Kurtz Entworffener Lebens-Lauff des sel. Autoris
Illustration
[Bearbeiten][611] Abbildung: Daniel Casper A Lohenstein, in Kittelau, Reisau & Roschkowiz. S.C.M. CONSIL et Reip Wrats? syndicus. Epigramm: Quisquis Astraeam cothurno fulminantem cernere Expetis vultum sonori cerne Lohensteinu? C G [612]
Titulatur
[Bearbeiten]Des sel. Autoris.
Breslau/ bey Esaiä Fellgiebels Sel. Wittib und Erben / 1701.[613]
[614]
Widmung
[Bearbeiten]Frauen Elisabeth
von Lohenstein/
Wittiben/
Frauen auff Kittlau/ Reise/
und Koschwitz;
Wie auch
Denen von Lohensteinischen sämbtlichen
Erben/
(cum plenissimis Titulis &c.)Berühmter Leute Ruhm und Leben zu beschreiben/ erfordert eine grosse Fähigkeit [615] und gelehrte Feder/ nichts minder/ als zu einem herrlichen Antlitze dem Pinsel eines Apelles und Zeuxis, die Unwissenheit dagegen verstellet beydes / und die Verwegenheit machet sich selbst zur Thorheit. Des erstern gebe ich mich schuldig/ das andere geschiehet auff Befehl. Massen ich auff derer Begehren diesen ohnmächtigen Schatten ihres vortrefflichen Eh-Herrens und Vaters vorbilden/ und also mehr meines Blössen dardurch verrathen/ als ihnen ungehorsam seyn/ und den entseeleten Bruder die letzte Pflicht versagen sollen. Die Erd-Messer pflegen durch kleine Punckte und Striche grosse Berge und Ströhme vorzubilden: Ich entschuldige mich mit ihnen auff einige Weise/ wenn ich durch wenig viel bedeutet/ und auff den Uberfluß mit Sparsamkeit gewiesen. Wir thun offters Fremden aus Heucheley zu viel/ den Unsrigen aber vor eigenem Kummer an ihrem [616] Lobe zu wenig. Und mir gehet es fast wie jenem/ welcher in dem Trauer-Spiele/ als über Orestes Aschen klagen solte/ seines eigenen Sohnes Gebeine vor Bekümmernüß auff den Schauplatz brachte: Denn wenn ich ihres Ehe-Herren und seligsten Herrn Vaters Sarg mit dem Andencken berühre, So greiffet mir der Schmertz mit Ihnen auch zugleich in mein mitleidendes Bruder-Hertze; Denn wie solte es möglich seyn: Daß die so unter einem Hertzen gelegen/ nicht einiges Sympatisches Wesen an sich haben/ und des einen vertrocknete Adern/ nicht des andern Empfindlichkeit verursachen solten; Alleine wie wir freylich wohl unsere Natur nicht ändern/ noch die gäntzliche Empfindlichkeit aus uns Menschen tilgen können; So müssen wir uns diese gleichwohl nicht auff verbotene Irrwege leiten/ sondern in allen unsern Leyd-Wesen uns GOtt als [617] vernünfftige Christen führen lassen. Werden wir demnach der Unsrigen Glückseligkeit weiter als im Sarg und Grabe suchen; So werden alle dergleichen Verdüsterungen wie Schuppen von unsern Augen/ und hingegen die himmlischen Erleuchtungen zum Freuden Trost auff unsere Seele fallen. Kayser Marcus wolte niemanden über seines Sohnes Todt bey den Spielen des Jupiters, und Hadrian über seines erkieseten Reichsfolgers Commodus Absterben keinem am Neuen-Jahrstage zu trauren erlauben. Der höchste trockne ebenmäßig die Thränen von ihren Augen/ und verwechsele bey itzigen Neuen-Jahr alle derer zeitliche Trauer-Wolcken in Freuden-Sonnen/ unter deren unauffhörlichen Strahlen ich nebst den Meinigen bin und ersterbe
[618]
Lebens-Lauff.
