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Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948

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Autor: Hans Brass
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Titel: Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948
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Entstehungsdatum: 1945 bis 1948
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Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948
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Einführung

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Der Artikel Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948“ zusammengestellten Tagebuchauszüge. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Vorwort von Stefan Isensee zu seiner Auswahl von Tagebuchauszügen zum Thema „Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948“

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Die hier vorliegenden Auszüge aus dem Tagebuch des Malers Hans Brass umfassen die Zeit von Ende 1945 bis Anfang 1948. Brass, der während der Nazizeit als „entarteter“ Künstler mit Malverbot belegt war, hatte schon im Juni 1944, als das baldige Ende des Krieges und damit der Naziherrschaft sicher schien, wieder zu malen begonnen. Nun konnte er sich darauf vorbereiten, seine neuen Bilder öffentlich zu zeigen, zunächst im Sommer 1946 in der „Bunten Stube“, dem seit den zwanziger Jahren bekannten Geschäft für Kunstgewerbe, Alltags- und Badebedarf in dem beliebten Künstler- und Badeort Ahrenshoop an der Ostsee, wo er die Kriegszeit verbracht hatte. Über das persönliche Schicksal des Malers Brass hinaus sind hier zeit- und kulturgeschichtlich hochinteressante Entwicklungen im Deutschland der Nachkriegszeit von einem aktiv beteiligten Zeitzeugen festgehalten. Das waren zunächst die Gründung und die ersten tastenden Schritte des „Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ in dem traditionsreichen Malerort, begleitet von den ersten Kunstausstellungen in Ahrenshoop nach dem Krieg in der „Bunten Stube“ sowie im „Kunstkaten“ (Siehe auch Franziska Lietzmann, Vier mal vier Meter für die Kunst. Zu den Ausstellungen in der Bunten Stube Ahrenshoop, http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2024/8677, S. 41 ff.). Sodann finden wir eine detaillierte, spannende Beschreibung der Ereignisse um die große Brass-Ausstellung Ende 1946 im Mecklenburgischen Landesmuseum in Schwerin 1946. In dieser Zeit gab es deutschlandweit, in allen Besatzungszonen, Bemühungen großer und kleiner Museen, in den Kunstzentren wie in der Provinz, sozusagen als Wiedergutmachung für die Unterdrückung durch die Nazis Ausstellungen mit Werken der „entarteten Künstler“, vor allem des Expressionismus, zu veranstalten. Diese erfuhren, mit unterschiedlichen Begründungen, in Ost wie in West beträchtlichen Widerstand. Erst in neuerer Zeit hat sich die Kunstgeschichte mit diesem Phänomen befasst (siehe die hervorragende Darstellung in: Maike Steinkamp, Das unerwünschte Erbe, Schriften der Forschungsstelle „Entartete Kunst“, Band II, Akademie-Verlag, Berlin 2008). Die Schweriner Ausstellung erregte über Wochen hinweg eine erbitterte kulturpolitische Debatte in der gesamten Mecklenburg-Vorpommerschen Presse. So namhafte Schriftsteller wie Ehm Welk und Willi Bredel ergriffen mehrfach für und wider Brass und den Expressionismus Partei. Danach geriet das Ereignis jedoch in völlige Vergessenheit, selbst die heutige Museumsleitung ist an diesem Detail ihrer Museumsgeschichte nicht interessiert. Schließlich sind noch die Ereignisse des Sommers 1947 hervorzuheben. Der „Kulturbund“ veranstaltete in Ahrenshoop eine „Sommerakademie“ für junge Funktionäre, die aus ganz Deutschland zusammengekommen waren. Hier wurden entscheidende Grundfragen für einen demokratischen Neuanfang in der deutschen Kulturpolitik sehr kontrovers diskutiert. Maßgeblich beteiligt war kein geringerer als der expressionistische Dichter und spätere Kulturminister der DDR, Johannes R. Becher, Referenten waren u.a. Klaus Gysi, Adolf Behne, Hans-Georg Gadamer (siehe hierzu: Ulrich v. Bülow, Ahrenshooper Sommerakademie 1947, in: Hellmut Seemann u. Ulrich v. Bülow [Hrsg.], Intelligenzbad Ahrenshoop, Zeitschrift für Ideengeschichte, Heft 12/II, 2018, S. 38 ff). Brass, der mit der Ausstellung seiner neuen Werke in der Bunten Stube natürlich das durchaus widerstreitende Interesse auch der Tagungsteilnehmer erregte, hält mit seinen Beobachtungen interessante Aspekte dieses bedeutsamen Ereignisses fest.

Stefan Isensee

Potsdam, 1. November 2024

Tagebuchauszüge

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[1101]
Montag, 26. Nov. 1945.     

[...] [1101]      Heute vormittag habe ich die ersten Schritte unternommen, um wieder zum Malen zu kommen. Ich habe alte Bilder vorgeholt, um die Keilrahmen neu zu verwenden, oder sie von Papenhagen passend zurechtschneiden zu lassen. Martha hat mir ein schönes Stück Leinewand gegeben, das ich für eine etwas größere Landschaft verwenden will. Für die anderen Bilder, die ich vorhabe, will ich die Rückseiten alter Bilder verwenden. Ich habe mir fünf Bilder vorgenommen, alles solche, die ich im vorigen Jahre bereits gemalt habe, die aber meiner Meinung nach noch nicht die letzte Fassung sind. Ich habe alle diese Bilder in diesen letzten Wochen oder gar Monaten im Geiste durchgearbeitet u. hoffe, etwas Gutes zu schaffen. – [...]

[1102]
Freitag, 7. Dezember 1945.     

[...] [1102]      Heute habe ich, bzw. Martha, meine schwarze Hose an den Sergeanten von Monheim verkauft. Er gab 450,– Mark in Alliiertem=Geld, 26 polnische Sloty u. 10 Tscherwonez. Wieviel das zusammen ist, weiß ich nicht. Die Hose war der Rest meines Smoking-Anzuges u. mindestens 20 Jahre alt, aber noch sehr gut, da ich sie sehr selten getragen habe. Der Sergeant versprach außerdem ein Stück Schweinefleisch, das er allerdings erst bringen will. Ich bin neugierig, ob er es tut.

     Es ist über Nacht Winter geworden. Es ist seit heute früh 1° Kälte u. diese Temperatur hält sich auch jetzt um 2 Uhr noch auf gleicher Höhe. Es hat über Nacht u. heute Vormittag bei leichtem Ostwind geschneit u. die Kinder haben ihre Schlitten vorgeholt. [...]

[1103]
Sonnabend, 8. Dezember 1945.     

[...] [1103]      Heute brachte mir Gräff Grundierfarbe. Ich will heute Nachmittag die Bilder grundieren u. Montag anfangen, zu malen. Auch Papenhagen hat mir den fünften Keilrahmen gebracht. [...]

[1103]
Sonntag, 9. Dezember 1945.     

[...] [1103]      Gestern habe ich die Leinewände grundiert. Die große Leinewand ist leider nicht ganz glatt geworden, weil darin zweierlei Material verwebt worden ist, daß verschieden aufgetrocknet ist. Ich habe versucht, den Rahmen auszukeilen u. es ist auch besser geworden, aber nicht einwandfrei. Ich hoffe, daß sich die Leinewand während des Malens langsam von selbst glattziehen wird. [...]

[1103]
Montag, 10. Dezember 1945.     

[...] [1103]      Heute habe ich endlich mit Malen begonnen. Ich habe zuerst das große Bild angefangen: flammend gelber Himmel, Meer – Kobaltblau – violett – gelb, Vordergrund gelb – rot – bis ins Braun. Davor über das ganze Bild hin ein Ast einer Krüppelkiefer. Das Bild ist in seiner Komposition verblüffend einfach u. so durchdacht, daß jeder Pinselstrich sitzt. Die Wochen, in denen ich täglich fast stets von 5 – 9 Uhr im Dunklen gesessen habe u. über dieses u. die anderen Bilder nachgedacht habe, machen sich jetzt [1104] bemerkbar. Jede Form u. jede Farbe ist genau durchdacht u. es gibt nun beim Malen nicht die lästigen Probleme, die sonst erst während der Arbeit gelöst werden müssen u. oft eben nicht gelöst werden. Die Grundierfarbe, die mir Gräff zurechtgemacht hat, ist ausgezeichnet, es malt sich sehr leicht darauf. [...]

[1105]
Sonntag „Gaudete!“ 16. Dez. 1945.     

[...] [1106]      In dieser Woche hatte Martha viele Auseinandersetzungen mit dem sog. Antifaschistischen Ausschuß, der sich bemüßigt fühlt, für die Flüchtlinge zu Weihnachten etwas zu tun. Anstatt sich nun mit Martha in Verbindung zu setzen, die doch nun seit Jahren hier das Weihnachtsfest sozial organisiert, ist dieser Ausschuß unter Führung von Herrn Dr. Ziel u. Herrn v. Achenbach stur. Sie meinen, die BuStu. sei eine Privatsache, ihre Weihnachts=Aktion aber sei amtlich u. offiziell u. dürfe sich nicht mit Privatpersonen verbinden. Es offenbart sich da der ganze, sture, deutsche Amts=Standpunkt, diese dumme Arroganz beamteter Personen, die zu erhaben über die Fach= u. Sachkenntnisse von Privatpersonen sind, als daß sie sich ihrer bedienen würden. Dabei ist dieser sog. Ausschuß überhaupt garkeine amtlicher Organisation, er maßt sich nur amtliche Eigenschaften an. Der Ausschuß veranstaltet nun für sich eine Sammlung von Geld u. Sachen für Flüchtlinge, d.h., er läßt andere spenden, um sich dann mit dieser Spende dicke zu tun. Die gespendeten Gelder u. Sachen sollen die Flüchtlingen dann möglichst sang= u. klanglos zugestellt werden, denn Frau Burgartz, die mehrfach bei Martha war, um darüber zu reden, meinte, sie sei ein prosaischer Mensch u. habe keinen Sinn für Poesie, d.h. für Weihnachten. So kommt es also, daß Martha nun ihre Weihnachts=Aktion privat für sich allein durchführen wird, ebenso wird der Antifasch. Ausschuß seine Aktion durchführen, u. endlich wird Frau Marie Seeberg noch ein Krippenspiel für sich allein veranstalten. Also ganz deutsch: jeder für sich. – [...]

[1107]
Montag, 17. Dezember 1945.     

[...] [1107]      Am Vormittag war Peter Erichson aus Rostock da. Er ist schon seit einigen Tagen hier, war aber bisher unsichtbar. Er spielt natürlich im Kulturbund zur demokrat. Erneuerung in Rostock eine beachtliche Rolle. Seine Druckerei ist die einzige in Rostock, die von den Russen nicht angefaßt worden ist. Er sagte mir, daß im Hause des Kulturbundes vier Betten bereit stehen für Leute, die von auswärts kommen. Es gibt dazu Frühstück u. Lebensmittel=Karten, daß man Essen gehen kann. Ueberhaupt würde für Künstler das Aeußerste getan, auch Materialbeschaffung sei jetzt in Angriff genommen. Auch sagte er mir, daß jeder Künstler, der zur Sektion bildende Kunst im Kulturbunde gehört, automatisch Anspruch hat für die Schwerarbeiter-Lebensmittelkarte. Das war mir sehr wissenswert. Er sagte weiter, daß er in der nächsten Woche mit dem Geschäftsführer der Sektion hierher kommen würde, der Herr würde mir dann seinen Besuch machen. Es ist ein merkwürdig angenehmes Gefühl, daß ich jetzt plötzlich nicht mehr ganz allein dazustehen scheine, sondern daß es Leute gibt, die Wert darauf legen, daß ich als Künstler zu ihnen gehöre. So mag sich zum Schluß mein Jugendtraum von Künstlertum u. Kameradschaft vielleicht doch noch verwirklichen, nachdem ich daran bereits längst nicht mehr gedacht habe. [...]

[1107]
Mittwoch, 19. Dezember 1945.     

[...] [1108] daß die Westmächte keinesfalls gewillt sind, das von ihnen gehütete Geheimnis der Atombombe preiszugeben. Ueber diese wird sehr viel gesprochen. Es scheint, als läge in dieser Erfindung eine ganz unermeßliche Gefahr für die ganze Welt, u. in der Tat: wer dieses Geheimnis besitzt, ist damit der Mächtigste. Es fragt sich nur, wie lange dieses Geheimnis geheim gehalten werden kann. Wenn zwei Gegner beide dieses Geheimnis besitzen, dann ist der der Mächtigste, welcher in der Lage ist, den anderen unversehens zu überfallen, in der Art, wie Japan es bei Pearl Harbur machte. Die Anwendung dieser Bombe aber bedeutet radikale Vernichtung. Die Atombombe in der Hand der Bolschewisten [1109] dürfte dann in der Tat den Untergang der ganzen civilisierten Welt bedeuten, – aber wohl auch Rußlands selbst. Es sind das grauenvolle Perspektiven u. man denkt dabei nicht bloß an den Untergang des Abendlandes, sondern der ganzen Welt in ihrer jetzigen Gestalt. Es ist kein Wunder, daß die Staatsmänner der Westmächte mit höchster Sorge vor diesen Problemen stehen, aber eigenartig ist es, zu sehen, wie nur einige wenige Menschen wissend genug sind, um sich diese Sorgen überhaupt zu machen, die Masse der Menschen der ganzen Welt lebt sorglos dahin, obgleich die ganze Welt auf einem riesigen Pulverfaß sitzt. [...]

[1109]
Donnerstag, 20. Dezember 1945.     

[1109]      Heute wurde das Bild fertig. Ich bin sehr zufrieden. Grade eine Woche lang habe ich daran gemalt, doch muß man dazu rechnen, daß ich das Bild ja schon in kleinem Format u. unzureichend im vorigen Herbst gemalt habe u. außerdem in den täglichen langen Dunkelstunden reiflich durchdacht habe.

     Frau v. Achenbach war bei Martha u. hat nun endlich erklärt, warum ihr Mann sich so eigenartig benimmt. Als nämlich im Frühjahr die Anordnung herauskam, daß alle Menschen, die nicht nach Ahrenshoop gehören, den Ort verlassen müßten, habe ich natürlich auch Frau v. A. eine Aufforderung zugehen lassen, Ahrenshoop zu verlassen. Als sie dieser Aufforderung nicht nachkam, habe ich das mit Stillschweigen übergangen u. so getan, als hätte ich es nicht bemerkt. Herr v. A., anstatt diese meine freundliche Haltung anzuerkennen, ist vielmehr tödlich beleidigt, daß ich damals seine Frau, – er selbst war noch nicht hier –, überhaupt aufgefordert habe, Ahrenshoop zu verlassen. Ich glaube, daß dieser Herr damit vollauf gekennzeichnet ist. [...]

[1110]
Mittwoch, 26. Dezember 1945.     

[...] [1110] Auf dem Tisch stand eine kleine Vase mit einigen weißen Winterastern u. einigen kleinen Tannenzweigen, die in der matten Akku-Beleuchtung ganz entzückend aussahen. Ich holte einen Zeichenblock u. Kreide u. machte ein Skizze davon, die gleich die Natur so weit übertrug, daß ich glaube, danach ohne weiteres ein Bild malen zu können. [...]

[1110] Martha brachte sogar eine veritable Bescherung zustande, indem sie aus Beständen der BuStu eine Papierschere mir Falzmesser, die ich so notwendig brauche, ferner eine Taschenuhr noch gefunden hatte, eine von den billigen Uhren, die wir früher einmal für die Sommergäste verkauften, um die eigenen Uhren zu schonen, die am Strande versanden. Diese Uhren gehen aber vorzüglich. Nachdem drei Uhren von mir, die Borchers zur Reparatur gehabt hatte, von den Russen gestohlen worden waren u. alles, was ich nun noch an Uhren [1111] besaß, unzuverlässig oder ganz kaputt war, ist dies ein sehr willkommenes Geschenk. Ferner hatte M. auch noch einen kleinen Reisewecker gefunden, dazu noch zwei Paar wollene Socken, ein Stück Seife, und – das Erfreulichste: eine Kiste Zigarren, keine sehr hervorragende Qualität, aber schön groß von Format, wie ich sie so liebe. Diese Zigarren waren bei Fritz im Zimmer gewesen u. trugen den Vermerk: Für Oha von Fritz zu Weihnachten 1942. Sie waren damals vergessen worden u. nun wieder aufgetaucht u. nun eine ganz große Freude. – Mir selbst war es nur gelungen, ein Stück Speck im Tausch gegen Tabak für Martha aufzutreiben. [...]

[1111] Nachher machte ich eine Kreideskizze von unserer Krippe, die ebenfalls so fertig ist, daß ich glaube, ohne weiteres daraus ein Bild machen zu können. Es scheint tatsächlich bei mir etwas ganz Neues eingetreten zu sein: die künstlerische Produktion verläuft mühelos u. ohne mühseliges Ringen mit Problemen. Es wäre ja wunderbar, wenn ich nun wirklich dahin kommen sollte, mit Vergnügen zu malen. Die maßlose Anstrengung, die mir das Malen früher bereitet hat u. die bis zur völligen körperlichen Erschöpfung ging, scheint einer bisher nie gekannten Leichtigkeit gewichen zu sein. [...]

[1111]      Vom Kulturbund, Sektion für bildende Kunst, erhielt ich Nachricht auf meine Anfrage betr. Lebensmittel Karten. [1112] Danach steht den bildenden Künstlern nur die Arbeiterkarte zu, nicht die Schwerarbeiterkarte. Hoffentlich wird das den Gemeinden nicht amtlich mitgeteilt, denn dann gehe ich meiner Schwerarbeiterkarte wieder verlustig. Ferner teilt mir die Sektion mit, daß ich nun doch Arbeiten oder Reproduktionen von solchen der Sektion einreichen müsse zwecks Aufnahme in die Sektion. Ich ersehe daraus, daß ich bisher lediglich in den„Kulturbund“ aufgenommen bin, nicht aber in die „Sektion für bildende Künste“, was natürlich allein von Wichtigheit ist für mich. Ich weiß nicht recht, was ich machen soll, denn es ist ja unmöglich, hier Bilder photographieren zu lassen. Ich könnte nur Reproduktionen von den Bildern 1918 – 1921 einsenden. Im übrigen finde ich es ziemlich seltsam, daß die Rostocker ein solches Verlangen an einen Künstler stellen, der schon vor 27 Jahren im Vorstande der Novembergruppe u. dort selbst in der Jury war. Wer sind denn die Leute in Rostock, die da die Jury ausüben? Es sind das doch Künstler, die selbst völlig unbekannt sind! [...]

Januar 1946

[Bearbeiten]
[1201]
Dienstag, den 1. Januar 1946.     

[1201]      Gott sei gedankt! – das Jahr 1945 ist aus u. zu Ende. Das Neue Jahr wird uns noch durch sehr tiefe Abgründe führen, aber endlich wird es uns doch zum neuen Anstieg führen. Es ist voll Hoffnung.

     Das Jahr schloß mit zwei guten Ereignissen. Am Nachmittag kam Koch-Gotha mit seiner Frau. Er trägt jetzt einen kurz gehaltenen Vollbart. Er sah sich interessiert das auf der Staffelei stehende Bild an u. bat mich, ihm mehr zu zeigen. Er war so verständnisvoll, daß ich ihm immer neue Bilder heranholte, sodaß schließlich sämtliche Bilder vor ihm standen, die ich für einigermaßen einwandfrei halte. Er war voller Zustimmung, besonders in Bezug auf meine Behandlung des Lichtproblems, die er bewunderte u. für völlig gelöst erklärte. Es hat mir große Freude gemacht. Wir saßen noch ziemlich lange beim Kaffee zusammen, der ihm auch behagte, da etwas Bohnenkaffee darin war. Er will an die Sektion für bildende Kunst im Kulturbunde schreiben, daß ich von der dummen Jurierung befreit werde. [...]

[1202]
Donnerstag, 3. Januar 1946.     

[1202]      Heute ist das Bild fertig geworden, das ich „Apokalyptischer Einbruch“ nennen will. Es ist sehr gut geworden.

     Heute hat es neue Lebensmittelkarten gegeben. Gemäß den neuen, sehr verschärften Bestimmungen haben Martha u. ich die Karte für Angestellte bekommen, das ist die vorletzte Stufe. – [...]

[1202]
Sonntag, 6. Januar 1946.     

[...] [1202]      Neuerdings fährt nun wieder ein Post-Autobus von Wustrow nach Ribnitz einmal täglich hin u. zurück. Das ist ein wesentlicher Fortschritt.

     Die Russen aus dem Monheim'schen Hause sind gestern abgerückt u. es sieht so aus als ob keine neuen Russen mehr hierher kämen. Sie haben sich vorher bei den Frauen Daschewski verabschiedet, wo sie viel ein u. aus gegangen waren. Sie sind voll Freude gewesen, weil die Moskauer Außenminister-Konferenz so gut verlaufen ist u. es nun, wie sie sagten „keinen Krieg“ gäbe. – Die Ausgeh-Beschränkungen sind nun auch aufgehoben worden, man darf auch in der Nacht auf die Straße gehen. Hoffentlich bewirkt das nicht, daß nun des Nachts eingebrochen wird. – [...]

[1202]      Ich habe das neue Bild mit den beiden Erlenbäumen, begonnen. Auch hatte ich das Glück, unter den alten Keilrahmen passende Stücke zu finden, die es mir möglich machen, sowohl das kleine Blumenstück zu malen, zu dem ich am Nachmittag des hl. Abends eine Studie machte, wie auch das Bild mit der Weihnachtskrippe.

     Gretl Neumann war gestern bei Martha u. erzählte, daß sie mit ihrer Mutter das Kurhaus wieder einigermaßen in Ordnung bringt, weil sie die Absicht haben, das Haus in diesem Sommer wieder aufzumachen. Ich finde diesen Mut erstaunlich u. er gibt mir selbst neuen Antrieb. Ich kann mir zwar noch nicht denken, woher die Gäste kommen sollen, aber allein die Tatsache, daß jemand diesen Mut hat, ist überaus erfreulich. Wenn Neumanns Gäste hierher bringen können, dann wäre das ja auch für die BuStu. sehr erfreulich. Ich habe eben den Jahresabschluß gemacht. Seit Oktober haben wir einige Tausend Mark zugesetzt, da viel Löhne gezahlt worden sind, aber verkauft ist so gut wie nichts. [...]

[1202]
Mittwoch, 9. Januar 1946     

[...] [1202]      Die Landschaft mit den zwei Erlenbäumen wurde gestern fertig. Es ist ein sehr schönes Bild geworden, das [...]

[1203] Heute habe ich das neue Bild angefangen, die Fortführung des „Melchisedeks“, aber diesmal ganz als Vision.

     Von Landrat in Rostock erhielt ich vor einigen Tagen endlich Die Bestätigung, daß ich von den Geschäften des Bürgermeisters frei sei.

     Im Monheim'schen Hause sind nun doch wieder neue Russen. Diese Plage hört nicht auf, aber in Wahrheit merkt man wenig von ihnen. [...]

[1203]
Donnerstag, 10. Januar 1946     

[...] [1203]      In der Nacht hatte ich schwer unter Angstzuständen zu leiden wegen des neuen Bildes. Ich habe den Kopf sehr dunkel gemalt, während er in der Untermalung ursprünglich hell war. Aber es hatte mir eben ein dunkler Kopf vorgeschwebt. Schon den Melchisedech wollte ich dunkel malen, doch ist er dann hell geworden. Nun fiel mir in der Nacht ein, daß ich, wenn der Kopf dunkel ist, [1204] das Kopftuch nicht weiß lassen konnte, wenn es nicht ein Negerkopf werden sollte. Also mußte ich das Kopftuch dunkel machen. Aber wie? Grau wäre zu eintönig gewesen u. ich dachte an Rot; aber das wäre eine Farbe gewesen, die von den Malern des 19. Jahrh. für solche Zwecke schon totgehetzt worden ist. Gelb u. Braun wären zu langweilig gewesen, da der Kopf schon stark gelb u. braun ist. Blau wäre zu hintergründig. Es blieb mir Grün, vielleicht Violett, letzteres ebenfalls zu hintergründig. Also Grün? Das erforderte einen ganz anderen Hintergrund. Ich grübelte u. bekam Angst, daß ich dieses Bild nicht malen könnte. Schließlich nahm ich meine Zuflucht zu einem inbrünstigen Gebet, das wohl eine Stunde dauerte. Während dieses Gebetes wurde mir alles klar: Kopftuch grün u. Hintergrund blaugrau, aber links ein fahles Gelb das sich schmal über das Kopftuch hinzieht u. rechts, ebenfalls am Rande des Kopftuches, in ein brandiges Rot ausläuft. – Ich habe heute alles so gemalt u. denke, daß es gut wird. Ich bin erst um 4 Uhr früh zum Schlafen gekommen.

     Wir haben dauernd mildes Wetter. Heute u. gestern heizte ich erst um 3 Uhr Nachmittags u. komme so mit einer einzigen Kanne Koks aus für den ganzen Tag.

     Da Martha u. ich jetzt nur noch die Lebensmittelkarte für Angestellte haben, kommen wir nicht mit dem Brot aus. Der Kulturbund hat mir mitgeteilt, daß ich Anspruch auf die Arbeiter-Lebensmittelkarte hätte. [...]

[1204]
Freitag, 11. Jan. 1946.     

[...] [1204]      Mein Bild macht sehr langsam Fortschritte. Es ist sehr schwierig, jedoch nicht so, daß ich mich festarbeite, wie das früher in solchen Fällen die Regel war. Ich hoffe, daß ich das Gesicht morgen wenigstens prinzipiell fertig machen kann. [...]

[1204]
Sonnabend, 12. Jan. 1946.     

[...] [1204]      Vormittags gemalt. Der Kopf ist überaus schwierig, aber es geht langsam vorwärts, ohne daß besondere Probleme der Komposition auftauchen. [...]

[1205]
Montag, 14. Januar 1946.     

[...] [1205]      Mein Bild habe ich heute ziemlich fertig gemacht, ich denke, daß ich morgen die letzten Pinselstriche machen werde. Es ist gut geworden, ein alttestamentlicher Prophetenkopf. Das Bild hat mich sechs Tage in Anspruch genommen, weniger, als ich dachte.

     Inzwischen habe ich eine allererste, rohe Skizze zu einem Bilde gemacht, das vielleicht eine große Sache werden kann: Christ=König als Richter, Brustbild, aber überlebensgroß. Ich wurde dazu angeregt durch eine Fotopostkarte, die Ruth mir zu Weihnachten schickte. Sie ist das Abbild eines Alabaster-Reliefs aus dem 14. Jahrh., wahrscheinlich englischen Ursprungs, in der Kirche St. Maria zur Wiese in Soest u. stellt die hl. Dreifaltigkeit dar. Gott=Vater, sitzend, hält zwischen den Knieen das Kruzifix mit dem Gekreuzigten, über dem die Taube schwebt. Der Kopf Gott-Vaters mit einer Krone u. geschlossenen Augen u. zum Schwur erhobener rechter Hand während die Linke auf dem Kruzifix ruht, ist von wunderbarer Ruhe u. Majestät.

[1205]
Dienstag, 15. Januar 1946.     

[1205]      Letzte Hand an den Prophetenkopf gelegt. Keilrahmen für drei neue Bilder mit Leinewand bespannt. [...]

[1206]
Mittwoch, 16. Januar 1946.     

[1206]      Die Zeichnung zum Christus-Bilde hat mir heute sehr schwere Arbeit gemacht. In größerer Fassung ergab sich, daß die ganze Komposition geändert werden mußte. Ich arbeitete den ganzen Vormittag daran, ohne zu einem Resultat zu kommen u. war schon fast verzweifelt, als dann Mittags endlich die Lösung sich ergab. Um 2 Uhr war ich im Prinzip fertig. Es sind noch Kleinigkeiten zu verbessern, aber im großen Ganzen kann es nun so bleiben. Diese Zeichnung kann nun erst eine ganze Weile stehen bleiben, damit ich sehe, ob sie wirklich stichhaltig ist.

     Die kleine Leinewand für das Blumenstück, das ich am hl. Abend, bzw. Nachmittag, gezeichnet habe, habe ich heute grundiert. Ich hatte dafür eben noch Grundierfarbe. Morgen muß ich zu Gräff gehen u. ihn neue Grundierfarbe machen lassen. Hoffentlich hat er noch Tafelleim, sonst bin ich aufgeschmissen. Ich werde an Kausels schreiben, die vielleicht noch Tafelleim haben, aber bis ich ihn bekomme, vergehen 3 – 4 Wochen. [...]

[1207]
Sonntag, 20. Januar 1946.     

[1207]      Vom Kulturbunde bekam ich die Nachricht, daß ich nun endlich in die Sektion für bildende Kunst aufgenommen worden bin, ohne mich vorher der Jury zu unterwerfen. [...]

[1208]
Mittwoch, 23. Januar 1946.     

[...] [1208]      Deutschmann war bei mir u. bat mich um Bestätigung, daß er mir persönlich, wie auch der BuStu. wiederholt gegen die Nazis geholfen hat. Ich werde ihm diese Bestätigung sehr gern geben. [...]

[1209]
Freitag, 25. Januar 1946.     

[1209]      Vormittags war Koch-Gotha da. Das kleine Blumenstück war eben grade fertig bis auf einige letzte Pinselstriche. Koch-Gotha war überrascht u. sehr entzückt von diesem kleinen Bilde, das tatsächlich sehr schön geworden ist, vor allem sitzt es räumlich ausgezeichnet. – Ich zeigte ihm die anderen neuen Bilder: den „Apokalyptischen Einbruch“, die „Erlenlandschaft“ u. den „Propheten“. Besonders die Erlenlandschaft gefiel ihm wegen der Luft, die in diesem Bilde ist, aber auch der Prophet fand seinen Beifall, worüber ich überrascht war. Ich glaubte, daß er dieses Bild ablehnen würde. Ich zeigte ihm dann auch die Bleistiftskizze für den Christkönig. Das Bild machte auf ihn einen sehr starken Eindruck, er meinte, daß dies ein sehr großes Bild werden könnte. Ich hatte große Freude über die Anerkennung dieses Naturalisten, der ja über eine große Urteilsfähigkeit verfügt. Er erzählte mir übrigens, daß er vor 20 Jahren einmal eines meiner völlig abstrakten Bilder gesehen habe, welches einen so starken Eindruck bei ihm hinterlassen hätte, daß er dieses Bild heute noch deutlich vor sich sähe, obwohl er es, wie er zugab, nicht verstanden hätte. [...]

[1210]
Dienstag, 29. Januar 1946.     

[1210]      Ich glaube, daß dies der beste 29. Januar gewesen ist, den Martha u. ich in diesen 25 Jahren, seitdem wir uns nun kennen, gefeiert haben.

     Gleich zum Frühstück trug uns unsere Trude ein Frühstück auf mit Bohnenkaffee, Butter u. für jeden ein Ei. Wir frühstückten im Atelier in der warmen Ecke bei der Heizung. Draußen war Tauwetter eingetreten u. es war warm im Haus. Nach dem Frühstück rauchte ich eine von den Weihnachts-Zigarren von Fritz. Obwohl Martha eine schlechte Nacht gehabt hatte, wurde sie während des Frühstücks zusehends besser. [...]

[1210] Mittags setzte uns Trude wieder ein fabelhaftes Essen hin mit Hirschfleisch, welches wir von Margot Seeberg für Schnaps bekommen hatten u. das Margot S. von den Russen erhalten hatte. [1211] Dazu gab es grüne Erbsen aus einer Büchse u. nachher einen großartigen Flammerie mit Kirschsaft. Am Nachmittag tranken wir mit Trude u. Frl. v. Tigerström Kaffee mit Kuchen, den ebenfalls wieder Trude gebacken hatte. Abends aßen wir dann nur noch einige belegte Brote, die Trude uns zurechtgemacht hatte u. hinterher aßen wir den Rest des Kaffeekuchens auf u. tranken dazu eine Flasche Pommery. Wir ließen die Vergangenheit an uns vorbeiziehen, gedachten der Kinder u. waren voll Dankbarkeit gegen Gott. Morgen um 11 Uhr kommt P. Drost u. liest bei uns eine hl. Messe. – Schöner konnte es nicht sein. –

     Nachmittags gegen 4 Uhr gab es eine gewaltige Explosion, bei der das Haus schwankte. In der Gegend des Hohen Ufers stiegen riesige Rauchwolken auf, Frau Dr. Meyer, deren Mann hier grade gegen Typhus impfte, war bei Martha u. erzählte, daß zwei russ. Soldaten mit irgend welchen Sprengkörpern, die sie am Hohen Ufer gefunden hatten, gespielt hätten. Das Ding ist krepiert. Den einen Soldaten hat man als Leiche gefunden, der andere scheint mit in die Luft gegangen zu sein. – [...]

Februar 1946

[Bearbeiten]
[1301]
Freitag, 1. Februar 1946.     

[...] [1302]      Vom Kulturbund erhielt ich heute unaufgefordert eine Bescheinigung, daß ich ein anerkannter Künster sei u. mir die Lebensmittelkarte für Arbeiter zustehe. Nun sind aber heute hier bereits die Lebensmittelkarten ausgegeben worden u. ich habe wieder bloß die Angestelltenkarte bekommen. Hoffentlich läßt sich dieselbe morgen noch umtauschen. Es wäre das um so erwünschter, da uns heute ein neues Brot aus der Brottrommel in der Küche gestohlen worden ist, unmittelbar nachdem Trude das Brot vom Bäcker geholt hatte. [...]

[1302]      Ferner schrieb mir der Geschäftsführer der Sektion für bild. Kunst, daß er hoffe, Mitte Februar mit Erichson zusammen auf das Fischland zu kommen, um die Kollegen hier kennen zu lernen u. ihnen einen Bericht über die bisherigen Arbeiten u. Pläne der Sektion zu geben. Er wird den „Kunsthändler der Sektion, Herrn Weiß“, mitbringen. Er bittet mich, hierfür die Vorbereitungen zu treffen, wie auch dafür, daß einer der Kollegen den Schriftverkehr mit der Sektion u. die laufende Unterrichtung der Kollegen übernimmt. Der Mann denkt sich das sehr einfach, aber die räumliche Ausdehnung von Wustrow bis hierher ist beträchtlich. [...]

[1302]
Sonnabend, 2. Februar 1946.     

[...] [1302]      Nachmittags kamen Marthas Mitarbeiterinnen, u. wollten etwas über moderne Malerei hören. Ich zeigte ihnen einige Bilder u. hielt ihnen einen Vortrag, der anscheinend gut aufgenommen worden ist, obgleich ich nicht recht wußte, was ich sagen sollte u. mich schrecklich quälte. Alle versicherten, daß sie verstanden hätten. Ob es wahr ist, weiß ich nicht. – [...]

[1303]
Sonntag, 3. Februar 1946.     

[1303]      Nachmittags bei Koch-Gotha. Ueberaus morastiger Weg, der besonders auf dem Rückwege schlimm war, da es inzwischen dunkel geworden war u. zu regnen angefangen hatte.

     Das Haus liegt am Bodden unmittelbar hinter dem Deich, von dem es nur durch einen schmalen Weg getrennt ist. Koch-Gothas Arbeitszimmer liegt rechts vom Hauseingang u. hat ein Fenster nach Osten zum Deich, der den Blick auf den Bodden versperrt, u. zwei Fenster nach Süden. Das Zimmer ist nur klein, aber wohl das größte in dem kleinen ehemaligen Fischerkaten, der so tief liegt, daß er eben noch mit knapper Not über dem Spiegel der jetzt überschwemmten Wiesen liegt. Außerdem ist das Zimmer sehr voll. Eine sehr große Zeichenplatte nimmt den Hauptplatz ein. Sodann steht ein sehr hübsch bemalter, alter Bauernschrank dort, sowie Regale, kleinere Behälter, Stühle u. eine Staffelei. Es bleibt nicht viel Raum, um sich zu bewegen.

     Koch-Gotha zeigte bereitwilligst seine zahlreichen Zeichnungen, die den Rest eines großen Reichtums bilden, der in Berlin verbrannt ist. Er hat dort sehr viel verloren, denn er besaß dort ein großes Bilderarchiv, das er für seine Illustrationen sehr brauchte. Er zeigte einige frühe Zeichnungen aus dem Jahre 1896, dem Jahre, als ich ins Kadettencorps kam u. ich 10 Jahre alt war. Schon damals waren es Zeichnungen von Soldaten im Manöver, noch ungeschickt, aber doch schon seine spätere Art erkennen lassend. Er zeigte alles, was er hatte, wobei sehr schöne Sachen waren, vor allem eine Scene aus einem Berliner Karneval. Die Zeichnung zeigt die Brüstung einer Loge, in der ganz am Rande rechts u. links ein Herr u. eine Dame sitzen, bereits reichlich betrunken, albern kostümiert, blöde u. bösartig, entsetzlich gelangweilt. Auf dem Tisch zwischen den beiden steht eine Batterie von Sektflaschen, zwei oder drei Luftballons schweben darüber u. dahinter im Hintergrunde zwei betrunkene ältere Herren, wohl die Väter, die eifrig über das Geschäft sprechen. Dieses Blatt ist von sehr großer Schönheit.

     Ferner gefielen mir Blätter aus Paris, französische Kürassiere in ihren weißen Mänteln, die aus der nächtlichen Dunkelheit herangeritten kommen an ein nicht sichtbares Lagerfeuer, u. wieder im Dunklen verschwinden. Solche nächtliche Bilder waren mehrere da, überaus eindrucksvoll. Daneben auch Landschaften hier aus der Gegend, auch aus Polen vom 1. Weltkriege her, u. einzelne überaus zarte u. feine Pflanzen-Zeichnungen, in Aquarellfarben. Es war recht interessant. Sehr hat mir imponiert, wie all diese Zeichnungen in tadellosen Passepartouts waren, sehr sauber mit schwarzen Strichen eingerahmt, zuweilen auch mit schmalen Streifen von Gold-oder Silberpapier. Ich müßte das gelegentlich mit meinen Zeichnungen auch so machen.

     Koch-Gotha erzählte, daß in diesen Tagen der Kommandant von Ribnitz im Auto bei Prof. Marks vorgefahren sei u. ihm ein Atelier in Ribnitz angeboten habe. Marks habe gesagt, er wolle lieber in Althagen wohnen bleiben, da sonst sein Haus beschlagnahmt werden würde für Flüchtlinge. Darauf habe der Kommandant gesagt, Marks könne doch seine Schwester aus Lübeck kommen lassen u. in das Haus setzen. Der Kommandant [1304] habe Marks dann noch eine große Wurst u. a. Lebensmittel geschenkt. – Wie kommt der Kommandant dazu? u. woher weiß er, daß Marks eine Schwester in Lübeck hat? Es handelt sich offensichtlich darum, daß Marks einen Ruf nach Hamburg erhalten hat u. die Russen wollen nun verhindern, daß er dorthin geht, teils, weil sie nicht wollen, daß ein namhafter Künstler aus ihrer Zone fortgeht zu den Engländern. Sie sind sehr eitel u. fürchten, daß sie in den Ruf der Kulturlosigkeit kommen, wenn namhafte Künstler abwandern, aber bis dahin haben sie sich um Marks nicht gekümmert u. garnichts von ihm gewußt. [...]

