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Lasterhafte werden oft durch Lasterhafte bestraft

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Textdaten
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Titel: Lasterhafte werden oft durch Lasterhafte bestraft
Untertitel:
aus: Clausthalischer allgemeiner Harz-Berg-Calender auf das Jahr 1805
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Erscheinungsdatum: 1804
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Erscheinungsort: Clausthal
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Quelle: Commons
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Lasterhafte werden oft durch Lasterhafte bestraft.


     Anna Roberin diente in einer kleinen Stadt bey einem Handwerksmanne, der etwas Geld besaß und sich etliche Kühe hielt. Für diese mußte sie im Frühjahre und im Sommer aus dem Felde und den Gemeindeplätzen das Futter zusammen holen. Sie war rasch und verwegen. Nicht zufrieden von ihres Herrn Felde und den Gemeindeplätzen das Futter zusammen zu bringen, gieng sie auf das erste beste Grundstück wo sie etwas antraf und stahl es weg, ganz unbekümmert darüber daß solches unrecht sey. Ihre Herrschaft war damit wohlzufrieden, daß sie fast alle Tage reichliche Nahrung für das Vieh brachte, lobte sie, und ließ ihr in vilen Stücken ihren Willen; und auch andere Leute des Orts rühmten sie als eine Magd in der Stadt, die recht auf das Vieh hielt. Maria eine andere Magd in der Stadt, ein s[..]es und arbeitsames Mädchen war einmal bey ihr und sprach: Sage mir nur, wo du alle Tage so viel Futter herbringst? Ich mag so fleißig suchen und sicheln als ich nur will, so kann ich den Tag kaum halb so viel heimbringen als du. Anna antwortete: Man muß sehen, wo man was wegkriegen kan. Maria. Ja, wenn man, wo man nur etwas sieht wegnehmen wollte, so müßte ichs ja zusammen stehlen? Anna. Was schadet das! Man muß sich nur in Acht nehmen, daß man nicht gekriegt wird; und gefaßt, sie sollten einen auch einmal kriegen, so wird man doch nicht gleich darum an den Galgen kommen! Maria. Nun das kann und will ich nicht. Gerne will ich so viel arbeiten [38] als ich nur kann; aber das Stehlen ist mir nicht möglich, meine Ältern haben mir einen gar zu großen Abscheu davor beygebracht. Nun so arbeite du Närrin dachte die Anna in ihren Herzen, ich werde bey weniger Arbeit doch mehr gelobt werden wie du. Sie trieb also ihren Muthwillen mehrere Jahre ungescheut fort. Maria konnte sich aber nicht entschließen, es wie sie zu machen, und wurde, ob sie gleich ungleich arbeitsamer und fleißiger war, dennoch getadelt. Daher verließ sie das nächste Jahr die Stadt, und zog wieder aufs Dorf. Anna heyrathete endlich einen Wittwer in der Stadt, der sein eigen Haus, und Feld in Pacht hatte, und bekam also ihre eigene Haushaltung. Nun gieng es ihr eben wieder so, wie es andern Leuten gegangen war. Wie sie es andern gemacht hatte, machte man es ihr auch. Wenn sie dachte, sie hätte recht schönen Klee und Kohl im Felde stehen, so war, wenn sie hinauskam, oft die Hälfte und noch mehr davon weggestohlen. Sie mußte weit mehr Schaden leiden als andere, ja wenn niemandem etwas wegkam oder gestohlen wurde, so geschah es ihr. Denn einmal gönnten es ihr mehrere mägde nicht, daß sie, dem Anschein nach, so gut angekommen, und ein so großes Glück gemacht habe, und dann entschuldigten sie das Unrecht, welches sie derselben anthaten, indem sie untereinander immer sagten: Die hat gestohlen was brav ist, sie darf es also nicht übel nehmen, wenn wir ihr wieder zusprechen Maria heyrathete auch auf dem Dorfe, und kriegte einen Mann, welcher einen hübschen Garten und etwas Feld besaß; sie fand bey ihm ihr Brod und ein zufriednes Leben. Nie wurde ihr leicht etwas genommen. Als sich erstmals diese beyden Frauen wieder sahen, gestand die Anna der Maria offenherzig. „Es ist wahr, es kommt nichts dabey heraus, wenn man so leichtsinnig ist, wie ich sonsten war, ich muß jetzt genug dafür büßen. Wenn ich Schaden leide an den Meinigen, so sagt mir mein Gewissen nicht allein, das ist dir eben recht, du hast es andern nicht besser gemacht; sondern ich werde noch eben dadurch am meisten gekränkt, daß es mir andere gönnen und noch dazu auslachen und verspotten. Ach wie wohl hast du gethan, daß du dich nicht entschließen konntest jemanden etwas heimlich zu nehmen. – So ist ein augenblicklicher, auch der größte Vortheil, oft der größte Schaden und Verlust, welcher sich oft gar nicht wieder ersetzen läßt, in dem folgenden ganzen Leben.