[Bearbeiten]Gott läst Kinder gebohren werden/ welche Er ihm zu Lichtern seiner Kirchen/ und zu Stützen des Policey-Wesens aussiehet. Insgemein pflegen die Stern-Erfahrnen aus derjenigen/ welche die Vorsorge des Höchsten zu was sonderbahrem gemachet/ sich ereignetem Geburths-Sterne allerhand gute und böse Geheimnüsse zu suchen. Den Weyland WohlEdelgebohrnen/ Gestrengen und hochbenahmten Herrn Daniel Caspar von Lohenstein/ Erb-Herren auff Kittlau/ Reise und Koschwitz/ der Röm. Käyserl. Mayest. Rath und der Königl. Stadt Breßlau Ober-Syndicum empfiengen nicht nur glückliche Geburths-Zeichen/ dafern [619] diesen anders was gewisses zu zuschreiben/ sondern es muste Ihm auch der grosse Gedächtniß-Tag Pauli Bekehrung zu seiner Geburths-Stunde dienen: Damit Er künfftig/ wo nicht im Geistlich- doch Weltlichen Stande ein auserwählter Rüst-Zeug würde: Massen GOtt diese beyde Armen zugleich erfordert/ und nicht weniger den Richterstuhl als die Cantzel versorget wissen will. An diesem Tage und also den 25. Januarii Anno 1635. zwischen 1. und 2. Uhren Nachmittage ist itzt gedachter Herr von Lohenstein von Weyland Titul Herrn Hanß Caspern von Lohenstein/ Rathmannen/ wie auch wohlverordneten Einnehmer der Käyserl. Gefälle zu Nimptsch/ und Frauen Susanna einer gebohrnen Schädelin unter den grösten Krieges-Flammen Schlesiens in der Weichbild-Stadt Nimptsch Brigl. Fürstenthumbs/ auff [620] dem damahligen Fürstlichen Schlosse gebohren worden. Die Unruhe jagte ihn schon unter Mütterlichen Hertzen zur Sicherheit auf ein Fürstliches Schloß/ welchen bey seinem Erwachsthumb Fürsten in dero Rathstuben beruffeten. Die Pflicht seiner lieben Eltern beförderten ihn zur heiligen Wieder-Geburrh/ und der empfangene schöne Name Daniel hat sie nachgehends gelehret: Daß in denen Nahmen offters verborgene Geheimnisse stecken/ und der glückliche Ausschlag ihrer Benennung ihr erstes Absehen weit übertroffen. Nachdem aber kein Mensch/ wie wenige in der Insul Cuba in schöner Arth gefundene Kiesel-Steine/ vollkommen von der Mutter kommt/ ja Socrates selbst/ dem doch die Weißheit vom Himmel zugeschrieben worden/ ein Klotz gebohren ist; Hat seine Kindheit gleichfalls guter Anleit- und Aufferziehung vonnöthen gehabt. Die Erstlinge [621] bis ins siebende Jahr hat er Weyland Herrn Tobiae Jungio, Rectori des Orts den Fortgang aber Titul Herrn M. Klosen/ Herrn M. Valentin Kleinwächtern und Herrn M. Jechnero, allerseits wohlverdienten Rectoribus des Gymnasii zu S. Mar. Magd. in der Kön. Haupt-Stadt Breßlau zu dancken gehabt. Sein allda unermüdeter 9jähriger Fleiß und herrliches Ingenium hat ihn An. 1652 und also im 16te Jahre seines Alters der Universität fähig/ Er aber den Anfang seiner Studiorum Academicorum zu Leipzig gemacht/ allwo er unter andern berühmten Professoribus das Glücke gehabt / den Grossen und durch seine Schrifften in der Welt bekandten Carpzov in Cathedra zu hören. Von dar zohe Ihn der unvergleichliche Lauterbach nach Tübingen/ unter welchem Er eine gelehrte Disputationem Inauguralem de Voluntate mit höchstem Vergnügen der Zuhörer hielt/ das Beywort [622] aber in denen gedruckten Exemplarien aus sonderbaren aus sonderbaren Ursachen nicht zusetzen