[1304]      Von der Gemeinde habe ich nun doch noch eine Arbeiter-Lebensmittelkarte bekommen. [...]

[1305]
Mittwoch, 6. Februar 1946.     

[...] [1305]      Heute wurde mir erzählt, daß Herr v. Achenbach sich auf einer Versammlung der 3 oder 4 Kommunisten, oder vielmehr: Kommunistinnen, in Ahrenshoop u. Althagen über mich geäußert hat: ich hätte in meiner Bürgermeisterzeit die Nationalsozialisten begünstigt. Nach u. nach erkenne ich mehr u. mehr, wes Geistes Kind dieser Herr ist, von dem mir der kranke Herr Glaeser, den ich heute besuchte, sagte, daß er ihm 26,– Rm. für erteilten russischen Unterricht schulde. Er ist jetzt in Rostock Geschäftsführer des Kulturbundes geworden u. hat sich nach dort begeben, jedoch ist seine Familie nach wie vor hier. [...]

[1306]
Sonnabend, 9. Februar 1946.     

[1306]      Gestern Abend fand die übliche Winter-Einladung zu Neumanns statt. Es gab gebackene Leber mit Kartoffelsalat, nachher eine vorzügliche Apfelspeise, alles in den gewohnten Massen. Neumanns sind eifrig beim Herrichten dessen, was noch übrig geblieben ist vom Kurhause u. hoffen auf den sommerlichen Besuch von einigen ihrer treuesten Gäste. Falls sich die Verhältnisse bis dahin etwas ändern, mag diese Hoffnung sich erfüllen, aber so lange die Russen hier sind, kann ich es mir nicht vorstellen. [...]

[1307]
Montag, 11. Februar 1946.     

[1307]      Heute den Christus-König angelegt, sehr monumental. Nachmittags Unterweisung an Herrn Schwertfeger, Frl. v. Tigerström, Frl. Müller u. die Tochter Stricker, die alle sich in künstlerischer Produktion versuchen wollen. Herr Schwertfeger hat mit dem Taschenmesser einen Holzschnitt gemacht, der zweifellos Begabung zeigt. Die Tochter Stricker hat ein sehr hübsches Märchen geschrieben „Die Darssmuhme“ u. Frl. v. T. hat nette Zeichnungen dazu gemacht. Frl. Müller macht recht beachtliche Puppen.

     Ich habe mir mein Buch „Wehe uns Gottlosen“ wieder vorgenommen, um Korrekturen vorzunehmen. Man kann nun ja daran denken, dieses Buch herauszugeben. [...]

[1308]
Dienstag, 12. Februar 1946.     

[1308]      Dora Oberländer war in Rostock beim Kulturbund. Herr Kreuzberg, der Geschäftsführer der Sektion für bild. Kunst, läßt mich bitten, hier den Verbindungsmann für das Fischland zu machen. [...]

[1308]
Mittwoch, 13. Februar 1946.     

[1308]      Das Christkönigsbild begonnen, es scheint sich sehr leicht zu malen, da es im Entwurf sehr durchgearbeitet u. in seinen Formen überaus einfach ist.

     Nachmittags habe ich angefangen, für meine alten Zeichnungen Passepartouts anzufertigen. Ich sah das neulich bei Koch-Gotha, der alle seine Zeichnungen, auch gewöhnliche, flüchtige Skizzen, sauber in Passepartouts geheftet hat. Durch diese Aufmachung sieht solch eine Zeichnung gleich ganz anders aus. Meine Landschafts-Zeichnungen, Porträts u. auch Bildentwürfe werde ich alle so aufziehen, sie werden dadurch verkäuflich u. sehen sehr kostbar aus, außerdem hat man dann immer etwas, um Gelegenheits-Ausstellungen zu beschicken. Leider habe ich nicht genug Kartons u. überhaupt keine Pappen für die Rückwände.

     Heute hatten wir den ganzen Tag über Licht.

     An Kreuzberg geschrieben, daß ich die Vermittlung zwischen der Sektion für bild. Kunst u. den hiesigen Kollegen übernehmen will.

     Dr. Krappmann bittet mich um eine Bescheinigung, daß er in der Zeit von 1939 – 1945 kein Nazi war. Er hat Aussicht, in Schweinfurt eine Anstellung als Studienrat zu erhalten.

[1309]
Sonntag, 17. Februar 1946     
Septuagesima.     

[...] [1309]      Später kam Koch-Gotha dazu, der mit großem Interesse das neue Krippenbild betrachtete u. dem ich dann auch das Christusbild zeigte, das einen starken Eindruck auf ihn machte. Martha kam dann u. zeigte ihm auch das Märchenbuch u. das Fischlandspiel, das die Damen in der BuStu. zur Zt. machen. Er kaufte gleich von beiden je ein Exemplar. [...]

[1309]
Montag, 18. Februar 1946.     

[...] [1309]      Wir bekamen zwei Zentner Steinkohlen gegen Wolle u. hatten heute ein schön warmes Haus. Schütz hat uns seit langem Koks versprochen u. hat dafür von uns zwei Paar Schuhe bekommen, aber den Koks hat er immer noch nicht geliefert. [...]

[1310]
Dienstag, 19. Februar 1946.     

[...] [1311]      Es ist noch einmal Winter geworden. Es liegt Schnee u. wir haben jetzt am Nachmittag 4° Kälte. Es ist kälter, als es heute früh war.

     Man hört von verschiedenen Seiten, daß beschlossen worden sei, Ahrenshoop auch in Zukunft nicht mit Flüchtlingen zu belegen, sondern vielmehr möglichst bald wieder für den Badebetrieb frei zu machen u. vor allem als Künstlerort zu bevorzugen. Wenn sich das bewahrheiten sollte, wäre das freilich ein bedeutender Hoffnungsschimmer. Wenn auch nur wenig Sommergäste kommen werden, würde das doch für uns von großer wirtschaftlicher Bedeutung sein. Ich würde dann meine Bilder in der BuStu. ausstellen. [...]

[1312]
Montag, 25. Febr. 1946.     

[1312]      Bei dem gestrigen Unwetter, das auch heute morgen noch einigermaßen anhielt, ist ein Dampfer, der von Wilhelmshaven nach Warnemünde unterwegs war, gescheitert. Die elf Mann starke Besatzung gelangte mit einem Rettungsboot an unseren Strand, total durchnäßt u. durchgefroren, u. wurden gleich von den Russen in Verwahrung genommen. Im Dorfe wurde eine Sammlung von warmer Unterwäsche gemacht. Seit Mittag hat sich der Sturm gelegt, aber es ist sehr kalt. Das Licht, das gestern nicht funktionierte, ist heute wieder in Ordnung, nur der Kraftstrom funktioniert nicht. [...]

[1313]
Dienstag, 26. Febr. 1946.     

[...] [1313] Es erschienen dann drei fremde Herren, d.h. den einen von ihnen kannte ich, es war der Maler Schmidt-Detloff aus Rostock. Die beiden anderen entpuppten sich als der Geschäftsführer der Sektion f. bild. Kunst im Kulturbunde, Herr Kreuzberg u. als der sog. Kunsthändler des Sektion, Herr Weiß. Letzterer könnte ebensogut ein Geschäft für Büromöbel oder sonst etwas haben, man sieht ihm an, daß er von Kunst nicht viel versteht, aber er macht den Eindruck eines gutmütigen u. anständigen Kerls. Herr Kreuzberg dagegen sieht vorzüglich aus. Er ist ein feiner, bescheidener u. intelligenter Mensch mit guten Manieren, er mag etwas über 30 Jahre alt sein, ungemein sympatisch.

     Die Herren sahen sich also meine Bilder an. Herr Weiß war sprachlos u. verstand nichts, um so entzückter waren die beiden anderen Herren. Herr Weiß gab sich rührend Mühe, irgendetwas zu verstehen u. bat mich um Hilfe, die ich ihm gab so gut ich konnte. Allmählich wurde er immer lebendiger, was sich dann noch erheblich steigerte, als ich meine Zeichnungen zeigte, die in ihren Passepartouts wirklich einen sehr guten Eindruck machen. Schließlich war Herr Weiß so begeistert, daß er am liebsten gleich sämtliche Bilder mitgenommen hätte. Er bot mir an, in der ständigen Kunstausstellung der Sektion ein besonderes Zimmer für mich einzurichten u. dort nur ausschließlich meine Bilder zu zeigen. Ich sagte ihm, daß ich daran kein Interesse hätte, ich wollte meine Bilder zurückhalten, bis ich einmal Gelegenheit haben würde, in einer geschlossenen Sonderausstellung groß herauszukommen. Da er aber nicht aufhörte zu bitten, gab ich nach u. versprach, ihm drei bis vier Bilder zu überlassen. Es ist ja möglich, daß sich auf diese Art die von mir erstrebte Sonderausstellung einmal verwirklichen läßt. Vorerst gab ich ihm zehn Zeichnungen mit, die er zunächst [1314] einmal ausstellen mag. Wegen der Oelbilder wollen die Herren bald noch einmal herkommen. Sie hatten nämlich wegen des verschneiten Weges ihren Wagen in Wustrow stehen lassen u. ich wollte ihnen die Bilder so nicht mitgeben, da sie zu leicht beschädigt werden können. Ich sagte Herrn W., daß ich ihm die Bilder erst geben könne, wenn er mit dem Wagen bis vor meine Tür fahren könne. Er war auf Zureden der anderen Herren einverstanden u. zog erst einmal hoch befriedigt mit den zehn Zeichnungen ab.

     Herr Kreuzberg berichtete zwischendurch von allerhand großen Plänen, die die Sektion hat, aber das ist noch Zukunftsmusik. [...]

[1314]      Ueber den Besuch der drei Herren ist noch erwähnenswert, daß auch Herr v. Achenbach mit ihnen gekommen war, aber nicht in mein Haus kam, sodaß ich davon nichts wußte. Als es dämmerig wurde, erschien plötzlich Frau v. Achenbach, um zu sagen, daß ihr Mann unten wartete u. die Herren bäte, bald zu kommen. Die Aversion dieses Herrn gegen mich geht also so weit, daß er nicht selbst in mein Haus kommt, sondern seine Frau schickt. Herr Kreuzberg bemerkte, daß Herr v. A. ein ausnehmend eitler Mensch sei u. höchst unsympatisch u. daß ein solches Benehmen nur auf ihn zurückfalle. Ich sagte weiter nichts dazu. Aber ich habe die sichere Ueberzeugung, daß dieser Besuch der drei Herren für mich von recht günstiger Bedeutung sein kann u. daß sich daraus etwas entwickeln kann. Die Herren, besonders die beiden Kollegen, waren so offensichtlich beeindruckt von den Bildern, daß ich mich darüber sehr freute. [...]

März 1946

[Bearbeiten]
[1401]
Dienstag, 5. März 1946.     

[...] [1401]      Gestern sandte uns Schütz endlich 5 Centner Koks. [...]

[1402]
Sonntag, 10. März 1946.     

[1402]      Gestern am Abend kam Margot Seeberg mit ihrem Sohn Ando, der jetzt in Göttingen Medizin studiert. Frau S. war in Bln. gewesen u. hatte mit Jesuiten u. a. kathol. Geistlichen gesprochen, die alle dasselbe gesagt haben, was sich auch mir mehr u. mehr aufdrängt, nämlich daß wir hier östlich der Elbe uns allmählich auf Rußland einstellen müssen, wenn wir überhaupt weiter leben wollen. Ando berichtete aus Göttingen, wo an der Universität voller Betrieb ist. Göttingen liegt in der englischen Zone. – Frau S. erzählte, die Berliner Geistlichen hätten gesagt, daß eine Annäherung an Rußland sehr schwer sei, erstens, weil wir Deutschen alle kein Russisch können u. eine private Aussprache deshalb nicht möglich ist, u. zweitens, weil die Russen von den Engländern u. Amerikanern geschnitten werden. Man kann sie nicht zusammen einladen, wo Russen sind, gehen die Engländer u. Amerikaner nicht hin. Aber sie meinte, daß es in Berlin unter den Russen doch viele gebildete [1403] Leute gäbe. Wir hier laufen Gefahr, alle Russen nach dem Niveau unserer drittklassigen Infanteristen zu beurteilen, die unsere Besatzung hier sind. [...]

[1404]
Dienstag, 12. März 1946.     

[...] [1404]      In der Zeitung große Erregung über eine Rede Churchills, die dieser in Fulton USA. gehalten hat u. die eine heftige Abneigung gegen Rußland nicht verbirgt. Unsere russische Tägl. Rundschau speit Gift u. Galle, der Tagesspiegel bespricht sie sachlich u. bringt auch positive Pressestimmen. Die Rede beweist, daß ich Recht habe, wenn ich meine, daß ein Krieg über kurz oder lang unvermeidlich ist. Diese Rede hat das russische Mißtrauen überaus vertieft. [...]

[1405]
Mittwoch, 26. März 1946.     

[...] [1406]      Justus Schmitt schreibt in dem Brf. v. 19.3., den ich vorgestern erhielt, über die Lage im Kunstmarkt. Er schreibt, die Preise seien rückläufig, weil das Geld langsam knapp wird. Das wäre ja sehr begrüßenswert. Die Ausländer interessieren sich nur für alte Kunst internationaler Geltung. Der Markt ist überschwemmt von modernen Durchschnittsbildern u. die schwer verkäuflich sind. Aber auch wirklich fortschrittliche Künstler werden von der Presse bekämpft, sie finden höchstens Anklang bei einigen Engländern u. Amerikanern. Nur die Galerie Rosen fördert moderne Künstler, aber wohl ohne Erfolg, u. der Tagesspiegel gibt sich Mühe, den fortschrittlichen Künstlern die Wege zu ebenen. Die Künstler selbst, schreibt Schmitt, sind sehr vorsichtig u. unentschlossen. Es ist wohl nur der Kreis um die Galerie Rosen, der etwas riskiert. Carl Hofer gilt zwar als Name viel, aber selbst er scheint nicht viel zu erreichen. Es scheint, daß eben das Publikum selbst sehr böswillig ist, es hat anscheinend nicht die Absicht, sich von der nationalsoz. Erbschaft des Banausentums zu trennen, so wie es ja auch am Antisemitismus festhält. Es ist also die Situation auf dem Kunstmarkt z. Zt. überaus schlecht. Schmitt möchte gern Fotos meiner Bilder haben, weil er hofft, damit Vorarbeit leisten zu können, für eine spätere Ausstellung, – aber ich sehe das wenig hoffnungsvoll. Dazu muß man wohl noch warten, die Zeit ist noch nicht reif. [...]

April 1946

[Bearbeiten]
[1501]
Sonntag, 7. April 1946. Passions-Sonntag.     

[1501]      Gestern war Frau v. Achenbach bei Martha in der Absicht, mich zu überreden, daß ich hier im Ort eine Ortsgruppe des Kulturbundes gründen möchte. Es soll sich darum handeln, daß Ahrenshoop als Erholungsort für bildende Künstler ausersehen sein soll u. dazu sei notwendig, daß hier eine Ortsgruppe des Kulturbundes besteht. Frau v. A. hat gesagt, daß ihr Mann heute hierher käme u. mit mir die Angelegenheit besprechen wolle. Martha hat aber sehr abgewinkt mit dem Hinweis auf meine Erkrankung. Außerdem hat sie bezweifelt, daß Herr v. A. zu mir kommen würde, doch soll Frau v. A. dem heftig widersprochen haben. Tatsächlich soll ja heute im Kurhause auch eine Werbe-Veranstaltung des Kulturbundes stattfinden. Herr v. A. ist aber heute Vormittag zweimal mit seiner Frau an meinem Hause vorbeigekommen, ohne hereingekommen zu sein. Ich hätte ihn auch unter keinen Umständen empfangen. Ich weiß nicht, was dieser Mensch will. Er boykottiert mich in beleidigender Weise, – u. nun soll ich ihm helfen. Ich denke garnicht daran. – [...]

[1501]      Ueber die sog. Werbe-Veranstaltung des Kulturbundes im Kurhause ist übrigens nirgends etwas zu erfahren, auch am Schwarzen Brett ist nichts angeschlagen. Die ganze Geschichte scheint eine Schaumschlägerei zu sein. [...]

[1502]
Montag, 8. April 1946.     

[...] [1502]      Herr v. Achenbach ist gestern nicht gekommen. Ich habe auch sonst nicht gehört, was aus dieser Kulturbund-Angelegenheit geworden ist. Es ist wohl alles nur Geschwätz u. Wichtigtuerei. [...]

[1503]
Donnerstag, 11. April 1946.     

[...] [1503]      Am Vormittag war der junge Maler Müller-Rabe da. Ich habe mich nicht sprechen lassen, aber Martha hat ihm meine Bilder gezeigt, die nach Marthas Beschreibung einen starken Eindruck auf ihn gemacht haben. Nach seiner Meinung, die wohl richtig sein dürfte, ist es noch zu früh, meine Bilder öffentlich zu zeigen, da allgemein, eine heftige Abneigung gegen jede moderne Kunst besteht. Es ist das ein typisches Anzeichen für die ganze deutsche Mentalität. Das Banausentum war nie so mächtig in Deutschland, wie jetzt. Essen u. Trinken sind die einzigen Interessen, die die Deutschen jetzt haben, – sie nennen das „Aufbau“. Wer sich diesem „Aufbau“ entgegenstellt, oder nur nicht mitmacht, ist ein Verräter am Volk. – Essen u. Trinken u. eine warme Stube sind freilich unschätzbare Güter in dieser Zeit des Hungerns u. Frierens, das muß ich selber zugeben. Ich hätte keine Aussicht, je wieder zu Kräften zu kommen, wenn nicht Menschen da wären wie Spangenberg, der mich mit Eiern versorgt, Heyde, der Kartoffeln u. Butter heranschleppt, die Familie Oehmke, die Milch bringt u. unsere Trude Dade, die mir ihre Frühstücksstullen bringt, welche Mutter Dade ihr mitgibt u. die oft mit Schinken belegt sind. Auch sorgt sie dafür, daß im Essen Speck ist u. daß es von Zeit zu Zeit Fisch gibt. [...]

[1504]
Mittwoch, 24. April 1946.     

[...] [1505]      Es geht ein Gerücht von Frau Partikel aus, daß der Rostocker Kulturbund eine Ausstellung in Berlin plant. Ich bekam heute die übliche monatliche Bescheinigung von dort über die Gruppe der mir zustehenden Lebensmittel=Karte u. stellte zu meiner Freude fest, daß man mich als „besonders namhaften Künstler“ in die höhere Gruppe eingewiesen hat, sodaß ich nun die Karte für Schwerarbeiter erhalte. Es ist das besonders nett, weil ich selbst nichts dazu getan habe, es zeigt, daß man mich in Rostock jetzt schätzt. [...]

[1506]
Freitag, 26. April 1946.     

[...] [1506]      Leider mußte ich feststellen, daß die Einstufung in die höhere Lebensmittelkarten-Stufe durchaus nicht, wie mir meine Eitelkeit vormachen wollte, eine Anerkenntnis meiner Leistung seitens des Kulturbundes ist, denn Frau Oberländer u. Frau Dross sind ebenfalls in eine höhere Stufe gekommen. Es handelt sich also um eine generelle Regelung, wobei es einigermaßen beschämend ist, daß diese Frau Dross als „besonders namhaft“ gleich mir, amtlich bestätigt ist, – [...]

[1506]      Gestern Abend waren noch die beiden Schwestern Frau Masurek u. Frau Ranke da u. besahen meine Bilder, von denen sie sehr entzückt waren. Ich glaube, daß es überhaupt am besten ist, wenn ich meine Bilder nur hier solchen Leuten zeige, die sie sehen wollen u. auf jede Ausstellung verzichte. Ich lese ja fast täglich in Zeitungen u. Zeitschriften, wie sich diese alle erdenkliche Mühe geben, dem Publikum moderne Kunst näher zu bringen, aber das von den Nazis in 12 Jahren hochgezüchtete Banausentum ist so groß, daß ein Kampf dagegen einstweilen hoffnungslos erscheint. [...]

[1506]
Montag, 29. April 1946.     

[...] [1506]      Am Sonnabend erhielt ich ein Telegramm vom Kulturbund in Rostock, ich möchte veranlassen, daß für eine graphische Wanderausstellung, die am 19. Mai beginnen soll, Arbeiten in Nordens Hotel in Wustrow bereit gestellt werden sollen zur Abholung nach Rostock. Ich habe Frl. v. Tigerström, die am Sonntag so wie so nach Wustrow ging, mit dieser Sache beauftragt. Hier in Ahrenshoop kommt nur Frau Dora Oberländer u. die unmögliche Frau Dross in Betracht, aber beide wollen nicht mitmachen. Koch-Gotha u. Marks in Althagen machen gleichfalls nicht mit. In Wustrow will sich Frau Woermann beteiligen u. vielleicht Herr Holst u. seine Frau Sommer. Das Ergebnis ist also sehr dürftig u. es wird sich kaum lohnen. Ich [...] [1507] habe Herrn Schwertfeger, der heute nach Rostock zum Studium zurückkehrt, nachdem die Osterferien vorbei sind, einen Brief für den Kulturbund mitgegeben u. habe anheim gestellt, von meinen Zeichnungen, die in der sogenannten Kunsthandlung Krüger u. Weiß sind, geeignete Blätter für diese Ausstellung auszuwählen. Im übrigen habe ich darum gebeten, die restlichen Zeichnungen nun endlich an mich zurück zu senden. Die Verhältnisse dort im Kulturbund scheinen sehr fragwürdig zu sein. Herr Schwertfeger erzählt mir, daß Herr Weiß sehr unfreundlich gewesen sei, als Herr Sch. das letzte Mal dort war u. sich geäußert haben soll, daß er kein Interesse an meinen Bildern hätte. Es scheint, daß es besser ist, sich an den Dingen des Kulturbundes nicht mehr zu beteiligen, offenbar fehlt da der Zusammenhalt. Besonders dieser sogenannte Kunsthändler, Herr Weiß, ist offensichtlich ein robuster Geschäftemacher, mit dem man besser nichts zu tun hat. Diejenigen Rostocker Künstler wie Schmidt-Detloff, die etwas auf sich halten, sind mit Herrn Weiß bereits zusammengeraten wegen seiner raffigen Geschäftemacherei u. auch der sympatische Herr Kreuzberg unterschreibt keine Briefe mehr, sodaß ich annehme, daß er sich ebenfalls zurückgezogen hat. –

     Am Sonnabend kam der junge Fritz Oehmke, um sich von mir eine Bescheinigung geben zu lassen, daß er zwar PG. gewesen sei, sich aber nicht aktiv beteiligt hat. Ich gab sie ihm, obgleich ich Bedenken hatte, denn ich habe doch früher gehört, daß er sich zum Leidwesen seines Vaters als ziemlich eifriger Nazi aufgeführt hat. Aber jetzt beteuern alle diese Leute, daß sie nie Nazi gewesen sind. Trotzdem halte ich es für praktischer, diese Leute zu „Entnazifizieren“, wie der Fachausdruck lautet, damit sie nicht ausgeschaltet werden, sondern mitarbeiten. Wir können es uns nicht leisten, all diese vielen Menschen aus der Arbeit auszuschalten mit Ausnahme natürlich derer, die in führenden Stellungen sind u. da Unfug anrichten können. Es ist übrigens typisch, daß der junge Oehmke in die CDU. eintreten will. Wieder einer, der vom Christentum nicht mehr als den Namen kennt. [...]

Mai 1946

[Bearbeiten]
[1601]
Sonntag, 5. Mai 1946.     

[...] [1602]      Es waren heute mehrere Herren vom Kulturbund aus Rostock hier mit zwei Autos, natürlich Herr v. Achenbach u. ein evang. Pastor Kleinschmidt mit seiner Frau, der sich im Kulturbund oft aufspielt u. sich den Anschein gibt, Kommunist zu sein. Ich kenne ihn persönlich nicht. Frau Dross ist zu Herrn v. A. gegangen, als sie hörte, daß er hier wäre, um sich zu beklagen, daß ein Bild von ihr auf dem Transport vom Kulturbunde nach hier verloren gegangen sei. Frau v. A. hat versucht, der Frau Dross den Eintritt zu verwehren, da die Herren angeblich eine sehr wichtige Konferenz hätten, aber impertinent wie Frau D. ist, hat sie sich nicht abspeisen lassen u. hat wenigstens festgestellt, daß alle Herren zu einem üppigen Mahle versammelt waren, dessen Duft ohnedies das ganze Haus erfüllte, daß es Alkohol u. Cigarren gab u. daß alle sehr fröhlich waren. Ich glaube es schon. Diese Herren leben allesamt einen sehr guten Tag u. essen auf, was anderen entzogen wird. Kommunismus! – Aber ich denke, daß diesen Herrn v. A. sein Schicksal wohl bald erreichen wird, denn er hat wegen seiner eitlen Arroganz [1603] jetzt schon viele Feinde in Rostock. Gegen 6 Uhr sah ich den Herren abfahren in zwei Autos, einer großen Limousine für 6 Personen u. einem kleinen Wagen für 2 Personen, in dem eine Dame saß. Es wird wohl das Auto des Herrn Pastor Kleinschmidt, des Kommunisten, gewesen sein. Alle diese Leute leben von den Steuern der Mitbürger u. den Mitgliedsbeiträgen des Kulturbundes einen guten Tag, indessen das Volk hungert. Ich werde mich hüten, mit diesen Leuten etwas zu tun zu haben.

     Abends war noch Ilse Schuster da u. sah meine Bilder an. Sie war der Meinung, daß meine Bilder das größte Interesse der Kunstkreise in Magdeburg finden würden u. sie will dort entsprechend berichten. Aber was werden in Magdeburg schon für Kunstkreise sein? Vielleicht fünf oder sechs anständige Maler, – wenn es hoch kommt! – Ich sagte ihr, daß ich vorerst kein sehr großes Interesse an einer Ausstellung hätte. Dieser ganze Betrieb ist nicht sehr einladend. – Immerhin scheint der Kulturbund nach dem, was Ilse Schuster berichtet, in Magdeburg nicht so korrupt zu sein wie in Rostock, wo die Korruption unter der Leitung des Herrn v. Achenbach sehr bald beträchtliche Ausmaße annehmen dürfte. [...]

[1603]
Dienstag, 7. Mai 1946.     

[...] [1603]      Gegen Abend kam Herr Kreuzberg, der allein hier ist u. bei Achenbach wohnt. Er will zwei Tage hier aquarellieren. Er ist doch noch Geschäftsführer der Sektion; aber die Situation ist schwierig u. mit viel Aerger verbunden. Er ist ein sehr zurückhaltender Mensch u. erzählt nicht viel, sodaß man die Dinge mehr erraten muß. Vielleicht wird er morgen nach dem Abendessen noch einmal kommen u. dann vielleicht etwas mehr auftauen

[1603]
Donnerstag, 9. Mai 1946.     

[...] [1604] Gestern Abend war Herr Kreuzberg bei uns. Er berichtete, daß die Idee, Ahrenshoop zum Kurort der Kulturbundes zu machen, von der Reichsleitung des Kulturbundes in Berlin ausgeht. Es wird heute im Dorfe erzählt, daß in den nächsten Tagen der Präsident der Landesverwaltung Högner u. a. hohe Regierungsleute höchstpersönlich herkommen sollen, um Ahrenshoop zu besichtigen. – Sonst ist Herr K. ein sehr vorsichtiger Mann, der nur das beantwortet, was man ihn fragt, was nicht grade sehr unterhaltsam ist. Etwas Neues wußte er nicht mitzuteilen. [...]

[1604]
Sonntag, 12. Mai 1946.     

[1604]      Am Freitag fuhr Martha mit dem Lastauto von Litzau nach Rostock, um im Wirtschaftsamt vorzusprechen u. sich sonst zu orientieren. Sie kam erst abends gegen 8 Uhr zurück. Herr Kreuzberg fuhr mit demselben Auto zurück. Martha hatte denselben Eindruck wie ich, daß Herr Kreuzberg umgefallen ist. Als er das erste Mal hier war, äußerte er sich sehr kritisch über Herrn v. Achenbach, aber jetzt wohnte er in dessen Hause u. es schien mir so, als nähme er für ihn Partei. Auch politisch scheint er sehr für die Russen zu sein, möglicherweise ist er gar Kommunist, mindestens aber in der neuen Einheitspartei. Es scheint mir, als wäre da Vorsicht am Platze. [...]

[1604]      Von Frau Knecht bekam ich einen blühenden Zweig geschenkt, sie hatte einen ganzen Arm davon voll. Es ist eine satt-rosa Blüte, ich vermute, daß es eine Art Zierpflaume ist. Bei Reinmöller gibt es davon viele Büsche. Ich machte gleich eine Zeichnung davon. Diese ist völlig abstrakt. Es scheint, als wenn meine Malerei, wenn es sich um Blumen handelt, ganz von [1605] immer entschiedener sich zum Abstrakten hinwendet. Anders ist auch die Fortführung der natürlichen Wirklichkeit zur reinen Idee der Dinge nicht zu erreichen. Ich bin mir klar darüber, daß ich mir auf diese Weise den Weg zum Verständnis in breiteren Schichten völlig verbaue, aber ich kann mich deshalb nicht abhalten lassen. Ich sehe, daß es keinen anderen Weg gibt, um das auszudrücken, was ich meine, u. daß dieser Weg richtig ist. Das Bild, das ich auf diese Weise mache, ist zwar bestimmt kein Bild dessen, was Gott eigentlich gedacht hat, als er das Ding schuf u. zu dem das Ding hinstrebt; aber mein Bild liegt doch bestimmt auf dieser Linie insofern, als es die rohe Malerei überwindet u. von der Vielheit der Formen zur Einheit strebt. Mögen die Menschen das nun verstehen oder nicht, es soll mir gleich sein.

[1605]
Montag, 13. Mai 1946.     

[1605]      Man hört heute, daß gestern im Kurhause die maßgebenden Leute versammelt waren, die die Vorbereitungen zu treffen haben, um Ahrenshoop zum Erholungsort für geistig Schaffende zu machen. Es soll auch der Herr „Oberregierungsrat“ Venzmer aus Schwerin dagewesen sein. Diese Sache gewinnt also offenbar Gestalt.

[1605]      Heute wurde mein Bild der Himmelskönigin fertig, – eigentlich ganz überraschend.

[1606]
Freitag, 17. Mai 1946.     

[...] [1607]      Das Narzissenbild ist nicht leicht. Es geht nur langsam damit voran. Gestern u. heute habe ich nur an dem Tisch gemalt, auf dem die Vase steht u. an der Vase selbst, aber ich bin noch nicht zufrieden.

     Gestern zeigte ich Fritz sämtliche Bilder, die ich seit 1944 gemalt habe u. von denen er ja noch keines gesehen hatte. Sie machten starken Eindruck auf ihn. Es war natürlich zu viel u. zu neu, als daß er eine richtige Stellung dazu finden konnte, – das muß erst nach u. nach kommen. Ich möchte, daß er einige der Bilder photographiert, damit ich damit etwas machen kann. Ich denke daran, Redslob zu interessieren u. dazu brauche ich Fotos. [...]

[1608]
Mittwoch 22. Mai 1946.     

[1608]      Gestern das kleine Bild mit den gelben Narzissen fertig gemalt. Es ist sehr abstrakt, jedoch hat man doch noch den Eindruck eines Tisches, auf dem eine Vase mit gelben Blumengebilden steht, nur daß es Narzissen sind, erkennt man nicht mehr. Es ist aber sehr durchgearbeitet, der Hintergrund geht ganz in der Komposition auf. Auch farbig ist es sehr warm in gelben u. rotbraunen Tönen.

     Ich versehe meine Zeichnungen, die nun alle in Passepartouts sind, mit farbigen, schmalen Leisten als Rähmchen an der Innenkante der Passepartouts, wie ich es bei Koch-Gotha gesehen habe, wodurch die Zeichnungen ein sehr schönes Ansehen bekommen. Ich werde diese Zeichnungen im Sommer in der BuStu. ausstellen, nachdem nun wirklich feststeht, daß Ahrenshoop Kurort für Künstler u. andere Kulturschaffende werden soll. Es heißt, daß die ersten Gäste ab 1. Juni erwartet werden sollen, u. zwar auch aus den westlichen Zonen. Die Sache wird anscheinend groß aufgezogen. Es ist sogar ein Kurdirektor eingesetzt worden in Person des Herrn Michelsen aus Ribnitz, eines sehr sympatischen Mannes, der bereits hier ist u. im Kurhause wohnt. Das Kurhaus ist ganz gerüstet, Gretl Neumann hat alles sehr geschickt u. energisch betrieben, sie hat sogar eine Kuh angeschafft. Ich habe mit Fritz die Möglichkeiten besprochen, in der BuStu. geeignete Wandflächen zu schaffen, um Zeichnungen aufhängen zu können. Bilder will ich dann nur im Atelier zeigen nach vorheriger Anmeldung solchen Leuten, die sich besonders interessieren. Ich verspreche mir davon sehr viel in ideeller Beziehung, da ich annehme, daß auch viele Schriftsteller u. Kunstverständige Kritiker herkommen werden. Ich entgehe auf diese Art dem sonst üblichen Ausstellungsbetrieb u. dem dummen [1609] Geschwätz des Banausentums. Ob dabei auch ein materieller Erfolg erzielt werden kann, steht dahin u. es ist mir das auch ziemlich gleichgültig. Es kommt mir nur darauf an, einen kleinen Kreis von Leuten zu finden, die sich interessieren u. dann weiter arbeiten. Ich selbst werde ja kaum noch viel tun. Es ist möglich, daß ich noch einige hübsche Bilder malen werde, aber wohl kaum noch etwas Neues. Ich habe das Gefühl, daß ich mit dem Christkönig u. der Himmelskönigin alles gesagt habe, was ich zu sagen hatte. Auch sonst erübrigt sich nun meine weitere Mitarbeit in den Belangen des irdischen Lebens, seitdem Fritz wieder da ist u. in eifriger u. sehr verständiger Weise die Interessen des Geschäftes wahrnimmt u. für Martha sorgt. [...]

[1609]
Donnerstag, 23. Mai 1946.     

[1609]      Gestern Nachmittag war der Maler Holst aus Wustrow u. seine Frau, die ebenfalls Malerin ist u. unter ihrem Mädchennamen Sommer als Künstlerin einen gewissen Ruf genießt, bei mir, um meine Bilder zu sehen. Koch-Gotha hatte sie wieder neugierig gemacht. Der Christkönig machte den weitaus stärksten Eindruck auf sie. Frau Holst=Sommer ist eine sehr energische, zielbewußte Frau, – als Frau nicht grade sehr fraulich, aber als Künstlerin doch recht beachtlich. Das Einzige, was ich ihr vorzuwerfen habe, ist, daß sie sich mit diesem eitlen Dummkopf von Mann eingelassen u. ihn geheiratet hat. Er hat, solange wir vorher Kaffee tranken, pausenlos von sich erzählt, von seinen Krankheiten u. Gebrechen, von seiner Tüchtigkeit u. Arbeit usw. Die Frau gab mir später einen guten Tipp zur Beschaffung von Bilderrahmen.

     Ich zeichnete gestern den ganzen Tag ein einem blühenden Zweig wilder Kirsche, ohne jedoch zu einem recht befriedigenden Resultat zu kommen.

[1609]
Sonnabend, 25. Mai 1946.     

[...] [1610]      Heute sollen bereits zehn Gäste im Kurhause eintreffen. Es heißt, daß viele sehr prominente Künstler herkommen sollen. Fritz bemüht sich außerordentlich, das Geschäft auf einen ordentlichen Stand zu bringen. [...]

[1610] Die Russen entwickeln mehr u. mehr eine Politik des Ausgleiches in der östlichen Zone, man sagt, sie wollten ihre Besatzung noch weiter vermindern, sodaß hier bei uns nur noch Rostock u. Schwerin besetzt sein sollen. Da nun in der westlichen Zone der Hunger immer größer wird, während man bei uns zur Not leben kann, gewinnen die Russen mehr u. mehr Sympathie. Sonst aber schweigt man. Es verlautet kein Wort davon, daß der Osten sich selbständig machen wird, aber ich erwarte es mit immer größerer Gewißheit.

     Wir beginnen, uns auf einen kohlenlosen Winter einzurichten. Wir werden die Zentralheizung still legen müssen u. versuchen, Kachelöfen zu bekommen. [...]

[1610]
Montag, 27. Mai 1946.     

[...] [1611]      Die zu erwartenden Sommergäste sollen erst am kommenden Sonnabend eintreffen. Die Ahrenshooper sind sehr in Erwartung. – Heute brachte Frau Burgartz die neuen Lebensmittelkarten-Bescheinigungen. Man hat mich diesmal wieder um eine Stufe herabgesetzt. Frau B. sagte mir, daß die Russen wieder schärfere Bestimmungen erlassen hätten. Dafür kosten diese Bescheinigungen jetzt neuerdings 1,– Rm. Gebühren an den Kulturbund, der damit seine schmale Kasse auffüllt. [...]

[1612]
Mittwoch, 29. Mai 1946.     

[...] [1612]      Fritz ist in der BuStu. sehr eifrig tätig. Ich sah es mir gestern an. Es ist erstaunlich, was er gemacht hat. Der Turm, der in den letzten Kriegsjahren verschlossen war u. als Vorratsraum diente, ist wieder eingerichtet u. wirkt mit wenigen, sehr mäßigen Ausstellungsgegenständen doch sehr anständig. Er hat seine großen Fotos aufgehängt u. auf den Tischen Radierungen von Schultze-Jasmer unter Glas. Er ist jetzt dabei, Wände zu spannen, an denen meine Zeichnungen hängen werden, die ich nun nach u. nach fast alle mit gezeichneten Rähmchen versehen habe. Den Rest mache ich heute u. morgen fertig. Am Pfingstsonnabend soll alles fertig sein, denn dann kommen die ersten Gäste. [...]

[1613]      Nachmittags war der junge Stechow aus Althagen da mit einem Herrn Meier, der wohl Flüchtling ist u. Werkmeister irgend einer Fabrik, ein sehr intelligenter, sympatischer Mensch. Beide zusammen haben sechs Schaukelpferde gemacht, von denen aber erst drei fertig sind. Wir haben sie sofort gekauft u. die noch zu machenden drei Stück ebenfalls. Die Stücke sind ganz ausgezeichnet, sehr solide u. stabil gearbeitet, nur daß der fertige Anstrich mangelhaft ist, weil sie keinen Firnis haben. Wir werden nun noch Sattelzeug u. Zaumzeug dazu machen u. haben damit wirklich ganz große Zugstücke im Laden. Man wird heutzutage dergleichen kaum in den Großstädten finden. Diese Pferde u. unsere wirklich bemerkenswert guten Puppen, die wir von den Damen machen lassen, die wir beschäftigen, sind wirklich sehenswert. Wir beschäftigen vier Damen zur Herstellung von allerhand Dingen wie Gürtel, Haarnetze, Einkaufsnetze usw. u. können uns mit dieser Produktion sehen lassen. Dazu haben wir noch eine ältere Dame als Verkäuferin, Frau Handschuch, sie war einmal die Frau eines Geschäftsinhabers für Eisenwaren u. Haushaltungsartikel in irgend einer Stadt im Osten u. hat alles verloren, sie ist sehr gewissenhaft u. reell. Auch die anderen Damen sind alle Flüchtlinge bis auf die Tochter des Briefträgers Fiek, der verschollen ist, ebenso wie ihr Mann.

