Babylon, Bagdad, Petersburg, Paris, Wien, Breslau u. s. w. Lange Zeit ging dies gut. Die Männer fanden stets ihre Frauen, und die Frauen ihre Männer, was die [51] vielen artigen Buben und Mädchen bezeugen, die heuer in der Welt herumstreifen, und die Männer und die Frauen nahmen sich einander, wie es gerade kam, so und so.

Als dann aber mit der Zeit die Zahlen und das Geld erfunden wurden und das Wechselrecht und die politische Oekonomie und als die Menschen immer klüger und gescheidter wurden und folglich immer eitler und wählerischer, da hörten sie auch allmählig auf, sich so ohne weiteres zu lieben und Jeder trachtete nur danach, sich eine solche Frau zu verschaffen, wie sie gerade für seinen Beutel, für seine Wechsel oder für seine Oekonomie paßte. Mit einem Worte: Es stellte sich eine durch Interessen geregelte Nachfrage nach Menschen ein, der durch eine angemessene Zufuhr begegnet wurde. Der Weltmarkt der Heirath begann, die Männer und die Frauen fingen an sich gegenseitig zu kaufen! – Von diesem Augenblick an kann man alles Unglück datiren. Die Oekonomie war in die Liebe gefahren, der Mensch wurde ein Artikel, der nun hinfort von der Nachfrage und der Zufuhr abhing und alle Leiden der Ueberproduktion mit der Wolle, der Baumwolle, dem Flachs u. s. w. theilte. Wer nicht ein verheiratheter Gardemajor, ein Landgerichtsrath, ein Banquier, ein Bischof wurde, der sank zu einem Schneider, zu einem Steinklopfer, [52] zu einem Tagelöhner oder dergleichen hinab und die lieblichen Weiber, die keine Gräfinnen, Hauptmänninnen, Kaufmannsfrauen oder sonst etwas wurden, die endeten als Gemüseweiber, Bajaderen und mitunter auch als Ballettänzerinnen.

Eine solche, aus der Ueberproduktion hervorgegangene Ballettänzerin kaufte sich unser Schnapphahnski. Armes Kind! Wenn du getanzt hattest, so mußtest du lieben – weder aus Liebe tanzen, noch aus Liebe lieben, sondern tanzen und lieben des lieben Brodes wegen – den Brodtanz der Liebe!

Doch unser Ritter hatte ein ritterliches Herz. Eines Tages, als er die Reize seiner Schönen genugsam bewundert, als er ihren Fuß geküßt, ihre Taille umfangen und ihre schwarzen Flechten um die weiße patrizische Hand gewickelt hatte, da schwur er bei allem, was ihm heilig war, bei den Lakaien in O., bei dem Duell in Troppau, und bei dem Hohnlächeln Carlotten’s, daß er ihr, seiner Tänzerin, einen Schmuck kaufen wolle, reich wie ihre Haarwellen, funkelnd wie ihre Augen und ihre schneidigen Zähne.

Hat ein Schnapphahnski je sein Wort gebrochen? Zum nächsten Juwelier ging er und so wahr wie er keinen Friedrichsd’or in seiner Kriegeskasse hatte, kaufte er einen Schmuck, der einer Gräfin S., einer Schwester des Grafen G. oder einer Carlotta würdig [53] gewesen wäre. Unser Ritter kaufte den Schmuck auf Credit – – meine Leser werden begreifen, daß unser Ritter grade so viel Credit hatte, wie ein Ritter ohne Furcht und Tadel haben kann – ein Ritter, der noch einmal Deputirter, Diplomat oder noch etwas schlimmeres werden konnte. – – Auf Credit kaufte der Ritter den Schmuck; nur muß ich noch bemerken, daß er ihn nicht auf seinen Namen kaufte, sondern auf den des unsterblichen Gottes Zeus Kronion!

Ja, auf Zeus Kronions Namen kaufte der Ritter die Diamanten und der Hofjuwelier fand nichts arges hierin. Er wußte sehr gut, daß Zeus Kronion die Tänzerinnen liebte. Auf Befehl des Ritters Schnapphahnski sandte der Juwelier den Schmuck, für Rechnung des unsterblichen Gottes, an die lieblichste der Tänzerinnen. Der Juwelier trug den Schmuck zu Lasten des Gottes in seine Bücher ein; die Tänzerin creditirte für den Schmuck den Ritter Schnapphahnski. Kann es ein einfacheres Geschäft geben? Zeus Kronion war der einzige, der dabei zu kurz kam.

Ueberglücklich war aber die Tänzerin. Bisher hatte sie sich nur das liebe Brod ertanzt, jetzt einen demantenen Schmuck erliebt! Der Name Schnapphahnski’s stand leuchtend in ihrem Herzen angeschrieben.