ließ. Wenn Müh und Kunst der Natur zu hülffe kommt/ so kan sie durch Pfropfung der Bäume/ Versetzung des Zwiebel und Blumwercks/ auch durch gewisse Gläser allerhand Gewächse vor der Zeit reiff machen. Was ist es wunder an dem Herrn von Lohenstein? Welcher gleich einem andern Demosthenes ihm keinen Handwercks-Mann in seiner Werckstat vorkommen ließ/ und mit dem Carneades darüber offt seines Essens vergaß: Daß diese bey seinem geendigten Studio Juridico dem sonst hierzu ausgesetzten Quinquennio zuvorkommen/ um seine Augen und Gemüthe desto eher in Beschauung der Welt/ wie bißher in Büchern/ zu weiden/ weil diese von jener/ gleichwie die Corallen von der Lufft ihre härte/ erst ihre rechte Vollkommenheit erhalten. Er beschauete dannenhero anfänglich [623] das Römische Reich/ als den Kern Europens/ die darinnen befindlichen Chur und Fürstlichen Höfe insonderheit An. 1654 zu Regenspurg die damahls Anwesend hochansehnliche Reichs-Versammlung. Von da wendete Er sich mit Beschauung eines grossen Theils der Schweitz auf dem angenehmen Rheinstrohme vollends in die vereinigten Niederlande/ in welchen Er sich die herrlichen Städte/ am meisten aber die Gelehrten Leute zu Leiden und Utrecht eine Zeitlang auffhalten ließ. An statt aber / daß Er in der zurück Reise über Hamburg sein geliebtes Vaterland glücklich wieder zu finden vermeinet; Hätte Er bey nahe durch einen auff denen Wassern erlittenen hefftigen Sturm / darinnen 13. Schiffe vor seinen Augen zu Grunde gegangen / und das eintzige/ worauff Er gewesen/ durch göttliche Schickung errettet worden / das Ende seiner Reise und zugleich auch seines [624] Lebens finden sollen. Alleine dieser Ario Lesbius ließ mit diesen sinckenden Schiffen nicht zugleich allen Trost sincken/ und ob sich ihm zwar kein Delphin zur Uberfarth zeigte, setzte er doch seine Anckerfeste Hoffnung mit hertzlichem Gebethe allein auff die Hülffe seines GOttes/ welcher ihn nicht so bald seines Vaterlandes/ noch das Vaterland eines so schätzbaren Sohnes benehmen wolte/ sondern führete ihn aus dieser Augenscheinlichen Lebens-Gefahr an die berühmten Hansee-Städte/ endlich wieder glücklich nach Breßlau. Allwo sich ihm inn- und ausländische Beförderungen zeigeten; Die Jugend aber und die Begierde Welschland und Franckreich vollends zu besehen/ (deren Sprachen er nebst der Spanischen/ wie Scaliger, Muretus und Calaubonus ihre andere Gelehrsamkeit/ fast ohn jemandes Anleitung mit jedermands gröster Verwunderung erlernet) schlugen solche [625] damahl aus/ wendete sich auch hierauf gegen Italien/ die graßierende Pest aber hieß ihn zu Grätz in Stäuermarck wieder nacher Wien kehren/ besahe damals zugleich ein groß Theil Ungerlandes/ und bezeigete sich im Zurück ruffen/ wie vorhin allezeit/ auch diesesmahl seinem Herrn Vater gehorsam. Darauff Er denn kurtz durch Studien und Reisen angezielte Früchte seiner endlichen Vergnügung durch glückliche Verheyrathung an Titul die itzt verwittibte Frau Elisabeth von Lohenstein/ geb. Heermannin/ Frau auff Kittlau/Reise/ und Koschwitz ein erndtete/ welche ihm Anno 1657den 16. Octobr. Durch priesterliche Hand in Breßlau übergeben ward. Der Höchste segnete diese mit Ihm angefangene vollkommene Ehe