     Vorläufig geht das noch alles, aber die Zeit wird kommen, wo kein Mensch mehr Geld hat. Deutschland geht immer mehr dem völligen Ruin entgegen. Trotzdem arbeiten wir weiter, als ob nichts geschehen wäre. So habe ich den beiden Herren Stechow u. Meier heute die Maße meiner sämtlichen Bilder gegeben u. lasse Rahmen machen. [...]

[1613]
Donnerstag, 30. Mai 1946     
Himmelfahrts-Tag.     

[1613]      Seit manchem Jahr konnte in diesem Jahre der Himmelfahrtstag wieder als richtiger Festtag begangen werden. Die Geschäfte waren geschlossen u. die Arbeit ruhte.

     Nach dem Essen besichtigte ich die BuStu, wo Fritz Wände gespannt hatte, um meine Zeichnungen aufhängen zu können. Er hat das sehr sorgfältig mit Rupfen gemacht u. es sieht sehr gut aus. Morgen will ich daran gehen u. die Zeichnungen aufhängen, ich kann gut u. bequem 12 – 15 Zeichnungen hängen.

     Von Ruth ein sehr netter Brief.

[1613]
Freitag, 31. Mai 1946.     

[1613]      Heute Nachmittag habe ich meine Zeichnungen in der BuStu. aufgehängt. Es sind insgesamt 16 Zeichnungen, die der BuStu. nun erst ein richtiges Gesicht geben, obgleich sie für sich isoliert hängen. Der ganze Laden bekommt dadurch das Ansehen einer Kunstausstellung, während der Verkauf der anderen Sachen mehr Nebensache bleibt. Aber auch sonst macht der Laden jetzt wirklich einen bemerkenswert guten Eindruck.

     Morgen sollen 90 Gäste vom Kulturbunde eintreffen.

     Vormittags am Kirschblüten-Bilde gemalt.

Juni 1946

[Bearbeiten]
[1701]
Montag, 3. Juni 1946.     

[...] [1701]      Die neuen Sommergäste waren teilweise in der BuStu. Die Sache klappt natürlich nicht. Von den 90 Gästen, die erwartet wurden, sind nur 17 gekommen, aber man hofft, daß die übrigen nachkommen. Ein Maler aus [1702] Schwerin sah meine ausgestellten Zeichnungen u. erkannte sofort, daß er andere Zeichnungen von mir auf der gegenwärtigen Wanderausstellung gesehen hatte, woraus zu schließen ist, daß jene Zeichnungen Eindruck gemacht haben müssen in der Masse der übrigen ausgestellten Sachen, sonst hätte er keinesfalls meine Handschrift wiedererkannt. Auch sonst scheinen meine Zeichnungen zu interessieren.

[1702]
Donnerstag, 6. Juni 1946.     

[...] [1702]      Später war Dr. Burgartz da u. teilte mit, daß in Ahr. eine sog. Ortsgruppe des Kulturbundes gegründet sei, für die er den Vorsitz übernommen habe. Er bat mich, in den Vorstand mit einzutreten, was ich zusagte. Er erzählte eine Unmenge von Dingen die ich nicht behalten habe. Jedenfalls soll am Pfingstmontag die erste Veranstaltung des Kulturbundes stattfinden, auf der B. sprechen wird. Ich habe ihm aber gleich gesagt, daß ich keine persönlichen Verpflichtungen übernehmen könne, da ich krank sei. Es ist zum Sommer, wenn, wie Dr.B. sagt, die wirklich Prominenten hier sein werden, eine Kunstausstellung geplant, auf der ich dann allerdings sehr stark herauskommen könnte. – Abwarten! – [...]

[1703]
Freitag, 7. Juni 1946.     

[...] [1703]      Abends besuchte uns Inge, Gretes Tochter. Sie hat furchtbar viel durchgemacht u. ist auch heute nur durch äußerste Anstrengung in der Lage, sich u. ihre Töchter durchzubringen. Sie ist für eine Woche hier aus Berlin. Es ist ja überaus bedauerlich, wie es ihr ergangen ist u. immer noch ergeht; aber als sie das letzte Mal hier war im Jahre 1944, da waren wir noch die armen Irren, die in aussichtsloser Verkalkung nicht in der Lage waren, die herrlichen Vorzüge des Nationalsozialismus zu begreifen u. den geliebten Führer zu würdigen. Inzwischen haben sich die Dinge eben geändert. [...]

[1704]
Dienstag, 11. Juni 1946.     

[1704]      Von dem Kulturbund-Abend, der gestern im Baltischen Hof stattfand, habe ich mich gedrückt. Fritz war da u. erzählt, das Dr. Burgartz sich bei seiner Ansprache ziemlich blamiert hat. Er ist kein Redner u. hat sich total verwirren lassen.

     Heute Vormittag am Interieur gemalt. [...]

[1705]
Sonnabend, 15. Juni 1946.     

[...] [1705]      Dr. Burgartz sagte mir neulich, daß er damit rechne, daß ich im Sommer, wenn die wirklich prominenten [1706] Kulturbundleute hier sein würden, einen Vortrag über Kunst halten würde. Ich habe diese Tage dazu benützt, einen solchen Vortrag auszuarbeiten.

[1707]
Freitag, 21. Juni 1946.     

[...] [1707]      In der Zeitung steht, daß am 15. September in Mecklenburg-Vorpommern Gemeindewahlen stattfinden sollen. Ich bin noch mißtrauisch u. kann kaum glauben, daß die neue Einheits-Partei sich so ohne weiteres einer Wahl stellen wird. Wahrscheinlich wird dann auch an mich die Frage herantreten, ob ich mich in die Gemeindevertretung wählen lassen soll. Ich denke, daß ich es tun werde, um [1708] auf diesem Wege in die Verwaltung etwas mehr Schwung zu bringen, denn mein Nachfolger, Herr Schöter, schläft allmählich auf seinem Bürgermeisterstuhl ein. Er ist sonst durchaus einwandfrei, aber leider ohne jede Initiative. Infolge dessen herrscht im Ort eine Kartoffelnot, die fast zur Katastrophe wird. Jeder versucht, auf eigene Faust zu Kartoffeln zu kommen, wodurch die Schiebergeschäfte einen fabelhaften Auftrieb bekommen. Man hat Glück, wenn man alte, vorjährige Kartoffeln für 50,– Rm. pro Centner bekommen kann. Auch wir sind am Ende damit. Es wäre Pflicht des Bürgermeisters, die Sache in die Hand zu nehmen, wie ich es vor einem Jahr ja auch getan habe. Wie stolz war ich damals wenn es mir gelungen war, mit dem Lastwagen 60 Centner heranzuschleppen, – u. damals war es schon ein Kunststück, den Lastwagen überhaupt zu bekommen, weil der widerliche Kosaken-Hauptmann in Wustrow den Wagen dauernd für sich beanspruchte. – Wenn man daran zurückdenkt, dann sieht man doch, daß heute alles schon viel besser u. leichter ist.

     Infolge meiner besseren Gesundheit habe ich heute auch mein Bild sehr fördern können. Ich habe den ganzen Hintergrund durchgearbeitet u. die im Sofa sitzende Figur ebenfalls. Ich glaube, daß ich morgen die linke Seite mit dem zweiten Fenster fertig malen werde.

[1708]
Sonntag, 23. Juni 1946.     

[...] [1708]      Nach Tisch mit Martha Spaziergang zum Hohen Ufer, – seit sehr langer Zeit das erste Mal. [...]

[1709] Wir gingen dann weiter zur Batterie, wo riesige Trümmern von Eisenbeton herumliegen, Reste von Geschützen. Scheinwerfern u. sonstigem Kriegsgerät. Diese Trümmer werden niemals beseitigt werden, weil es einfach unmöglich ist, sie werden noch späteren Generationen erzählen von den einstigen Befestigungsanlagen, die hier waren. Auch die übrigen dahinterliegenden Häuser sind völlig ausgeplündert, darunter auch das nie fertig gewordene Haus des üblen Malers Fischer-Uwe, der sich mit Hilfe des Gauleiters von Mecklenburg Hildebrandt im Kriege dort ein Haus bauen ließ. Die riesigen Betonbrocken der gesprengten Befestigungsanlagen sind weit in den Aeckern zerstreut. Das ehemalige Batteriegelände aber ist bereits sehr ordentlich als Acker bestellt.

     Wir gingen dann nach Althagen hinab. Die Baracken der Batterie sind größtenteils ebenfalls völlig zerstört, einige sind schon zusammengefallen. Der große Platz innerhalb des Lagers ist ebenfalls gärtnerisch bestellt, Flüchtlinge haben dort Garten-Parzellen erhalten. Die Baracken hätte man vorzüglich zur Unterbringung von Flüchtlingen verwenden können. [...]

[1710]
Mittwoch, 26. Juni 46.     

[1710]      Vormittags Rabarber mit Jauchewasser begossen u. sonst ein wenig im Garten getan. Es ist endlich wieder schönes Wetter. Nachmittags waren wieder einige Leute zur Besichtigung von Bildern da: ein älterer Herr mit weißem, kurzen Kinnbart, der von Beruf ursprünglich Forstmann war u. sich jetzt Bildhauer nennt, sodann eine Dame, die vielleicht seine Frau war. Ferner eine andere, sehr große, schlanke ältere Dame, die, wenn ich nicht irre, Weberin ist. Später kam noch der Maler u. Graphiker Heiling dazu u. schließlich noch Dr. Burgartz. [...]

[1710] Die übrigen waren sehr verständig u. gingen gut auf die Bilder ein, sodaß ich in der Lage war, dazu etwas zu sagen.

     Die große, schlanke, ältere Dame war eine Frau Dodell u. ist die Enkelin des Malers Kallmorgen. Sie scheint ja ganz ungewöhnlich von meinen Bildern beeindruckt gewesen zu sein. Martha erzählt mir, daß sie nach dem Besuch bei mir noch bis zum Geschäftsschluß in der BuStu. gewesen sei u. immerfort nur begeistert von meinen Bildern gesprochen habe.

     Der Herr mit dem Kinnbart, dessen Namen niemand weiß, hat darum gebeten, mit mir einmal allein sich unterhalten zu dürfen.

     Dr. Burgartz, der ja von je her sehr für meine Bilder eingenommen ist, sprach davon, daß er im Herbst nach Berlin fahren wolle u. daß er bei dieser Gelegenheit gern versuchen wolle, mir die Möglichkeit einer geschlossenen Kollektiv-Ausstellung zu vermitteln. Es ist das sehr gut von ihm gemeint u. es würde durchaus meinen Wünschen entsprechen; aber Herr Dr. B. ist nicht der Mann dazu, der dergleichen fertig bringt.

[1710]
Donnerstag, 27. Juni 1946.     

[...] [1710]      Später war Frau Masurek aus Berlin da u. schenkte [1711] mir eine Cigarette, wofür ich ihr als Gegenleistung meine letzten drei Bilder zeigte. Sie erzählte vom Leben in Berlin, woraus wieder einmal hervorgeht, daß es immer noch weiter abwärts geht. Die Leute verkaufen das, was sie an Werten noch besitzen u. gerettet haben, für teures Geld an Engländer u. Amerikaner, um sich auf dem Schwarzen Markt für noch teureres Geld Lebensmittel kaufen zu können. Frau M. selbst hatte früher ein Geschäft für Herren-Konfektion u. macht heute sogen. neue Sachen aus alten. Wenn dann diese neuen Sachen wieder alt geworden sein werden, wird es nichts mehr geben, ebenso wenn das Geld für die Werte auf dem Schwarzen Markt ausgegeben u. die Nahrungsmittel aufgezehrt sein werden. – Es sind das schreckliche Perspektiven.

     So nimmt es nicht Wunder, daß einige Kluge unter unseren Kulturbund-Gästen mit Plänen umgehen, sich hier bei uns anzusiedeln, weil sie das Beispiel von uns sehen, indem wir von einigen Leuten allerhand Gegenstände herstellen lassen: Schaukelpferde, Segelboote u. a. Spielsachen, Haarnetze, Hüte, Gürtel usw. Wir produzieren doch wenigstens u. das Geschäft sorgt für den Absatz. Es kann daraus durchaus etwas werden. Jedenfalls leben wir noch nicht vom Kapital, sondern geben noch anderen Verdienst. –

[1711]
Freitag, 28. Juni 1946.     
Herz-Jesu-Fest.     

[...] [1711]      Nachmittags kam Robert Schneider mit seiner Mutter, um meine Bilder zu sehen. Er brachte eine Flasche original Luxemburger Sekt mit, dazu eine kleine Schachtel mit zerschnittenen Cigarrenstummeln, die sich aus der Peife noch sehr gut rauchen lassen. Das Zeigen der Bilder ist ja immer eine etwas schwierige Sache, denn letzten Endes ist auch Robert Schneider ein Banause, aber gutmütig. Vor dem Christkönigs=Bilde verstummte er völlig. Es macht dieses Bild doch auf alle immer einen tiefen Eindruck. Sekt, Pfeife u. Bilder gaben dann doch einen guten Zusammenklang u. es war schließlich doch eine Freude. [...]

[1801]      Es regnet wieder, aber es ist wenigstens warm.

     Den Vortrag, um den mich Dr. Burgartz gebeten hat, habe ich nun ebenfalls im Konzept fertig. Ich habe ihn ziemlich gründlich u. sorgfältig verfaßt u. ich könnte ihn nun jederzeit halten. Ob es wirklich dazu kommt, daß ich ihn halten werde, ist ja noch ungewiß, aber es war doch gut, mich einmal prinzipiell dazu zu stellen.Abends kam Frau Kuhrt u. berichtete von ihrer Berliner Reise. Sie hat sich dort ohne mein Wissen nach Ausstellungsmöglichkeiten für mich umgesehen. Der Veranstalter der Kunstausstellungen im Schöneberger Rathaus will sieben Bilder von mir dort ausstellen u. auch die Kunstausstellungen im Zeughaus stehen mir offen; aber beides interessiert mich nicht sehr. Dagegen war sie in der Kunsthandlung Rosen am Kurfürstendamm. Herr Rosen will prinzipiell gern eine Kollektiv-Ausstellung von mir machen, möchte aber vorher Fotos sehen, was natürlich sehr verständlich ist. Fritz wird nun demnächst einige Bilder photographieren. Diese Sache interessiert mich, ich denke, daß sie bis zum Herbst reif sein wird. [...]

Juli 1946

[Bearbeiten]
[1801]
Montag, 1. Juli 1946.     

[...] [1801]      Es regnet wieder, aber es ist wenigstens warm.

     Den Vortrag, um den mich Dr. Burgartz gebeten hat, habe ich nun ebenfalls im Konzept fertig. Ich habe ihn ziemlich gründlich u. sorgfältig verfaßt u. ich könnte ihn nun jederzeit halten. Ob es wirklich dazu kommt, daß ich ihn halten werde, ist ja noch ungewiß, aber es war doch gut, mich einmal prinzipiell dazu zu stellen.Abends kam Frau Kuhrt u. berichtete von ihrer Berliner Reise. Sie hat sich dort ohne mein Wissen nach Ausstellungsmöglichkeiten für mich umgesehen. Der Veranstalter der Kunstausstellungen im Schöneberger Rathaus will sieben Bilder von mir dort ausstellen u. auch die Kunstausstellungen im Zeughaus stehen mir offen; aber beides interessiert mich nicht sehr. Dagegen war sie in der Kunsthandlung Rosen am Kurfürstendamm. Herr Rosen will prinzipiell gern eine Kollektiv-Ausstellung von mir machen, möchte aber vorher Fotos sehen, was natürlich sehr verständlich ist. Fritz wird nun demnächst einige Bilder photographieren. Diese Sache interessiert mich, ich denke, daß sie bis zum Herbst reif sein wird. [...]

[1802]
Mittwoch, 3. Juli 1946.     

[...] [1803] Am 30. Juni um 23.30 Uhr deutsche Zeit hat der mit großer Spannung erwartete Atombomben-Abwurf in der Südsee stattgefunden. Einige Gelehrte hielten für möglich, daß durch diese Explosion der Anfang einer Kette unkontrollierbarer Atom=Explosionen entstehen könnte. Man hat bis jetzt nichts dergleichen gehört, aber es könnten sehr gut Explosionen auf politischem Gebiet stattfinden, die vielleicht noch folgenschwerer sein könnten. [...]

[1804]
Sonnabend, 6. Juli 1946.     

[...] [1804]      Abends war der Maler Heiling nochmals da, um allerhand Dinge zu besprechen [...]

[1804] Auch über den Pastor Kleinschmidt, welcher im Kulturbund eine so große Rolle spielt u. Ministerialdirektor im Propagandaministerium in Schwerin u. nebenher auch Pastor ist, wußte er mir aufklärende Daten zu geben. Dieser Mann war evang. Pastor in Thüringen, als die Nazis an die Macht kamen. Da er Mitglied der SPD. war, mußte er natürlich verschwinden u. wurde Konferencier in einem Berliner Kabarett. Für einen Pastor immerhin ungewöhnlich. [...]

[1805]
Montag, 8. Juli 1946.     

[...] [1806] Martha erzählt von allerhand Leuten, die sich in der BuStu. sehr für meine Bilder interessieren, darunter der Stadtrat Matern aus Rostock, der Vorsitzender des Kulturbundes in R. ist. Es werden also in dieser Woche wohl allerhand Leute kommen, die meine Bilder sehen wollen. [...]

[1806]
Mittwoch, 10. Juli 1946.     

[...] [1806]      Nachmittags Bilder=Besichtigung: ein Kapellmeister-Ehepaar oder etwas ähnliches, die Frau viel redend, ferner ein junger Maler, schwer kriegsverletzt, Fallschirmjäger, sowie ein ihm befreundetes, sehr belangloses Ehepaar. Auch der kriegsverletzte Maler ist, abgesehen davon, daß er ein netter Kerl zu sein scheint, sonst ganz belanglos. Diese jungen Leute wissen von keinen Problemen, sie machen einfach, was ihnen beigebracht worden ist u. machen sich sonst keine Gedanken. [...]

[1807]
Montag, 15. Juli 1946.     

[...] [1807]      Ab 1. August hat der Dichter Johannes R. Becher im Hause Strohschnitter gemietet. [...]

[1807]
Dienstag, 16. Juli 1946.     

[...] [1807]      Der Ort scheint jetzt voll belegt zu sein. Es sind gestern wieder viele Gäste gekommen u. es sollen noch sehr viele Anmeldungen für August vorliegen. [...]

[1808]
Mittwoch, 17. Juli 1946.     

[...] [1808]      Seit mehreren Tagen ist kein, „Tagesspiegel“ mehr eingetroffen. Es heißt, daß die Russen der Post verboten haben, diese Zeitung zu befördern. Es ist das eine empörende Maßnahme, u. dieser Staat redet von Demokratie. – [...]

[1808]
Donnerstag, 18. Juli 1946.     

[...] [1808]      Gegen Abend kam der Stadtrat Matern, der der Hauptmacher des Kulturbundes in Rostock ist, mit Herrn v. Achenbach, der sich doch früher stark gemacht hatte, mein Haus nicht zu betreten. Herr Matern ist aber im Kulturbund sein Chef u. so mußte er schon. Herr M., den ich bisher nicht kannte, stellte sich vor u. bat, meine Bilder sehen zu dürfen. Ich führte beide Herren rauf ins Atelier u. führte die Bilder vor. Herr M. fragte, warum ich nie in Rostock ausgestellt hätte. Ich sagte ihm, daß ich kein Interesse daran hätte, einzelne Bilder auszustellen, daß ich alle Bilder ausstellen wollte, oder garnicht. Er ging sofort darauf ein u. stellte mir den Raum dazu im Rostocker Museum zur Verfügung. Er sagte, daß in den nächsten Tagen der Museums-Direktor kommen u. alles mit mir besprechen würde, sodaß die Ausstellung um den 15. Sept. eröffnet werden könnte. – Herr M. beurteilte meine Bilder so, wie ein Fachmann Pferde oder Hunde beurteilt. Er sah, daß mit meinen Bildern etwas los ist, daß sie beim großen Publikum keinen Anklang finden würden, aber desto mehr bei Kunstverständigen u. das ist es, was er will. Er ist überhaupt ein sehr zielbewußter u. energischer Mann, obgleich er klein u. schmächtig ist. Er sagte, daß die Leitung des Kulturbundes in Schwerin leider versagt [1809] hätte bei der Organisation des Kurbetriebes in Ahrenshoop. Man hatte in Schwerin Sorge gehabt, daß Ahr. nicht voll werden würde u. hat deshalb Kreti u. Pleti hierher geschickt. Nun, wo die wirklich beachtlichen Leute aus Berlin u. dem Westen herkommen wollen, ist alles besetzt mit minderwertigen Leuten. – [...]

[1809]      Vom Verlag des „Tagesspiegel“ bekamen wir heute Nachricht, daß die Zeitung nicht mehr in den russ. Sektor geliefert werden darf. – [...]

[1809]
Freitag, 19. Juli 1946.     

[...] [1809]      Heute Abend ist eine Sitzung der sog. Ortsgruppe des Kulturbundes. Herr Dr. Burgartz hat mich extra bitten lassen, zu kommen. [...]

[19]
Sonnabend, 20. Juli 1946.     

[1809]      Gestern Abend die Versammlung des Ku-Bu, doch versammelten sich von den etwa 35 Mitgliedern nur fünfzehn, unter ihnen der alte Triebsch, der rechts neben mir saß, der Bürgermeister Schröter, Frau Koch-Gotha, ihre Tochter u. ihr Schwiegersohn, den ich bei dieser Gelegenheit kennen lernte, Frau Eggert, Frau Marie Seeberg, Käthe Miethe, Frau Richter u. a. – Es ging zunächst um die Wahl eines stellvertr. Vorsitzenden der Ortsgruppe, die [1810] dringend war, weil Dr. Burgartz geheimnisvolle Andeutungen machte, daß er künftig meistens abwesend sein würde. Ich bin nicht dahinter gekommen, was ihn eigentlich von hier fortführen wird, es scheint, als ob Herr Matern ihm irgend ein Angebot gemacht hat. Herr Matern scheint überhaupt sehr aktiv zu sein u. sich von Herrn v. Achenbach u. von Erichson distanziert zu haben. Ich glaube, den Andeutungen des Dr. B. entnehmen zu können, daß dieser auch zur sog. „Beratenden Versammlung“ beim Landratsamt gehört. Diese Beratenden Versammlungen sind bei den Gemeindeämtern, den Landratsämtern u. bei der Landes-Regierung seit neuester Zeit von den Russen eingerichtet worden u. sollen so etwas wie eine parlamentarische Vertretung bei diesen Aemtern sein, sind aber nicht aus Wahlen hervorgegangen, sondern werden berufen, natürlich kommen nur Mitglieder der SEP. dafür in Frage.

     Für den stellvertr. Vorsitz in der Ortsgruppe schlug Dr. B. mich vor, doch lehnte ich entschieden ab mit der Begründung, daß ich nicht in der SEP. bin u. auch nicht die Absicht habe, einzutreten. Meine Ablehnung rief Verlegenheit hervor, denn es war kaum jemand da, der sonst noch in Frage kam. Man bot dieses Amt an wie saures Bier, aber niemand wollte es nehmen. Schließlich gelang es, Frau Richter dazu zu überreden, obgleich sie wirklich nicht sehr geeignet ist.

     Anschließend gab es dann ziemlich unordentliche Unterhaltungen über allerhand andere Fragen: Veranstaltungen von Konzerten durch die hier anwesenden Gäste, die alle bei dieser Gelegenheit Geld verdienen wollen, ferner ist Herr Dr. B. sehr scharf darauf, unter den Einheimischen Theaterspiele zu veranstalten. Käthe Miethe redete dagegen u. meinte, man sollte die Einheimischen das selber machen lassen u. sich nicht hineinmischen. Was sie sagte, war nicht sehr überzeugend. Endlich wurde eine Kunstausstellung beredet, die Dr. B. gern nicht nur von den hier lebenden Künstlern, sondern auch von den Verstorbenen veranstalten will. Der Koch-Gotha'sche Schwiegersohn u. ich wurden aufgefordert, die Sache zu machen. Wir sagten zu, aber es sind da besonders die Raumschwierigkeiten sehr groß. Herr Klünder, wie der Schwiegersohn von K-G. meines Wissens heißt, wird am Montag zu mir kommen u. wir werden dann gemeinsam versuchen, ein Haus für diesen Zweck zu finden. Vielleicht ist das „Haus am Meer“ dazu geeignet, vielleicht auch Haus Schorn oder Haus Dohna, das ja früher diesen Zwecken diente, doch werden wir auf die verstorbenen Künstler verzichten müssen, denn dazu ist ja garkein Platz. – [...]

[1811]
Montag, 22. Juli 1946.     

[...] [1811]      Vormittags am Rosenbild gemalt, das sehr schön zu werden verspricht. Nachmittags wartete ich vergeblich auch Koch-Gothas Schwiegersohn, der mit mir zusammen das Haus am Meer im Hinblick auf die geplante Kunstausstellung besichtigen wollte. [...]

[1811]
Donnerstag, 25. Juli 1946.     

[1811]      Täglich am Rosenbilde gearbeitet, daß farblich wie auch kompositionell sehr schön wird. – Gestern gegen Abend machte Dr. Lindner mit seiner Frau u. dem sehr niedlichen kleinen Jungen einen kurzen Besuch. Die Frau ist eine Riesendame. – [1812] Nachdem der Tagesspiegel nicht mehr zu uns gelangt, bin ich allein auf die „Landes-Zeitung“ angewiesen, die nun eine heftige Propaganda für die Wahlen im Herbst entfaltet. Die SED. verbucht sich jetzt nun einfach alle Erfolge, die die Landesverwaltung im letzten Jahre erzielt hat. Diese Erfolge sind tatsächlich beachtlich. Im August 1945 wurden in ganz Mecklenburg=Vorpommern 77754 Arbeitspferde gezählt, am 1. Juni waren es 109192 Arbeitspferde. Zu denselben Terminen gab es 183100 Milchkühe gegen jetzt 240784 u. 247354 Schweine gegen jetzt 255897 Schweine. Angesichts dieser Steigerungen u. einer erheblichen Steigerung der Anbauflächen um 28% glaubt Vicepräsident Möller sagen zu dürfen, daß wir über den Berg sind, daß die Ernährung ansteigen wird u. daß wir mit einem allgemeinen Anstieg der wirtschaftlichen Lage rechnen dürfen. – Auch in der Industrie – anscheinend aber mit Ausnahme der so wichtigen Lebensmittelindustrie –, wird eine Steigerung um 20% behauptet. Interessant ist, daß in Rostock eine Werkuhren=Fabrik geplant ist u. in Laage eine Milchzucker-Produktion. Fast noch interessanter ist, daß in Schwerin eine Zigarettenfabrik im Bau ist, die bereits in 2 Monaten täglich 1,2 – 1,4 Millionen Zigaretten produzieren soll. Diese Fabrik soll „Unitas“ heißen. – Solche Nachrichten sind natürlich sehr erfreulich. Diese „Unitas-Zigaretten“ werden zwar ein greuliches Kraut sein, aber eine schlechte Zigarette ist besser, als garkeine. Das Nichtrauchen ist wirklich eine harte Nuß. – Nun kann ja niemand sagen, daß diese Fortschritte allein auf das Konto der SED. zu setzen sein müssen, dennoch ist kein Zweifel, daß solch eine Einheitspartei eine starke Stoßkraft besitzt, genau so, wie die NSDAP eine solche Stoßkraft besaß u. damit viel erreichte. Gegenwärtig sind Pieck u. Grotewohl im Westen u. halten dort starke Propagandareden in Köln, Essen usw. Die Russen würden das im umgekehrten Fall einfach nicht erlauben, der demokratische Westen muß es erlauben. Ich bin überzeugt, daß diese Propaganda sehr großen Erfolg haben wird. Und man weiß nicht, was man denken u. sagen soll. Hat sie nämlich keinen Erfolg, dann ist der Auseinanderbruch Deutschlands an der Elbe unvermeidlich, hat sie Erfolg, dann ist das ein Sieg der Russen u. eine Niederlage der Westmächte. Die Westmächte haben dann tatsächlich den ganzen Krieg verloren. Sie sind in den Krieg gezogen, um das totalitäre Deutschland zu vernichten u. stehen nun vor einem neuen totalitären Deutschland, das nun aber im Bunde mit Rußland u. a. totalitären Staaten ist. Immer stärker wird in mir der Zweifel, ob die westlichen Demokratien überhaupt noch eine Zukunft haben u. ob es nicht besser ist, sich bedingungslos dem neuen Rußland anzuschließen, so sehr auch alles Gefühl dagegen spricht. –

[1812]
Sonnabend, 27. Juli 1946.     

[...] [1813] Von Herrn Dr. Gräbke, dem Museumsleiter in Rostock, bekam ich gestern Nachricht, nach der er sich freut, meine Bilder in geschlossener Uebersicht zu zeigen. Er wird in den ersten Augusttagen herkommen.

     Sehr erfreulich ist, daß Martha eine große Tube Weiß in Berlin ergattern konnte. [...]

[1813]
Montag, 29. Juli 1946.     

[...] [1814]      Nachmittags waren sehr viele Menschen da, um Bilder zu sehen, darunter das Ehepaar Lindner, ferner Frau Koch-Gotha mit Tochter u. Schwiegersohn, so dann Frau Richter-Langner u. Uschi Gräfin Dohna mit Frau Oberländer. Außerdem noch Leute, die ich nicht kannte, es waren zu viele.

     Uschi Dohna sagte mir, daß sie bereit sei, ihr Haus für die geplante Kunstausstellung zur Verfügung zu stellen. Wir gingen gleich hin, um es zu besichtigen. Das Haus ist sehr verwahrlost, aber U. Dohna ist bereit, daß Haus langfristig dem Kulturbunde für künstlerische Zwecke anzubieten. Der Kulturbund könnte das Haus baulich wieder in seinen früheren Zustand versetzen, den es früher als Kunstkaten gehabt hat u. es würde sich vorzüglich für Ausstellungen u. a. künstlerische Veranstaltungen eignen. Damit wäre für Ahrenshoop ein ganz großer Vorteil gewonnen. Ich sagte ihr, sie möchte gleich mit Dr. Burgartz darüber sprechen u. möglichst selbst nach Schwerin fahren, um dort die führenden Leute für die Sache zu interessieren.

[1814]
Mittwoch 31. Juli 1946.     

[...] [1814]      Mit meiner künstlerischen Arbeit befinde ich mich in einer Krisis. Blumen habe ich nun reichlich genug gemalt, Landschaften interessieren mich zur Zeit nicht sehr, religiöse Motive sind zunächst auch erschöpft. Ueberhaupt habe ich das Gefühl, mich ziemlich festgearbeitet zu haben, es bieten sich mir keine neuen Probleme mehr. Das Gespensterbild ist ein Versuch, aus diesem Geleise herauszukommen. Der Versuch beschränkt sich aber rein auf das Motivische. Ich versuche jetzt aus einem anderen Marionetten-Kopf etwas zu machen, eine Zigeuner-Dirne. Eine Zeichnung habe ich gemacht: Kopf einer Dirne, die sich nach rechts bewegt, den Kopf aber nach rückwärts wendet, mit den Augen aber in die Richtung der Bewegung schielt. Ich glaube, daß damit etwas anzufangen ist.

     Es ist kalt, regnerisch u. stürmisch.

     Der Stadtrat Matern aus Rostock fragte mich, als er neulich meine Bilder ansah, nach solchen Bildern, die sich mit dem Zeitgeschehen auseinandersetzen. Ich sagte, daß ich davon nichts hätte u. zu abseits stände. Seitdem geht mir aber diese Frage im Kopfe herum, jedoch fällt mir nichts ein, was ich da malen könnte, ohne in Plattheiten zu geraten. Eine solche Auseinandersetzung wäre ja auch wieder nur etwas Motivisches. [...]

August 1946

[Bearbeiten]
[1901]
Sonnabend, 3. August 1946.     

[1901]      Vormittags das neue Bild angelegt. [...]

[1901]      Ich lese zur Zeit eine Druckschrift „Einheit“, die von der SEP. herausgegeben wird u. die das Programm der Partei behandelt. Ich werde mir diese Schrift, die monatlich erscheint, kommen lassen, der Inhalt gibt doch sehr zu denken. Wenn ich auch nicht dieser Partei angehören will wegen ihrer Gegnerschaft gegen die Kirche, – obgleich sie alles vermeidet, was diese Gegnerschaft erkennen läßt –, so sind diese sozialistischen Gedanken dennoch sehr einleuchtend. – [...]

[1902]
Montag 5. August 1946.     

[1902]      Vormittags an dem neuen Bilde gearbeitet.

     Am Nachmittag kam Pastor Kleinschmidt aus Schwerin, der im Kulturbunde eine beachtliche Rolle spielt. Der Maler Heiling erzählte mir von ihm, daß Kleinschmidt vor 1933 Pastor in Thüringen u. Mitglied der SPD. gewesen ist. Er mußte dann den Nazis weichen u. wurde Conferenzier an einem Berliner Kabarett. Jetzt ist er wieder Pastor in Schwerin. Heiling sagte mir, daß er eine beachtliche Persönlichkeit sei u. ich war ziemlich neugierig auf ihn.

     Er entpuppte sich nun als ein sehr gut u. gepflegt aussehender Mann von etwa 40 Jahren, der eine breite, ganz frische u. lange Wunde an der rechten Stirnseite hatte, die mit einer roten Salbe dick verschmiert war u. die von einem kürzlich gehabten Autounfall herrührte. In seiner Begleitung war eine sympatische junge blonde Dame. Er begrüßte mich sehr unbefangen u. bat, meine Bilder sehen zu dürfen. – Er war sehr beeindruckt u. wunderte sich, daß er bisher nie etwas von mir gehört hätte, nachdem er doch schon während des Frühjahrs alle Augenblicke in Ahrenshoop gewesen war. Er war stets in Gesellschaft von Herrn v. Achenbach u. Herrn Erichson gewesen, aber beide hatten nie meinen Namen genannt. – Nun wollte er natürlich meine Bilder nach Schwerin haben. Er hatte gehört, daß dieselben in Rostock ausgestellt werden sollten u. er wollte nun den Rostockern diese Ausstellung abjagen. Ich sagte ihm, daß der Stadtrat Matern mir sehr entgegengekommen wäre u. ich infolge dessen auf keinen Fall die Rostocker enttäuschen wolle, ich versprach ihm aber, die Bilder nach Rostock auch in Schwerin zu zeigen. Jedenfalls war zwischen mir u. ihm rasch ein guter Kontakt vorhanden, der Mann ist wirklich irgendwie bemerkenswert, ohne daß ich ihn bis jetzt näher beurteilen kann. Der Kampf um meine Bilder scheint jedenfalls auf der ganzen Linie entbrannt zu sein. [...]

[1903]
Dienstag, 6. August 1946     

[1903]      Unter den Kurgästen scheinen jetzt meine Bilder Gesprächsstoff zu sein, sodaß sich das Interesse immer mehr regt. Morgen will ein Maler Prof. Nagel kommen, der behauptet, mich aus der Novembergruppe zu kennen, ferner der Rektor der Rostocker Universität, ich glaube Prof. Rienäcker oder so ähnlich. [...]

[1904]
Freitag, 9. August 1946.     

[1904]      Das Dirnen-Bild fertig gemacht. Interessant, Gegensatz zum Propheten, die nebeneinander hängen könnten.

     Herr Dr. Graepke war vormittags da. Wir besprachen das Notwendigste. Am 8. September, Mariä Geburtsfest, soll die Ausstellung in Rostock eröffnet werden. Am 3. Sept. wird Herr Dr. G. einen Lastwagen schicken, mit dem ich dann die Bilder selbst nach Rostock bringen werde. Ich werde in Rostock bleiben u. am Eröffnungstage einen einführenden Vortrag halten. Herr G. wollte gern frühere Arbeiten von mir auch noch zeigen; aber da ist ja nichts mehr da. Es kommen höchstens noch einige der kleinen Landschaften in Frage, die ich damals 1932 nach dem Autounfall auf Holz malte, sowie Zeichnungen u. Aquarelle. Ich muß da alles zusammenkratzen, was ich habe u. denke, daß es schon irgendwie gehen wird. – Ich erfuhr bei dieser Gelegenheit, daß der Rostocker Kulturbund Zeichnungen von mir nach Dresden gesandt hat, ohne daß ich davon etwas weiß. – Ich muß nun sehen, wie alles klappt u. werde viel Arbeit haben. Grade heute morgen habe ich eine Liste zusammengestellt von den Gemälden, die ich senden will, es sind 31 Stück vielleicht auch 32, wenn ich das alte Malvenbild mitschicke.

     Nachmittags war die Direktorin der Museums in Schwerin da, deren Namen ich nicht weiß, eine Frau von etwa 45 Jahren, Kunsthistorikerin, aber bis dahin nie im Museumsdienst tätig gewesen. Nicht unsympatisch, klug u. anscheinend nicht ungeschickt. Sie will die [1905] Bilder im Oktober ausstellen, so weit sie Platz hat. Dieser Platz ist beschränkt, da die für solche Ausstellungen notwendigen Umbauten noch nicht fertig sind. Sie wird kaum mehr wie 15–20 Bilder hängen können. Die Weihnachtskrippe möchte sie gern als Leihgabe haben zu Weihnachten. – Sie erzählte allerhand von den kleinlichen Kämpfen, die sie gegen den „Oberregierungsrat“ Venzmer in Schwerin zu führen hat, der in der Sektion für Bild. Kunst den Vorsitz hat u. auch sonst in Schwerin eine Rolle spielt, aber in jeder Weise eine Null ist. Die Ausstellung meiner Bilder würde dann mit dem Kulturbund selbst nichts zu tun haben.

     Für Rostock habe ich einige kleinere Zeichnungen mit Passepartouts versehen. Ich werde ganz gut 45–50 Zeichnungen u. Aquarelle früherer Zeit zusammen bekommen, sodaß ich die Rostocker Säle gut füllen kann.

     Ich zeigte heute zum ersten Male die beiden neuen Bilder „Gespenst“ u. „Dirne“ u. fand, daß sie sich ganz gut einfügen.

     Heute abend soll eine Sitzung des Kulturbundes sein. Herr Dr. Burgartz wird ungehalten sein, weil die geplante Kunstausstellung hier bisher nicht zustande gekommen ist, jedoch fehlt es an Räumlichkeiten.

     Abends: Die Sitzung war diesmal recht anregend, nachdem ganz unerwartet Herr Pastor Kleinschmidt erschien u. die Museums-Direktorin aus Schwerin mitbrachte, sowie einen anderen Pastor u. dessen Frau. Pastor Kleinschmidt setzte sich sehr für die Kunstausstellung ein u. brachte es fertig, daß beschlossen wurde, die Wand im alten Kunstkaten herauszureißen u. am nächsten Sonntag die Ausstellung zu eröffnen. Ich weiß zwar nicht, ob das durchführbar ist, aber der Elan ist ja groß u. es mag gelingen. –

[1906]
Sonnabend, 10. August 1946.     

