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Leben, Literatur und Kunst (Wünschelruthe Nro. 23)

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Textdaten
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Titel: Leben, Literatur und Kunst
Untertitel:
aus: Wünschelruthe - Ein Zeitblatt. Nr. 23, S. 91/92.
Herausgeber: Heinrich Straube und Johann Peter von Hornthal
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Vandenhoeck und Ruprecht
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Erscheinungsort: Göttingen
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Leben, Literatur und Kunst.




Wir hören mit Freuden von einem neuen herrlichen Oel-Bilde was Julius Schnorr eben aus Wien nach Leipzig, seiner Vaterstadt gesandt, den heiligen Rochus darstellend, welcher seine Habe vertheilt. – Uns fällt dabey Arnims Bericht über zwey frühere Bilder dieses Mahlers auf der Dresdner Ausstellung ein: sein damaliges Lob im ganzen, und im besonderen über Pinsel und Farbe wird nun durch [92] das neue Werk bestärkt, und was er an dem einen von den zweyen, welches den Kampf der Christen und Heiden nach Ariost vorstellt, (von dem die Zeitschwingen einen Umriß versprochen) dem in anderer Hinsicht gerühmtesten, getadelt, die falsche Idealität - bis zur Identität - aller Gesichter, dem entgegen wird an dem neuen schon die bewundernswürdigste Mannichfaltigkeit im Ausdruck aller Köpfe gepriesen, also ein Fortschritt innerster und bester Art! daß er in diesem Bilde, wie früher, sich der Treue und Gründlichkeit der alten vaterländischen Mahlerey angeschlossen haben wird, mögen wir einmal gern vermuthen, darüber ergiebt denn die demnächstige ausführliche Beschreibung im Leipziger Kunstblatt wohl bald das Nähere, auch ob dabey die Einsichten neuerer Zeit weniger fühlbar entbehrt werden. Die in dem Leben und der Zeit - dem historischen Begreifen und Verstehen des verschiedenartigsten dagewesenen günstig genug - liegenden Schwierigkeiten für ein höheres Streben und Schaffen empfindet ja indessen diese Kunst nicht allein! - Auch dieser junge Deutsche ist wieder nach Rom, wo auch Näcke erst unlängst angekommen, das „Deutsche Reich am Tiberstrand“ zu finden, sein heiliger Rochus gehört schon der Sammlung des gelehrten auch für sein Fach so eifrigen Hofraths Dr. Weigel an. -

-ur.

Zu der unlängst erschienenen metrischen Uebersetzung von Casti’s redenden Thieren fertigt der Maler Dr. Menken jezt die Zeichnungen. -

Von Lord Byron’s sämmtlichen Werken erscheint im nächsten Mai eine metrische Uebersetzung von F. Adrian, Lehrer an dem Erziehungsinstitut zu Roedelheim bei Frankfurt a./M. -

H.