durch glückliche Geburth dreyer Theils nach Wunsch und Vergnügen ausgesetzter Adelichen [626] Frauen und Jungfrau Töchter nebst einem Hoffnungs vollem Sohne. Wie nun GOtt durch so Adeliche Zweige sein Adeliches Hauß gekröhnet/ denn die Ehe ohne Kinder ist wie ein Tag ohne Sonne/ ein Garten ohne Blumen/ und ein Baum ohne Früchte; Also schlugen auch seine dem Vaterlande und vielen Menschen gewidmete Dienste jederzeit nach Wunsch aus/ der Hoch-Fürstl. Würtenbergl. Oelnische Regierungs-Saal ist Zeuge/was er Fruchtbarliches vor dero Hoch-Fürstliches Hauß und dero gantzes Fürstenthum in währenden seinem alldar geführten Charactere gethan. Seine Meriten verursachen unter Hohen gleichsam ein Vorrecht an ihm zu suchen / biß er sich endlich der Stadt Breßlau als der Landes-Mutter/ wie einem treuen Landes-Kinde zustehet/ am meisten verbunden zu sein bestand. Seine dieser Königl. Stadt geleisteten Syndicat-Dien[627] ste braucht keiner Erzehlung/ das allgemeine Anliegen ihn aber wohl/ wie vorhin etliche mahl andere wichtige Affairen/ nach Wien an dem Käyserl. Hof zu schicken. Der Ausschlag hat hoffentlich seine Verrichtungen gekrönet/ und viel Ausländer/ die Ihn so wenig von Person als Demetrius den Hermogenes gekennet/ erfahren: Daß Schlesien noch Leute habe/ welche denen Sinesern wohl ein Auge der Klugheit lehnen/ und doch noch scharffsinnig gnug seyn könten. Weßwegen ihm denn der Allergnädigsten Käyserlichen Ernennung zu dero Rath unter andern auch der Nahme seiner fürtreflichen Qualitäten zum Bewegnüß-Grunde angeführet worden. Dem Rath-Hause/ dem Er vornehmlich gewidmet/ dienet Er des Tages auch offters mit Nachsetzung seiner Gesundheit; Die Nächte brachte Er mehr mit Sorgen als Schlaffen zu / es ahnete Ihm gleichsam: Daß Er [628] ohne dem noch zu früh zur Ruhe kommen würde. Was ihm übrig blieb gönnete Er zum Theil unserer gebundenen reinen Mutter-Sprache/ darunter Cleopatra, Agrippina, Epicharis, Sophonisbe und Ibrahim nebst seinen geistlichen Gedancken und die Lobschrifft des letzten vortreflichsten Brigischen Hetzogs George Willhelms gnugsames Zeugniß geben kan. Der Scharffsinnige und von allen Wissenschafften angefüllete Arminius aber wird ihm/ wenn Er auch schon Staub und Asche seyn wird/ bey erlangtem Tages-Lichte vor aller Nachwelt das Lebens-Licht wieder anzünden. Der Ausschlag vieler schweren und hohen Rechts-Sachen hat gewiesen: Daß er ein ander Papinianus und vollkommener Jurist; Die mehrmalige offentlichen Trauer-Reden: Daß Er ein ander Demosthenes und Aristides; Der Käyserliche und Fürstliche Höfe/ daß Er ein [629] vollkommener Staats-Mann gewesen: Sein 48. Jahr und 14. Wochen Gottseelig geführter Lebens-Wandel: Daß Er ein guter Christ gelebet und gestorben. Ob zwar plötzlich den 28. Aprilis um 12. Uhr zu Mittage des 1683-zigsten Jahres durch einen unvermuteten Schlag-Fluß/ doch seelig: Denn es ist unmöglich/ daß der/ welcher seinem GOtt und Käyser treu/ der heiligen Gerechtigkeit und dem Vaterlande beförderlich/ dem Nechsten dienstlich gewesen/ anders als seelig sterben könne. Ist Er denn seelig/ wie Er denn ist= So hat Er zwar nicht unserer vergänglichen Thränen/ wir aber wohl seiner verewigten Herrligkeit vonnöthen.