[1906]      Liste der auszustellenden Bilder aufgestellt, nach Motiven geordnet, Blumenbilder, Landschaften usw., insgesamt 32 Stück. Entsprechend dieser Liste Etiketten geschrieben u. auf Rückseiten geklebt.

     Mittags mit Pastor Kleinschmidt im Dohna'schen Hause, auch Dr. Burgartz, Gräfin Dohna u. a. waren da, auch Malermstr. Graeff. Wir besprachen das Rausreißen der Wand u. der sonstigen Arbeiten. Bis abends 7 Uhr war die Wand wirklich spurlos verschwunden. Gräfin Dohna überläßt mir die frei gewordenen Bretter der Deckenschalung, sodaß ich davon Bilderkisten für die Ausstellung machen lassen kann. [...]

[1907]      Ueberhaupt scheint es in diesem ganzen Kulturbund wieder einmal zu kriseln. Vormittags war Dr. Burgartz bei mir u. brachte mir die Einladungen zu unserer Kunstausstellung. Er sagte mir, daß Stadtrat Matern u. Herr v. Achenbach sehr innigst befreundet seien u. daß beide gegen Pastor Kleinschmidt stünden. Achenbach habe aber Aussicht, demnächst nach Berlin zu gehen, u. er würde dann sicher Matern dorthin nachziehen. Immerhin sei aber auch Pastor Kleinschmidt angreifbar, sodaß in den letzten Tagen der Oberregierungsrat Venzmer aus Schwerin hier gewesen sei, um da einiges in Ordnung zu bringen. Kleinschmidt selbst deutete ja gestern Abend an, daß da in der Presse einige unangenehme Notizen erschienen seien über die Angelegenheiten des Kulturbundes in Ahrenshoop, – gewiss nur reines Zeitungsgeschwätz –, aber solche Sachen sind immer unangenehm. Der Erfolg davon ist aber, daß Herr Kleinschmidt sich große Mühe gibt, hier einen guten Eindruck zu machen. Er spricht von Fehlern, die gemacht worden seien u. die in Zukunft vermieden werden müßten. – Die Stellung des Dr. Burgartz hat sich dagegen sehr gehoben. Er soll ja wohl die Leitung der in Rostock neu zu gründenden Hochschule für Musik inne haben u. ist gleichzeitig Feuilleton-Redakteur des jetzt neu eingerichteten Rostocker Teiles der Landes-Zeitung, die selbst in Schwerin erscheint. Dr. B. hat einen sehr modernen Komponisten für die Hochschule verpflichtet u. hat sich dadurch in die Nesseln gesetzt bei den reaktionären Kreisen Rostocks. Es wird auch da Kampf geben. Auch für meine Ausstellung sagte er den Kampf dieser Kreise gegen meine Bilder voraus, doch versicherte er mir, daß er mich als Leiter des Feuilletons verteidigen u. schützen werde. – So scheint also da überall ein neues Leben zu erblühen. Teils ist dieses heimliche [1908] Intrigentum dieser provinziellen Ehrgeizlinge untereinander überaus widerlich, teils zeugt aber der dadurch hervorgerufene Kampf von Lebendigkeit. Ich selbst bleibe bei all dem draußen u. freue mich, daß ich zwar als politisch Parteiloser bei all diesen Leuten im Verdacht der Reaktion stehe, daß aber meine Arbeit entschieden auf der Seite des Fortschrittes steht. Es mag das alles ganz interessant werden in diesem Winter. Die Meinungen werden dann ja aufeinanderplatzen. [...]

[1909]
Mittwoch, 14. August 1946.     

[...] [1909]      Nachmittags brachte Herr Meyer die Rahmen für die letzten Bilder, die ich gleich farbig tönte. Während dieser Arbeit kam Koch-Gotha u. brachte vier Zeichnungen für die Ausstellung. Er will morgen Vormittag wiederkommen, um Bilder anzusehen. Er hat sich seinen Bart wieder abgenommen u. hat nur eine weiße Krause stehen lassen. Er sieht so besser aus als mit Bart. Er brachte eine Zeichnung einer Althäger Winterlandschaft mit einem Schneemann, ferner eine weite Sicht auf Wustrow, eine Radierung vom alten Knecht u. eine Rötelzeichnung von Gerhard Marks.

     Der Ausstellungssaal im Kunstkaten ist jetzt so weit fertig, nur die Türen müssen noch gemacht werden u. vor allem muß sauber gemacht werden. Diese Verputzung der Wände mit Lehm hat den Fußboden in einen Morast verwandelt. Die Glasscheiben des Oberlichtes sind noch nicht erneuert u. auch das Dach ist noch nicht ausgebessert. Es hat heute Nachmittag geregnet u. innen ist das Regenwasser durch die Decke über die frisch gestrichenen Wände gelaufen.

[1909]
Donnerstag, 15. August 1946.     

[1909]      Vormittags waren wieder mehrere Leute nacheinander da, um Bilder anzusehen, darunter auch Peter Jaeger mit Tochter u. noch zwei anderen Damen, natürlich wie immer in aller Eile auf der Durchfahrt. – Am Nachmittag fotographierte Fritz die drei Bilder „Dirne“ „Gespenst“ u. „Dr. Tetzlaff“. – Der Bildhauer Loeber brachte für die Ausstellung Bilder seiner Frau, von denen ich drei Stück auswählte, ein bezauberndes, kleines Oelbild u. zwei Aquarelle (Selbstportait u. Kinderbild) Ich wußte garnicht, daß diese Frau eine so begabte Malerin sei. Ihre Sachen sind aber genau so liederlich u. schusselig gemacht u. hergerichtet, wie sie [1910] selbst ist. Auch er hat offenbar nicht die Gabe, etwas mehr Ordnung u. Disziplin in die Produktion seiner Frau zu bringen. Er hat übrigens Aussicht, irgendwo in Thüringen Leiter einer Holzbildhauer-Schule zu werden. Damit würde dann die Fischländer Kolonie gleich um zwei Köpfe verringert werden. Nachdem Partikel vor Jahresfrist spurlos verschwunden ist u. Prof. Gerhard Marks nach Hamburg gegangen ist, wird das Fischland immer magerer.

[1910]
Freitag, 16. August 1946.     

[...] [1910] Abends trafen sich die Aussteller der Kunstausstellung im Baltischen Hof. Da dort aber ein Varieté stattfand u. sämtliche Stühle im Saal gebraucht wurden, gingen wir ins Seezeichen, wo ich erstmalig den neuen Pächter, Herrn Möller, kennenlernte, ein endlich mal etwas kultivierterer Gastwirt, der aus dem Osten gekommen ist, wo er ein ziemlich großes Hotel gehabt haben soll. Es waren Triebsch, Koch-Gotha, das Ehepaar Holtz-Sommer, Frau Woermann, Dora Oberländer u. Frau Droßt da. Wir besprachen die Ausstellungsangelegenheiten, Fritz, der mit dabei war, übernahm die geschäftlichen Angelegenheiten. Es wird gut sein, wenn Fritz das auch weiterhin macht. Wir beschlossen, alle vier Wochen jeden ersten Freitag des Monats, nachmittags 5 Uhr im selben Lokal zusammen zu kommen u. außerdem überhaupt jeden Freitag einen Stammtisch dort aufzumachen. Besonders Triebsch war von diesem Vorschlag sehr entzückt. [...]

[1911]
Sonnabend, 17. August 1946.     

[1911]      Heute den ganzen Tag über im Kunstkaten Bilder gehängt. Koch-Gotha war ebenfalls da, Frau Holtz=Sommer war nur vormittags zur Jurierung da. Die Ausstellung ist nun fertig, alle Bilder hängen, wobei Herr Klünder, Koch-Gothas Schwiegersohn, sehr gute Dienste geleistet hat u. man muß sagen, daß die Ausstellung wenigstens ein recht gutes Gesicht hat. Meine Bilder: Lupinen – Prophet – Blauer Engel –, hängen an der Hauptwand zusammen mit zwei Bildnissen u. einem Blumenstück von Frau Holst-Sommer. An der Querwand daneben hängt Triebsch mit seinen konventionellen Bildern, die ganz im Stile des Vereins Berliner Künstler sind, langweilig u. brav. Zweifellos sind meine drei Bilder die besten, die anderen kommen nicht an sie heran.

[1911]
Sonntag, 18. August 1946.     

[1911]      Nun ist die Ausstellungs-Eröffnung gewesen. Als Veranstaltung war sie ein sehr großer Erfolg. Sie begann Nachm. 1/2 4 Uhr im Kurhause mit einer kurzen Ansprache von Dr. Burgartz als Vorsitzendem unserer Ortsgruppe. Es war ungeheuer voll, die Menschen fanden nicht alle Platz. Es folgte ein ganz hervorragender Violin-Vortrag einer Virtuosin aus Schwerin. Dann sprach der Rektor der Rostocker Universität, Prof. Rienäcker sehr gut über Kunst. Ihm folgte ein kurzer Vortrag des Landesleiters Pastor Kleinschmidt, der überaus liebenswürdig war. Er brachte zum Ausdruck, daß ursprünglich die Idee gewesen sei, daß die Kulturschaffenden sich hier in Ahrenshoop erholen u. als Entgelt dafür der Bevölkerung Kulturgüter vermitteln sollten. In Wahrheit sei aus dieser Gegengabe nichts geworden, dagegen hätten nun die Fischländer Künstler ihrerseits den Kurgästen eine künstlerische Gabe geboten. – Nach ihm sprach Ringeling über die historische Entwicklung der Seeschiffahrt des Fischlandes sehr ausführlich, für uns recht interessant, doch für die Fremden vielleicht langweilig. – Sodann setzte sich alles in Bewegung zum Kunstkaten, wo ein ganz fürchterliches Gedränge herrschte. Ich stellte mich in eine Ecke, wo man mir ein kleines Tischchen hingestellt hatte, hinter dem ich wenigstens ein wenig räumliche Distanz fand. Koch-Gotha hatte im letzten Moment auf diesen Tisch eine ganz prachtvolle Bronzebüste von Gerh. Marks aufgestellt, die Alfred Partikel darstellte. Von dort aus hielt ich meine Eröffnungsrede, die trotz dieser räumlichen Unzulänglichkeit nach den Urteilen, die ich gehört habe, sehr gut ausgefallen ist. Dr. Burgartz behauptete sogar, es sei die beste der gehaltenen Reden gewesen. – Schließlich ist das kein Wunder, denn ich sprach von Dingen, die ich kenne. Die Rede des Prof. Reinäcker wird diesem besonders schwer gewesen sein, er ist hier nicht nur fremd, sondern er sprach noch dazu in Vertretung des Präsidenter Joh. R. Becher, der die Rede halten sollte, sich aber gedrückt hat. Rinäcker sowohl wie Kleinschmidt sprachen beide, ohne meinen [1912] Namen zu nennen, für mich u. meine Bilder. – Ich habe mich besonders gefreut, daß gleich heute am ersten Tage ein kleines Kinderbildnis von Frau Loeber verkauft wurde. Der Käufer ist Justus Schmitt. Loebers können das Geld sicher brauchen, es ist nur schade, daß das Bildchen mit 150, – Rm. viel zu billig war. Schmitt hätte sicher auch das Doppelte gezahlt. Als Veranstaltung war diese Sache ein großer Erfolg. Der Kurdirektor Michelsen war ganz glücklich, es war der weitaus stärkste Tag der Saison, wie er sagte. Wir Maler haben also bedeutend an Wert gewonnen. Es wird sich nun zeigen müssen, ob die Ausstellung auch sonst noch guten Besuch haben wird. Es waren auch einige Einheimische da wie Herr + Frau Gräff, Bernh. Saatmann, Frau Bertsch. Herr Venzmer, der „Oberregierungsrat“ aus Schwerin, war auch da u. machte ein bittersüßes Gesicht zu der ganzen Sache. Ueberhaupt war viel Prominenz da, z.B. auch der Rektor der Universität Leipzig. Herr von Achenbach glänzte durch Abwesenheit, ebenso Herr Erichson, der, wie man mir sagt, in Ahrenshoop ist.

[1913]
Mittwoch, 21. August 1946.     

[1913]      In der Deutschen Rundschau, Heft 3 ds. Jahres steht ein Artikel: „Ein Dichter sieht die Nazis“. Dieser Dichter ist ein Amerikaner Louis Bromfield u. es wird von ihm gesagt, daß er die Deutschen nicht liebe u. daß er grade darum den Aufstieg Hitlers richtig gesehen habe. Er erklärt ihn mit dem Minderwertigkeits-Komplex der Deutschen, permutiert in den Willen zur Macht. Ueber marschierende S.A. in München sagt er sehr treffend: „Eine erschreckende Sache: das völlige Aufgehen des Individuums in eine Maschine, aus dem Verlangen dieses Individuums entsprungen, sich vollkommen aufsaugen zu lassen, die eigene Identität restlos an die Maschine zu verlieren, der Wille nur ein Rädchen im Räderwerk zu sein.“ Das ist überaus richtig. Vor Jahren sah ich in Berlin eine Abteilung Hitlerjugend durch die Straßen marschieren u. der letzte Junge trug um den Ellbogen des linken Armes ein Schlußzeichen wie ein Auto. – Der Amerikaner sagt: „Es ist da etwas im deutschen Wesen, das eine ekstatische Steigerung im Selbstmord findet“.

     Vormittags besah ich mir Alfred Rethels Totentanz aus dem Jahre 1848. Auf dem dritten Blatt, wo der Tot eine Tabakpfeife gegen eine Krone abwiegt, findet sich eine alte Frau, die mit ihrem Enkelkinde die Scene verläßt. Diese Figur fiel mir stark auf u. ich versuchte, daraus ein Bild zu machen. Ich glaube, es kann etwas werden; damit hätte ich dann wohl einen neuen Weg gefunden. [...]

[1913]
Donnerstag, 22. August 1946.     

[...] [1914]      Gestern Nachmittag besuchte mich Schmidt-Detloff, von dem ich mich über die künstlerischen Verhältnisse in Rostock informieren ließ. Es sieht da ziemlich unerfreulich aus.

     In der Landeszeitung vom Dienstag, die ich heute bekam, steht eine Besprechung der Ausstellungs-Eröffnung hier am Sonntag. Sie ist von Dr. Burgartz, – sehr dürftig. [...]

[1914]
Sonnabend, 24. August 1946.     

[...] [1915]      Abends gestaltete sich das Gespräch mit Dr. Petersen sehr interessant. Dieser Mann, eben 82 Jahre alt, ist ein Picasso=Baby, d.h. ein Kind mit dem Gesicht eines Mannes – noch dazu ein Flaschenkind. Sehr intelligent! Natürlich neigt dieser sehr kultivierte, durch u. durch bürgerliche Mensch sehr zur CDU, – vielleicht ist er sogar Mitglied. Er verabscheut die Russen ebenso wie die SED. u. sein Wünschen ist nach dem Westen, nach München, gerichtet. Ich widersprach dem u. gab damit zum ersten Male der Ansicht Ausdruck, die sich bei mir in den letzten Wochen mehr u. mehr gebildet hat. Ich sagte, daß diese Neigung nach dem Westen, die ich ja ebenso habe, eine Neigung zur Reaktion sei, die man überwinden müsse. Es ist die Neigung zur Seite des geringsten Widerstandes. Sie ist bedingt durch unsere bürgerliche Erziehung u. Tradition u. versucht, Rettung zu finden in einer sozialen Geisteshaltung, die zwar zur Zeit im Westen noch besteht, aber im Sterben liegt. Sich zu ihr bekennen, heißt nur, einer Entscheidung aus dem Wege gehen, die eines Tages doch kommen wird. Es ist ähnlich wie 1918, als das Bürgertum sich in der Weimarer Republik zu retten suchte u. doch unterging. Diese Entscheidung wiederholt sich heute. Wäre sie damals schon erfolgt, wäre uns Hitler u. der Krieg u. all unser Elend erspart geblieben. – Ich bin der Ueberzeugung, daß der Osten siegen wird. Je rascher u. widerstandsloser dieser Sieg herbeigeführt wird, um so besser. Die gegenwärtige Korruption, die Dr. P. als Argument ins Feld führt, ist zwar nicht zu leugnen, aber sie ist eben eine Folge des gegenwärtigen Kampfes zwischen Ost u. West. Es mag uns Intellektuellen diese neue Form sehr unsympatisch sein, was ich zugebe, aber das ist kein Grund, sich ihr zu verschließen. Der Westen erscheint mir wie eine in Blüte stehende Wiese, der Osten wie eine Steppe; aber die Sensen blinken schon, die diese Wiese abmähen werden, während in der Steppe ein neuer Anfang winkt. [...]

[...] [1916] Der deutsche Kommunismus ist noch ein Säugling u. ein solcher macht eben zunächst die Windeln voll u. es muß jemand da sein, der sie wieder auswäscht. – Die ganze Debatte mit Dr. P. hat diese Ansicht in mir bedeutend gefestigt, besonders, da daraus hervorging, daß meine Ansicht über die CDU. richtig ist. Jakob Kaiser, der Führer der CDU., ist sicher ein kluger u. sauberer Mann, der klare Erkenntnisse hat u. die Situation übersieht; aber die Masse der CDU-Mitglieder ist nichts als reaktionär u. ist dazu noch zu feige, das offen zu sagen. Sie tarnen sich unter einem „Christentum“, mit dem sie garnicht ernst machen u. zerren das Christentum in einen Kampf, der diesem sehr schaden wird.

     In der Landeszeitung steht ein Aufruf des Kulturbundes zur Wahl, natürlich im Sinne der SED. Er ist von den Prominenten des Kulturbundes für Mecklenbg.-Vorpommern unterschrieben. An der Spitze Dr. h.c. Willi Bredel, der im Sommer hier war, ohne daß ich ihn kennen lernte. Er wohnte bei Erichson u. ist Landesleiter. Ferner der Rektor der Rostocker Universität Prof. Rienäcker, Lucie Höflich, Ehm Welk, Karl Kleinschmidt, Heinr. Tessenow, Erichson u. vielen anderen, die ich nicht kenne. [...]

[1916]      Vormittags besuchte mich ein Herr Manfred Pahl=Rugenstein aus Berlin u. sah meine Bilder. Nachmittags ebenso der Maler Albrecht u. seine Frau, der mir einen guten Ueberblick über das Kunstleben in Berlin gab. [...]

[1916]
Sonntag, 25. August 1946.     

[1916]      Martha erzählt mir, daß gestern der Rektor der Universität Leipzig in der BuStu. war u. davon gesprochen hätte, daß ich ein Meisteratelier an der Leipziger Kunstschule erhalten müßte. Damit kommt eine neue Perspektive auf. Ich würde einen solchen Ruf allerdings sehr gern annehmen. Der Rektor heißt: Prof. Dr. Gadamar.

[1916]
Montag, 26. August 1946.     

[...] [1917]      Eine Dame soll hier sein, welche von mir kurze Angaben für den Schweriner Rundfunk anläßlich meiner Ausstellung in Rostock haben will. Ich habe etwas zusammengestellt, doch habe ich es nicht auf den zugebilligten engen Raum von 50 Worten gebracht, es sind 107 Worte geworden. Bis jetzt ist die Dame aber noch nicht bei mir gewesen.

[1917]
Dienstag, 27. August 1946.     

[...] [1917]      Vormittags war Frau Haeffner bei mir, die angekündigte Dame vom Landessender Schwerin. Sie brachte noch eine andere Dame mit u. beide besahen sich Bilder. Frau Haeffner wünschte von mir ein Referat von etwa 80 Zeilen Umfang, welches am 8. Septemter zur Eröffnung meiner Ausstellung im Rundfunk verlesen werden soll. Wir sprachen die Sache durch u. ich las ihr zu diesem Zweck meine Rede vor, die ich in Rostock zu halten gedenke. Frau Haeffner gab mir einige gute Hinweise für den Fall, daß Russen bei meiner Rede zugegen sein sollten, was für mich überaus nützlich war. Ich arbeitete dann gleich das Referat aus, ließ es von Eva Küntzel mit der Maschine schreiben u. schickte ihr das Manuskript heute Abend. Frau H. ist eine sehr beachtenswerte Frau.

     Konow aus Althagen hat heute angefangen, die Bilderkisten zu machen, leider regnet es heute pausenlos bei Nordwind. Es ist recht kalt. [...]

[1918]
Freitag, 30. August 1946.     

[...] [1918]      Ich las abends eine politische Rede Dr. Schumachers vom 17. März 1946 in Nürnberg, die in einer Zeitschrift abgedruckt war („Die Gefährten“ 1946/1.) Gott sei Dank, daß mir dieses Blatt in die Hände kam, diese Rede gab mir wieder Mut u. Zuversicht. [...]

[2001] Man muß also nach wie vor weiterkämpfen u. den Kommunismuß genau so ablehnen wie den Nationalsozialism. u. wenn man nicht aktiv kämpfen kann, dann muß man es wenigstens passiv tun u. seine Mitarbeit verweigern vor dem eignen Gewissen.

     Ich denke, daß ich auch künstlerisch mich entscheiden werde. Ein Bild eines Kosaken-Offiziers wird man zwar niemals ausstellen können, aber man kann es doch wenigstens malen u. damit zeigen, wie diese Leute aussehen.

September 1946

[Bearbeiten]
[2001]
Sonntag, 1. September 1946.     

[...] [2002]      Abends erhielt ich ein Telegramm vom Landessender Schwerin, der mich einläd, am kommenden Mittwoch dort meine Einführungsworte zur Rostocker Ausstellung selbst zu sprechen. Ich müßte dann, wenn Dr. Gräbke mich am Dienstag hier mit den Bildern abholt, am Mittwoch früh nach Schwerin rüber fahren u. am Donnerstag wieder nach Rostock zurückkommen. Ulkig komme ich mir vor als ein Mensch, um den man sich bemüht. – [...]

[2003]      Morgen muß ich meine Bilder verpacken, es wird viel Arbeit machen. Es werden dann sämtliche Bilder von mir fort sein, sodaß ich, wenn ich von Rostock zurück komme, ganz von vorne wieder anfangen kann. Es ist, als ob damit eine Periode ihren Abschluß gefunden hätte. [...]

[2003]
Montag, 2. September 1946.     

[2003]      Es geschehen wirklich merkwürdige Dinge. Nachdem ich heute mit Hilfe des jungen Konow u. unter erheblicher Anstrengung die sieben Bilderkisten zurecht gemacht u. außerdem alle Zeichnungen u. Aquarelle verpackt habe, sodaß alles für den morgen vorgesehenen Abtransport vorbereitet war, erhalte ich abds. um 9 Uhr eine Postkarte, die eigentlich erst morgen vormittag ausgetragen wird. Die Karte ist von Herrn Dr. Gräpke aus Rostock. Er teilt mir mit, daß erkrankt sei u. daß er mich bittet, „den in Aussicht genommenen Termin zunächst nicht als bindend anzusehen.“ Er schreibt weiter: „Wir müssen das Weitere verabreden, wenn ich wieder ganz auf dem Posten bin.“ – Wann wird das sein? Vielleicht zu Weihnachten –! vielleicht nie –!?

     Ich habe noch heute Abend ein Telegramm an Herrn Dr. G. aufgegeben mit Rückantwort u. habe um Auskunft gebeten. Sodann habe ich an den Landessender Schwerin geschrieben, daß es mir unter diesen Umständen zu unsicher sei, ob ich dort sprechen soll u. deshalb lieber verzichte. Diesen Brief nimmt Kurt Spangenberg mit, der morgen nach Schwerin fährt. Agnes Eggert fährt morgen nach Rostock u. ich habe sie gebeten, zu Herrn Dr. G. [2004] zu gehen u. sich zu erkundigen, was da los ist. Ich halte es für möglich, daß da ganz andere Dinge mitspielen. Herr v. Achenbach ist ja nicht umsonst mit Herrn Stadtrat Matern befreundet, man kann da nie wissen. – Herr Dr. G. hat seine Karte an mich am 27.8. geschrieben, Poststempel 28.8., heute am 2. 9. kommt sie an, regulär erst morgen. Ich kann meine Bilder nicht lange in den Kisten stehen lassen, denn die Kisten sind naß u. die Bilder verderben, ich muß also alles wieder auspacken, wenn es länger dauert, bis Herr Dr. G. wieder so weit ist. Es ist doch etwas komisch, daß ein Museum seine ganzen Ausstellungspläne über den Haufen werfen muß, wenn der Leiter einen Schnupfen hat.

     Man sagt, Herr Stadtrat Matern wäre hier im Ort. In der BuStu. war er bisher nicht. Es ist, wenn man will, auffällig. Er soll bei Erichson wohnen.

[2004]
Dienstag, 3. September 1946.     

[2004]      Agnes Eggert hat hier zur Post telephoniert (aus Rostock), das Dr. Gräpke wirklich krank ist u. in Güstrow im Krankenhause liegt. (Warum jemand, der in Rostock wohnt, im Güstrower Krankenhause liegt, ist zwar nicht verständlich). Meine Ausstellung kann erst im November stattfinden, soll dann aber bestimmt sein. – Nun, man wird sehen. Auch hier wundern sich aber alle Leute, die davon hören, daß eine Ausstellung abgesagt werden muß, wenn der Museumsleiter krank ist. Besonders die Schweriner nehmen interessiert davon Kenntnis. [...]

[2004]
Mittwoch, 4. September 1946.     

[...] [2005]      Aus Rostock ist von der Museumsleitung Antwort eingetroffen, daß die Ausstellung „voraussichtlich“ im November stattfinden soll. Bis dahin könnte ich noch viel malen. [...]

[2005]
Freitag 6. September 1946.     

[2005]      Martha fuhr heute morgen mit Herrn Sorg, der momentan mit seinem Auto hier ist, nach Daskow auf Hamsterfahrt. Sie hat allerhand bekommen, vor allem Kartoffeln u. Mohrüben u. Roggen. Das Problem ist jetzt bloß, die Sachen hierher zu bekommen. Sie kam erst gegen 4 Uhr zurück.

     Nachmittags unser Künstler-Stammtisch, zu dem aber nur Koch-Gotha erschien. Er kam mit zu mir, um meine letzten Bilder zu sehen, die er noch nicht kannte. [...]

[2006]      Herr Heyde brachte mir 8 – 9 Blätter Tabak für 20,– Rm. Ich habe einige zerschnitten u. zu rauchen versucht, doch ist der Tabak noch zu feucht. Ich habe ihn bei mir auf den Tisch zum trocknen gelegt.

     Abends kam mit der Post ein eingeschriebenes Päckchen, Absender: Clemens, Chefredakteur, Hamburg 36. Karl Muckplatz 9. b. A. Wagner. – Ich kenne einen solchen Mann nicht. Das Päckchen enthielt einige Butterkekse, 10 engl. Zigaretten u. ein Tütchen mit Bohnenkaffee. Ich werde abwarten, vielleicht wird sich der Absender melden.

     Vormittags gemalt. Der Anfang ist immer schwer, sodaß ich immer Angst habe, ich könnte das Bild nicht malen. [...]

[2006]
Sonntag, 8. September 1946.     

[2007] Der Bürgermeister Dillwitz in Althagen ist ein Mann von Charakter. Man hat ihm jetzt gesagt, er könne Bürgermeister bleiben, wenn er aus der CDU. austreten u. der SED. beitreten werde. So ist es mit zahlreichen anderen Bürgermeistern auch geschehen u. sie sind meist umgefallen. Ihr Umfall wird dann stets in der Landes-Zeitung groß gefeiert. Aber Dillwitz ist fest geblieben, ein braver Kerl. [...]

[2007]
Montag, 9. September 1946.     

[...] [2008]      Abends Bilder von Picasso angesehen. Ein Maler, über den ich immer wieder staune. [...]

[2009]
Mittwoch, 18. September 1946.     

[2009]      In der BuStu. lernte ich heute Nachmittag eine Frau Kersten (oder ähnlich) kennen, die aus Schwerin ist u. dem Kulturbunde angehört. Ich sprach mit ihr über meine ev. Ausstellung in Schwerin u. über die Rivalität zwischen Venzmer u. Frau Dr. Riemschneider. Währenddem kam Ehm Welk mit seiner Frau in die BuStu. u. Frau Kersten machte mich bekannt. Ehm Welk meinte, gehört zu haben, daß ich im Oktober in Schwerin ausstellen würde. Wir verabredeten, daß er morgen zu mir kommen würde, die Bilder anzusehen. Ich werde vielleicht ihn veranlassen können, die Sache zu betreiben, da er übermorgen nach Schwerin fahren will. Man müßte mir aber schon einen Lastwagen schicken. – Ehm Welk selbst ist ein sympatischer Mann.

     Von Frau Ursula Haeffner vom Landessender Schwerin bekam ich einen Brief, wonach mein „interessantes Manuskript“ immer noch ungesendet [2010] beim Landessender liegt. Sie bittet mich um Mitteilung, wann der Termin für die Schweriner Ausstellung genau feststeht, damit mein Referat dann von mir selbst gehalten werden kann. Ich will also versuchen, die Ausstellung noch im Oktober veranstalten zu lassen.

     Nachmittags mit Martha im Kunstkaten, um die Portaitbüste zu besichtigen, die Loeber von Venzmer gemacht hat. Sie ist nicht schlecht, wenn auch nicht zu vergleichen mit dem Kopf von Partikel, den G. Marks gemacht hat. Dieser Kopf ist wirklich sehr eindringlich. Loeber möchte nämlich gern von mir eine Büste machen, aber ich habe keine Lust, 1000,– Rm. dafür auszugeben, wie Venzmer es getan hat, der sich dergleichen heute leisten kann.

     Am „Aufbruch“ bin ich jetzt beim Hintergrunde angelangt, der recht schwierig ist. Es soll ein Aufruhr von Farbe sein, aus dem heraus sich die Figur der alten Frau entwickelt

[2010]
Donnerstag, 19. September 1946.     

[2010]      Nachmittags waren Ehm Welk u. seine Frau u. Frau Kersten da. Die Bilder machten einen sehr starken Eindruck. Frau Kersten, deren Sohn im Kriege gefallen ist u. die eine sehr gefühlsweiche Frau zu sein scheint, brach beim Anblick des Christkönigs in Tränen aus.

     Ehm Welk ist der Vorsitzende der Ortsgruppe des Kulturbundes in Schwerin u. ist also eine maßgebende Persönlichkeit. Außerdem ist er ein prächtiger Kerl. Es will nun auf jeden Fall die Ausstellung in Schwerin machen u. glaubt, mir einen Lastwagen zum Transport der Bilder schicken zu können. Er fährt morgen nach Schwerin zurück.

[2010]
Freitag, 20. September 1946.     

[...] [2010]      Herr Welk wird mir also baldigst Nachricht geben, wann meine Ausstellung sein kann. Seine Frau bleibt noch hier u. er wird sie abholen. Es scheint also, als ob die Sache nun in Schwung käme. Ich habe gleich an Frau Haeffner vom Landessender geschrieben u. ihr die Sachlage mitgeteilt. Ich habe ihr vorgeschlagen, daß ich am Tage vor der Ausstellungs-Eröffnung das Referat selbst im Rundfunk sprechen werde. Herr Welk war sehr einverstanden mit meinem Vorschlag, die Ausstellung mit geladenen Gästen zu eröffnen, wozu ich dann eine Rede halten werde nach einigen einleitenden Worten, die Ehm Welk selbst sprechen wird. Auf diese Art kann diese Sache für Schwerin ein künstlerisches Ereignis werden.

     Heute Vormittag wurde das Bild „Aufbruch“ fertig. Es ist ausgezeichnet geworden. Ich werde sofort einen Rahmen u. eine Kiste machen lassen, [...] [2011] damit dieses Bild noch mit zur Ausstellung gelangen kann. Es wird diese sehr bereichern u. man kann mir nicht vorwerfen, daß ich nur Blumen u. religiöse Motive male u. mich an den Gegenwartsereignissen vorbeidrücke. [...]

[2011]      Heute haben wir zwei junge Hühner bekommen. Hanschatz hat uns schon vor längerer Zeit einen Stall hinter der Waschküche eingerichtet. Ich hoffe, daß wir noch mehr Hühner bekommen werden. Futter haben wir auch. Da wir im Sommer schon einige Kaninchen bekommen haben, werden wir unseren Speisezettel in Zukunft sehr verbessern können. Gestern u. heute hat Hanschatz uns auch Holz angefahren. Auch Preßkohlen haben wir im Sommer bekommen u. werden vielleicht noch mehr bekommen für die Werkstatt der BuStu. Dennoch werden wir sehr sparen müssen u. die Zentralheizung nur an ganz kalten Frosttagen heizen können. Ich werde in meinem Schlafzimmer einen Ofen stellen lassen u. wir werden dann alle dort sitzen. Wir haben auch Kartoffeln zu enormen Preisen gekauft u. werden hoffentlich im Winter etwas mehr zu essen haben wie im vorigen Jahre. [...]

[2011]
Sonnabend, 21. September 1946.     

[2011]      Vormittags die endgültige Zeichnung zum nächsten Bilde begonnen: „Mann im Kerker“. Der Entwurf war schwierig, ich habe sechs Versuche machen müssen bis ich zur jetzigen Lösung kam.

     Mittags Brief von Frau Dr. Riemschneider-Schwerin, vom 16.9. Sie teilt mir mit, daß der Programm=Ausschuß [2012] des Kulturbundes beschlossen habe, meine Bilder dort auszustellen u. zwar im Oktober. Sie schreibt, daß es jetzt eine eigene „Sektion für Ausstellungswesen für kulturpolitische Ausstellungen“ gäbe, wodurch der Instanzenstreit zwischen ihr u. Venzmer beseitigt worden sei, da diese Sektion nun die höhere Instanz sei. Sie möchte nun, daß ich die Bilder umgehend schicke. Außerdem war sie in Rostock, um sich dort über die Hintergründe des Versagens in meiner Ausstellung zu informieren. Sie behauptet, daß Venzmer dahinter stecke; aber ich glaube das nicht. – Nach diesem Brief traf ein Telegramm ein, in dem Frau R. mich um meine Einwilligung zur Ausstellung bittet. Ich habe gleich telegraphiert u. zugleich einen Brief geschrieben. Die Sache scheint also vorwärts zu gehen. [...]

[2012]
Sonntag, 22. September 1946.     

[...] [2012]      Herr Venzmer war da u. erkundigte sich nach meiner Ausstellung. Er hatte in Schwerin nur kurz mit Ehm Welk gesprochen. Er ist ein Umstandskrämer u. voller Bedenken u. Vorbehalte, wenn es nach ihm ginge, würde die Ausstellung nie zustande kommen. Er beklagte sich wieder heftig über Frau Dr. Riemschneider. Nun, ich hoffe, daß an diesen Differenzen die Ausstellung nicht scheitert. [...]

[2013]
Montag, 23. September 1946.     

[2013]      Die neue Gemeindevertretung hat mich heute in den Gemeinderat gewählt, zusammen mit Herrn Degner. So sind beide Gemeinderäte Katholiken. Ich traute mich nicht, mich der Wahl zu entziehen u. nahm die Wahl an. Fritz, der Mittags zufällig im Gemeindeamt war, wo die Vertretung zu ihrer ersten Sitzung zusammengekommen war, brachte mir diese Nachricht, da man ihn beauftragt hatte, mir dies mitzuteilen u. mich zu fragen, ob ich die Wahl annehme. Man hatte ihm gesagt, daß man im Falle meiner Ablehnung ihn wählen würde. Fritz wird aber viel besser den Vorsitz im Kulturbunde übernehmen, wenn Dr. Burgartz einmal weggeht, womit zu rechnen ist. [...]

[2013]
Dienstag, 24. September 1946.     

[2013]      Nachmittags 3 Uhr traf ein Auto ein mit einem Brief von Frau Dr. Riemschneider. Sie teilt mit, daß sie grade durch einen glücklichen Zufall einen Wagen bekommen habe u. sie ihn schicke, um die Bilder abzuholen. Abgesehen davon, daß die Bilder ja erst wieder verpackt werden müssen, ist der Wagen auch zu klein. Es ist ein alter Postwagen zum Paket-Transport, allseitig geschlossen, es ist ausgeschlossen, daß die beiden großen Kisten hineingehen. Zum Glück war Konow heute früh gekommen, um die Kiste für das Neue Bild „Aufbruch“ anzufertigen. Es blieb nichts anders übrig, als den Fahrer über Nacht im Dorf unterzubringen, denn es war unmöglich, die Kisten so rasch fertig zu machen. Ich habe mit Konow den ganzen Nachmittag gepackt, erst abends um 8 Uhr waren wir endlich fertig. Für das Bild „Aufbruch“ war der Rahmen noch garnicht fertig, ich mußte zu Meier nach Althagen schicken u. bekam den Rahmen, konnte ihn aber nicht mehr streichen. Das muß Frau R. in Schwerin machen lassen. Fritz fotographierte das Bild noch rasch. Ich habe [2014] ein ganz wehes Gefühl, daß ich mich schon von diesem Bilde trennen muß, noch ehe ich es selbst recht angesehen habe. [...]

[2014]      In Rostock wird, wie ich höre, eine Ausstellung der beiden Verstorbenen: Partikel u. Oberländer, vorbereitet, – also trotz der Krankheit des Herrn Dr. Gräpke! Irgendwas scheint da also nicht zu stimmen. – [...]

[2015]
Sonntag, 29. September 1946.     

[2015]      Gestern Brief geschrieben an Chefredakteur Clemens in Hamburg, von dem ich kürzlich das Päckchen mit Cigaretten u. Kaffee erhielt. Ferner eine Entgegnung geschrieben gegen eine flegelhafte Kritik, die in der Landeszeitung über moderne Kunst erschienen ist. Ich will das Manuskript an die „Demokratische Erneuerung“ in Schwerin schicken, wahrscheinlich wird man es ablehnen.

     Ehm Welk ist gekommen. Ich sprach ihn eben in der BuStu. Mit der Eröffnung meiner Ausstellung will man den Wahlrummel der Landtagswahl abwarten. Diese ist am 20. Oktober, sodaß die Eröffnung dann am 27. Oktober sein wird. [2101] Es ist also wiederum ein neuer Aufschub. Da die Ausstellung 4 – 6 Wochen dauern soll, würden die Bilder erst im Dezember für Rostock frei sein u. erst 1947 für Berlin. [...]

[2101]      An Pastor Kleinschmidt – Schwerin geschrieben über die Mängel dieser Saison u. Vorschläge zur Abstellung derselben gemacht.

[2101]
Montag, 30. September 1946.     

[...] [2101]      Nachmittags kamen zwei Telegramme. Das eine ist von Frau Dr. Riemschneider, wonach meine Ausstellung bereits am 6. Oktober 11 Uhr in Schwerin eröffnet werden soll, u. zwar mit meiner Ansprache. Das andere ist von Frau Karsten desselben Inhalts, jedoch schränkt sie den Termin durch das Wort „voraussichtlich“ wieder etwas ein. Es widerspricht also durchaus dem, was Ehm Welk sagte, der außerdem der Ansicht war, es sei besser, wenn er selber spräche, weil das geehrte Publikum sonst der Meinung sein könnte, daß ich für meine Bilder Propaganda machen wollte. – Nun, ich werde jedenfalls am Sonnabend früh nach Schwerin fahren. [...]

