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Kunstnachrichten aus Dresden

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Zo.
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Titel: Kunstnachrichten aus Dresden.
Untertitel:
aus: Literarisches Conversations-Blatt, Nr. 122
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1822
Verlag: Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig
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Kunstnachrichten aus Dresden.
An den Herausgeber.

Friedrich, der geniale Landschaftdichter, hat Kügelgen’s Wittwe ein tiefempfundnes Gemälde zum Andenken verehrt, das Denkmal ihres verklärten Gatten. Abendhimmels-Schein durch das Pfortengitter des Kirchhofs und über der Mauer, wehmüthig ernste Anordnung des Ganzen, durchsichtig zart entsproßne Bäume, die Gräber umher, wie sie sich wirklich von diesem Standpunct aus gruppiren, und über dem Bild des Todes, des Hinscheidens, der Verwesung den Stern der Hoffnung und der Liebe, ahnungsvoll hindeutend auf ein schönres Seyn.

Eine der seltsamsten und ansprechendsten Compositionen Friedrich’s erschien uns die des Eisbruchs im Meere, kühnes Farbenspiel, schöne Transparenz der phantastisch und chaotisch durcheinander geworfnen Massen, und Luft, wie sie nur Friedrich malt.

Philipp Veit’s Judith ist vor einigen Monaten bei ihrem kunstschützenden Besitzer, Herrn von Quandt, ungefährdet aus Rom angelangt. Dies Gemälde ist eine der würdigsten Zierden der Sammlung, die bereits so reich und gehaltvoll ist, daß sie einige Beschreibung verdiente. Die Judith ist schöner gedacht, als wir irgend eine aus älterer oder neuerer Zeit gesehn. Als Priesterin, welche der Gottheit das Opfer gebracht, steht sie in stiller Demuth und unbewußter Hoheit da, das Schwert über die Schulter gelehnt, das gewaltige Haupt, wo Todesblässe und Heldenschönheit in wunderbarem Einklang verschmolzen sind, in der Linken. Die Alte schaut sie fragend an: Bist du es, durch die dies vollbracht? Mir schaudert vor dir, denn durch ein Höheres in dir, als du, ist dies geschehen! Diese Worte stehen in dem entgeisterten Blick geschrieben. Drapperie, Anordnung, Stellung sind so großartig als edel und untadelhaft. Der linke Arm könnte etwas länger seyn, die Hände sind vortrefflich, und die Einzelnheiten alle im Entwurf kühn, sicher und zweckmäßig.

Daß Philipp Veit die Umrisse umschreibt, die Carnation schroff behandelt, als wäre das Bild schon nachgedunkelt, kurz, dies Bild mehr geschrieben, möchte man sagen, als gemalt, kann Referent nicht loben. Der Geist der allen Italiener und Deutschen entweicht gewiß nicht aus dem Bilde, in welchem die ganze Behandlung naturgemäß, sorgfältig und liebevoll ist, und auch nur eine Zeit dieser Art des Strebens gab es, die der frühsten Entwickelung. Die Bellini, Palma Vecchio, Giorgione, Francesco Framda, Pempino, Mantegna, die Van Dyk, Schoreel, Albrecht Dürer malten anders, Fleisch mußte Fleisch seyn, und das Wellenspiel der Schatten und Lichter auf der menschlichen Bildung in all seinen Harmonieen ist die lieblichste und tiefste der Erscheinung und einer der würdigsten Gegenstände des Studiums des denkenden Künstlers.

Ref. nennt heute aus Hrn. v. Quandt’s reicher Sammlung nur noch den Ottowalder Grund vom jungen Götzloff, der jetzt nach Italien abgegangen. Dies ganz herrliche, tadellose und überraschend liebliche Gemälde, aus der Natur gegriffen mit Kraft und Liebe, und festgehalten mit der innigsten Gluth des Strebens, verheißt uns in diesem jungen Mann den künftigen ersten Landschafter seiner Zeit. Hier ist Wahrheit, doch die lieblichste und gedankenreichste; nichts ist buchstabiert, nichts gepinselt, und selbst das kleinste Blümchen dieser Zauberflur steht in seiner holdesten Eigenthümlichkeit da, und dieser Sonnenblick, der den blumenreichen Rasen und einzelne Felsmassen, so wie die wehenden, schlanken Birken verklärt, leuchtet im Herzen wieder. Das selige Walten, Blühen und Grünen des eben erwähnten Frühlings durchströmt das Bild, und es wird einheimisch in des Beschauers Seele.

Ref. hat die Skizze zu diesem Gemälde gesehen, die mit eben den Reizen in der Anlage geschmückt ist. Hr. von Quandt besitzt noch einige vorzügliche Arbeiten dieses Künstlers, dessen gediegene Leistungen eine so reiche Zukunft verheißen.