Die Stimmung der Zeit in Beziehung auf die Angelegenheiten der Kirche ist in Nr. 21 zum Theil mit Lobe, berührt worden. Freilich wird man die dort erwähnte Gesinnung mehr in den Kreis des wissenschaftlichen Strebens zurücktretend als in das Leben wirksam eingreifend finden; und in so fern wir glauben daß sie letzteres auch nie in gutem Sinne werden könne, besonders bei dem Seitenwege den die alte Treue gegen den religiösen Glauben neuerlich doch bei unendlich vielen offenbar genommen hat, müssen wir jenen Worten gewissermaßen widersprechen. Daß hieraus eine zweifache Ansicht über die Vereinigung der beiden Confessionen entstehe, fällt in die Augen. Die Gleichgültigkeit gegen die äußere kirchliche Form kann nur in der wissenschaftlichen Betrachtung der Sache gut seyn; sie muß der Gesinnung in Rücksicht des Dogma’s selbst schaden, sobald dieß, wie es gewiß immer für das Gemüth einer ganzen Gemeinde der Fall ist, an die Eindrücke von Formen gebunden seyn muß, die mehr als Formen sind, die die Gemeinde als eine solche, und als durch und in einem gemeinsamen Oherhaupte verbunden sich selbst klar machen. Geht man aber so weit, daß man es für äußere Form hält, ob das heilige Abendmahl (auf welchen Punkt es ja hier besonders ankommt) Allen in Einem Sinne ertheilt werde oder nicht, so erklären wir uns entschieden hiergegen; und doch scheint, auch nach den bereits angefangenen Versuchen zur Einleitung der Vereinigung zu urtheilen, die Meinung der bei weitem größeren Anzahl dahin zu gehen. Und diese Anzahl mag denn wohl meist in ihren Grundsätzen wenig von ein Paar Leuten abweichen, die sich Lutheraner nannten, und die ich sich über die Vereinigung unterreden hörte, indem der eine sagte: Ich weiß nicht, wie ist es denn, werden wir Reformirte oder werden die Reformirten lutherisch? Ich weiß es auch nicht recht, sagte der andre, ich glaube aber wir werden Reformirte. Ach was kommt auch drauf an, sagte der erste, der Unterschied soll ja so klein seyn! - Das ist denn freilich Ernst in der Bewahrung des Dogma’s! - Kommt es aber nicht daher daß man nicht genug im Sinne gehalten hat, was unser vortrefflicher Harms sagt: die evangelisch-lutherische Kirche bildet sich am Sacrament wie am Worte Gottes? - und wie steht es denn mit dem Sinne ihrer Glieder für beide, wenn es an den meisten Orten kaum noch gewagt wird eine öffentliche Predigt zu halten, die etwas anders als eine moralische Vorlesung wäre, die nur die Hauptartikel des christlichen Glaubens dem Gemüthe lebendig zurückriefe und beleuchtete, jetzt da manche Rede, wie die von Luther über das Sacrament des Leibes und Blutes Christi wider die Schwarmgeister und Sacramentirer, wohl am Platze wäre! Aber auch in der Wissenschaft möchte der Ernst um das Dogma noch sehr Einzelne ergriffen haben, wenn wir gleich hier einen Fortschritt wahrnehmen, und es ist wohl nur eine entfernte Ahndung von der ewigen unendlichen unwandelbaren Kraft und Festigkeit, von dem klaren nie zu deutenden, sondern immer sich selbst deutenden Sinne des göttlichen Wortes, welche so Viele abhält ganz dem Undinge ihrer Vernunft freien Lauf zu lassen, da es doch endlich eingesehen werden sollte, daß es die größte Unvernunft ist, unsere Vernunft für das höchste gelten zu lassen und sie gar der göttlichen Offenbarung an die Seite zu setzen. Da sind wir denn wieder an dem alten Kapitel, das freilich viele andere in sich faßt; es ist gut und recht wenn viel davon gesprochen wird, und mancher wird vielleicht dadurch auf die rechte Bahn geleitet werden, aber freilich werden die auf der falschen wohl nicht umkehren, denn das Umkehren ist gegen ihre Vernunft. Wir brechen hier ab, und wiederholen nur, daß, so wenig wir es gutheißen würden wenn jetzt ein lutherischer Prediger einer reformirten Gemeinde, oder ein reformirter einer lutherischen vorstände und das Abendmahl reichte, eben so sehr wir es mißbilligen müssen, daß man eine verschiedene Deutung des Abendmahls von gemeinschaflich Theilnehmenden zulasse. Welche Empfindung müßte ein gutgesinnter Evangelisch-lutherischer haben, wenn er wüßte daß Gemeindeglieder, die mit ihm zugleich des Leibes Christi theilhaftig werden, ihn nach ihrem rechtmäßigen kirchlichen Glauben für ein bloßes Brodt nehmen, und wohl der Prediger ihn dafür reicht! Und welchen Einfluß muß dieß auf den Glauben der weniger Starken haben! Es würden dann mit mehr Grund als je Sekten von Abgesonderten, theils Mystikern theils andern, sich bilden; das muß immer zum Schaden der Kirche gereichen, denn die Frommen ziehen sich dann in die gesonderten Kreise, der öffentliche Gottesdienst erkaltet immer noch mehr bis zum tiefsten Verfall, und auch jene verderben eben durch das Heimliche ihres Treibens. Also keine Vereinigung der Form nach, wenn nicht auch eine allgemeine des Dogma’s; und da können denn die Lutheraner freilich am wenigsten nachgeben; denn: „Wenn ich die Wort habe, will ich nicht weiter sehen noch gedenken; was er sagt, das will ich halten. So wickele ich mich ins Wort, lasse mich nicht davon abweisen, werd auch dadurch erhalten. Siehe nur daß du auf Gottes Wort Acht habest und darinnen bleibest wie ein Kind in der Wiegen“.[1]

- t.
  1. Luthers Schriften Altenb. Ausg. Th. III. S 341, 343.