Oktober 1946

[Bearbeiten]
[2101]
Dienstag, 1. Oktober 1946.     

[...] [2102]      Heute Abend hörten wir die Urteile im Nürnberger Prozeß. Schacht, Papen u. Fritsche sind freigesprochen, doch halte ich es für möglich, daß man sie nun noch vor ein deutsches Gericht stellt. Sieben Todesurteile durch den Strang! – Man hatte es erwartet u. für Göring mindestens auch gewünscht; – aber nun schauert es einen doch, wenn man dieses Urteil liest. [...]

[2102]
Mittwoch 2. Oktober 1946.     

[2102]      Heute morgen erhielt ich einen Brief von Frau M. Riemschneider, den diese am 25. September geschrieben hat, also unmittelbar nach Eintreffen meiner Bilder in Schwerin. Sie teilt mit, daß das Auto dort gut angekommen sei u. daß sie das Bild „Aufbruch“ noch erwartet. Es wird hoffentlich inzwischen angekommen sein. Sie schreibt, daß meine Ausstellung nun also endgültig „im großen Vlamensaal“ stattfinden soll, den sie zu diesem Zweck ausgeräumt hat. Die Ausstellung soll auf jeden Fall dem 6. Okt. eröffnet werden mit einer kleinen Feier vor geladenen Gästen mit meiner Ansprache. – Sie betont, daß weder Venzmer noch Ehm Welk mit der Sache etwas zu tun hätten, daß die Ausstellung ausschließlich Museumsangelegenheit sei. Wegen der Wichtigkeit der Sache habe sie dieselbe aber dem Programmausschuß des Kulturbundes angeboten als kulturpolitische Ausstellung u. dieser habe sie auch so akzeptiert. Inzwischen sei, wie sie schreibt, neben diesem Programmausschuß noch eine zweite Dachorganisation des Kulturbundes entstanden, nämlich der Ausstellungsausschuß, der für ganz Mecklenburg zuständig sei u. ohne den von nun an überhaupt keine Ausstellung mehr in Mecklenburg gemacht werden könnte. Dieser Ausstellungsausschuß kann der Sektion Bildende Kunst die Veranstaltung einer Ausstellung übertragen, wie er auch das Museum oder sonst eine Stelle damit beauftragen kann. In meinem Falle hat er also das Museum beauftragt. – Daraus erklärt sich mir nun auch die etwas eigenartige Haltung von Ehm Welk, der mir am Sonntag etwas abgekühlt zu sein schien.

     Ueber Venzmer schreibt Frau R., daß dieser sich in einer wenig freundlichen u. zustimmenden Weise über meine Bilder geäußert hätte. Auf sei Betreiben hin sei auch meine Rundfunkansprache „abgesagt“ worden. Nun, das stimmt nicht ganz. Ich habe selbst darauf verzichtet, nachdem die Ausstellung in Rostock nichts wurde, Frau Haeffner vom Rundfunk dagegen hat von sich aus bei mir angefragt, wann ich das Referat halten wolle. Ich habe ihr gestern sicherheitshalber telegraphisch mitgeteilt, daß es am Sonnabend stattfinden könne. Frau R. behauptet, daß Venzmer die Absage bewirkt hätte mit der Begründung, daß meine Bilder „zu fromm“ seien. Frau R. hat darum die Sektion garnicht erst bemüht u. die Ausstellung bleibt deshalb eine Ausstellung des Museums.

     Es scheint also doch so, als hätte Herr Venzmer seine Hände da im Spiel – u. vielleicht war das auch in Rostock schon der Fall, wie Frau R. behauptet. Es ist ja sehr auffällig, daß in Rostock jetzt eine Ausstellung von [2103] Partikel u. Oberländer gemacht wird, obwohl Herr Dr. Gräbke doch immer noch krank sein soll. –

     Ueber den Ausstellungsraum schreibt Frau R., daß der Ausstellungsausschuß ihr die Wahl des Raumes übertragen hätte. Sie schreibt, daß der Ausstellungsraum, von dem Venzmer gesprochen hat u. der nach dessen Aussage, zu ebener Erde liege, in Wirklichkeit im Kellergeschoß gelegen sei u. noch dazu völlig abgelegen. Der Raum sei in keiner Weise für Gemäldeausstellungen zurechtgemacht, die Wände hätten in Blickhöhe farbig wechselnde Streifen. Der große Vlamensaal dagegen, den sie nun in Aussicht genommen habe, sei der eigentliche Empfangs= u. Festsaal des Museums. Sie will ihn für mich ausräumen. So scheint nun also die Raumfrage bestens gelöst zu sein. – Zum Schluß läd sie mich nochmals ein, bei ihr zu wohnen u. zwar mit Martha, die dann ja nach Berlin weiterfahren will. Ich selbst gedenke, am Montag wieder hierher zurück zu fahren.

[2104]
Dienstag, 8. Oktober 1946.     

[2104]      Es waren sehr ereignisreiche u. eindrucksvolle Tage.

     Am Sonnabend früh, noch in tiefer Dunkelheit, fuhren Martha u. ich auf dem offenen Wagen von Brandt mit dem Kutscher Hanschak los gen Wustrow. Es war der Last-Plattenwagen mit Gummirädern, auf den wir drei Stühle gesetzt hatten, denn Dr. Burgartz hatte sich uns angeschlossen. Unterwegs sammelten wir noch drei junge Mädchen auf, die ebenfalls zum Autobus wollten. – Anfangs ging alles gut, aber unterwegs fing es an zu regnen, sodaß wir ziemlich durchnäßt in Wustrow um 7 Uhr ankamen (Sommerzeit). Im Autobus trafen wir den Maler Holtz, der nach Rostock zur Kulturbund-Sitzung wollte, welche am Sonnabend tagte. – Der Autobus war sehr voll, doch kamen wir mit u. hatten sogar Sitzplätze. – In Ribnitz trafen wir noch Frau Dr. Ummus mit ihrem Sohn, Medizin-Student. Beide wollten nach Rostock. Wir warteten gemeinsam im Wartesaal auf den Zug, der etwa eine Stunde später kam. Der junge Ummus bemächtigte sich unseres Gepäcks u. ergatterte mit großem Geschick für uns alle Sitzplätze in dem sonst sehr vollen Zug im letzten Waggon. Mutter u. Sohn Ummus stiegen in Rostock aus. Martha u. ich fuhren ohne Zwischenfall weiter durch bis Schwerin. Nur zum Schluß gab es eine kleine Rempelei mit einem jungen Mitreisenden infolge einer etwas unbedachten politischen Aeußerung meinerseits. Ich sah daraus, wie weltfremd man wird, wenn man jahraus u. jahrein hier [2105] auf dem Dorfe wohnt. Ich hatte nämlich geglaubt, man dürfe, seitdem es keine Nazis mehr gibt, seine politische Meinung äußern. Der junge Mann, der sich als SED=Mann entpuppte, belehrte mich, daß das ein Irrtum ist; man darf auch heute nichts sagen sondern muß das Maul halten.

     In Schwerin erwartete uns Frau Dr. Riemschneider an der Sperre. Ihr Söhnchen Kaspar hatte einen kleinen Handwagen, auf den das Gepäck verladen wurde. Ich sah Schwerin zum ersten Male. Der große See, der, wie ich glaube, der Faule See heißt u. der uns gleich empfing, erinnerte lebhaft an das Alsterbassin in Hamburg, nur ist alles viel kleinstädtischer u. gemütlicher, also in gewissem Sinne besser wie Hamburg.

     Schwerin ist durch Flüchtlinge u. eine sehr große russische Garnison u. viele hohe Stäbe überaus volkreich u. belebt. Es wimmelt von Autos. So ist der Eindruck sehr lebendig u. durchaus großstädtisch. Wir hatten bis zur Wohnung von Frau R. etwa 20 Minuten zu gehen u. auf diesem Wege empfing ich einen sehr angenehmen Eindruck. Frau R. wohnt in einer Dienstwohnung, die der Direktorin des Landesmuseums gebührt, die sie jedoch nicht voll ausnutzt, da sie auch andere Leute noch dort aufgenommen hat wie Frau Maaß u. deren Tochter. Frau M. versieht dafür den Haushalt offenbar sehr gut. Ich selbst schlief in einem Bett, welches jeden Abend aus dem Schlafzimmer in das große Büro der Museums=Verwaltung geschoben wurde u. das sonst Kaspar sein eigen nennt, während Martha nebenan im Eßzimmer auf einer Kautsch schlief. Zur Familie gehört noch die 13 jährige Barbara. Kaspar ist wohl 10 Jahre alt.

     Nach dem Mittagessen machte sich Martha gleich auf den Weg, um allerhand zu erledigen, u. a. auch, um die Kirche zu erkunden die etwa 10 Minuten vom Hause entfernt liegt. Sie hat den Pfarrer gesprochen, der bereit war, uns am Sonntag Nachmittag 4 Uhr zu empfangen. Ich selbst besichtigte mit Frau R. das Museum u. meine Ausstellung.

     Frau R. hat sich eine erstaunliche Mühe gegeben. Sie hat den repräsentativsten Saal, der sonst große Gemälde von Rubens u. a. Flamen enthält, für mich ausgeräumt u. hat dort meine Bilder in einer überraschend geschickten Weise gehängt. Wenn man eintritt, sieht man sich sofort dem Christkönig gegenüber u. dieses Bild wirkt schlechthin ungeheuerlich. Rechts u. links davon hängen die Engelbilder u. die Verkündigung. Diese alle hängen rechts neben dem breiten Eingang zu einem Halbrundraum, der in sich abgeschlossen ist u. in dem, in einzelne Kojen aufgeteilt, die gut unter Glas gerahmten Zeichnungen hängen, sowie die frühen Oelbilder. Auf der anderen Seite dieses Einganges hängt die Himmelskönigin, Melchisedek, der Prophet und –, vielleicht doch nicht ganz befriedigend, auch die Treppe, die da keine rechte Beziehung findet. An der links anschließenden Querwand hängen dann [2106] Dr. Tetzlaff u. die Wohnstube. Eine Tür führt dann zum Nachbarsaal, der aber abgesperrt war. Jenseits der Tür hängen ganz vorzüglich die Weidenkätzchen, die unerhört leuchten, sowie die „Blüten u. Dornen“. An der großen Eingangswand schließen sich dann die Landschaften an, unter denen die Ostseeküste mit ihren gelben Farben fabelhafte Leuchtkraft hat. Auf der anderen Seite des Einganges sind die Blumenbilder, auch noch an der anschließenden Wand, die wiederum eine zum Nachbarsaal abgeschlossene Tür hat. Hier an der Tür, zusammen mit den Blumen, hängt vorzüglich das Gnadenbild, das starken Eindruck macht. Jenseits der Tür hängt zwischen Dirne u. Gespenst der große „Aufbruch“; ebenfalls sehr stark wirkend. Daran schließt sich dann die Wand mit dem Christkönig. – Der ganze Eindruck ist ungeheuer stark u. ich war einfach erschlagen, als ich das sah. – Der Pfarrer von Ars hängt ganz für sich an der dunklen Holzwand, welche den dahinter liegenden Halbrundraum abschließt.

     Am Sonntag um 11 Uhr war dann die feierliche Eröffnung. Am Abend vorher las ich zum Glück die Rede vor, die ich zu halten gedachte u. die Frau R. einfach unmöglich fand. Wieder zeigte sich, dass ich hier in der Abgeschiedenheit ganz das Gefühl für Menschen verloren habe, von denen ich gar zu leicht annehme, daß sie mir u. meiner Malerei feindlich sind. Ich entschloß mich darum, das Manuskript zuhause zu lassen u. eine Rede aus dem Stegreif zu halten. –

Es waren wohl 150 – 200 Menschen da. Herr Verlagsbuchhändler Bahn, Vorsitzender des Ausstellungsausschusses des Kulturbundes, sprach einige einleitende Worte u. erteilte mir dann das Wort. Ich sprach frei u. ungezwungen u. hatte sehr rasch einen lebendigen Kontakt hergestellt zwischen mir u. dem Publikum u. erntete zum Schluß lebhaften Beifall durch Händeklatschen.

     Die Leute hatten moderne Bilder größtenteils noch nie gesehen, jedenfalls hat es in Schwerin dergleichen bisher nie gegeben, aber sie gingen bereitwillig auf alles ein u. zeigten größtes Interesse, – zunächst natürlich ohne eigentliches Verständnis. Ich wurde von vielen angesprochen u. um Erklärungen gebeten. Ich notierte mir den Landessuperintendenten Werner, einen Herrn Ziegler, der gern den Pfarrer von Ars gekauft hätte, ferner die beiden Schweriner Maler Gahlbeck u. Maltner, Herrn Altrock, welcher Geschäftsführer des Ausstellungsausschusses ist usw. Mehrere Leute wollten Bilder kaufen, was ich aber ablehnte, da die Kollektion ja vielleicht weiter gehen soll. Ich vertröstete die Leute auf später. Herr Venzmer war nicht erschienen, da er angeblich krank war, dafür aber war seine Frau als Beobachterin da u. machte bissige Bemerkungen über Frau Riemschneider. – So verlief also diese ganze Sache überraschend gut, wie ich es niemals [2107] gedacht hatte.

     Am Morgen waren Martha u. ich natürlich zur hl. Messe gewesen. Abends waren Herr Heiling u. seine Frau bei uns. Frau H. entschuldigte sich, daß sie, als sie in Ahr. war, meine Bilder nie angesehen hätte. Sie gestand, daß sie in der BuStu. nur meine Zeichnungen gesehen u. diese nicht bejaht hätte; aber nun sei sie von dem Gesamteindruck völlig besiegt.

     Nachmittags um 4 Uhr waren wir beim Pfarrer Dr. Schräder, der sehr liebenswürdig u. ein aufgeschlossener Mann ist, mit dem ich rasch Kontakt fand. Wir verabredeten, daß ich ihm am Montag Nachmittag die Ausstellung zeigen wollte. So entschloß ich mich also einen Tag zu zugeben, denn eigentlich wollte ich am Montag früh schon wieder zurück fahren. Ich mußte ja auch noch zu Frau Haeffner im Landessender, was ich am Montag Vormittag ausführte. Da mein Referat aber nicht vor dem Mittwoch gesendet werden konnte, kamen wir überein, daß es von jemand anders für mich gelesen werden sollte, denn bis Mittwoch konnte ich mit Rücksicht auf Fritz nicht bleiben, der am Donnerstag verreisen will.

     Von Herrn u. Frau Ehm Welk, die ebenfalls bei der Eröffnung zugegen waren, hatte ich erfahren, daß die Herren Kollegen in Rostock eine große Attacke gegen mich in Szene gesetzt haben. Sie haben gegen die Ausstellung meiner Bilder im Rostocker Museum protestiert, mit der Begründung, daß noch niemals ein Rostocker Künstlerkollektiv im Rostocker Museum ausgestellt worden wäre. Es hat wohl Krach gegeben u. Ehm Welk hat den Herren seine Meinung gesagt. Er erzählte mir, daß sowohl der Stadtrat Matern wie auch Herr v. Achenbach sich mit Ehm Welk's Ansicht solidarisch erklärt hätten. In diesem Zusammenhang war es mir sehr interessant, von Frau Haeffner zu hören, daß auch bei ihr der Schweriner Maler Stapel, der ein Freund des Herrn Venzmer ist, erschienen sei u. den Versuch unternommen habe, die Rundfunksendung über mich zu verhindern. Daß Venzmer selbst gegen meine Rostocker Ausstellung intrigiert hat, steht wohl fest. Der Erfolg davon ist, daß er nun diese Ausstellung in Schwerin selbst hat u. zwar mit einer Wirkung, wie er es sich wohl nie hat träumen lassen. Frau Riemschneider hat einen umfangreichen Artikel über meine Ausstellung in die Tägliche Rundschau gebracht u. es wird dazu sogar eine Reproduktion eines Bildes erscheinen. Frau Ehm Welk, die unter dem Namen Langner schreibt, bringt einen langen Artikel in der Landeszeitung u. in der Zeitschrift des Kulturbundes „Demokratische Erneuerung“ erscheint ebenfalls ein Artikel von Frau Riemschneider.

     Am Montag abend waren wir durch Vermittlung der Schauspielerin Gruel Gäste im Staatstheater u. sahen aus der Intendantenloge das Tendenzstück „Professor Mamlock“, von dem so viel her gemacht wird. Die Schauspieler taten ihr Bestes, um dieses Stück zur Aufführung zu bringen, aber es ist ein großer [2108] Schmarren mit billigen Effekten.

     Heute früh fuhr Martha nach Berlin weiter u. ich fuhr hierher zurück. In Ribnitz fand ich nur ein Schiff nach Wustrow u. dort regnete es in Strömen. Fritz holte mich zum Glück ab. Ich kam völlig durchnäßt zuhause an, von den Knien abwärts bis auf die Haut naß, sodaß ich mich total umziehen u. Kleider u. Mantel zum trocknen aufhängen mußte.

     Ich vergaß zu berichten, daß Pfr. Dr. Schräder am Montag Nachmittag mit aller größtem Interesse meine Ausstellung besichtigte u. daß wir uns dabei sehr anregend unterhielten. Natürlich waren Martha u. ich auch am Montag Morgen in der Messe gewesen, wie auch am Sonntag ein zweites Mal gleich nach unserem Besuch beim Pfarrer. Er ist ein sehr angenehmer Mann, mit dem man gut befreundet sein könnte, wenn ich in Schwerin wäre. – Und mir scheint daß ich gern dort wäre, falls ich dort eine gute u. bequeme Winterwohnung finden würde, woran aber bei der derzeitigen Uebervölkerung nicht zu denken ist.

     Hier zuhause zeigte mir Fritz, daß die Landes-Zeitung meine Entgegnung „Kritik der Kritik“, die ich vor 14 Tagen Ehm Welk für die „Demokrat. Erneuerung“ gegeben hatte, gebracht hat, u. zwar nur in der Rostocker Ausgabe, sodaß ich sie in Schwerin nicht gelesen habe. Fritz ist ärgerlich, daß die Landeszeitung diesen Artikel sehr gekürzt hat, aber man kann der Zeitung nicht übel nehmen, wenn sie die Stellen weggelassen hat, die sich gegen die Zeitung selbst richten. Ich finde es sehr anerkennenswert, daß die Zeitung diesen Artikel gebracht hat u. habe mich darüber gefreut. Ferner ist in derselben Zeitung eine größere Notiz erschienen über eine geplante Ausstellung „Ahrenshooper Künstler“, jedoch ist der einzige Ahrenshooper, der da genannt wird, der vor 30 Jahren vestorbene Schorn. Dafür aber wird Herr Venzmer um so hervorragender genannt, obgleich er garkein Ahrenshooper Künstler ist. Man scheint also meine Ausstellung in Rostock endgültig zu den Akten gelegt zu haben u. Herr Venzmer hat sich dafür in den Vordergrund geschoben. Nun gut! – Ich habe mich zu keiner Ausstellung gedrängt u. werde das auch in Zukunft nicht tun.

     Am Montag, als ich dem Pfarrer die Bilder zeigte, war auch Frau Karsten zu gegen mit ihrer Tochter u. dem soeben verlobten Schwiegersohn, der sich wohl auch Mühe geben will, über mich in der demokrat. Presse zu schreiben. Außerdem war da ein schwer kriegsbeschädigter, einbeiniger junger Mann namens Brandt, von dem ich nicht weiß, woher er kam u. der voll großer Bewunderung war.

[2108]
Mittwoch, 9. Oktober 1946.     

[2108]      Heute abend bekam ich die Landeszeitung vom gestrigen Tage mit der Besprechung meiner Schweriner Ausstellung von Agathe Lindner = Frau Ehm Welk. Die Zeitung hat die Besprechung ungekürzt gebracht, obgleich sie gut 3 volle Spalten lang ist u. einen enormen Platz beanspruchte. Die Sache wirkt natürlich ganz außerordentlich u. ich denke mir, daß die Rostocker recht dumme Gesichter machen werden. In dieser Woche ist mein Name so reichlich in dieser [2109] Zeitung gedruckt gewesen, daß ich zufrieden sein kann. Wenn nun noch der Artikel von Frau Riemschneider in der Täglichen Rundschau erscheinen wird, dann ist wirklich sehr viel getan. [...]

[2109]
Donnerstag 10. Oktober 1946.     

[2109]      Vormittags legte ich das neue Bild „Mann im Kerker“ an. Mittags kam P. Beckmann per Rad von Ribnitz. Er berichtete, daß Herr Dr. Rudolf am Sonntag bei uns am Nachmittag das hl. Meßopfer darbringen will. Dr. R. ist der Pfarrer u. Religionslehrer, der mit den Flüchtlingen aus dem Sudetenlande hierher gekommen ist Es scheint das ein ausgezeichneter Mann zu sein. P. Beckmann aß mit mir zusammen zu Mittag u. fuhr dann nach Ribnitz zurück. Es ist wirklich ein prachtvoller junger Jesuit. Er fragte gleich nach dem Erfolg meiner Bitte beim Kardinal um Unterstützung in der Beschaffung von Farben. Ich erzählte ihm, daß ich zur Antwort bekommen hätte, daß jetzt Nahrung u. Kleidung wichtiger wären. Er meinte dasselbe, was ich meinte, daß daran garnicht zu zweifeln sei, aber mit meiner Bitte nichts zu tun hätte.

     Später brachte mir der Maler Klünder, der Schwiegersohn von Koch-Gotha, eine Postkarte von der Landesleitung des Kulturbundes, Sektion Bild. Kunst, in Schwerin folgenden Inhalts:

     Aus besonderen Gründen, auf die ich hier nicht eingehen kann, wird die Sonderausstellung Ihrer Arbeiten durch einen sogen. Ausstellungsausschuß des Kulturbundes durchgeführt, die Sektion Bildende Kunst in der Landesleitung des Kulturbundes zeichnet für diese Ausstellung nicht verantwortlich.

Der Leiter der Sektion Bild. Kunst
ergebenst
G. Venzmer

     Schwerin, den 4.10.46

     Ich habe lange gebraucht, um hinter den Sinn dieser törichten Auslassung zu kommen u. meine Haltung zu bestimmen. Ich habe dann schließlich einen Brief verfaßt, den ich abschriftlich Frau Dr. Riemschneider senden werde. In meiner Antwort habe ich an Hand meiner Tagebuch-Aufzeichnungen klargelegt, daß:

     1) die Initiative zu dieser Ausstellung nicht von mir u. auch nicht von Frau Dr. Riemschneider [2110] ausgegangen ist, sondern von der Landesleitung des Kulturbundes, Herrn Pastor Kleinschmidt, u.

2) daß die Sektion für Bild. Kunst von keiner Seite aufgefordert worden ist, für diese Ausstellung verantwortlich zu zeichnen u. daher ihre Mitteilung völlig unverständlich ist.

Die ganze Sache ist eine dumme Unverschämtheit dieses Venzmer, der in seinem Haß gegen Frau. Dr. Riemschneider jede Haltung verloren zu haben scheint. – Ich werde morgen Frau Dr. R. Abschriften zugehen lassen.

[2110]
Freitag, 11. Oktober 1946.     

[2110]      Da das gestern untermalte Bild nicht trocken ist, benutzte ich den Vormittag, um Frau Dr. Riemschneider das Vorgefallene mitzuteilen. Abschrift meines Briefes an die Sektion habe ich hier behalten. Es ist seit gestern prächtiges Wetter, das Barometer steht sehr hoch, aber einen Schnupfen habe ich weg.

[2110]
Sonnabend, 12. Oktober 1946.     

[2110]      Nach der Landeszeitung ist nun auch das Organ der CDU. in Schwerin „Der Demokrat“ mit einer Besprechung herausgekommen, u. zwar gleich in doppelter Aufmachung. Der erste Teil unter dem Titel: „Hans Brass der Expressionist – Bilder sprechen zu uns“ ist von einem Herrn Hans-Günter Mayer gezeichnet, der zweite Teil von einem Götz-Gunter Keil. Beide Kritiker geben sich wohl Mühe, besitzen aber kein Verständnis. Immerhin spricht der erste von einer „unerklärlichen Feinsinnigkeit“ des Christkönigsbildes u. meint, daß man durch das Bild hindurchsehen könne. Er bemerkt, daß zwar nicht jeder leicht den Weg zu meinem Schaffen finden könne u. daß Wille u. Beschäftigung mit den Bildern dazu gehöre, um sie zu erkennen u. er erkennt an, daß in meinen Bildern Tiefe u. hohes künstlerisches Verantwortungsgefühl vorhanden sei. – Der zweite stellt fest, daß es nur wenige Menschen geben wird, die meine Sprache verstehen. Er erklärt, daß die Bilder auf inneren Widerstand stoßen u. teilweise sogar „ängstigen in ihrem Realismus“ Dieser Herr Götz-Gunter Keil hat also offenbar überhaupt nichts abbekommen, denn er schließt mit einem Hinweis auf die Bilder des 17. u. 18. Jahrhunderts, die man durch die offenen Türen in den Nachbarsälen sieht. Von diesen sagt er, daß ihre Klarheit u. Schönheit seine Sprache seien u. seine Welt. Der arme Mann hat das Wesen des 20. Jahrhunderts immer noch nicht begriffen u. ich verstehe nicht, wie solch ein Mensch überhaupt leben kann.

     Vormittags gemalt.

[2110]
Montag, 14. Oktober 1946.     

[2110]      Gestern Artikel geschrieben: „Dank an Schwerin“, für die Demokratische Erneuerung. Ich fürchte nur, daß er viel zu lang ist. [...]

[2111]
Mittwoch, 16. Oktober 1946.     

[2111]      Ein Herr Ernst Laukant aus Boizenburg schickte mir Zeichnungen seiner 18-jährigen Tochter. Er hat über mich in der Landeszeitung gelesen u. bittet mich, die Arbeiten seiner Tochter zu begutachten. Etwas überaus besonderes ist es nicht, aber ganz talentiert. [...]

[2112]
Sonnabend, 19. Oktober 1946.     

[2112]      Nachmittags entdeckte ich in der Landeszeitung einen neuen Artikel über meine Schweriner Ausstellung. Verfasser ist ein Schriftsteller Adam Scharrer aus Schwerin, derselbe, welcher bereits vor Eröffnung meiner Ausstellung u. ehe er überhaupt je ein Bild von mir gesehen hatte, am Landessender den Versuch unternommen hatte, die Sendung über mich zu inhibieren. Dieser Herr ist, wie ich von Frau Dr. Riemschneider hörte, ein Freund von Venzmer, welcher ihn immer vorschickt, wenn er selbst im Hintergrunde bleiben will. Natürlich nimmt Herr Sch. entschieden gegen mich Stellung, hauptsächlich deshalb, weil meine Bilder keine Waisenkinder oder sonstige Menschen der Zeit, Flüchtlinge, Kriegskrüppel, Heimkehrer oder Arbeiter zeigen, dann [2113] aber auch wegen meiner Malweise, die er einen „Hexensabbat von Farben u. Masken u. Fratzen“ nennt. Er nennt meine Malerei eine Gefahr (!) –, weil dadurch junge Malschüler irritiert werden könnten. Man spürt dahinter den geheimen Wunsch eines Verbotes wie zu Hitlers Zeiten, nun aber auf Geheiß von Wilhelm Pieck. – Die Landes Zeitung selbst fordert in einer Bemerkung zu weiterer Debatte auf. Das kann ja gut werden. –

[2113]
Sonntag, 20. Oktober 1946.     

[2113]      Fritz brachte mir noch Zeitungsausschnitte mit, von denen eine Notiz im „Demokrat“ für mich neu war. Es wird auf die stattgefundene Diskussion vor meinen Bildern hingewiesen in sehr wohlwollender Weise. Fritz sagt, es seien etwa 400 Menschen zugegen gewesen. Der Kritiker des Demokrat: Götz-Günther Keil, stellt fest, daß die rege Beteiligung beweise, daß die Schweriner Bevölkerung sich ernsthaft mit meinen Bildern beschäftige. Das Publikum erkenne widerspruchslos das ernste Ringen an, das in meiner Arbeit zum Ausdruck komme, wenn auch die Meisten die Bilder ablehnten. – Diese Kritik ist also sehr anständig. –

     Außerdem ist im „Demokrat“ noch eine weitere Kritik von Ursula Karsten erschienen unter dem Titel: „Zeitnahe Kunst, ein drittes Wort zur Ausstellung Hans Brass.“ Diese Kritik ist sehr positiv u. ausführlich. – Es geschieht also in Schwerin wirklich sehr viel. –

     Fritz brachte mir ferner einen ausführlichen Brief von Frau Dr. Riemschneider mit. Er ist am vorigen Sonntag gleich nach der Diskussion geschrieben u. sie versucht, mir dieses Ereignis zu beschreiben, obgleich sie, wie sie schreibt, noch keinen rechten Abstand dazu habe. Sie schreibt, daß die Diskussion würdig u. wohlgelungen verlaufen sei u. manch einer dadurch doch noch ein positives Verhältnis zu meinen Bildern gefunden habe. Von Pfr. Dr. Schräder schreibt sie, daß er der Sache „lächelnd u. schweigend beigewohnt“ habe.

     Die Diskussion wurde von Ehm Welk eröffnet. Es sei dann gleich der Maler Gahlbeck aufgetreten, wohlpräpariert mit vielen Notizzetteln bewaffnet, der die Ansicht vertreten habe, daß meine Malerei eine Sackgasse sei. Daraus habe sich eine fruchtbare Diskussion zwischen G. u. Frau Dr. R. ergeben, die aber leider durch „Kulturbundquerulanten“ Adam Scharrer wieder gestört wurde. Dieser selbe Mann hat ja auch in der Landeszeitung versucht, mich runter zu reißen. Herr Sch. meinte, daß diese Diskussion ein leeres Fachgespräch sei, das nicht interessiere, meine Kunst [2114] sei nicht „zeitnahe“. Er hat also zum Ausdruck gebracht, was er nachher in der Landeszeitung geschrieben hat. Frau Dr. R. meint, daß seine Behauptung, die Bilder seien nicht zeitnahe, auf allseitigen heftigen Protest gestoßen sei unter Hinweis auf den „Aufbruch“.

     Danach habe Frau Karsten sehr schöne Erklärungen der Bilder „Aufbruch“ u. „Wohnstube“ gegeben u. habe damit allseitige Zustimmung geerntet. Diese Erklärungen gibt sie ja auch in ihrer Kritik im „Demokrat“, nur daß ihr leider das Mißgeschick begegnet, daß sie die Alte auf dem Bilde „Aufbruch“ als Mann u. Vater deutet, was mir einigermaßen unverständlich ist. Herr Scharrer aber habe nach seinem vollbrachten Protest den Saal verlassen, ohne sich noch weitere Erklärungen anzuhören. –

     Irgend ein aufgeregter, alter Mann mit „kriegerischen Allüren“, aus denen nicht recht ersichtlich geworden sei, ob für oder wider, erklärte das Bild „Weidenkätzchen“ für ein sehr schönes Bild, u. die Tatsache, daß man darüber überhaupt diskutiere, sei ein Frevel. –

     Ehm Welk schloß darauf die Diskussion mit einem kurzen Schlußwort. Hinterher habe sich dann ergeben, daß das anwesende Publikum sich in zwei Lager spaltete. Um Frau Dr. R. habe sich die ganze Jugend geschart während die Opposition sich um Gahlbeck sammelte. –

     Frau Dr. R. schreibt, sie sei vom Verlauf sehr befriedigt gewesen. Bis zum Sonntag Mittag seien 700 Eintrittskarten verkauft worden, die geladenen Gäste nicht gerechnet. Fritz meint, daß sich der Verkauf jetzt auf 1100 Karten beliefe. Das ist enorm. Frau Dr. R. schließt ihren Brief mit den Worten: „Wenn die gesamten Mecklenburger nicht entfernt so zögen wie der eine, dem das Rostocker Museum seine Pforten nicht öffnen soll, so wäre das doch eine vergnügliche Perspektive.“ –

     Auf jeden Fall ist bewiesen, daß in ganz Mecklenburg noch nie eine Bilderausstellung so weite Kreise in Erregung gebracht hat, wie diese, – u. das allein ist ein ganz großer Erfolg, selbst wenn die Opposition die Mehrheit hat.

     Die Landeszeitung von gestern, die heute gekommen ist, bringt bereits wiederum eine ziemlich ausführliche Notiz über die Diskussion, überschrieben: „Respekt vor den Werken der bildenden Kunst“. Unterschrieben ist die Notiz: „Y.H.“ – Wer das ist, weiß ich nicht. [...]

[2115]
Mittwoch, 23. Oktober 1946.     

[2115]      Nachmittags Briefe geschrieben an Dr. Hertwig in Bln-Zehlendorf, an Herrn Manfred Pahl-Rugenstein, ebenfalls Zehlendorf. Vielleicht läßt sich eine Ausstellung im Haus am Waldsee machen. Rechtsanw. Hoffmann ist ja in derselben Richtung tätig. Ferner habe ich an Dr. Graepke – Rostock geschrieben. Ich habe ganz dumm getan u. ihm mitgeteilt, daß die Bilder nun zu der geplanten Ausstellung bereit sind. Endlich schrieb ich an Fr. Dr. Riemschneider u. fragte an, was sie mit dem kleinen Asternbild vorhatte, das sie zurückgehalten hat, – ob sie erwartet, daß ich dem Museum das Bild zum Geschenk mache. Ich wäre dazu bereit. Ferner habe ich die Frage aufgeworfen, ob man die Ausstellung um 14 Tage verlängern soll, das würde ja gut wirken. Die Diskussion über die Ausstellung reißt immer noch nicht ab, heute findet sich in der Landeszeitung wieder ein Artikel als Antwort auf den Angriff von Herrn Adam Scharrer. Der Einsender ist nicht genannt. Da er Herrn Scharrer „Genosse“ nennt, glaube ich fast, daß Dr. Burgartz der Schreiber ist. [...]

[2116]
Sonntag, 27. Oktober 1946     
Christkönigsfest.     

[2116]      Gestern schrieb ich Briefe an Dr. Hertwig – Bln-Zehlendorf u. an Manfred Pahl-Rugenstein, ebenfalls Zehlendorf, um beide für eine Ausstellung meiner Bilder in Zehlendorf im „Haus am Waldsee“ zu interessieren. Heute schrieb ich an Prof. Resch vom Kulturbund Berlin wegen der s. Zt. von ihm geplanten Ausstellung u. ferner an Ilse Langner, um durch sie vielleicht die Berliner Presse für meine Schweriner Ausstellung zu interessieren. Auch Prof. Resch soll Dr. Adolf Behne dafür interessieren. [...]

[2117]      Herr v. Achenbach soll das Gerücht verbreiten, daß einer dieser KPD=Pastoren, Herr v. Jüchen, in der kommenden Woche an der Rostocker Universität einen Vortrag gegen den Expressionismus halten wird. Ich halte das für unglaubhaft. Pastor v. Jüchen ist ein Freund von Pastor Kleinschmidt, der bestimmt kein Gegner expressionistischer Kunst ist, u. außerdem hieße es, Eulen nach Athen zu tragen, wenn man hierzulande gegen den Expressionismus sprechen wollte. Wenn überhaupt, dann kann man hier nur für ihn sprechen. Aber man sieht, daß auf allen Gebieten die Luft hier immer dicker wird u. keiner mehr dem anderen traut. Das Leben, – ohnedies nicht leicht –, wird dadurch immer weniger angenehm u. es ist wirklich des Ueberlegens wert, ob man dem nicht entfliehen soll, diesmal nach Berlin, wo es doch anscheinend noch einen Kreis von Menschen gibt, der sich von diesen Dingen frei hält. Martha behauptet jedenfalls, daß der Rechtsanw. Hoffmann in solchem Kreise verkehrt. Aber wie soll man dort eine Wohnung finden? [...]

[2118]
Montag, 28. Oktober 1946.     

[2118]      Telegramm von Marg. Riemschneider, daß sie mit Barbara am Freitag abend hier eintreffen wird. –

     Die neue Nummer 7 der „Demokrat. Erneuerung“ ist erschienen mit einem Aufsatz von Marg. Riemschneider „Zur Ausstellung Hans Brass“. In der Bildbeilage ist eine Reproduktion des „Gnadenbild“, das leider zur Reproduktion recht ungeeignet ist. [...]

[2201]
Donnerstag, 31. Oktober 1946.     

[2201]      In der Landeszeitung verbreitet sich ein Herr Harald Oberg aus Wismar unter dem Titel „Abwege der Kunst“ über meine Schweriner Ausstellung in einer höchst arroganten Weise. Dieser Herr, der Schulmeister in Wismar zu sein scheint, erklärt ganz einfach, daß ich „überhaupt nicht mehr zur Diskussion stehen sollte“. – [...]

November 1946

[Bearbeiten]
[2201]
Sonntag, 3. November 1946.     

[...] [2201]      Am Freitag-Nachmittag hatten die Fischländer bildenden Künstler eine Versammlung bei Möller-Knecht. [2202] Dr. Burgartz hat den Vorsitz der Ortsgruppe Ahrenshoop des Kulturbundes niedergelegt. Wir Künstler beschlossen daher, diese Ortsgruppe machen zu lassen, was sie will, uns selbst aber als selbständige Sektion Fischland zusammenzuschließen. Wir wählten den Maler Holtz – Wustr. zum Vorsitzenden, der das nicht anders erwartet hatte u. dementsprechend bereits allerhand Schriftstücke zur Besprechung mitgebracht hatte, die er von seinem Freunde Venzmer bekommen hatte. Unter anderem war da auch ein Brief des Herrn Venzmer an die einzelnen Sektionen, in welchem er einen Passus aus einer Rede mitteilte, die Herr Dr. Willi Bredel kürzlich irgendwo gehalten hat u. in der er feststellt, daß die Künstler immer noch nicht „zeitnahe“ arbeiten. Herr V. bittet die einzelnen Sektionen um Stellungnahme dazu. – Es wurde mit erfreulicher Einmütigkeit zum Ausdruck gebracht, daß wir uns solche Einmischung in unsere Arbeit verbitten u. daß die künstlerische Freiheit des Schaffens unbedingt gewahrt werden muß. [...]

[2202]      Gestern bekam ich wiederum einen Angriff in der Landeszeitung unter dem Titel: „Es brasselt“, unterzeichnet von einem J. Wermann, Künstlerkollektiv Techentin. Diese Auslassungen sind höchst geschmacklos u. dumm. Der Herr J. W. regt sich besonders auf, daß ich bei dem „Gnadenbild“ weder der Jungfr. Maria noch dem Jesuskinde die Gesichter gemalt habe. Von meinen Bildern meint er, „die Farben aber sind scheußlich“. Er lobt dagegen meine Zeichnungen u. von dem Holzschnitt „Rufender Johannes“ ginge ein starker Eindruck aus. – Auch Frau Dr. R. weiß nicht, wo Techentin auf der Landkarte zu suchen ist u. woraus dieses „Künstlerkollektiv“ besteht. Dieses Wort ist z. Zt. sehr modern, es wird bei uns nach russischem Muster alles kollektiviert.