Oechs aus Mietau, der treffliche Künstler, hält sich seit einiger Zeit hier auf. Sein eigentliches Geburtsland ist das herrliche Schwaben, doch ist er in Kurland einheimisch geworden. Alle seine Arbeiten sind von einer Vollendung, die durchaus mit nichts anderem dieser Art zu vergleichen ist. Auf großen Elfenbeinplatten und auf Pergament bringt er die volle Wirkung des Oelgemäldes mit Wasserfarben hervor. Der Grund ist ganz gedeckt, und die Behandlung so saftig, gesättigt und transparent zugleich, daß weder Isabey, noch Augustin, noch der nach dieser Vollendung ringende treffliche Miniaturmaler Saint sich in dieser Rücksicht neben Oechs stellen können. Oechs beschäftigt sich theils mit Bildniß, theils mit eignen Compositionen, theils auch mit Copieen nach alten Meistern. Zu seinen trefflichsten eignen Erfindungen gehört eine Sibylle, im Besitz des Hrn. K. Krankling aus Kurland, [486] eines hier privatisirenden Gelehrten, sodann eine orientalische Sibylle, und das launige Gesicht Eulenböck’s aus Tieck’s gediegener Novelle: Die Gemälde, im Gleditsch’schen Taschenbuch zum geselligen Vergnügen 1822. Letzteres ist ein Meisterstück, das auch den Unbefangensten ansprechen muß, der keine Idee von Kunst hat, denn es ist wunderbar tief aus dem Leben gegriffen und von der geistvollsten Behandlung. Tieck selbst hat Oechs zweimal gesessen. Das zweite Bild ist von der höchsten technischen Vollendung, Geist und Ausdruck des Dichters so wahr und tiefsinnig aufgestellt, daß man erstaunt, bis zum Erschrecken lebendig wird das Bild, wenn man es eine Weile fixirt. Das tüchtige und unnennbar kräftige Streben des wackern Oechs in einer Zeit, wo so viele in dieser Art der Malerei, die etwas besseres könnten, es nicht zu wollen scheinen, verdient Anerkennung und Würdigung. Die Liebe, mit der er alle Details behandelt, die Wahrheit, die Großartigkeit bei der gediegenen Vollendung bis in das Kleinste hinein, sind nicht genug zu preisen. Referent nennt noch zu den schönen eignen Erfindungen des sinnigen und geehrten Meisters seine Mignon nach Göthe, mit einer Gluth und Liebe aufgefaßt, die das tiefste Herz des Beschauers ergreift. Ganz vergißt man bei Oechs Meisterwerken, das sie Miniatur sind, denn alles ist plastisch, und alles harmonisch, und wahre Schöpfungsgluth lebt in ihnen.

Vieles bliebe noch zu berichten, zu berühren; Ref. nennt Ihnen nur noch das Neueste, die Fresko-Gemälde des würdigen Professors Carl Vogel im Königssaal des neuangebauten Flügels im Schlosse zu Pillnitz.

Bereits sind vier vollendet, schräg in den Ecken angebracht an der obern Wölbung, leicht und kühn hervorschauend aus ihrem vollen Blumenkranz und dem goldnen Rande auf luftblauem Grunde: die vier Elemente der Künste, Poesie, Liebe, Anmuth, Philosophie. Vier andere, erst entworfene Darstellungen, werden dann die Künste selbst mit ihren Genien und mit den Bildnissen der erhabensten Meister darstellen. Das Ganze ist so sinnig, so tief durchdacht, so klar durchsonnt und gereift, wie noch je das Werk eines hohen Meisters gewesen, und würdig steht es Allem zur Seite, was es jemals Großartiges, Schönes und Liebliches gab. Die Anordnung des ganzen Baues der von oben beleuchteten Rotonde, die Sinnigkeit aller Verzierungen (der Bau ist ein Werk des gelehrten, vielseitig gebildeten und in jeder Hinsicht verehrungswerthen Hofarchitekt Schurig) – Alles steht in würdigem Einklang mit der Herrlichkeit der den Saal ausschmückenden Arbeit von des Meisters Hand. Nur daß die Säulen Ref. etwas zu stark erschienen, und das etwas grelle, dunkle Gelb der Masse, die sie vorstellen, zu dem Effect der übrigen sanften Färbung in Blau und Weiß nicht ganz günstig gewählt erscheint.