[54] Doch überlassen wir die Tänzerin ihrer Freude an den blitzenden Steinen und den Juwelier seinem festen Vertrauen in die Solvabilität Kronions. Wir müssen nämlich darauf zurückkommen, daß der edle Ritter, während er auf der einen Seite alle Seligkeiten kostete, die ein Engel des Himmels nach dem Schluß der Oper zu bieten im Stande ist, sich auf der andern ernstlich damit beschäftigte: einen Posten im diplomatischen Corps zu erobern. Der edle Ritter sah ein, daß man nicht allein von der Liebe leben kann, sondern daß die Liebe sogar sehr kostspielig ist; selbst wenn man bei dem Hofjuwelier im Namen Gottes den unbeschränktesten Credit genießt. Herr von Schnapphahnski besann sich daher, ob er außer seinen gesunden Lenden, und außer seinem bewunderungswürdigen Schnurrbart nicht auch noch einige andere vortheilhafte Eigenschaften und namentlich soviel Grütze besäße, als man im schlimmsten Falle einem diplomatischen Candidaten zutrauen möchte.

Nachdem er sich mehrere Tage lang den Kopf darüber zerbrochen hatte, fand er endlich, daß die heilige Wissenschaft leider keinen besondern Stapelplatz für ihre Schätze darin angelegt hatte. Sein Schädel war klar und durchsichtig wie eine leere Wasserflasche und auf der kahlen Lüneburger Haide seines Gedächtnisses tummelte sich freilich manche galante Erinnerung [55] herum, aber leider nichts von alledem, was die Natur dem Menschen zu erobern überlassen hat. Mit jener liebenswürdigen Frechheit, die einem Manne von Adel eigenthümlich ist, griff unser Ritter daher in den großen Haufen der bürgerlichen Kanaillen, in die Reihen jener Lastthiere der Kunst und der Wissenschaft, die die imaginären Goldklumpen ihres Geistes hin und wieder in das preußische Kurant der Wirklichkeit zu verwechseln pflegen. Mit einem Worte, der Studiosus Pl–r war so gefällig, der unsterblichen Seele des Ritters mit einigen Probearbeiten zu Hülfe zu kommen, die sofort an den gehörigen Ort weiter befördert wurden und natürlich für die enormen Kenntnisse des Ritters den unzweideutigsten Beweis lieferten.

Wer weiß, zu welchem Posten man den gelehrten Ritter sofort erhoben hätte, wenn nicht plötzlich die frühern Aventüren Sr. Hochwohlgeboren auf eine sehr schauerliche Weise bekannt geworden wären! Schon ging man mit dem Gedanken um, den Ritter der Weltgeschichte zu übergeben, da ragten mit einem Male die Stöcke der Bedienten aus O. in Schlesien in die Scene hinein, da erklang der Hohn des Grafen G. und das glückliche Lachen Carlottens und da kam ach, auch der Juwelier und reichte allerhöchsten Ortes seine Rechnung ein und die schöne Arbeit des Studenten [56] Pl–r hatte wieder allen Werth verloren und unser armer Ritter erhielt eine eben so zarte als demüthigend abgefaßte Zurückweisung.

Ja, die Diamanten-Geschichte des Ritters Schnapphahnski wurde stadtkundig; sie machte die Runde in den höchsten Kreisen. Die ewigen Götter zürnten erschrecklich. Zeus Kronion drohte mit Donner und Blitz, mit Magdeburg und Spandau, und wäre die arme Ballettänzerin, der verrauschten Liebe gedenkend, nicht so artig gewesen, den verhängnißvollen Schmuck, aus übertriebener, künstlerischer Hochherzigkeit, freiwillig zurückzuerstatten, so hätte unser Ritter sehr wahrscheinlich einen Huissier ins Haus bekommen, und ach, seines Bleibens wäre vielleicht gewesen, wo da ist Heulen und Zähnklappen, Hafergrütze, Brod und Wasser.

Unser Ritter war jetzt wirklich „ein armer Ritter;“ wie eine Brodscheibe, geröstet, in verdrießlichen Runzeln aus der Pfanne kommt, so taumelte unser Schnapphahnski vom Unglück gebraten, höchst ärgerlichen Antlitzes zurück von dem Orte alles Heils, von dem Quell aller Aemter und Stellen. Finster schritt er nach Hause: er packte seinen Koffer und sieh’, ehe die Morgenröthe kam, lag auch schon Berlin hinter ihm, mit seinen Kirchen und Palästen, mit [57] seinen Geheimräthen und Eckenstehern, mit seinen Ballettänzerinnen und Juwelieren.

Die Franzosen würden in Betreff dieses Diamanten-Abenteuers sagen: „Monsieur le Chevalier de Schnapphahnski avait frisé le code pénal.“ Schnapphahnski reiste nach Spanien.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. v. W.-M. = von Wilamowitz-Möllendorff, wahrscheinlich einer der drei Adoptivsöhne des Generals Wichard von Möllendorff (1724–1816)