     Heute findet, sich in der Landeszeitung eine Notiz, daß meine Schweriner Ausstellung um 14 Tage verlängert ist bis zum 17. November. Das Künstlerkollektiv Techentin u. was dazu gehört wird sich also noch 14 Tage länger über meine Bilder, ärgern können.

[2203]
Dienstag, 5. November 1946.     

[...] [2203]      Heute bekamen wir durch Vermittlung von Schönherr 30 Centner Kartoffeln aus Daskow. Es war sehr schwierig, da Daskow im Kreise Franzburg-Barth liegt u. keine Lebensmittel den Kreis verlassen dürfen. Polizeiposten halten in Damgarten jeden Transport auf. Infolgedessen mußten die Kartoffeln im Motorboot gebracht werden, um den Polizeiposten zu umgehen. Das Boot hatte 110 Centner geladen, viele Wustrower waren daran beteiligt. Es kam erst kurz vor 6 Uhr in Wustrow an, wo Fritz mit den Wagen von Holzerland u. Spangenberg wartete. Da diese beiden schon von 4 Uhr ab gewartet hatten u. nur mit viel Schnaps gehalten werden konnten, waren sie inzwischen schwer betrunken, besonders Spangenberg. Aber schließlich waren die Kartoffeln doch gegen 8 Uhr hier. Morgen früh werden sie eingemietet. Dann sind wir eine große Wintersorge los.

     Von der Museumsleitung Rostock heute Antwort auf meine Anfrage wegen meiner Ausstellung. Es bestätigt sich, daß Dr. Graebke Rostock verlassen hat u. in eine Westzone ausgerissen ist. Sein Nachfolger Dr. Fiesel (?) teilt mit, daß aus der Ausstellung wegen vieler fadenscheiniger Gründe nichts würde, auch habe sich die Sektion für Bild. Kunst in Rostock dagegen gestellt. Es ist also wirklich so, wie Frau Dr. R. u. früher schon Ehm Welk sagten. Man war aber zu feige, mir das mitzuteilen. –

     An Gert H. Theunissen, den berliner Kritiker, einen Brief geschrieben u. versucht, ihn für Schwerin zu interessieren.

[2203]
Donnerstag, 7. November 1946.     

[2203]      Johannes R. Becher, der als Präsident des Kulturbundes im Sommer hier im Hause Strohschnitter gewohnt hat, ist heute wieder hier, um das Haus von Prof. Niemöller für sich in Besitz zu nehmen. Mit ihm sind Stadtrat Matern u. Herr v. Achenbach hier. – Wie ich höre, müssen die im Hause untergebrachten Flüchtlinge sofort räumen. Herr Becher wird also Ahrenshoop als [2204] Dichtersitz erwählen, wie Gerhard Hauptmann etwa auf Hiddensee gelebt hat. Hoffentlich wird er hier auch so gut dichten wie jener dort. – [...]

[2204]      Heute Abend wurde das Licht nicht abgeschaltet, sodaß wir ununterbrochen Strom hatten. Leider war man nicht darauf vorbereitet u. konnte die gute Sache zu wenig ausnutzen. [...]

[2204]
Freitag, 8. November 1946.     

[...] [2204]      Auch heute wurde das Licht nicht ausgeschaltet, u. zwar ist der Grund dafür die russische Revolutionsfeier, die, wie man sagt, drei Tage dauern soll, so daß wir auch morgen noch Aussicht auf Licht haben. [...]

[2204]      Unsere Kartoffeln sind immer noch nicht in der Miete, da sich ergeben hat, daß sehr viele schlecht sind u. aussortiert werden müssen, was im Eßzimmer auf dem Fußboden geschieht. [...]

[2204]
Sonnabend, 9. Nov. 1946.     

[2204]      In der Landeszeitung erschien abermals ein Artikel von Frau Dr. Riemschneider über meine Ausstellung, in welchem sie mit großem Vergnügen meinen Gegnern eins auswischt. Sie stellt fest, daß durch meine Ausstellung Leben u. Bewegung entstanden sei u. daß die Besuchsziffer alles hinter sich lasse, was bisher auf Kunstausstellungen im Landesmuseum erzielt worden sei. Sie meint ferner, daß Jugendliche u. Arbeiter sich durchweg für meine Bilder ausgesprochen hätten, während die Intelligenz [2205] sich kopfschüttelnd verhielte, – nur bei meinen Herren Kollegen u. ihrer Begleitung gäbe es verstohlenes Gekicher u. Gemäcker. –

     Am Nachmittag hatten wir wieder wie im vorigen Jahre eine Versammlung der Mitarbeiterinnen in der BuStu. Ich hielt ihnen vor meinem Bilde „Mann im Kerker“ einen Vortrag über das, was für mich der Gegenstand meiner künstler. Arbeit ist. Alle waren sehr dankbar.

     Der „Mann im Kerker" ist heute endlich fertig geworden, doch mag es sein, daß ich am Montag noch einige abrundende Pinselstriche machen werde.

     Die russische Revolutionsfeier ist leider vorbei, das Licht wurde heute wieder um 6 Uhr abgeschaltet. [...]

[2205]
Mittwoch, 13. November 1946.     

[...] [2206] Ich schrieb dann einen Artikel für die „Demokrat. Erneuerung“, den ich gestern entworfen habe, las dann in einem Buch „In jungen Jahren“ von Adam Scharrer, demselben, der mich in der Landeszeitung so runter gemacht hat. Es ist eine Biographie u. nett geschrieben, wennschon nicht überragend. [...]

[2207]
Mittwoch, 27. November 1946.     

[...] [2207]      In Berlin hat die Schauspielerin Käte Dorsch dem 23 jährigen Lauselümmel u. sog. Kunstkritiker Wolfgang Harig eine wohlgezielte Ohrfeige gelangt für eine Kritik, die er in der Tägl. Rundschau geschrieben hat. Das ist im höchsten Grade erfreulich. [...]

[2208]
Sonnabend, 30. November 1946.     

[...] [2208]      Mein Tabak ist wieder alle, es beginnt wieder die Zeit des qualvollen Kampfes gegen den Wunsch, zu rauchen, der zuletzt doch immer mit einer Niederlage endet u. dann peinigende Erschöpfungszustände verursacht. Aber es ist nicht mehr zu verantworten, Tabak zu kaufen. Ich habe einmal von Heyde für 200,– Rm. gekauft u. dann nochmals für 300,– Rm. Wo soll das hinführen.

     Heute Morgen erhielt ich einen Brief eines Herrn Edgar Zieger aus Sellin auf Rügen. Dieser Herr hatte mich in Schwerin am Eröffnungstage in der Ausstellung angesprochen u. gefragt, ob ich ihm den „Hl. Pfarrer von Ars“ verkaufen könne. Ich bedauerte u. sagte ihm, daß die Bilder nach Berlin weitergehen müßten, er möge später wieder mal anfragen. Ich glaubte, daß er die Sache dann vergessen würde. Aber nun wiederholt er seine Bitte, fragt nach dem Preis –, oder nein, das tut er überhaupt nicht –, u. möchte das Bild zu Weihnachten haben. Ich werde ihm schreiben, daß er das Bild für 1000,– Rm. haben kann, vielleicht holt er es sich selbst aus Schwerin ab. – Das Bild ist klein u. wird insofern keine große Lücke hinterlassen, aber als Bild wäre es doch sehr wertvoll auch für Berlin, obgleich ich heute schon nicht mehr ganz mit dem Bilde einverstanden bin. Der Preis für ein so kleines Bild kommt mir zwar fantastisch vor, aber ich kann für das Geld grade 3 Pfund Butter kaufen. Und die habe ich sehr nötig. Oder so viel Tabak, daß ich ein halbes Jahr rauchen kann. [...]

Dezember 1946

[Bearbeiten]
[2301]
Freitag, 6. Dezember 1946.     

[2301]      Fritz schickte Zeitungen u. Zeitschriften, darunter auch den „Sonntag“, in dem ein „Brief aus Schwerin“, von Herrn Dr. Willi Bredel abgedruckt ist. In diesem Artikel erwähnt Herr B. auch meine Ausstellung im Landesmuseum in einer höchst abfälligen Weise. Es ist das bemerkenswert, weil in einem solchen Artikel wohl die Tatsache dieser Ausstellung erwähnt werden mag, zu einer Kritik aber garkeine Veranlassung gegeben ist. Wenn Herr B. das trotzdem tut, dann offenbart er mir damit seine ausgesprochen üble Gesinnung. Die Sache ist interessant, weil Herr B. der verantwortliche Redakteur der „Demokratischen Erneuerung“ ist, deren Schriftleitung mir grade gestern schrieb: „Ihr Dank an Schwerin“ müßte [2302] von uns mit einem Dank an Sie beantwortet werden. Sie haben in großzügiger Weise unseren bescheidenen Anteil an Ihrem Kunstschaffen gewürdigt“. Dieser Brief ist freilich nicht von Willi Bredel unterschrieben, aber den Dank an mich hätte ich mir anders vorgestellt. –

[2303]
Sonntag, 22. Dezember 1946.     

[...] [2304]      Heute war Dank des Hochamtes der erste richtige Advent, sonst geht das Leben im grauen Alltag dieser verfluchten Zeit ziemlich stark unter. Und das ist kein Wunder. Was hatte ich nicht erhofft von dieser Nachkriegszeit. Ich hatte Freiheit u. Demokratie erhofft, statt dessen werden wir immer stärker von einer neuen Diktatur bedroht, von der Diktatur des Proletariats. Auf politischem, wirtschaftlichem u. sozialem Gebiet sollte mich das nicht so sehr berühren, ich habe nichts dagegen, daß man diese ostelbischen Junker enteignet hat u. daß Monopole u. Trusts aus der Hand der bisherigen Besitzer in die Hand des russischen Staates übergehen, aber bedrückend ist dieser Herrschaftsanspruch auf kulturellem Gebiet. Die Forderung, daß die Künstler sich nach dem geistigen Niveau der Arbeiter zu richten hätten, wird immer lauter und dreister u. wenn dem nicht ein Riegel vorgeschoben wird, dann wird es wieder dazu kommen, daß alle fortschrittlichen Künstler unterdrückt werden, genau wie es bei den Nazis war. Ich warte auf den 10. März, wenn die Verhandlungen in Moskau beginnen sollen. Es ist kein gutes Omen, daß sie grade in Moskau sein werden; aber man wird dann wenigstens sehen können, wohin die Karre läuft. Am Ende wird man sich doch noch zur Auswanderung entschließen müssen. [...]

[2305]
Montag, 23. Dezember 1946.     

[...] [2305] Petersen ist übrigens der Ansicht, daß der Widerstand gegen eine Ausstellung meiner Bilder im Motivischen liegt. Das kann gut stimmen. Auch in Schwerin u. Rostock war es so. Damals, im Sommer, als diese Ausstellung noch nicht sicher war, äußerte sich Herr Venzmer, daß er gegen die Ausstellung meiner Bilder sei, weil dieselben, „zu fromm“ seien. Religiöse Bilder liegen eben nicht im Interesse der SED. Solange diese Partei ihre Diktatur ausübt, werde ich keine Aussichten haben. Genau wie bei den Nazis. – [...]

[2306]
Sonntag, 29. Dezember 1946.     

[...] [2306]      Ferner ein Brief von Herrn E. Zieger aus Sellin – Rügen. Er erhielt meinen Brf. v. 30. 11. erst am 16. 12. u. heute bekomme ich seine Antwort. Ich hatte geglaubt, er habe den Wunsch, den „hl. Pfr. von Ars“ zu besitzen, aufgegeben, weil der Preis von 1000,– Rm. immerhin recht hoch ist; aber nun dankt er mir, daß ich ihm das Bild überlassen will u. daß er mir den Betrag per Postanweisung zugehen lassen wird. Er bittet, daß ich Schwerin veranlassen möge, daß ihm das Bild als Wertpaket zugesandt wird. – Ich möchte gern wissen, wer dieser Edgar Zieger eigentlich ist? [...]

Januar 1947

[Bearbeiten]
[2401]
Mittwoch, 1. Januar 1947.     

[2401]      Gestern zeichnete ich eine Skizze für eine Flaschen-Etiquette einer Flasche Schnaps, die der hiesige Kulturbund Koch-Gotha schenken soll, der am 5. Januar 70 Jahre alt wird. [...]

[2401]
Donnerstag, 2. Januar 1947.     

[...] [2401]      Nach dem Frühstück brachte Fritz die Nr. 8. der „Demokrat. Erneuerung“, die jetzt erst hier eingetroffen ist, obwohl sie schon am 12. Dez. von Schwerin, abgesandt wurde. Sie enthält nochmals zwei Aeußerungen über meine Schweriner Ausstellung. Die erste ist von einem Rostocker Studenten Düwel, welcher der Schwiegersohn jener Frau Kerstens ist, die in der Landeszeitung so zustimmend über meine Bilder geschrieben hat. Herr Düwel ist dagegen keineswegs zustimmend. Er vergleicht mich mit Käthe Kollwitz, von deren Arbeiten ja um die gleiche Zeit eine Ausstellung in Rostock zu sehen war. Ein solcher Vergleich ist an sich schon einfach unmöglich, man könnte ebenso gut Böcklin mit Menzel vergleichen. Er beteuert dann weiter, daß ich eine „wirkliche Künstlerpersönlichkeit“ sei u. sagt viel Lobendes über meine Farben, aber dann verneint er mit Entschiedenheit die Frage, ob ich der heutigen jungen Generation etwas zu sagen hätte. Obwohl er sagt, daß ihn meine Bilder „erfaßt“ hätten, [...]

[2402] weil er gespürt habe, daß „eine gewaltig ringende Persönlichkeit am Werke ist“, aber dennoch behauptet er, „man trägt nichts Belebendes, nichts Erhebendes mit nach Haus“ weil die „Dinge bis in ihre letzte Konsequenz entwirklicht“ seien. Der junge Herr erklärt mit der Überheblichkeit, die dieser Nachhitlerjugend eigen ist, daß ich herabkommen u. unter den Zeitgenossen weilen solle, ich hätte vergessen, „ein Mensch zu sein“. – Es ist also auch hier wieder dieselbe Forderung, die täglich an uns Künstler gerichtet wird, wir sollten auf das Niveau der „Werktätigen“ herabsteigen, um dem Arbeiter verständlich zu sein. Dieser stud. phil. ist zwar milder, er verlangt nur, daß ich auf das Niveau der Studienräte herabsteigen soll.

     Die zweite Auslassung ist von einem Herrn Paul O. Ziems aus Hagenow. Er stellt sich als ein schon älterer Mann vor, der die Zeit des Expressionismus um 1918 miterlebt hat. Ich habe ihn im Verdacht, daß er wirklich Studienrat ist. Er behauptet von sich, daß er die Fähigkeit besitze, „mit klarem Gefühl u. wachen Sinnen den Wesenskern des Kunstwerkes .... zu erkennen u. ... zu beurteilen.“ – Er wiederholt die heute so oft aufgestellte Behauptung, daß der Expressionismus längst überwunden sei u. er behauptet kühn, daß „mit Sicherheit in unserer kunstgeschichtlichen Entwicklung ein Stand der Dinge erreicht“ sei, in welchem „auch das letzte reaktionäre Hindernis, welches sich der geradlinigen Entwicklung entgegenstellte, als überwunden gelten kann.“ Dergleichen Torheit kann nur ein Studienrat behaupten. Dieser Herr lobt zwar ebenfalls meine „Malkultur“, kommt aber dennoch zu dem Schluß, daß diese Ausstellung meiner Bilder überflüssig gewesen sei. –

     Es ist also nicht sehr erfreulich, was da geschrieben worden ist, nur, daß durch solche Dinge, wie Burgartz sagt, mein Name dem Gedächtnis eingehämmert wird u. zu einer umstrittenen Berühmtheit im Lande Mecklenburg-Vorpommern wird. Es ist das ein Vorzug, der vielleicht zweifelhaft ist, es wird sich erweisen.

[2402]
Sonntag, 5. Januar 1947.     

[...] [2402]      Das Bild „Dorfstraße“ habe ich fertig gemacht. Es befriedigt mich zwar keineswegs, aber ich habe keine Lust mehr. Eine Arbeit, die einmal unterbrochen ist, ist wie eine Zigarre, die ausgegangen ist. Man kann wie wohl wieder anzünden u. weiterrauchen, aber sie schmeckt nicht mehr. Dieses Bild ist das dreiundzwanzigste des Jahres 1946, ein ungemein produktives Jahr, obgleich ich lange Zeit krank war u. nicht arbeiten konnte. [...]

[...] [2403]      Es ist seit einigen Tagen wieder bitter kalt, heute -10°. Es ist klares Wetter, Vollmond u. keine Aussicht, daß es milder wird. [...]

[...] [2403]      Heute wird Koch-Gotha 70 Jahre alt. Ich habe eine sehr hübsche Etiquette für eine Schnapsflasche gezeichnet, die Fritz heute im Namen des Kulturbundes hinbringen wird. [...]

[2403]
Dienstag, 7. Januar 1947.     

[2403]      Der Frost hat den ganzen Tag in gleicher Stärke angehalten, doch scheint es gegen Abend ein wenig milder geworden zu sein.

     Vormittags das neue Bild angelegt. Starke Farben. Ein Brief von Agathe Lindner-Welk. Sie bedankt sich für die Zeichnung, die ich ihr wegen ihrer Presse=Hilfe schenkte. Sie schreibt, daß sie im Sommer hier in Ahrenshoop einen Roman zu schreiben begonnen hätte zu dem sie bereits 120 Druckseiten fertig habe. Sie will in diesem Jahre wieder hierher kommen.

[2403]
Mittwoch, 8. Januar 1947.     

[2403]      Der Frost hält unvermindert an. Heute war von 2 Uhr nachm. bis 9 Uhr abds. der Strom ausgeschaltet. Dieses stumpfsinnige Sitzen im Dunklen ist ziemlich schwer zu ertragen. [...]

[2404]      Abends im Rundfunk allerhand. [...]

[2404] Schließlich ist großer Krach in Hamburg, da keine Kohlen da sind u. das ganze Leben dadurch zum Erliegen kommt. Der Oberbürgermeister hielt im Parlament eine bedrohliche Rede, die im Rundfunk wiederholt wurde. Die Stadt steht vor einer Katastrophe. – Das Jahr fängt also gut an. Die einzige Maßnahme, die der Senat weiß, ist die, daß die Schulen bis zum 15. Jan. geschlossen bleiben. Zu diesem Termin sollen die Schulen Kohlen erhalten u. sollen dann als Wärmehallen für die Bevölkerung dienen. Bei der gegenwärtigen Kälte u. der mangelhaften Ernährung u. Kleidung können bis dahin Tausende erfroren sein.

     Die Bombenattentate auf die Entnazifizierungs=Spruchkammern in Süddeutschland, die seit einiger Zeit verübt werden, setzen sich fort. In Nürnberg soll ein sehr schweres Attentat verübt worden sein, wie ebenfalls der Rundfunk bekannt gibt. Es sind das böse Anzeichen einer unterirdischen Gärung im Volke, die nicht ernst genug bewertet werden können; aber es scheint, daß man auf amerikan. Seite, der Besetzungsmacht, diesen Ernst sehr vermissen läßt. Ich fürchte, daß der Hunger, die Kälte u. all diese Not verbunden mit der politischen Gärung, in nächster Zeit zu bösen Explosionen führen wird. Der Hamburger Senat soll bereits damit gedroht haben, geschlossen zurückzutreten.

     Die Not der Großstädter geht aus Faensen's letztem Brief hervor. Danach leben sie zu acht Menschen, darunter ein Säugling u. eine 81jährige Tante u. er als Patient in einem einzigen Zimmer, das nur auf 10° erwärmt werden kann (als er das schrieb!). – Inzwischen ist dieser Frost eingetreten. Sie haben regulär nur einen Centner Briketts erhalten, zusätzlich erhielten sie noch zwei Centner Säuglings-Briketts u. einen Centner Kranken-Briketts. Das alles ist furchtbar. – [...]

[2405]
Sonntag, 12. Januar 1947.     

[...] [2405]      Frühstück mit P. Beckmann, der das Gerücht bestätigte, daß der Bürgermeister von Ribnitz, Jelitzky, durchgebrannt ist. Dieser Mann war Kommunist u. jetzt großer Mann in der SED. Er sollte jetzt einen Lehrgang in Schwerin absolvieren, dann Regierungsrat werden u. eine Anstellung in der Landesregierung erhalten, doch ist er in Schwerin nicht angekommen, dagegen ist festgestellt, daß er mit seinem Auto die Zonengrenze Richtung Westen überschritten hat. In der Stadtkasse von Ribnitz fehlen dafür 25.000 Rm., die er mitgenommen hat. [...]

[2406]
Sonntag 19. Januar 1947.     

[2406]      Heute morgen mußten wir zu unserem großen Bedauern feststellen, daß uns über Nacht von unseren drei Kaninchen zwei Stück gestohlen worden sind, wobei wir noch von Glück sagen können, daß wenigstens dieses eine übrig geblieben ist. Es ist wirklich nichts mehr sicher.

     Es wird ganz langsam draußen wieder kälter.

     Abends fiel mir der Kopf meiner Tabakspfeife auseinander, nachdem ich ihn schon oft mit Leukoplast verklebt hatte. Ich habe nochmals versucht, ihn zu kleben, obgleich es hoffnungslos aussieht. Es ist die letzte Tabakspfeife, neue Pfeifen gibt es nicht.

[2406]
Montag, 20. Januar 1947.     

[...] [2407]      Es ist mir mit viel Leukoplast gelungen, meinen Tabakpfeifenkopf wieder zusammen zu bringen. [...]

[2407]
Dienstag, 21. Januar 1947.     

[2407]      Heute erhielt ich von Herrn Edgar Zieger aus Sellin die 1000,– Rm. für den Pfarrer von Ars. [...]

[2407]
Mittwoch, 22. Januar 1947.     

[2407]      Nachmittags brachte mir Frau Burgartz eine Tabakpfeife ihres Mannes, die er nicht mehr braucht, da er das Rauchen aufgegeben hat. Gestern hat sie eine große Portion Tabak, selbstgebaut, gebracht, ein Pfund, wofür sie von uns Butter erhält. Die Tabakpfeife ist von bester Qualität, wie ich noch nie eine besessen habe. [...]

[2408]
Donnerstag, 23. Januar 1947.     

[2408]      Frau Dr. Riemschneider schickt mir die Abschrift eines Briefes, den sie von einer Malerin Margarete Federmann erhalten hat über meine Ausstellung. Sie dankt ihr für ihren Einsatz für meine Kunst u. meint, daß diejenigen, die immer dafür plädieren, der Künstler müsse für's „Volk“ arbeiten, doch endlich mal erklären sollen, was sie damit eigentlich meinen. Sie sagt das ausdrücklich im Hinblick auf Adam Scharrer, der meinen Bildern die Bilder von Käte Kollwitz u. die Werke von Barlach entgegenstellt u. so tut, als wären diese „für's Volk“. Sie fragt mit Recht, ob denn die sog. „Werktätigen“, sich eine Zeichnung von Käte Kollwitz als Schmuck in die Wohnung hängen würden, wo doch diese Zeichnungen gerade die Not u. das Elend des Proletariats schildern! Lieber hängt sich ein Arbeiter den übelsten Kitsch an die Wand, wenn er nur recht sentimental u. „schön“ ist. Und das ist durchaus verständlich. Aber darüber hinaus: Wer von diesen heute so begeistert tuenden Bewunderern von Käte Kollwitz u. Barlach in ganz Mecklenbung=Vorpommern hat denn je ein Original dieser Künstler gekauft, oder wer hat auch nur eine Reproduktion an seinen Wänden hängen? Es ist das alles nur eine infame Heuchelei u. Käte Kollwitz u. Barlach würden, wenn sie diese ihre heutigen Bewunderer sehen würden, ihnen mit Verachtung den Rücken kehren. – Frau F. führt einen Satz aus einem Briefe des Moritz v. Schwindt an, der lautet: „Sie möchten das unerhört Neue, nie Dagewesene, aber es soll genau so aussehen, wie das, was immer war. ...“ – Ueber diesen Brief einer gänzlich unbekannten Kollegin habe ich mich sehr gefreut. [...]

Februar 1947

[Bearbeiten]
[2501]
Donnerstag, 6. Februar 1947.     

[2501]      Frost hat wieder zugenommen. Mehr Schnee, der Nord-Ost hat Eis angetrieben, sodaß das Meer voll Eis ist bis zum Horizont. Keine Aussicht auf baldige Besserung. [...]

[2502]
Sonnabend, 15. Februar 1947.     

[2502]      Heute erhielt ich das neue Heft der „Demokratischen Erneuerung“, in dem mein „Dank an Schwerin“ stehen sollte, aber er ist nicht darin. Der Ursache mag Platzmangel sein, doch glaube ich eher, [2503] daß dieser Herr Dr. Willi Bredel, der der verantwortliche Schriftleiter ist u. der mich im „Sonntag“ angepöbelt hat, die Ursache des Nichterscheinens ist. Es macht auf mich den Eindruck, als gäbe es eine geheime Bewegung dieser Kreise im Kulturbunde gegen mich, – sowohl in Schwerin, wie in Rostock. [...]

März 1947

[Bearbeiten]
[2601]
Sonnabend, 1. März 1947.     

[...] [2601]      Am Nachmittag war Dr. Burgartz hier, der Andeutungen machte über die feindseligen Gefühle, die Herr v. Achenbach u. Peter Erichson gegen mich hegen u. die die Stärke von Haß haben sollen, ohne daß ich die Gründe dieses Hasses kenne. [2602] Ich bedaure diese Herren u. werde sie Gott empfehlen. [...]

[2603]
Dienstag, 25. März 1947.     

[...] [2603]      Die Ernährung fängt jetzt an, katastrophal zu werden. Es sind hunderttausende von Tonnen Kartoffeln erfroren u. die spärlichen Vorräte, die die Leute hatten, sind nun aufgebraucht. Auch die Kohlrüben sind aufgegessen. Niemand weiß, was werden soll. Dazu ist der Oderdamm bei Küstrin geborsten u. das Land des Oderbruches ist weithin unter Wasser. In Berlin sollen nach der Radiomeldung 20.000 Flüchtlinge aus dem Oderbruch eingetroffen sein. Alle Vorräte im Oderbruch sind natürlich ebenfalls vernichtet. Es wird eine Katastrophe werden. Selbst hier Leute wie Bernhard Saatmann haben nur noch für 14 Tage Kartoffeln, wie er mir heute sagte, – bei den Flüchtlingen ist es natürlich noch viel schlimmer. [...]

[2603]      Heute hatten wir den ganzen Tag über elektr. Strom, auch abends. Ob die Sperrstunden abgeschafft worden sind, wie es ja im vorigen Sommer auch war, muß die Erfahrung lehren, bekanntgemacht wird so etwas ja nicht, sonst könnten ja vielleicht die Engländer u. Amerikaner etwas davon merken. Bei den Russen geschieht prinzipiell alles heimlich. [...]

April 1947

[Bearbeiten]
[2701]
Mittwoch, 9. April 1947.     

[2701]      Endlich ist das Eis auf dem Meere aufgerissen, auch auf dem Bodden fängt die Fischerei wieder an, die seit Anfang Dezember geruht hatte. [...]

[2701]
Donnerstag, 10. April 1947.     

[2701]      Das Eis ist zwar aufgerissen, aber dennoch liegt das Meer auch heute noch voller Eis u. es war heute wohl möglich noch kälter als gestern. [...]

[2702]
Mittwoch, 16. April 1947.     

[...] [2702] Fritz hat außerdem die Sekretärin von Becher mitgebracht. B. will am 1. Mai bereits hier sein u. im Hause Reinmöller wohnen. Auch sonstige Prominente des Kulturbundes aus Berlin werden erscheinen. Fritz brachte einen Teil des Inhaltes des Care Paketes mit, amerikan. Zigaretten, Kekse, Schokolade usw., den Hauptteil hat er in Berlin in Päckchen verpackt u. per Post geschickt, da das sicherer ist angesichts der sog. Polizei-Kontrollen, die in den Zügen u. auf den Bahnhöfen stattfinden u. bei denen man gewöhnlich alles einbüßt, was man bei sich hat. Fritz erzählt anschaulich von der Unsicherheit in Berlin selbst u. unterwegs. Es herrschen trostlose Zustände u. man weiß nicht, wie wir je da herauskommen sollen. [...]

[2703]
Freitag, 25. April 1947.     

[...] [2703]      Der starke Seegang hat nun endlich die letzten Reste des Eises vom Meer weggespült, heute war der erste eisfreie Tag. Dennoch ist es recht kalt u. man friert. [...]

[2703]
Sonnabend, 26. April 1947.     

[...] [2703]      Nachmittags 4 Uhr war im Seezeichen eine Sitzung des Kulturbundes. Fritz leitete die Sitzung als zweiter Vorsitzender, da Frau Holtz, die erste Vorsitzende, nicht da war. Fritz machte das ganz ausgezeichnet. Er war sehr sicher u. sehr sachlich, sodaß ich eine rechte Freude über ihn hatte.

[2703]
Sonntag, 27. April 1947.     

[...] [2703]      Die Wirkungen der Moskauer Konferenz, die in dieser letzten Woche so gut wie ergebnislos geschlossen worden ist, fangen bereits an, sich langsam abzuzeichnen. Es scheint zu einer Verständigung der Engländer u. Amerikaner mit Frankreich gekommen zu sein, die eine Isolierung Rußlands zur Folge haben muß, andererseits zu einem engeren Zusammenschluß der drei westlichen Zonen. Damit dürfte dann eine noch stärkere Betonung der Elbgrenze verbunden sein u. es wird sich nun zeigen müssen, ob dies zu einem endgültigen Auseinanderbrechen Deutschlands in eine östliche u. eine westliche Hälfte führen wird. Auf jeden Fall müssen wir die Uneinigkeit zwischen Ost u. West bezahlen. [...]

Mai 1947

[Bearbeiten]
[2801]
Montag, 12. Mai 1947.     

[...] [2801]      Ich sah mir den Raum an, der in der BuStu. als Ausstellungsraum für meine Bilder gedacht ist. Er ist jetzt so weit fertig, daß man sich eine Vorstellung von der Wirkung machen kann. Er wird groß u. sehr hell u. wird sehr repräsentativ sein. Zur Wandbespannung müssen wir leider Rupfen von Orangefarbe nehmen, einen neutralen Ton haben wir nicht. Hoffentlich wird das die Bilder nicht zu sehr beeinträchtigen. [...]

[2802]
Donnerstag, 22. Mai 1947.     

[...] [2803]      Abends kam Herr Mohrhaupt von der Defa, d. i. eine Filmgesellschaft. Er will einen Film von Ahrenshoop drehen u. will dazu Künstler u. ihre Bilder filmen. Er sah sich meine Bilder an. Er hat früher einmal Maler werden wollen u. hat in Dresden studiert, ist dann zum Theater u. dann zum Film gegangen. Ein netter u. manierlicher Mensch von etwa 45 Jahren. [...]

[2804]
Freitag, 23. Mai 1947.     

[...] [2804]      Der Ausstellungsraum in der BuStu. ist heute fertig geworden. Ich habe Mittags alle Bilder hinüber getragen, die ich dort auszustellen gedenke. [...]

[2804]      Am Nachmittag habe ich mit Fritz zusammen die Bilder gehängt. Der Raum sieht ganz überraschend gut aus, das Licht ist vorzüglich u. die Bilder, die nun dort hängen, können sich sehen lassen. Es sind insgesamt 17 Bilder, darunter die neuen: „Mann im Kerker“ – „Der Alte" – „Vernichtung“ – „Dorfstraße“. [...]

[2804] Der allgemeine Eindruck ist vorzüglich u. ich denke, daß diese Ausstellung [2805] im Sommer eine sehr beachtliche Wirkung haben wird. – [...]

[2805]
Sonnabend, 24. Mai 1947.     

[...] [2805]      Meine Ausstellung in der BuStu. hat heute bereits eine recht gute Wirkung gehabt. Es sind zwar noch keine Fremden hier, aber es waren einige Leute dort, die einen starken Eindruck davon gehabt haben. Ich werde mit dieser Ausstellung sicher eine viel stärkere Wirkung haben wie voriges Jahr, wo ich nur Zeichnungen ausstellte u. erst später einige wenige Bilder, die aber nicht in einem abgesonderten Raum hingen wie jetzt. So, wie sie jetzt hängen, werden auch diejenigen, die keinen Sinn für solche Bilder haben, nicht mehr so leicht kritisieren, wie sie das im vorigen Jahre taten. [...]

Juni 1947

[Bearbeiten]
[2901]
Sonntag, 1. Juni 1947.     

[...] [2901]      Abends kam Lotte Buck-Schmitt. Am Dienstag will ich vor einigen Leuten eine Einführung in meine Ausstellung geben, Frau Sch. hat die sehr gute Idee, anschließend einige Gedichte von Rilke vorzulesen, die in der Tat zu meinen Bildern sehr passend sind.

     Es ist sehr heiß. Mückenplage. Hoffentlich ist es am Dienstag kühler, da sonst die BuStu. zu heiß ist. [...]

[2901]
Dienstag, 3. Juni 1947.     

[...] [2901]      Abends um 8 Uhr hielt ich in der Ausstellung in der BuStu einen Vortrag vor 30 Personen über meine Bilder. Ich besprach jedes einzelne Bild. Anschließend trug Charlotte Buck-Schmitt Gedichte von Rilke vor, sehr gut u. sehr passend. Offensichtlich hat mein Vortrag einen starken Eindruck gemacht, die Anwesenden drückten mir jedenfalls nachher ihre Sympatie aus, die bei Frau Richter leider die Folge hatte, daß sie noch spät abends mit einem kostbar in Leder gebundenen Album kam mit der Bitte, daß ich ihr etwas hineinschreiben möchte. [...]

[2902]
Donnerstag, 5. Juni 1947     
Fronleichnam.     

[...] [2902]      Abends große Aufregung. Aus Ribnitz kam die telephon. Nachricht, daß sich morgen früh 9 Uhr alle Männer von 18 bis 40 Jahren in Ribnitz zu melden haben. Ein Grund wurde nicht angegeben. Es gehen die tollsten Gerüchte um. Dr. Rudlof erzählte, daß aus der Ribnitzer Gegend die jungen Männer bereits zu Hunderten nach dem Westen geflüchtet seien. Auch unsere Männer wollen sich, so weit ich gehört habe, dem Befehl widersetzen u. nicht erscheinen. Fritz, der 39 Jahre alt ist, will ebenfalls nicht hinfahren. Mir scheint das auch das Beste zu sein. Man muß erst einmal abwarten, was daraus wird. [...]

[2902]
Freitag, 6. Juni 1947.     

[...] [2902]      Nachmittags Sitzung der Sektion im Seezeichen. Schultze-Jasmer aus Prerow war dazu herübergekommen. Es war sehr langweilig, ich zog mich aus der Jury zurück. [...]

[2903]      Abends: Die aus Ribnitz zurückgekehrten erzählen, daß ihnen gesagt worden sei, sie müßten von Montag an in Rostock Hafenarbeit verrichten, wer nicht erscheint, würde verhaftet werden. Rücksichten würden keine genommen, jedoch kümmerte man sich nicht weiter darum, ob auch alle Männer erschienen sind, wer gekommen war, war eben der Dumme, er wurde registiert, wer nicht gekommen war, war frei. Es ist eine Willkürherrschaft, die ihresgleichen nicht hat, u. dabei wird von nichts anderem als „Demokratie“ geredet. Es ist empörend. –

[2903]
Sonnabend, 7. Juni 1947.     

[...] [2903]      Am Abend kam wieder einmal die Malerin Lang-Scheer, die nun ihre Arbeit in der Rostocker Kirche angefangen hat. Sie ist eine treue Seele, wenn auch etwas „langscherig“. Ich zeigte ihr den fertigen „Aufbruch“, den „Dämon“ u. die „Passion“. Sie erzählte, sie habe in Stralsund bei Leuten gewohnt, von denen einer Schofför bei der russischen Kommandantur sei u. gut russisch spricht. Dieser habe gesagt, daß die Russen viel von dem unvermeidlichen neuen Kriege sprächen, zu dem sie aber im übrigen keine Lust hätten. Es sei bekannt, daß die Russen in Rostock, Stralsund u. Wismar sehr viel Rüstungsmaterial landeten. Dasselbe berichtet Anneliese, die in Michendorf b. Berlin eine Wohnlaube hat. Dort rollt auf der großen Heerstraße nachts ununterbrochen Kriegsmaterial. [...]

[2904]
Montag, 16. Juni 1947.     

[2904]      Abends ging ich mit Martha, Fritz u. Ruth in den Kunstkaten, wo die Kommission heute die Bilder gehängt hat. Obwohl Koch-Gotha mit in der Kommission ist, sind die Bilder technisch nicht gut gehängt. Ich habe mit Fritz meine drei Bilder wenigstens so geändert, daß sie in gleichmäßiger Höhe u. niedriger hängen. Im übrigen sind sämtliche Bilder außer zwei Bildern von Frau Holtz-Sommer, ein Stilleben u. ein Blumenstück in Aquarell, unter dem Niveau der Mittelmäßigkeit. [...]

[2905]
Mittwoch, 18. Juni 1947.     

[...] [2905]      Dr. Anders aus Prerow hat heute Nachricht geschickt, daß er am 28. Juli mit zwei Lastwagen voll Kulturbund-Leuten hierher kommen wird, um meine Ausstellung zu besichtigen u. einen Vortrag von mir zu hören.

     Heute sind die ersten Kulturbund-Gäste aus Schwerin eingetroffen, unter ihnen auch Frau Häffner (oder so ähnlich) vom Schweriner Landessender, die meinen Bildern so viel Verständnis entgegenbringt. Ich habe sie noch nicht gesehen. [...]

[2905]
Donnerstag, 19. Juni 1947.     

[...] [2905]      Wir bekamen einen kleinen Prospekt der Galerie Bremer in Berlin über eine Ausstellung des Malers Heinz Trückes. Es ist das ein ungemein begabter junger Maler, von dem man sehr viel erwarten darf. [wohl Heinz Trökes]

[2906]
Dienstag, 24. Juni 1947.     

[2906]      Nachmittags ging ich in den Kunstkaten, um die immer noch sehr langweilige Ausstellung zu besichtigen. Herr u. Frau Holtz haben zusammen allein 14 Bilder u. Zeichnungen dort hängen. Frau Buck-Schmitt klagte mir ihr Leid, weil sie mit Herrn Holtz nicht zurecht kommt, der eifersüchtig darauf bedacht ist, im Vordergrunde zu sein. Ich lernte dort den jungen Maler Breuer kennen, ein Expressionist, der abstrakte Bilder malt. Gesehen habe ich von ihm nichts.