Die Figuren auf den vier Freskogemälden sind alle sehr glücklich schwebend dargestellt, die drei Grazien sind von ihrem luftigen Schleier, der sich phantastisch um sie der schlingt, wie von zarten Fittigen getragen; die Poesie, ein himmlisch schönes Gebilde, hebt sich in der Sternenglorie und der ihrem Haupte entsprießenden Lorbeerkrone selig empor, umflügelt von den süßesten Engeln greift sie, gen Himmel blickend, in die Saiten der herrlichen Lyra; die Philosophie, Sibyllinisch und priesterlich von der Stirnbinde umwunden, hat einen Genius, der in ein Buch sinnend blickt, einen andern, der hinauf schaut nach Erkenntniß und Wahrheit, zur Seite schweben; die Liebe ist mit drei Genien umflügelt, einen küßt sie, den andern leitet sie, den dritten nährt sie an ihrer Brust, und ihr süßer Blick schaut nach der Heimat auf, der sie zuschwebt. Wer mit Kunstkenntniß und Schönheitssinn diese Gebilde anschaut, erstaunt ob der ätherischen Leichtigkeit der Gruppen, der Kühnheit der Zeichnung, der Trefflichkeit der Behandlung, der antiken Schönheit der Drapperie und Anordnung, der Harmonie der Zusammenstellung und Färbung, und der Sicherheit und Besonnenheit, mit welcher der Raum benutzt ist, der, schräg und in die Ecken hinein sich wölbend, als umgekehrte Piramide nach unten spitz zulaufend, äußerst schwierig zu benutzen war. Wie müßte sich Cornelius freuen, wenn er, der Gleiches auf gleichem Wege erstrebt und erringt, dies entzückende Ganze, so reich in der Einheit und so einfach im Reichthum erblickte!

Wenn die vier großen Wandgemälde fertig seyn werden, zu deren Vollendung die leider ungünstigen kalten, kurzen und feuchten Tage des Herbstes bestimmt sind, so wie diesen März begonnen, dann warten Sie auf nähere Nachricht. Des Königs Aufenthalt in Pillnitz vom 8ten Mai bis im Herbst verhindert, daß die schönen Sommertage zur Ausführung von Kunstwerken benutzt werden, denen jede Begünstigung von außen her zu ihrer Entwickelung zu wünschen wäre! Daß das drei und fünfzigste Jahr der gesegneten Regierung Friedrich August’s mit einem so seltnen und so vollendeten Erzeugniß hoher Kunstfertigkeit und weiser, liebevoller Erfindung bezeichnet wird, ist eine Immortelle in des königlichen Greises Kranz, die gewiß sein innerstes Herz mit ihrem Duft erquickt. Möge er sich lange und vollkommen ungestört des Ganzen erfreuen, wenn es vollendet da stehen wird, ein Denkmal seiner Liebe zum Schönen und Guten!


Die allgemeinste und liebevollste Anerkennung verdient die neue Sammlung der 20 radirten Blätter des wackern Landschafters Johann Philipp Veit hierselbst. Dieser gediegene, herrliche Künstler, so tüchtig und liebevoll in seinen Bestrebungen, so wahr und treu in seinen Darstellungen, so anspruchslos und einfach in der Auffassung und so kunstvoll in der Ausführung, ist gleichfalls einer von den besten und verdienstvollsten Künstlern der Zeit, für die Niemand in die Posaune stößt, eben, weil das ihrer unwürdig wäre, und weil sie so schlicht und still durch das Leben gehen, nicht rechts noch links schauen, und nicht um Beifall mit [487] feiler Seele buhlen, auch zu bescheiden in ihren Anforderungen sind, um die Prahlsucht zu reizen, die nur das Theure schätzt, weil sie gern mit dem schwer erkauften prunkt. Diese 20 radirten Blätter, theils vaterländische, theils fremde Gegenden unübertrefflich wahr und sinnig darstellend, kosten freilich nur 3 Thaler auf Unterzeichnung. Möchten sie, die sich in der Ausführung nur Haldenwang’s Arbeiten zur Seite stellen lassen, und, als selbst vom Künstler, der sie stach, gezeichnet, ein höheres Interesse noch darbieten, vertausendfältigt werden können, um den Drang danach, der bei ihrer weitern Ausbreitung erwachen muß, zu befriedigen! Diese durchschimmernde Behandlung, diese Sicherheit, dieser Fleiß, diese Eigenthümlichkeit sind seltne und unendlich schätzbare Ausstattung von Kunstwerken dieser Art, und ihre Treue der dargestellten Gegenstände macht sie classisch und verleiht ihnen bleibenden Werth, so wie die Wahl der Gesichtpuncte von sinnig liebevollem Gefühl für die Statur zeugt.

Sollten diese neuen 20 Blätter von Johann Philipp Veit noch nicht in Ihren Händen seyn, so eilen Sie, sich und Ihren kunstliebenden Mitbürgern diesen Genuß zu verschaffen.

Zo.