     Als ich von da nachhause gehen wollte, rief Martha mich in die BuStu., da Herr Dr. Bredel mich kennen zu lernen wünschte. Er ist ein kleiner, breitschultriger u. vierschrötiger Mann, der wie ein Häusermakler oder dergleichen aussieht. Ein völlig ungeistiger Mensch. Er begrüßte mich sehr freundschaftlich, als wenn er niemals einen groben Brief von mir bekommen hätte, u. sagte, daß er Abbildungen meiner Bilder in seiner neuen Zeitschrift „Heute u. Morgen" bringen [2907] wolle. Ich wehrte ab u. sagte, daß meine Bilder nicht in den Rahmen seiner Zeitschrift passen, er aber meinte, daß dieser Rahmen eben besser werden solle, das erste Heft sei sehr schlecht. Ich widersprach dem nicht, sondern bestätigte das. Wir gingen dann in meine Ausstellung. Er meinte, daß meine Ausstellung in Schwerin ja doch eine enorme Wirkung gehabt hätte u. er tat so, als wäre er immer von meinen Bildern überzeugt gewesen. Er sagte, daß besonders Pastor Kleinschmidt für meine Bilder mannhaft eingetreten sei. Es scheint, daß Herr Dr. B. kein Freund von Herrn Venzmer ist. Er fragte mich, ob ich mit Herrn V. verfeindet sei, worauf ich sagte, daß Herr V. mir völlig gleichgültig sei, er aber anscheinend gegen mich arbeite. Darauf sagte er: „Um so besser“.

     Herr Dr. B. ließ erkennen, daß von Seiten der Regierung in Schwerin irgend etwas im Gange gewesen ist gegen uns. Es sei von dort im Kulturbunde angefragt worden, welche Verbindung zwischen Herrn Kramer – Ribnitz u. Braß bestünde. Ich bin nicht ganz klug daraus geworden u. hatte den Eindruck, daß es sich dabei um das Monheim'sche Haus handelt, welches der Kulturbund gern für seine Zwecke haben möchte u. das wir an die Fischlandschmuck=G.m.b.H. verpachtet haben. Möglicherweise will man da einen Druck ausüben, indem Herr Dr. B. jetzt behauptet, daß Pastor Kleinschmidt schon im vorigen Jahre wegen Verpachtung des Hauses an den K-B. mit uns verhandelt hätte. Das stimmt aber nicht. Ich bin in dieser Sache ziemlich kühl geblieben u. gab Herrn Dr. B. zu verstehen, daß es mir gleichgültig sei, wie man in der Regierung über mich denkt, da ich von dort so wie so keine Förderung zu erwarten hätte. – Herr Dr. B. blieb bei all dem äußerst freundlich. Er bat mich, ihm vier Abbildungen meiner Bilder zu senden u. Herrn Dr. Burgartz zu sagen, daß er einen Artikel dazu schreiben möchte. – Ich sehe noch nicht klar, was ihn zu dieser Haltung veranlaßt, die seiner früheren Haltung vollkommen widerspricht. Er macht eigentlich nicht den Eindruck eines Intriganten, wenngleich er auch ein schlauer u. gerissener Mann ist.

[2907]
Mittwoch, 25. Juni 1947.     

[...] [2907] Ich sprach mittags mit Frau Burgartz wegen des Artikels in „Heute u. Morgen“, gab ihr vier Fotos mit: „Der Alte“ – „Mann im Kerker“ – „Dorfstraße“ – „Dirne“. Zu jedem Bilde habe ich einen Waschzettel gemacht u. Frau B. mitgegeben. Sie war zwar der Meinung, daß ihr Mann den Artikel nicht schreiben wollen würde, erstens, weil er Musik= u. nicht Kunstkritiker ist u. zweitens, weil er mit Dr. Bredel u. dem Kulturbunde verzankt ist. Ich ließ ihn trotzdem bitten erstens, weil es ihm gewiß Spaß machen wird u. zweitens aus Freundschaft zu mir. [...]

[2908]
Donnerstag, 26. Juni 1947.     

[...] [2908]      Dr. Burgartz hat die Fotos meiner Bilder an mich zurückgeben lassen. Er versprach, heute Abend selbst zu kommen, doch kam er nicht. Es ist ärgerlich, daß er den Artikel nicht schreiben will, aber es ist da bei seiner hypochondrischen Anlage nichts zu machen. [...]

[2908]
Sonnabend, 28. Juni 1947.     

[...] [2908] [...]

[2908]
Sonntag, 29. Juni 1947.     

[2908]      Am Artikel weiter gearbeitet. Abends hielt Prof. Rienäcker im Kulturbund einen Vortrag über den Kulturbund, sein Wesen, seine Aufgaben u. Ziele. Er sprach sehr anregend 1 1/2 Stunden in der Veranda zum Seezeichen, etwa 30 Hörer. Er u. seine Frau begrüßten uns sehr freundschaftlich u. setzten sich zu uns. Da noch Zeit war u. er den Wunsch aussprach, zeigte ich ihm vorher meine Bilder in der BuStu, die ihn interessierten. Als ich [2909] das Mißglücken der Ausstellung in Rostock erwähnte, tat er so, als wüßte er nicht mehr recht, wie das gekommen sei, es war ihm peinlich. Er war auch in der Ausstellung des Kunstkaten gewesen, die er langweilig fand. Er kommt erst im August wieder hierher in Urlaub.

[2909]
Montag, 30. Juni 1947.     

[...] [2909] Nachmittags arbeitete ich weiter an dem Artikel für Dr. Bredel, ich glaube, er kann nun so bleiben. – Abends den Rabarber im Vorgarten gegossen, der schon fast verschmachtet war. –     Abends war Ursula Haeffner vom Schweriner Landessender mit ihrer Freundin Besendahl oder so ähnlich zum Tee bei uns. Es war sehr unterhaltsam u. informierend über die Schweriner Verhältnisse. Danach scheint es, als würde Frau Dr. Riemschneider nicht mehr lange Leiterin des Museums sein, Herr Venzmer scheint mit Erfolg gewühlt zu haben.

     In der BuStu. war heute starker Betrieb. Meine Bilder bilden den Anlaß zu manchen Flegeleien von flegelhaften Dummköpfen, aber auch zu sehr viel erfreulichen Beifallsäußerungen. [...]

Juli 1947

[Bearbeiten]
[2909]
Dienstag, 1. Juli 1947.     

[...] [2909] Nachmittags arbeitete ich weiter an dem Artikel für Dr. Bredel, ich glaube, er kann nun so bleiben. – Abends den Rabarber im Vorgarten gegossen, der schon fast verschmachtet war. –     Abends war Ursula Haeffner vom Schweriner Landessender mit ihrer Freundin Besendahl oder so ähnlich zum Tee bei uns. Es war sehr unterhaltsam u. informierend über die Schweriner Verhältnisse. Danach scheint es, als würde Frau Dr. Riemschneider nicht mehr lange Leiterin des Museums sein, Herr Venzmer scheint mit Erfolg gewühlt zu haben.

     In der BuStu. war heute starker Betrieb. Meine Bilder bilden den Anlaß zu manchen Flegeleien von flegelhaften Dummköpfen, aber auch zu sehr viel erfreulichen Beifallsäußerungen. [...]

[2909]
Mittwoch, 2. Juli 1947.     

[...] [3002] Es ist jetzt Hochbetrieb in Ahrenshoop, Joh. R. Becher ist schon seit einiger Zeit hier, aber vorsichtig zurückhaltend, nirgends zu sehen, ferner Alexander Abusch, der in der BuStu. war, sowie der Dichter Wolff, der das Stück „Prof. Mamlock“ geschieben hat. Auch er war in der BuStu. u. hat sich meine Bilder angesehen u. sich sehr beifällig geäußert. Auch Dr. Bredel ist wieder da, von dem Frl. N. meint, daß er russischer Spitzel sei. Das mag stimmen. Außerdem ist noch eine Anzahl kleinerer Größen da u. alles das intrigiert gegeneinander, belauert u. bespitzelt sich gegenseitig. [...]

[3002]      Im Kunstkaten hat sich nun also E. Th. Holtz breit gemacht mit nicht weniger als 48 Bildern, Oel, Aquarelle u. Zeichnungen, alles furchtbarer Durchschnitt u. langweilig u. aufgeblasen. Ich sah mir mittags diesen Mist an. [...]

[3003]
Sonnabend, 5. Juli 1947.     

[3003]      Nachmittags sah ich Aquarelle des jungen Malers Breuer, die außerordentlich schön waren. Er wird sie jetzt im Kunstkaten ausstellen. Die Bilder haben eine ganz merkwürdige Aehnlichkeit mit ihm selbst. Abends was Frau v. Gutenberg da, – sehr langweilig. –

[3003]
Sonntag, 6. Juli 1947.     

[3003]      Nach dem Frühstück packten wir das Care=Paket aus das Fritz aus Wismar geholt hatte. Es waren sehr nützliche Sachen darin, Kaffee, Mehl, Eipulver, Schokolade usw.

     Um 6 Uhr nachmittags hielt ich wieder in der BuStu. vor meinen Bildern einen Vortrag, der sehr erfolgreich war. Ein Theater-Intendant aus Güstrow mit seiner Frau waren wohl die wertvollsten Menschen, dazu Frau Ursula Haeffner u. Frau Besendahl. Die meisten Leute kannte ich nicht, doch hatte ich den Eindruck, daß alle gut mitgingen. [...]

[3003]
Montag, 7. Juli 1947.     

[3003]      In der BuStu. hat man sich heute sehr freundlich über meinen gestern gehaltenen Vortrag geäußert. Leider sind infolge mangelhafter Organisation die maßgebenden Leute nicht dagewesen, wie z.B. der Dichter Wolff u. a., die nun davon gehört u. sehr bedauert haben, nicht dabei gewesen zu sein. Ich werde mich deshalb entschließen müssen, den Vortrag am kommenden Sonntag nochmals zu wiederholen. [...]

[3003]      Der Artikel für „Heute u. Morgen“ ist nun von Eva Küntzel mit der Maschine geschrieben, sodaß ich die ganze Sache morgen nach Schwerin schicken kann. [...]

[3003]
Dienstag, 8. Juli 1947.     

[...] [3003] Der Dichter Wolff, von dem ich geschrieben habe, heißt Friedrich Wolf, er ist ein namhafter Schriftsteller. Er u. mehrere andere Leute aus Berlin werden am Sonntag wieder in die BuStu. zu einem Bildervortrag kommen. – Mit dem Ehepaar Holtz in Wustrow [3004] hat es Differenzen gegeben, da Herr Holtz sich plötzlich weigert, seine Bilder im Kunstkaten in dem einen kleinen Raum, wo morgen die Aquarelle von Breuer aufgehängt werden sollen, zu räumen. Holtz hat dort z. Zt. eine Ausstellung seiner Bilder, insgesamt 48 Stück u. eins langweiliger als das andere, sodaß der Besuch des Kunstkatens ganz erheblich zurückgegangen ist. Wir haben die Dummheit begangen, Frau Holtz-Sommer zur Vorsitzenden des Kulturbundes u. ihren Mann zum Vorsitzenden der Sektion zu machen, weil sich sonst niemand dazu fand. Beide wollen nun die Sektion benutzen, um sich in den Vordergrund zu stellen. Es wird das nun wohl zu heftigen Auseinandersetzungen führen! [...]

[3004]
Mittwoch, 9. Juli 1947.     

[3004]      Ein ereignisreicher Geburtstag. Morgens hatten wir ein schönes Frühstück mit Ei u. Bohnenkaffee, vorher einen hübschen Geburtstagstisch mit Blumen u. allerhand schönen Geschenken, darunter ein Päckchen Cigaretten u. fünf Cigarillos, eine Flasche Schnaps aus der Apotheke von Linde in Ribnitz, ganz erstklassig, zwei wertvolle Bücher u. Päckchen aus Schweden, die zufällig in den letzten Tagen angekommen waren mit sehr schönem Inhalt an Lebensmitteln u. Kaffee. Nachher arbeitete ich an meinem Bilde. [...]

[3004]      Nachmittags fand die Eröffnung der bescheidenen Ausstellung der Aquarelle von Breuer im Kunstkaten statt, zu der ich aber nicht ging, weil mittwochs Triebsch kommt u. ich nicht unter Menschen gehen wollte. Es war in den letzten Tagen hier das Gerücht umgegangen, ich hätte bei der Veranstaltung des Kulturbundes mit Prof. Rienäcker mich abfällig über die Russen geäußert. – Um 4 Uhr kam wie gewöhnlich Triebsch. Wir hatten unser Gespräch gerade begonnen, das sich um Jesus u. die Zöllner u. Sünder drehte, als Martha hereinkam, sehr aufgeregt, u. sagte, daß ein fremder Herr mich „dienstlich“ zu sprechen wünsche.

     Ich fragte: „Ein Russe oder ein Deutscher“, denn ich war auf Schlimmes gefaßt in Anbetracht jenes Gerüchtes. Als ich hörte, daß es ein Deutscher sei, war ich erleichtert, bat aber Triebsch, unsere Stunde zu unterbrechen.

     Nachdem Triebsch gegangen war, bat ich den nicht sehr sympathisch aussehenden Herrn, der in der Diele wartete, zu mir herein. Er stellte sich vor, indem er mir seinen Ausweis als Kriminalkommissar Roll von der Kriminalpolizei Rostock vorwies. Es handelte sich, wie ich erwartet hatte, um jene Angelegenheit, von der so viel geklatscht wurde u. die Anschuldigung, die mir zur Last gelegt wurde, bestand darin, daß ich Kritik an der russischen Besatzungsmacht geübt hätte. Herr Roll ersuchte mich, mich dazu zu äußern u. zeigte sich sehr genau unterrichtet über alles, was ich in jener Versammlung gesagt hatte, nur, daß alles aus dem Zusammenhang gerissen u. damit entstellt war. – Ich war außerordentlich ruhig u. überlegen [3005] leugnete nichts, gab alles zu, erklärte dann aber den Zusammenhang u. wies nach, daß meine Aeußerungen keinerlei Kritik enthalten hatten, sondern daß ich Prof. Rienäcker nur um Aufklärung gebeten hätte über gegenteilige Erfahrungen.

     Herr Roll, der zuerst äußerst dienstlich war, wurde mit der Zeit milder. Er verlangte eine Schreibmaschine, die ich besorgen ließ u. verfaßte dann ein zwei Seiten langes Protokoll, das sehr zu meinen Gunsten ausfiel. –

     Nachdem ich die gröbste Gefahr auf diese Weise abgebogen hatte, unterhielt ich mich mit dem Herrn über weltanschauliche Fragen u. über Expressionismus. Schließlich bot er mir seinen Tabak an. Die Sache endete harmlos, indem Herr Roll mir versicherte, daß die Kriminalpolizei die Sache bestimmt nicht an die Russen weiterleiten würde u. daß mir wahrscheinlich auch von deutscher Seite keine Schwierigkeiten bereitet würden, da meine demokratische Gesinnung kaum bezweifelt werden könne. – So endete diese Sache harmlos, die mir, wenn sie von einem anderen Beamten bearbeitet worden wäre, der vielleicht gehässiger gewesen wäre, zweifellos eine Verhaftung durch die Russen u. ein spurloses Verschwinden eingebracht hätte. Herr Strohschnitter, Herr Jesse, Prof. Reinmöller sind auch auf solche Art verschwunden u. niemand weiß, wo sie sind u. ob sie noch leben. Es war eine ungeheure Gefahr, in der ich geschwebt habe u. die mir für die Zukunft eine Lehre sein wird. Ich habe mir vorgenommen, nie wieder an irgend einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen, nicht einmal an den Sitzungen der Sektion des Kulturbundes, da man nie vor Denunzianten sicher sein kann. In diesem Falle war die Denunziantin jene Frau Hagemann vom Verlag „Volk u. Wissen“.

     Die ganze Sache, bei der ich bis zum Schluß die volle Ruhe bewahrt habe, hat mich aber doch sehr mitgenommen. Besonders hat sich die arme Martha sehr aufgeregt. – Wir saßen abends zusammen u. tranken von dem guten Schnaps u. aßen Blaubeertorte.

[3006]
Freitag, 11. Juli 1947.     

[3006]      Von Friedr. Wolf las ich heute zwei Novellen, die aber äußerst dürftig waren. Er wurde kürzlich in einem Zeitungsartikel als der Nachfolger Gerhard Hauptmanns gefeiert. Das ist geradezu grotesk! – [...]

[3007]
Sonnabend, 12. Juli 1947.     

[3007] Morgen Vormittag will ich in der BuStu. vier neue Bilder hängen: „Aufbruch“ – „Dämon“ – „Passion“ u. „Tulpen“. Am Nachmittag will ich wieder sprechen, es werden diesmal endlich einige Leute da sein, die etwas zu sagen haben, nämlich Friedr. Wolf, Gisy, u. a. Ich setze auf das Zusammentreffen mit diesen Leuten große Hoffnungen. – Ich machte die neuen Bilder heute zur Ausstellung zurecht u. verbesserte besonders am „Dämon“ noch einige mangelhafte Stellen. Diese neuen Bilder werden sicher stark wirken. – Heute ist es windig u. kalt.

     Nachmittags war ich im Kunstkaten u. sah mir die schönen Aquarelle von Breuer an. Eines davon würde ich gern besitzen. – [...]

[3007]
Sonntag, 13. Juli 1947.     

[3007]      Vormittags hängte ich mit Fritz die vier neuen Bilder in der Ausstellung, dazu noch den „Prophet“ u. „Winteraster“, sowie auch „Gespenst“, sodaß von den 17 dort hängenden Bildern sieben neu sind. Einige von den alten Bildern hängte ich um. So hatte die Ausstellung ein ziemlich neues Gesicht. Der Nachmittag aber, auf den ich so große Hoffnungen gesetzt hatte, verlief sehr negativ. Von den sogen. „Prominenten“ waren allein nur Friedr. Wolf u. Herr Sandberg erschienen, ein Maler, der jetzt das Witzblatt „Der Uhlenspiegel“ herausgibt. Herr Gisy, der im Kulturbund u. auch sonst in Berlin eine beachtliche Rolle spielt u. uns von Petersen sehr eindringlich mehrfach empfohlen war, ist nicht erschienen. Außer dem netten Herrn Buschmann aus Schwerin waren noch einige Schweriner Musikstudenten u. Studentinnen erschienen u. andere Damen. – Friedr. Wolf arrangierte nach meinem Vortrage eine Art Diskussion, die aber ziemlich dürftig verlief u. in der Herr Sandberg sein Angebot wiederholte, das er früher schon Martha gemacht hatte, nämlich mich nach Berlin zu holen u. mir dort einen Lehrauftrag für ich weiß nicht was zu beschaffen, jedoch wurde mir dabei mit großer Deutlichkeit zu verstehen gegeben, daß ich mich dann voll u. ganz auf die Gegebenheiten u. Erfordernisse der heutigen Zeit einstellen u. verpflichten müsse. Diese Forderung wurde auch von Wolf stark betont. Ich kann das nicht anders verstehen, als daß ich dann in die SED eintreten müsse, wozu [3008] ich natürlich nicht die allergeringste Neigung habe. So werde ich also weiterhin in Ahrenshoop sitzen bleiben. – Herr Sandberg urteilte über meine Bilder, daß sie „romantisch“ seien. Er meinte das nicht gerade abfällig, aber es liegt darin in seinem Sinne doch eine Kritik, die meint, daß ich den Forderungen des Tages nicht gerecht werde, womit er zweifellos recht hat. – Es verlief alles sehr freundlich u. sehr wohlwollend, aber keineswegs so, wie ich erwartet hatte. Ich selbst war von der Sache nachher ziemlich erschöpft u. hatte einen schlechten Geschmack davon, den Martha sehr entschieden mit mir teilte. Es läßt sich nicht recht sagen, woran das liegt, aber es ist so u. das Gefühl täuscht in solchen Dingen nie. – Wenn ich eine Neigung habe, nach Berlin zu gehen, so doch nur deshalb, um dort besser als hier am kirchlichen Leben teilnehmen zu können. Wenn ich dazu jedoch eine Gesinnung heucheln müßte, die ich beim besten Willen nicht haben kann so würde das eine ewige Qual sein, die ich nicht auf mich nehmen will u. kann.

     Im Kurhause sitzen diese Leute alle zusammen u. bespitzeln sich gegenseitig Gretl Neumann ist in permanenter Aufregung. Die Atmosphäre ist sehr geladen u. gespannt. Man muß schon äußerst vorsichtig sein u. darf weniger sprechen, als zur Nazizeit, die fast frei war gegen diesen jetzigen Zustand. Parole: noch viel mehr für sich bleiben!

[3008]
Dienstag, 15. Juli 1947.     

[...] [3009] Die Spannungen in Ahrenshoop sind weiterhin sehr stark u. machen das Leben ungemütlich. Herr Holtz wollte heute den Vorsitz in der Sektion niederlegen. Es war deshalb eine Versammlung einberufen, zu der ich aber nicht ging. Erfolg: Herr Holtz bleibt. Im Kurhause sind einhundert Gäste mehr zum Essen da, als vorgesehen war. Neue Unzuträglichkeiten. Man pöbelt sich gegenseitig an. [...]

[3009]
Mittwoch, 16. Juli 1947.     

[...] [3009]      Von Frau Dr. Riemschneider ein Brief. Sie teilt mit, daß ich wahrscheinlich in den nächsten Tagen eine Aufforderung erhalten werde, meine Bilder in Berlin-Tempelhof auszustellen. William Wauer, den ich ja noch vom „Sturm“ her kenne, macht diese Sache. Frau Dr. R. rät mir, zuzugreifen, obwohl die ganze Ausstellung nur aus zwei kleinen Zimmerchen u. einem Treppenaufgang besteht, aber gutes Publikum u. gute Presse haben soll. [...]

[3010]
Donnerstag, 17. Juli 1947.     

[3010]      Vormittags Herr Sandberg, der von meinem Bilde „Der Zweifler“ sehr begeistert war. Er wünschte, dieses Bild in seiner Zeitschrift farbig zu reproduzieren, was aber seine Schwierigkeiten hat, da ich dazu das Bild nach Berlin schicken müßte. – Wir sprachen natürlich auch über die Angelegenheit meiner angeblichen Kritik an der Besatzungsmacht anläßlich des Vortrages von Prof. Rienäcker. Er sagte mir, daß Friedr. Wolf zu meinem Vortrag am letzten Sonntag gekommen sei, um mich dabei über diese Sache zur Rede zu stellen, doch habe er es dann nicht getan, weil mein Vortrag u. meine Persönlichkeit überhaupt in ihm die Ueberzeugung gereift hätte, daß diese Sache doch wohl nicht so sein könne, wie sie von den Leuten erzählt wird. Es wird also über diese Sache viel geschwätzt u. Sandberg sagte mir, diese Sache sei tatsächlich das Gesprächsthema gewesen. Nun also, man hat sich über mich aufgeregt u. mein Name ist in aller Mund. Es konnte das sehr gefährlich sein, so aber scheint es mir, als diente mir die Sache zur Reklame. Auch Herr Joh. R. Becher wird sich wohl noch überzeugen lassen, da Herr S. sehr viel mit ihm verkehrt u. über mich spricht. Er sagte mir, daß er versuchen wolle, Frau Becher in mein Atelier zu bringen, ebenso den Rostocker Herrn Matern, der im vorigen Jahre meine Bilder in Rostock haben wollte, dann aber umgefallen ist. – Sandberg will am Sonnabend nach Bln. fahren, später aber wiederkommen. Er will zwei Bilder „Vernichtung“ u. „Blüten u. Dornen“ mit nach Bln. nehmen, sowie Fotos, um alles dort zu zeigen. Herr S. ist also ganz offenbar sehr eingenommen von mir u. mir sehr wohlgesinnt. Er glaubt, in der Lage zu sein, mir einen Lehrauftrag für die Kunstschule des Nordens in Bln=Weißensee verschaffen zu können. Es ist das ein zweifelhaftes Angebot. Zwar ist diese Kunstschule das größte Unternehmen dieser Art in der russ. Zone, aber erstens ist Weißensee ein furchtbar häßlicher Stadtteil u. zweitens ist diese Schule natürlich sehr politisch u. prorussisch, sodaß ich dauernd in Gefahr wäre, bespitzelt zu werden. Ich werde mir das noch sehr überlegen. Andererseits muß ich Herrn S. sehr vorsichtig behandeln. Die Schwiegertochter von Friedr. Wolf war nachmittags in der BuStu. u. hat Martha erzählt, Herr S. wäre den ganzen Nachmittag bei ihrem Schwiegervater gewesen u. beide hätten von nichts anderem gesprochen als von meinen Bildern. Demnach ist also das Interesse ungeheuchelt. [...]

[3011]
Freitag, 18. Juli 1947.     

[3011]      Herr Sandberg gibt sich wirklich erstaunliche Mühe um mich. Heute Vormittag schleppte er den Stadtrat Matern aus Rostock u. dessen Frau zu mir ins Atelier, ferner den Kultusminister Grünberg aus Schwerin u. seine Frau u. den Polizeichef Scholz aus Rostock, außerdem Frau Warnke, deren Mann auch irgendein Minister in Berlin ist u. endlich eine überaus sympathische, blonde, schlanke Dame, deren Namen ich nicht, weiß, die aber früher schon in Ahrenshoop war u. mich noch aus der Zeit her kennt, wo ich an der Kasse saß. Ich besprach mit Matern die im vorigen Jahre verunglückte Ausstellung in Rostock, er behauptete, die näheren Vorgänge nicht zu kennen u. meinte, wir könnten die Ausstellung in diesem Jahre nachholen. – Sandberg führte das große Wort u. sprach für mich mit rührender Begeisterung. Er soll auch gestern bei Becher gewesen sein u. soll diesem sehr entschieden seine Meinung gesagt haben. Becher soll sich entschuldigt haben damit, daß er ja nichts gegen mich hätte, worauf S. gesagt haben soll, daß es seine Pflicht wäre, mich zu stützen u. zu verhindern, daß man mir einen Kriminalkommissar auf den Hals schickte. [...]

[3012] S. erzählte mir übrigens auch, daß ein Teil der Hetze gegen mich hier im Ort tatsächlich von Herrn v. Achenbach ausgeht, der mich bei Becher nach Möglichkeit u. mit Erfolg herabzusetzen sucht. Die Freundschaft zwischen Herrn v. A. und Matern scheint hingegen abgekühlt zu sein, wenigstens behauptet Sandberg, daß Matern jetzt unbedingt eine Ausstellung meiner Bilder in Rostock haben will. [...]

[3013]
Mittwoch, 23. Juli 1947.     

[...] [3014]      Vom Mecklenb. Heimat-Verlag, welcher die Zeitschrift „Heute u. Morgen“ durch Herrn Dr. W. Bredel herausgibt, erhielt ich heute meinen Artikel mitsamt den vier Fotos meiner Bilder zurück. Man teilt mir mit, daß z.Zt. eine Publikation meiner Bilder nicht möglich sei, man hätte aber einen „Fachmann“ beauftragt, das Thema der modernen Malerei zu behandeln u. würde dann auch sicher mein Schaffen berücksichtigen. – Es ist wirklich, als lebte man im Irrenhause. Erst kommt dieser Herr Bredel zu mir u. bittet um Bilder u. Artikel – u. dann schickt er einem die Sachen zurück weil „z.Zt.“ eine Publikation nicht möglich sei!!! Ich darf wohl annehmen, daß sich dieses „z.Zt.“ auf meine sogen. Kritik an der Besatzungsmacht u. die dadurch ausgelöste Aktion der Kriminalpolizei gegen mich bezieht, – oder bezieht es sich auf die gegenwärtige Aktion der Kriminalpolizei gegen Martha? – Ich weiß es nicht, aber ich sehe, daß immer irgend etwas gegen mich hochsteigen wird sobald ich in die Oeffentlichkeit trete. [...]

August 1947

[Bearbeiten]
[3101]
Montag, 4. August 1947.     

[...] [3101]      Koch-Gotha war im Kunstkaten, um seine Bilder abzuhängen. Er erzählte Fritz folgendes: Seine Frau hat zu Frau v. Achenbach geäußert, daß meine Aeußerungen über die Russen doch garnicht so schlimm gewesen wären u. daß sie vor allem berechtigt gewesen wären. Daraufhin hat Frau v. A. Koch-Gotha denunziert, daß er auf meiner Seite stünde u. meiner Ansicht sei. Man hat dann –, (wer, weiß ich nicht) – Koch-Gotha mitgeteilt, daß es unter diesen Umständen ausgeschlossen sei, daß sein Atelier, wie man ihm großspurig versprochen hatte, ausgebaut werden würde, daß er die versprochenen Russenpakete nicht erhalten würde u. daß die angeblich in Aussicht genommene Verleihung des Professortitels unterbleiben würde. – [...]

[3102]
Mittwoch, 6. August 1947.     

[...] [3102]      Nachmittags brachte mir Dr. Lindner ein Päckchen hochwertigen amerikanischen Rauchtabak, ein wunderbarer Genuß.

     Pastor Kleinschmidt ist seit Montag hier, hat aber bisher noch nicht Gelegenheit genommen, mich aufzusuchen, ebensowenig wie sein Freund Pastor v. Jüchen. [...]

[3103]
Freitag, 8. August 1947.     

[...] [3103]      Pastor Kleinschmidt war in der BuStu., von Frau Havemann u. Frau Dr. Riemschneider bestens u. nachdrücklichst bearbeitet. Er soll sehr nett gewesen sein u. gesagt haben, daß er in den nächsten Tagen selbst zu mir kommen würde. [...]

[3103]      Adolf Behne ist nun auch hier, – ich bin sehr neugierig, ob er sich meine Bilder ansehen wird.

     Alles in allem scheint es ja so, als wäre eine Entspannung der Situation durch eine Parteinahme Kleinschmidt's für mich eingetreten – u. vielleicht auch dadurch, daß Herr Becher z. Zt. nicht hier ist. [...]

[3103]
Sonnabend, 9. August 1947.     

[...] [3103]      In der BuStu. scheint sich neues Leben zu entwickeln. Es sind jetzt viele junge Leute hier, die an der Referenten-Schulung teilnehmen u. somit beschäftigt sind u. sich für den Klatsch weniger interessieren wie die prominenten Größen. Sie haben alle starkes Interesse an meinen Bildern u. es wird unter ihnen anscheinend viel darüber gesprochen. Auch Prof. Rienäcker war in der BuStu u. ließ mir sagen, daß er demnächst zu mir kommen werde. [...]

[3104]
Dienstag, 12. August 1947.     

[3104]      Heute war einiges los, die Pechsträhne scheint endgültig vorüber zu sein. – Zunächst war am Nachmittag Adolf Behne in meiner Ausstellung. Martha sprach ihn an u. forderte ihn auf, mich zu besuchen. [...]

[3105]      Und schließlich ist Frau Buck-Schmitt an mich herangetreten mit dem Vorschlag, Zeichnungen von mir in dem kleinen Zimmer des Kunstkaten auszustellen, während Schmidt-Detloff im Hauptraum Aquarelle ausstellt. Ich würde das ganz gern tun, besonders, nachdem auch hier Frau Dr. Riemschneider wieder als gute Freundin mitwirken will. Sie will zur Ausstellungs-Eröffnung einige Worte sprechen u. will auch dafür sorgen, daß die maßgebenden Leute zur Eröffnung kommen. – Es kann das sehr nett werden u. ich habe heute einige Zeichnungen, die ich bisher noch nie gezeigt habe, für eine Ausstellung zurecht gemacht. [...]

[3105]
Mittwoch, 13. August 1947.     

[...] [3105] kamen Frau Havemann u. Pastor Kleinschmidt, um Bilder anzusehen u. mit mir zu sprechen. Wir sprachen natürlich auch von den gehabten Schwierigkeiten, wobei sich herausstellte, daß Kl. einen Bericht über jene Vorkommnisse oder vielmehr über jene Diskussion mit Prof. Rienäcker erhalten hat, der von Herrn Karsten verfaßt war. Es war mir bereits vorher bekannt geworden, daß Herr Karsten auf Anordnung von Willi Bredel einen solchen Bericht schreiben mußte, ja, daß er ihn zweimal schreiben mußte, weil sein erster Bericht zu wenig belastend für mich war. Diesen zweiten Bericht hat also Herr Kl. erhalten, u. „irgendjemand“ –, [...] [3106] wie er sagte, hätte eine Bemerkung dazu geschrieben, die dem Sinne nach eine Forderung gewesen ist, mich aus dem Kulturbunde zu entfernen. Dieser „Irgendjemand“ kann ja kein anderer gewesen sein als Herr Dr. h.c. Willi Bredel! – Herr Kl. hat seinerseits aber keinen Grund gefunden, mich aus dem Kulturbunde rauszuschmeißen, besonders nicht, da er von Herrn Prof. Rienäcker Auskunft über den Sachverhalt eingeholt hat, die ergeben hat, daß mir kein Vorwurf gemacht werden kann. – Es ergibt sich also daraus, daß diese ganze Angelegenheit noch viel hintergründiger gewesen ist, als ich bisher gedacht hatte. – [...]

[3106]      Abends spät kam nochmals Sandberg u. bat um einen kleinen Kochtopf, um Fenchel zu kochen, da sein 5 Monate altes Kind Leibschmerzen hat. Er sagte mir, daß Kleinschmidt sich sehr freute, von mir gehört zu haben, daß ich willens sei, ihm das Bild „Dorfstraße“ zu überlassen. – Ich werde ihn selbst einen Preis machen lassen. Er ist offensichtlich sehr freundschaftlich gesinnt u. es wird nur gut sein, wenn ich mir diese Freundschaft erhalte. Als Vize=Präsident des Kulturbundes hat er Gewicht, wenngleich man auch nie wissen kann, wie lange er in dieser Position bleiben wird. Es kratzt ja da einer dem anderen die Augen aus.

[3107]
Donnerstag, 14. August 1947.     

[...] [3107]      Vormittags waren Martha u. ich beim Vortrage des Pfr. Thomberge über christlichen Humanismus in der Referenten-Schulung im Saal des Balt. Hofes, der im Tageslicht einen geradezu traurigen Eindruck macht, als würde er jeden Augenblick in sich zusammenbrechen. Der Verputz ist an vielen Stellen der Wände heruntergefallen u. es kommen darunter die rohen Lehmkluten zum Vorschein aus denen die Wände errichtet sind. Die Deckenverschalung weist große Lücken auf.

     Pfr. Thomberge sprach vor den sehr aufmerksamen Zuhörern, zu denen auch die anderen Referenten u. Vortragenden gehörten u. ziemlich viele Gäste wie Triebsch, Dr. Thron u.a. eine Stunde über den christlichen Menschen, unter Zugrundelegung der vier Kardinaltugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit u. Maß. Es war das um so schwerer, als der Redner bei den jungen Zuhörern so gut wie garkein Wissen um den christlichen Gedanken u. darüber hinaus eine mehr oder weniger einmütige Ablehnung dieses Gedankens voraussetzen durfte. Dennoch war die Diskussion, die sich anschloß u. sich bis gegen 1 Uhr hinzog, doch recht lebendig. An ihr beteiligten sich auch lebhaft die Professoren u. Lehrer, wodurch das Niveau recht gut war. Auch Pastor Kleinschmidt, der neben Martha saß, beteiligte sich sehr gut. Der Erfolg freilich ist wohl kaum größer als der, daß diese jungen Leute das Gefühl mitbekommen haben werden, daß der Katholizismus bei der Wiedergeburt einen neuen Geistes in Deutschland ein Wort mitzureden hat, ohne daß bei den jungen Leuten eine Bereitschaft geweckt worden ist, diesen Anspruch des Katholizismus zu bejahen. Das kann man ja auch nicht erwarten. Aber jedenfalls sprach Pfr. Thomberge sehr geschickt, sehr klug, sehr leidenschaftslos u. er hat sich, wie ich später feststellen konnte, besonders bei den älteren Hörern starke Sympatie erworben. – Prof. Ad. Behne begrüßte mich u. wiederholte seinen Wunsch, daß auch ich, wenn es anginge, an einem Nachmittag über moderne Kunst sprechen möchte. – Nach dem Vortrage gingen Ad. Behne u. Kleinschmidt mit uns die Dorfstraße lang, wobei ich Kleinschmidt scherzhaft darauf aufmerksam machte, daß dies für ihn kompromittierend sei. [...]

[3108]
Freitag, 15. August 1947.     

[...] [3108] – Abends hielt Prof. Adolf Behne im Kunstkaten einen Vortrag über neue Kunst. Es waren etwa 50 – 60 Zuhörer da. Der Vortrag war wohl gut, aber keineswegs erschöpfend. Ich hatte das Gefühl, es besser machen zu können. –

     Im Kurhause u. im Kulturbunde ist man voll nervöser Erwartung, weil morgen der Oberst Tulpanow kommen soll. Er ist der russische Beauftragte für die kulturellen Belange in der Ostzone. Er soll ein sehr gebildeter, deutschsprechender Russe sein. Ich werde diesen Herrn wohl kaum zu Gesicht bekommen. [...]

[3109]
Sonntag, 17. August 1947.     

[...] [3109] Um 11 Uhr war die Eröffnung der Ausstellung von Aquarellen von Schmidt-Detloff u. meiner Zeichnungen im Kunstkaten. Für Schmidt-Detloff sprach Ehm-Welk sehr gut, für mich sprach Frau Dr. Riemschneider weit, weit besser. Ich war einfach gerührt über das, was sie sagte. Sie sprach ganz nüchtern u. sachlich, wie es ihre Art ist u. dabei doch so eindringlich. Das Persönliche u. Individuelle ließ sie ganz im Hintergrunde, sie sprach garnicht davon, u. dennoch wurde es beleuchtet, ja, so sehr, daß es rein zum Ausdruck kam u. mich jedenfalls sehr bewegte. [...]

[3110]
Dienstag, 19. August 1947.     

[...] [3110]      Prof. Resch war in der BuStu. u. hat erzählt, daß Herr Abusch den Vorschlag des Prof. Ad. Behne, daß ich einen Vortrag über meine Bilder halten soll, wegen meiner Ablehnung der Russen abgelehnt habe!!! Dieser Herr Abusch ist zweifellos einer der intelligentesten Vertreter der SED. Was müssen da die anderen für Banausen sein! – Ich bin neugierig, was Behne dazu sagen wird. – [...]

[3110]
Mittwoch, 20. August 1947.     

[...] [3110] abends zum Essen das Ehepaar Kleinschmidt u. Frau Havemann. Kleinschmidt erzählte, daß er die offizielle Nachricht erhalten habe, Frau Dr. Riemschneider sei ihres Postens als Museumsleiterin enthoben. Damit ist ein Gerede Wahrheit geworden, das schon seit mehreren Wochen umgeht. Frau Dr. R. hat sich nach Kleinschmidts Darstellungen einige erhebliche Dummheiten u. Dickköpfigkeiten geleistet, die sich über eine lange Zeit hinziehen u. nun endlich zu diesem Erfolg geführt haben. Es wird das für sie ein harter Schlag sein. Sie war hier noch so sicher u. glaubte, [...] [3111] über ihre zahlreichen Feinde triumphieren zu können. Ich war deshalb stets skeptisch, aber nun tut es mir um sie herzlich leid. –

     Ich einigte mich mit Kleinschmidlt über das Bild „Dorfstraße“ u. sagte ihm, er möge selber einen Preis dafür machen, der seinen materiellen Verhältnissen entspräche, er könne auch Raten zahlen. Ich sagte ihm, daß ich ihm das Bild auch schenken könne, doch glaubte ich, daß es mehr in seinem Sinne sei, wenn er das Gefühl hätte, etwas bezahlt zu haben. Er freute sich u. dankte mir. Ich nehme an, daß er sich in irgend einer anderen Weise schon revanchieren wird. [...]

[3111]
Donnerstag, 21. August 1947.     

[3111]      Nachmittags waren zwei Herren hier, Herr Mansfeld u. Herr Hopf (?), welche mit Martha u. mir Ueberlegungen anstellten, wie unser Ort für den Kulturbund organisiert werden kann. Der Gedankengang ist der, daß, falls die gegenwärtige Lage anhält, die kleineren Ostseebäder –, vielleicht auch die großen, allmählich ganz in den Machtbereich des FDGB. geraten u. für Gewerkschaftsmitglieder ausgenützt werden. Dasselbe sagte gestern auch Kleinschmidt. Ahrenshoop –, u. vielleicht das ganze Fischland, sollte deshalb für den Kulturbund reserviert bleiben. Augenblicklich ist Berlin an diesem Gedanken noch interessiert, aber es fragt sich, wie lange dieses Interesse dauern wird. Deshalb ist es notwendig, die augenblickliche Konjunktur auszunutzen u. aus Ahrenshoop in diesem Sinne etwas zu machen, was später auch selbständig bestehen kann. Es ist deshalb geplant, sämtliche Häuser, die dafür in Betracht kommen, so eng mit dem Kulturbunde zu verbinden, daß der Kulturbund ein Bestimmungsrecht oder wenigstens einen gewissen Einfluß hat. Wir sind planmäßig alle Häuser durchgegangen. Die Idee ist sehr gut, vielleicht wird etwas daraus? – [...]

[3112] kam Prof. Resch. Man hat sich, wie er sagt, nun so mit Abusch geeinigt, daß ich zwar keinen Vortrag halten werde, daß aber am Sonntag um 1/2 12 Uhr eine Veranstaltung in dem Ausstellungsraum der BuStu. stattfinden soll, welche vom „Ulenspiegel“ gemacht wird. Einleitend soll Sandberg sprechen, dann Kleinschmidt. Es soll dann eine Diskussion stattfinden, bei der auch Prof. Behne sprechen wird u. falls dann noch Gelegenheit dazu sein wird, darf auch ich ein paar Worte sagen. Ich habe mich damit einverstanden erklärt, werde aber wahrscheinlich darauf verzichten, etwas zu sagen. [...]

[3112]
Sonnabend, 23. August 1947.     

[3112]      „Der Wartende“ wurde heute fertig. Walter Papenhagen machte mir gleich einen Rahmen, bzw. änderte einen alten Rahmen um. Gerade, nachdem ich das Bild signiert hatte, kam Prof. Gadamer mit seiner Tochter. Er ist Rektor der Universität Leipzig u. war schon im vorigen Jahre hier Heute hatte er sich bei mir mit Kleinschmidt verabredet, der dann auch kam. Wir sprachen u. a. auch über die morgige Veranstaltung. Kleinschmidt sagte mir, daß er nur über die drei Bilder „Mann im Kerker“ „Der Alte“ u. über das neue Bild sprechen wolle. Prof. Gadamer war ebenfalls eingeladen, wie überhaupt alle Leute, die etwas bedeuten. – Am Nachmittag aber kam Herr Weisenborn, der mit Sandberg zusammen den Ulenspiegel herausgibt u. der der eigentliche Veranstalter der morgigen Sache war, in die BuStu. u. sagte Martha, daß die Veranstaltung abgesagt werden müsse, weil gewisse Leute, die er nicht benannte, entschieden dagegen wären. Herr W. war sehr ärgerlich u. versicherte Martha, daß der Ulenspiegel nach wie vor zu mir stände, aber jetzt wäre gegen den Widerstand nichts zu machen. – Es scheint mir, daß eine Auseinandersetzung, die gestern zwischen den Herren Joh. R. Becher u. Abusch einerseits u. Nikisch andererseits stattgefunden haben soll u. die sehr heftig gewesen sein soll, bei dieser neuen Entwicklung eine bedeutende Rolle spielt. Herr Nikisch hat nämlich als Dozent des Referentenkursus öffentlich Partei für Ernst Jünger genommen, worüber Abusch höchst empört war. Diese Sache hat nun die Wut dieser Leute zum Sieden gebracht u. sie haben deshalb nun auch diese Veranstaltung mit mir verboten, weil ich mich über die Russen ungünstig geäußert habe. –

     Herr Prof Rienäcker hat bisher immer noch nicht den Weg zu mir gefunden, obgleich er mir mehrfach versichert hat, daß er kommen wird. Wenn er wirklich kommt, werde ich ihn fragen, ob er immer noch der Meinung ist, daß der Kulturbund so unpolitisch ist, wie er tut. Man hört jetzt allgemein von den Referenten, daß jetzt zum Schluß [3113] des Kursus die Politik stark in den Vordergrund gerückt wird. – Prof. Gadamer äußerte sich über Herrn Abusch sehr abfällig. Er sagte mir, daß er wenn er öffentlich sprechen müsse, dies niemals ohne Stenogramm tue, da er bereits selbst die Erfahrung gemacht habe, daß ihm das Wort im Munde rumgedreht würde.

     Sehr gespannt bin ich, was Kleinschmidt u. Sandberg zu diesem neuen Boykott sagen.

     Abends war der Fotograf Toelle da, der mir beim Arrangement der Bilder zum morgigen Vortrag helfen wollte u. der sehr erstaunt war, zu hören, daß alles abgesagt worden ist. Er meint, daß diese Veranstaltung allgemein bekannt geworden sei u. daß niemand etwas von der Absage wußte. Die Leute werden also morgen wohl alle vor verschlossene Türe kommen.

[3113]
Sonntag, 24. August 1947.     

[...] [3113] Prof. Resch sei dagewesen, um zu sagen, daß die Veranstaltung in meiner Ausstellung trotzdem stattfinden solle. Es würden zwar die eingeladenen hohen Gäste nicht kommen, dafür aber alle Teilnehmer des Referentenkursus u. sehr viele andere Menschen, die alle mit Spannung auf dieses Ereignis warteten. Den Vortrag müßte ich eben selber halten. Da heute Regenwetter ist, war mit einer starken Teilnahme zu rechnen.

     Während wir frühstückten, kam Kleinschmidt. Er war sehr erregt u. sagte, der gestrige Abend u. die Nacht seien für ihn voll stärkster Erregungen gewesen. Becher habe Weisenborn gezwungen, von der Veranstaltung zurückzutreten mit dem Hinweis, daß der Verlag des Ulenspiegel nicht in der russischen, sondern in der amerikanischen Zone lizensiert sei man würde, dem Verlag im Weigerungsfalle große Schwierigkeiten bereiten.

     Nachdem man Weisenborn auf diese Weise unter Druck gesetzt hat, habe Kleinschmidt gefragt, ob denn gegen mich der Verdacht vorläge, daß ich Faschist sei oder sonst gegen die bestehenden politischen Verhältnisse konspiriere. Dies wurde von Becher verneint. Also habe Kleinschmidt festgestellt, daß diese ganze Hetze gegen mich nicht gegen meine Person, sondern gegen mein Werk ginge. Dies aber stehe im Widerspruch zu der zwei Tage vorher im Falle Ernst Jünger ausgesprochenen Ansicht Bechers, daß er zwar gegen die Person Jüngers sei, nicht aber gegen dessen Werk u. daß man also dieses Werk unangetastet lassen müsse. Jetzt tat Herr B. das Gegenteil. Des Rätsels Lösung liegt nach Kleinschm. Ansicht in einem früheren Ausspruch, nach dem Herr B. u. andere Leute Kleinschmidt u. Rienäcker den Vorwurf gemacht haben, daß sie beide die Schuld hätten, daß die BuStu. heute nicht schon im Besitze des Kulturbundes sei. Meine angeblich russenfeindliche Bemerkung in Verbindung mit jener Schwarzhandel=Affäre wäre ein vorzüglicher Anlaß gewesen, die BuStu. in den Besitz des Kulturbundes zu bringen, nur Kleinschmidt u. Rienäcker hätten dies verhindert. Kleinschmidt sagte mir, daß es überhaupt garnicht darauf ankomme, welche politische Gesinnung jemand hat, sondern nur darauf ob einer ein Haus u. ein gut gehendes Geschäftsunternehmen hat.

     Es muß zwischen Kleinschmidt u. Becher zu sehr [3114] scharfen Auseinandersetzungen gekommen sein, im Verlauf deren Kleinschmidt mit seinem Rücktritt vom Vice Präsidium gedroht hat Becher hat darauf gesagt, daß es mir privat unbenommen sei, die Veranstaltung abzuhalten, wobei er vielleicht wirklich geglaubt haben mag, daß so wie so niemand kommen würde.

     Nach dieser Erklärung Kleinschmidts sagte ich, daß es sich für mich nunmehr nicht darum handeln könne, zu meinem Werk zu stehen, sondern darum, daß ich dadurch den Besitz u. die Existenz meiner Frau u. deren Kinder gefährden könnte. Wenn man auch nicht in der Lage gewesen wäre die Veranstaltung zu verhindern, so würde man doch aus Wut darüber hinterher weitere Hetzen gegen mich unternehmen u. da die Macht dieser Leute sehr groß sei, würden sie schließlich Erfolg haben. Ich würde also die Veranstaltung ausfallen lassen.

     Kleinschmidt stimmte dem zu, besonders deshalb, weil er selbst dadurch in die Lage versetzt würde, bei einer zweiten Auseinandersetzung mit Becher, die unvermeidlich sein würde, auf meine nachgibige Haltung hinzuweisen. – Während wir noch über das Für u. Wider sprachen, kam Frl. v. Tigerström u. sagte, daß viele Menschen vor der BuStu. ständen u. auf die Veranstaltung warteten. Bald darauf kam auch Prof. Resch um mich zu holen. – Wir setzen ihm die Situation auseinander. Er war dann bereit, mit Martha runter zu gehen, um den Leuten zu sagen, daß die Veranstaltung ausfallen müsse. Es waren inzwischen noch viel mehr Leute gekommen u. es kamen immer noch mehr. Während dieser Zeit kam Frau Kleinschmidt u. Kleinschmidts Sekretärin, Frl. Schäfer, zu uns. Kleinschmidt fragte mich auch nach der Frau Söhlke, in deren Haus Herr Dr. Bredel wohnt, der das Haus gern an sich bringen möchte. Ich sagte ihm, daß Frau S. immer scharfe Gegnerin der Nazis gewesen sei. Aber darauf kommt es nicht an. Sie besitzt ein Haus, das Herrn Bredel sehr gefällt, u. das genügt vollauf. [...]

[3114] Abends erzählte Hainar Schmitt, der Sohn von Charl. Buck-Schmitt, daß Kleinschmidt mit Sandberg u. Prof. Resch ins Kurhaus gekommen seien, als sie dort aßen. Sie seien gleich auf Becher losgegangen u. es hätte einen sehr erregten Wortwechsel gegeben. – [...]

[3114]
Montag, 25. August 1947.     

[...] [3115]      Nachmittags zum Kaffee war Herr Prof Hoff (oder Hopf?) mit seiner Frau bei uns. Er ist Leiter der Schule Burg Gibichenstein b. Halle. Astrologe. Er nahm Fotos meiner Bilder mit u. möchte gern, daß ich in Halle ausstelle. Es ist das vielleicht ein Sprungbrett, um in Halle einen Lehrauftrag zu bekommen. Einen solchen würde ich gern annehmen, da Halle vom Kriege völlig unzerstört ist u. dort die politische Einstellung nicht so sehr im Vordergrunde steht. Während er da war, kam Prof. Resch. Nach seiner Meinung ist es ausgeschlossen, daß die mißglückte Veranstaltung mit meinen Bildern sich nun noch verwirklichen ließe. Abends aber erzählte Fritz, daß Kleinschmidt in der BuStu war u. gesagt hat, die Veranstaltung würde nun doch noch stattfinden.

     Abends war Pfr. Tomberge bei uns. Auch er hat mich Becher über jene Veranstaltung gesprochen. Becher hat ihm die Sache so dargestellt, daß lediglich politische Gründe bei der Sache maßgebend gewesen seien. Er behauptet, daß der Kulturbund in Schwierigkeiten geraten wäre, wenn er einen Künstler unterstützte, der sich über die Russen unliebsam geäußert hat. Die Folge würde sein, daß die Russen dem Kulturbunde eine Parteinahme für mich vorwerfen würden. Das ist nun wieder ganz neu, da die Russen von der Sache, – falls sie davon überhaupt Kenntnis haben –, eben nur durch den Kulturbund selbst erfahren haben können, bzw. durch Herrn Dr. Bredel, der sich ja bekanntlich einen Bericht von Herrn Karsten machen ließ. Diesen Bericht hat er aber, so viel ich weiß, nur an Kleinschmidt weitergegeben. Aber man sieht bei der ganzen Sache nicht durch. Hat er am Ende noch mehr getan? – Kleinschmidt sagte mir am Sonntag, Becher habe sich geäußert, daß „gegen mich ein Verfahren schwebe“. Ich bezog das auf meine Vernehmung durch den Rostocker Kriminalbeamten u. sagte Kleinschmidt, daß danach garkein Verfahren gegen mich schwebe, da ja meine Vernehmung klar die Belanglosigkeit erwiesen habe. Kleinschmidt wußte davon nichts, meinte aber, daß es besser sei, überhaupt nicht davon zu sprechen, da es sonst Leute geben könne, die ein neues Verfahren gegen mich anzetteln könnten.

     Während Pfr. Tomberge bei uns war, kam Prof. Rienäcker mit Frau, der aber wieder ging, als er hörte, daß Pfr. T. bei mir war. Er wollte mich, wie er sagte, lieber allein sprechen.

     Es sind das alles immer noch Wichtigkeiten! – [...]

[3116]
Donnerstag, 28. August 1947.     

[...] [3117]      Heute Nachmittag 5 Uhr soll nun doch noch mein Vortrag in meiner Ausstellung stattfinden. Der Referentenkursus ist heute zu Ende, morgen reisen die Teilnehmer ab. Es wird wahrscheinlich sehr voll werden, nachdem die Oberbonzen mit ihrem Klamauk ja genug Reklame für mich gemacht haben. Kleinschmidt war gestern in der BuStu u. hat gemeint, daß die ganze Hetze gegen mich von Becher ausgegangen sei, der wütend darüber gewesen wäre, daß von allen Seiten das Verlangen ausgesprochen worden sei, etwas über meine Bilder zu hören während niemand danach verlangt habe, Bechers Gedichte zu hören. – Kleinschmidt war auch in Wustrow bei dem Ehepaar Holtz, das versucht hat, ihn gegen uns einzunehmen, was aber völlig fehlgeschlagen ist. Kl. wird nun dafür sorgen, daß die Vereinigung des Kulturbundes des ganzen Fischlandes wieder aufgehoben wird u. Wustrow für sich bleibt. Es besteht die Absicht, Fritz zum Vorsitzenden des Kulturbundes von Ahrenshoop – Alt= u. Niehagen zu machen. Fritz genießt jedenfalls das vollste Vertrauen Kleinschmidts, der Herrn Venzmer zum Vorwurf macht, daß er Herrn Holtz als ehemaligen Nazi überhaupt als Vorsitzenden der Sektion bestätigt hat. – Herr Venzmer ist gegenwärtig hier. Er hat sich einen Schnurrbart wachsen lassen, wodurch seine Erscheinung noch um einen Grad vulgärer geworden ist.

     Nachmittags 5 Uhr stieg also endlich mein Vortrag. Es war nicht so voll, wie ich erwartet hatte, aber fast ausschließlich junge Menschen. Außerdem war Prof. Ad. Behne mit Frau da, sowie Herr Nikisch mit Frau. Auch Dr. Kunze mit Frau war da, sowie ein Musik-Dirigent aus Güstrow, Herr Dr. Kupsch (oder so ähnlich) – Der Vortrag war ein ganz voller Erfolg, die jungen Leute waren begeistert, Behne gratulierte mir u. meinte, man könne so etwas garnicht besser machen. Es war also in jeder Weise sehr erfreulich. Besondere Freude machte mir ein ganz junger Mensch namens Richter aus Chemnitz, der mit einem ganz erstaunlichen Verständnis über meine Bilder sprach. Auch viele andere junge Leute bedankten sich.

     Abends kam noch Frl. Dodell, um mir ihre Freude über den Vortrag auszusprechen. Sie ist eine Nichte des Malers Kallmorgen. [...]

[3118]
Freitag, 29. August 1947.     

[...] [3118]      Nachmittags war Herr Kubsch bei mir. Er war gestern in meinem Vortrag. Er ist Studienrat in Güstrow u. gleichzeitig Dirigent des dortigen Kirchenchores, eines anscheinend sehr namhaften Sängerchores. Außerdem Organist. Er ist ein ganz besonders sympatischer Mann. Zweck seines Besuches war, mich zu fragen, ob ich bereit sei, gegebenenfalls im Kulturbunde Güstrow einen ähnlichen Vortrag wie gestern über Expressionismus zu halten u. vielleicht in G. eine Ausstellung meiner Bilder zu machen. Damit rückt Güstrow abermals in das Blickfeld, nachdem vor etwa 14 Tagen ein Dr. Libau aus G. bei mir war, um sich über die Preise meiner Bilder zu informieren, da er versuchen möchte, ein Bild für Güstrow zu kaufen. Herr Kubsch verriet mir, daß Herr Dr. Libau der Stadtkämmerer von Güstrow sei. Im Sommer war auch der Intendant des Stadttheaters in G. hier, ein Herr Kähler u. seine Frau, beide sehr nett u. sehr angetan von meinen Bildern. – Ich unterhielt mich sehr gut mit Herrn Kubsch, dem ich auch meine anderen Bilder zeigte u. bei dem ich ein starkes Verständnis besonders für die religiösen Bilder fand. Güstrow scheint die lebendigste aller Mecklenburgischen Städte zu sein mit sehr viel geistiger Regsamkeit.

     Abends war endlich Prof. Rienäcker mit seiner Frau da. Er ist ein sehr pedantischer Gelehrter, etwas langweilig, aber sehr anständig, leider sehr weich. Er wird das ehemals Siegert'sche Haus in Verwaltung übernehmen. – Wir sprachen über meine Affäre u. er gab mir ein Bild von Becher, das mich interessierte. Danach ist B. ein Mann, der aus innerster Ueberzeugung einen Weg des Ausgleichs mit Rußland sucht u. tief beleidigt ist, wenn jemand in irgend einer Weise solchen Ausgleich stört. Ich verstehe nun wenigstens einigermaßen Bechers Haltung in dieser Sache.

     Kleinschmidt ist heute abgereist u. hat das Bild „Die Dorfstraße“ mitgenommen. Gesprochen habe ich ihn nicht mehr, er wird aber im September nochmals herkommen. – Auch Sandberg ist abgereist, ohne daß ich ihn noch gesprochen habe. Ich weiß nun nicht, ob er nach wie vor den „Leuchtturm“ reproduzieren will, oder ob er anderen Sinnes geworden ist. – Ich bin immer mißtrauisch. – [...]

[3119]
Sonntag, 31. August 1947     

[...] [3119]      Vormittags Prof. Gadamer aus Leipzig mit seiner Tochter, um nochmals das Bild „Der Wartende“ zu sehen. Das Selbstporträt stand auf der Staffelei u. machte eine starke Wirkung. Ich zeigte dann auch noch einige andere, vorjährige Bilder. Gadamer ist ein ungemein sympatischer Mann von sehr viel größerem Format als Rienäcker. Er war wohl eine Stunde da. Er hat einen Ruf nach Frankfurt a. M. u. wird am 1. Oktober dort antreten. [...]

[3119]      Prof. Gadamer sagte u.a., daß, falls die SED. so weitermacht, wie bisher, eines Tages überhaupt kein intelligenter Mensch mehr dieser Partei angehören würde. Er hatte dabei in erster Linie die ekelhafte u. würdelose Liebedienerei gegenüber den Russen im Auge, dann aber auch den dummdreisten Anspruch dieser Partei, in allen Dingen führend bestimmen zu wollen. Die Leipziger Kunstakademie sei völlig in den Händen der SED u. deshalb bedeutungslos. Er hatte weit entschiedenere Ansichten als Prof. Rienäcker, der gern allzuklug sein will u. überall Kompromisse schließt. Ueber Becher meinte er, daß dieser bestimmt keine persönliche Animosität gegen mich hätte, sondern daß er durch meine Aeußerung über die Russen zu seiner Haltung gezwungen sei. Diese Sache sei nun einmal nach Moskau gemeldet worden u. deshalb könne sich der Kulturbund nicht für mich einsetzen, da die Russen sonst dem Kulturbunde den Vorwurf machen würden, einen Russenfeind zu fördern. Dieser Ansicht war ja auch Rienäcker. Es scheint also, daß ich endgültig als Russenfeind abgestempelt bin.

     Nachmittags war Prof. Gadamer nochmals mit seiner Tochter bei mir, weil ich deren erste Versuche in der Malerei sehen wollte. Sie scheint nicht unbegabt zu sein.

September 1947

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[3201]
Dienstag, 2. September 1947.     

[3201]      Nachmittags besuchte mich Herr v. Vegesack aus Pirna, ein Maler. Er machte mich auf einen Artikel in der Tägl. Rundschau vom 30.8. aufmerksam, den ich nicht gelesen hatte, da er nur ein Bericht über Parteiversammlungen der SED. vor dem demnächst stattfindenden Parteitage war. In diesem Artikel findet sich ein Passus folgenden Wortlautes: „Es wurden auch Beispiele angeführt, in denen darauf hingewiesen wurde, daß die Bürgermeister besonders in den Dörfern u. kleineren Ortschaften den Kampf gegen Gesetzesübertretungen, gegen Schieber u. verkappte Nazis, die an einzelnen Orten bereits wieder frech werden, nicht energisch genug führen. Nicht überall erteilt die demokratische Oeffentlichkeit diesen Reaktionären u. Nationalisten die gebührende Abfuhr (wie z.B. in Hagenow, Ahrenshoop und anderen Orten.)“ – Es ist nicht klar, ob ich damit gemeint bin, oder nur die Schwarzhandel=Aktion der Kriminalpolizei, oder beides. Das Letztere dürfte zustimmen. Die Gefahr ist jedenfalls deutlich. [...]

[3202]
Mittwoch, 3. Sept. 1947.     

[...] [3202]      Abends gelüstete es mich, einen Schnaps zu trinken u. ich ging dazu ins Seezeichen, doch war dort kein Schnaps zu bekommen. Ich traf das Ehepaar Dr. Kunze, die dort essen. – Herr Möller, der Wirt, bot mir 50 gr. Tabak an für 65,– Rm., den ich kaufte. Dieser Tabak hätte früher höchstens 30 Pf. gekostet.

[3202]
Donnerstag, 4. Sept. 1947.     

[3202]      Nachmittags kam Dora Oberländer u. bestellte, daß Herr Holtz zu morgen Nachmittag 4 Uhr eine Versammlung der Sektion bei Schütz in Niehagen einberufen habe, da er den Vorsitz niederlegen wolle. [...]

[3202]
Freitag, 5. Sept. 1947.     

[...] [3202]      Die Sitzung der Sektion, zu der Fritz ging, ergab die Wahl Koch-Gothas als neuen Vorsitzenden. Er nahm die Wahl an.

     Im Nordwestdeutschen Rundfunk wurde eben [3203] das plötzliche Verschwinden des Thüringischen Ministerpräsidenten Paul bekannt. Dieser Herr war im Sommer hier im Kurhause u. fiel durch sein pompöses Auto mit uniformiertem Schofför auf. Offenbar ist er geflohen, da er bei den Russen in Ungnade gefallen war. Jetzt wird er gesucht, die Russen wollen ihn verhaften, haben ihn aber nicht. [...]

[3203]
Montag, 8. September 1947.     

[...] [3204]      Ueber das Verschwinden des thüringischen Ministerpräsidenten Dr. Paul schweigt sich die Presse verlegen aus, nur die Tägl. Rundschau brachte heute eine kurze u. versteckte Notiz. Heute wurde hier erzählt, daß auch unser mecklenb. Ministerpräsident ausgerückt sei. Das ist natürlich Unsinn, aber es gibt keinen Unsinn, den die Leute nicht glauben.

[3204]
Mittwoch, 10. September 1947.     

[3204]      Gestern Nachmittag besuchte mich der Maler Hinrichs aus Schwerin, ein sehr netter Kerl, aus einfachen, bäuerlichen Verhältnissen stammend. Er will nicht mehr sein, als er ist, sehr bescheiden, dabei aber doch seiner selbst bewußt; Autodidakt, sehr bemüht um seine Entwicklung u. sehr aufgeschlossen für den Expressionismus, wenngleich er selbst auch noch im Naturstudium befangen ist. Der Wille, sich selbst vor der Natur zu behaupten, ist aber stark fühlbar. Er zeigte mir einige Federzeichnungen, alte Katen usw., die mit Schwung gemacht sind. Er hat noch nicht ganz romantische Vorstellungen überwunden, er ist noch nicht zu sich selbst gekommen, aber wenn ihm einmal der Durchbruch zu sich selbst gelungen sein wird, kann man von ihm wohl etwas erwarten. – Er war in Begleitung seiner Freundin, eine ganz bescheidene junge Frau, hübsch u. wie sie nicht ohne Befriedigung betonte: katholisch. Hinrichs ist sehr unzufrieden mit den Schweriner Kunst=Verhältnissen u. er möchte von dort weg. Er erwägt den Gedanken, hierher nach Ahrenshoop zu kommen, was sehr nett wäre, ich würde mich gern seiner annehmen. Besonders auf Venzmer ist er sehr ärgerlich, da dieser nicht nur nichts für die Künstler tut, sondern bei seiner reaktionären Gesinnung jeden Fortschritt hemmt. [...]

[3205]
Freitag, 12. Sept. 1947.     

[3205]      Durch den Nordwestdeutschen Rundfunk wurde heute bekannt, daß es sich bei einer der Personen, die mit Dr. Paul geflohen sind, um den Oberbürgermeister von Jena handelt. Das Gerücht, daß der Schriftsteller Plivier ebenfalls geflohen sei, wird dementiert. [...]

[3205]      Vom Kulturbund in Güstrow ein Brief, nach welchem man dort Wert darauf legt, Bilder von mir im Foyer des dortigen Stadttheaters zu zeigen u. einen Vortrag von mir über Expressionismus zu hören. Der Termin für beides steht jedoch noch nicht fest. [...]

[3205]
Sonnabend, 13. Sept 1947.     

[3205]      Ein überaus warmer Sommertag.

     Vormittags das neue Blumenbild angelegt. Nachmittags, war die Gattin des ehemals Hallenser, jetzt Leipziger Oberspielleiters (Rückert?) bei uns zum Bohnenkaffee, den sie spendierte, zusammen mit ihrer kleinen, sehr niedlichen Tochter. Wir saßen auf der Terrasse. Später zeigte ich ihr meine letzten Bilder, wobei Herr Dr. Janasch – Berlin dazu kam. Ob diesem meine Bilder Eindruck gemacht haben, konnte ich nicht feststellen, da er viel sprach über die Kunst=Situation in Berlin, aber über die Bilder nichts sagte.

[3205]
Sonntag, 14. September 1947.     

[...] [3206]      Vormittags war zuerst die Frau des Malers Otto Nagel da, später kam auch er. Ich freute mich, diese Leute kennen zu lernen. Er macht einen düsteren Eindruck, sie ist eine ungemein sympatische Russin von der Art der alten Zeit, wie sie es jetzt wohl nicht mehr gibt. Da beide mit Becher sehr befreundet zu sein scheinen, liegt mir an dieser Bekanntschaft etwas. Nagel selbst war vom „Wartenden“ sehr stark beeindruckt u. spendete dem Bilde größte Anerkennung. [...]

[3206]      Wie ich höre, hat Otto Nagel schon früher stets günstig über meine Bilder gesprochen, auch Becher gegenüber, der aber, wie man sagt, den Expressionismus zu stark ablehnt, um Verständnis für mich zu haben. [...]

[3207]
Montag, 29. September 1947.     

[...] [3207]      Nachmittags suchte mich Deutschmann auf, der nochmals ein Schriftstück für seine Entnazifizierung brauchte. [...]

November 1947

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[3301]
Sonntag, 9. November 1947.     

[...] [3301] Mittags kam ein Kind von etwa 5 Jahren in die Küche u. bettelte um Brot. Tigerström hatte noch warmes Essen, das wir dem kleinen Mädchen gaben. Das Kind war aus Born, Flüchtlinge, die Mutter war mit einem noch jüngeren Kinde draußen, aber nicht zu erreichen. Wir gaben dem Kinde noch ein Stück Brot mit auf den Weg. Die Mutter schickte natürlich das Kind betteln, weil das mehr Erfolg hat. Es ist schrecklich, zu denken, daß diese Mutter solche Tricks anwenden muß, um überhaupt etwas zu essen zu bekommen. Und das auf dem Lande! – [...]

[3301]
Montag, 10. November 1947.     

[...] [3301] Ich lese mit großem Interesse das Buch von Abusch „Irrweg einer Nation“. Es ist sehr interessant geschrieben. [...]

[3302]
Mittwoch, 19. November 1947.     

[...] [3302]      Vom Kulturbund Güstrow erhielt ich einen Brief u. glaubte, es würde darin die endgültige Festsetzung der Ausstellung meiner Bilder u. des projektierten Vortrages enthalten sein. Statt dessen teilt man mir mit, daß man, „nach Verhandlungen mit der Landesleitung des Kulturbundes in Schwerin sich hat entschließen müssen, die Ausstellung Ihrer Bilder u. den geplanten Vortrag vorerst ausfallen zu lassen, solange die zwischen Ihnen u. der Landesleitung in Schwerin bestehenden Differenzen nicht ausgeglichen sind.“

     So etwas ist nun schlechthin empörend. Es handelt sich natürlich immer noch um die [3303] Affäre dieses Sommers. Von der Landesleitung Schwerin habe ich niemals, weder mündlich noch schriftlich, eine Stellungnahme zu dieser Sache erhalten, nach der ich mich hätte rechtfertigen können. Mir ist also von einer „Differenz mit der Landesleitung“ garnichts bekannt u. erfahre davon erst durch dieses Schreiben aus Güstrow. Da die Landesleitung offensichtlich auch kein Bedürfnis fühlt, mir von dieser „Differenz“ Mitteilung zu machen u. ich mich niemals rechtfertigen kann, so heißt das, daß diese Differenz niemals beseitigt werden wird. Das heißt praktisch, daß ich dauernd von jeglicher öffentlichen Veranstaltung ausgeschlossen werde, was wiederum so viel heißt, daß ich aus dem Kulturbund ausgeschlossen worden bin –, nur meinen Mitgliedsbeitrag darf ich weiter zahlen. Das Tollste ist, daß ich davon garnichts weiß. Wer hat das verfügt? Wo ist ein solcher Beschluß gefaßt? Aus wem besteht überhaupt diese Landesleitung? Landesleiter ist Herr W. Bredel. Kann dieser Herr einfach dergleichen verfügen, ohne andere Personen zu hören, ohne Beschluß? Wenn das nicht Diktatur u. Faschismus ist, dann weiß ich nicht, was es dann sein soll! – Ich werde an Kleinschmidt schreiben u. ihn um Rat u. Auskunft bitten. – Und dabei hat Martha noch vor wenigen Tagen in Schwerin mit dem Intendanten Kähler aus Wustrow gesprochen, der von der ganzen Sache offenbar auch nichts weiß. – [...]

[3303]
Freitag, 21. Nov. 1947.     

[...] [3303]      Vormittags versuchte ich, einen Brief an Kleinschmidt zu schreiben wegen der Sache mit Güstrow, ebenso an Güstrow selbst. Ich hatte gestern bereits einen Brief entworfen, heute glückte mir, wie ich glaube, ein dritter Entwurf. [...]

[3303]
Sonntag, 23. November 1947.     

[...] [3303] Sodann schrieb ich an Kleinschmidt einen nochmals redigierten Brief, der nun nach meiner Meinung sehr [3304] meisterhaft ausgefallen ist, sowie an den Kulturbund in Güstrow.

     In der Dunkelstunde während der Stromsperre unterhielt ich mich mit Martha über die Möglichkeit einer Uebersiedlung nach Berlin. Eine Neigung dazu ist längst bei mir vorhanden, doch schreckte ich bisher vor der Strapaze zurück, die ein solcher Umzug bedeuten würde. Außerdem ist es ja auch hoffnungslos, in Bln. eine einigermaßen genügende Wohnung zu finden. Bei ihrem letzten Besuch in Bln. hat Martha jedoch mit allerhand Leuten gesprochen, die angeblich die Möglichkeit haben, nicht nur eine Zuzugsgenehmigung zu erwirken, sondern auch eine Wohnung in westlichem Vorort im amerikan. Sektor zu besorgen. Ein solcher Plan ist sicher noch zu früh u. noch nicht durchführbar, aber die Hauptsache ist, daß ich mich gesund genug fühle, um eine solche Sache auf mich zu nehmen u. daß ich auch innerlich völlig bereit zu einem solchen Unternehmen bin. Die Unverschämtheit, mit der dieser Kulturbund sich herausnimmt, einen Boykott über mich zu verhängen, hat dem Faß den Boden ausgeschlagen. Ich will mir solche Frechheiten nicht mehr bieten lassen. [...]

[3305]
Mittwoch, 26. November 1947.     

[...] [3305]      Ich denke jetzt, nachdem der Gedanke einmal ausgesprochen worden ist, viel an unsere Uebersiedlung nach Berlin. Möchte dieser Wunsch doch in Erfüllung gehen. Aber erst soll einmal die Londoner Konferenz zu einem Resultat kommen, damit man sieht, was werden wird. – [...]

Dezember 1947

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[3401]
Montag, 15. Dezember 1947.     

[3401]      Abends 10 Uhr wurde durch den Rundfunk bekannt, daß die Londoner Konferenz heute gescheitert ist. Es wird zwar das Wort „Vertagung auf unbestimmte Zeit“ angewendet, aber das ändert nichts. Das Schicksal wird nun also eine neue Wendung nehmen. – [...]

[3402]
Sonnabend, 20. Dezember 1947.     

[...] [3402]      Gestern war Deutschmann bei mir. Er hatte vor der Entnazifizierungs-Kommission in Rostock gestanden u. ist zum „Aktivisten“ erklärt worden, d.h., daß er künftig nur in untergeordneter Stellung als Arbeiter tätig sein kann. Ich riet ihm, Berufung einzulegen u. im Berufungsverfahren nicht bloß schriftliche Zeugnisse bei zu bringen, wie er es getan hat, sondern die Zeugen selbst heranzubringen. Er soll es sich ruhig ein Auto kosten lassen, ich würde dann selbst nach Rostock mitfahren. [...]

Januar 1948

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[3501]
Donnerstag, 8. Januar 1948.     

[...] [3501]      Ueber Mittag war ein junger Herr aus Schwerin bei Fritz, der uns den Herrn herüberbrachte. Dieser junge Herr ist ein neuer Angestellter der Kulturbundes u. scheint eine Art Adjutant zu sein, u. zwar für Kleinschmidt, wie auch für Bredel. Er scheint sich auf einer Besuchsreise zu befinden, um alle wichtigeren Wirkungsgruppen aufzusuchen u. kennen zu lernen. Er wohnt im Kurhause. Ich habe ihm nun den ganzen Vorgang mit mir erzählt. Er machte sich fleißig Notizen u. wird zuerst Kleinschmidt die Sache vortragen Es wird interessant werden, was dabei herauskommen wird. Er machte einen harmlos-gutmütigen Eindruck, intelligent, ohne doch ein besonderes Licht zu sein. Hoffentlich war er kein Spitzel. Er hat bisher, wenn ich ihn richtig verstanden habe, irgendwie bei den Russen gearbeitet. Um hinterhältig zu sein, war er zu schlicht, er müßte sich denn unwahrscheinlich gut verstellen. Übrigens war der Mensch 2 mtr. groß. [...]

[3502]
Sonntag, 25. Januar 1948.     

[...] [3502]      Nachmittags Bilder von Picasso gesehen. Ich werde morgen nochmals am Bilde „Familie“ arbeiten. – Auch das früher gemachte Selbstporträt muß gelegentlich sehr eingehend überarbeitet werden. – [...]

Februar 1948

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[3601]
Montag, 2. Februar 1948.     

[...] [3601] An Ehm Welk eine Sympatie-Erklärung geschickt als Gegenaktion gegen einen unverschämten Angriff des schweriner Skribenten Adam Scharrer in der Zeitschrift „Heute u. Morgen“. [...]

März 1948

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[3701]
Schwerin Gründonnerstag, 25. März 1948.     

[...] [3702]      Ueber die Umstände des Todes von Adam Scharrer erzählt Frau Dr. Riemschneider, daß auch hier dieser [3703] Herr Bredel seine Finger im Spiel hatte. Er hat das cholerische Temperament des naiven Scharrer benutzt, um diesen zu veranlassen, dem Ehm Welk eins auszuwischen u. hat ihm dazu die Spalten seines Blättchens „Heute u. Morgen“ zur Verfügung gestellt. Herr Scharrer, der ja nicht ganz frei von Eitelkeit war u. sich für einen großen Geist hielt, ist prompt auf diese Ermunterung reingefallen u. hat einen Artikel gegen Ehm Welk geschrieben, der von Bredel erheblich gekürzt werden mußte, weil er gar zu unverschämt war. Ehm Welk hat daraufhin Herrn Sch. in demselben Blättchen mit überlegener Ironie abgefertigt. Darüber hinaus hat Ehm Welk dann einen Vortrag im Kulturbund gehalten über irgend ein Thema, bei dem er sich Herrn Sch. noch einmal gründlich vorgeknöpft hat. Herr Sch., der darum wußte, daß Ehm Welk das tun würde, hat sich darauf präpariert, indem er ein umfangreiches Manuscribt vorher verfaßte, das er bei der Diskussion über diesen Vortrag vorzulesen beabsichtigte, was er denn auch getan hat. – Am Abend des Vortrages ist dem braven Sch. aber schon nicht ganz geheuer gewesen u. er wollte nicht kommen. Er wurde dann aber von seinen Parteifreunden sehr bedrängt, die sogar einen Wagen besorgten, um ihren Helden in den Kampf zu fahren. – Wie nicht anders zu erwarten war, hat Ehm Welk dann seinen Gegner so gründlich erledigt, daß schließlich selbst Bredel nicht mehr offen zu Scharrer stand, sondern kniff. Scharrer hat sich dann über seine Niederlage so aufgeregt, daß er einen Schlaganfall erlitt u. zwei Stunden später den Geist aufgab. – Die Frau des Herrn Dr. Bredel hat dann noch ihrer Wut über den Ausgang dieser Sache Ausdruck gegeben, daß sie Ehm Welk den „Mörder“ des Sch. genannt hat.

     Ehm Welk ist die ganze Geschichte natürlich höchst peinlich. [...]