Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Juli 1947
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Juli 1947 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom Juli 1947. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][...] [1] Nachmittags arbeitete ich weiter an dem Artikel für Dr. Bredel, ich glaube, er kann nun so bleiben. – Abends den Rabarber im Vorgarten gegossen, der schon fast verschmachtet war. – Abends war Ursula Haeffner vom Schweriner Landessender mit ihrer Freundin Besendahl oder so ähnlich zum Tee bei uns. Es war sehr unterhaltsam u. informierend über die Schweriner Verhältnisse. Danach scheint es, als würde Frau Dr. Riemschneider nicht mehr lange Leiterin des Museums sein, Herr Venzmer scheint mit Erfolg gewühlt zu haben.
In der BuStu. war heute starker Betrieb. Meine Bilder bilden den Anlaß zu manchen Flegeleien von flegelhaften Dummköpfen, aber auch zu sehr viel erfreulichen Beifallsäußerungen. [...]
[1][...] [2] Es ist jetzt Hochbetrieb in Ahrenshoop, Joh. R. Becher ist schon seit einiger Zeit hier, aber vorsichtig zurückhaltend, nirgends zu sehen, ferner Alexander Abusch, der in der BuStu. war, sowie der Dichter Wolff, der das Stück „Prof. Mamlock“ geschieben hat. Auch er war in der BuStu. u. hat sich meine Bilder angesehen u. sich sehr beifällig geäußert. Auch Dr. Bredel ist wieder da, von dem Frl. N. meint, daß er russischer Spitzel sei. Das mag stimmen. Außerdem ist noch eine Anzahl kleinerer Größen da u. alles das intrigiert gegeneinander, belauert u. bespitzelt sich gegenseitig. [...]
[2] Im Kunstkaten hat sich nun also E. Th. Holtz breit gemacht mit nicht weniger als 48 Bildern, Oel, Aquarelle u. Zeichnungen, alles furchtbarer Durchschnitt u. langweilig u. aufgeblasen. Ich sah mir mittags diesen Mist an. [...]
[3][3] Nachmittags sah ich Aquarelle des jungen Malers Breuer, die außerordentlich schön waren. Er wird sie jetzt im Kunstkaten ausstellen. Die Bilder haben eine ganz merkwürdige Aehnlichkeit mit ihm selbst. Abends was Frau v. Gutenberg da, – sehr langweilig. –
[3][3] Nach dem Frühstück packten wir das Care=Paket aus das Fritz aus Wismar geholt hatte. Es waren sehr nützliche Sachen darin, Kaffee, Mehl, Eipulver, Schokolade usw.
Um 6 Uhr nachmittags hielt ich wieder in der BuStu. vor meinen Bildern einen Vortrag, der sehr erfolgreich war. Ein Theater-Intendant aus Güstrow mit seiner Frau waren wohl die wertvollsten Menschen, dazu Frau Ursula Haeffner u. Frau Besendahl. Die meisten Leute kannte ich nicht, doch hatte ich den Eindruck, daß alle gut mitgingen. [...]
[3][3] In der BuStu. hat man sich heute sehr freundlich über meinen gestern gehaltenen Vortrag geäußert. Leider sind infolge mangelhafter Organisation die maßgebenden Leute nicht dagewesen, wie z.B. der Dichter Wolff u. a., die nun davon gehört u. sehr bedauert haben, nicht dabei gewesen zu sein. Ich werde mich deshalb entschließen müssen, den Vortrag am kommenden Sonntag nochmals zu wiederholen. [...]
[3] Der Artikel für „Heute u. Morgen“ ist nun von Eva Küntzel mit der Maschine geschrieben, sodaß ich die ganze Sache morgen nach Schwerin schicken kann. [...]
[3][...] [3] Der Dichter Wolff, von dem ich geschrieben habe, heißt Friedrich Wolf, er ist ein namhafter Schriftsteller. Er u. mehrere andere Leute aus Berlin werden am Sonntag wieder in die BuStu. zu einem Bildervortrag kommen. – Mit dem Ehepaar Holtz in Wustrow [4] hat es Differenzen gegeben, da Herr Holtz sich plötzlich weigert, seine Bilder im Kunstkaten in dem einen kleinen Raum, wo morgen die Aquarelle von Breuer aufgehängt werden sollen, zu räumen. Holtz hat dort z. Zt. eine Ausstellung seiner Bilder, insgesamt 48 Stück u. eins langweiliger als das andere, sodaß der Besuch des Kunstkatens ganz erheblich zurückgegangen ist. Wir haben die Dummheit begangen, Frau Holtz-Sommer zur Vorsitzenden des Kulturbundes u. ihren Mann zum Vorsitzenden der Sektion zu machen, weil sich sonst niemand dazu fand. Beide wollen nun die Sektion benutzen, um sich in den Vordergrund zu stellen. Es wird das nun wohl zu heftigen Auseinandersetzungen führen! [...]
[4][4] Ein ereignisreicher Geburtstag. Morgens hatten wir ein schönes Frühstück mit Ei u. Bohnenkaffee, vorher einen hübschen Geburtstagstisch mit Blumen u. allerhand schönen Geschenken, darunter ein Päckchen Cigaretten u. fünf Cigarillos, eine Flasche Schnaps aus der Apotheke von Linde in Ribnitz, ganz erstklassig, zwei wertvolle Bücher u. Päckchen aus Schweden, die zufällig in den letzten Tagen angekommen waren mit sehr schönem Inhalt an Lebensmitteln u. Kaffee. Nachher arbeitete ich an meinem Bilde. [...]
[4] Nachmittags fand die Eröffnung der bescheidenen Ausstellung der Aquarelle von Breuer im Kunstkaten statt, zu der ich aber nicht ging, weil mittwochs Triebsch kommt u. ich nicht unter Menschen gehen wollte. Es war in den letzten Tagen hier das Gerücht umgegangen, ich hätte bei der Veranstaltung des Kulturbundes mit Prof. Rienäcker mich abfällig über die Russen geäußert. – Um 4 Uhr kam wie gewöhnlich Triebsch. Wir hatten unser Gespräch gerade begonnen, das sich um Jesus u. die Zöllner u. Sünder drehte, als Martha hereinkam, sehr aufgeregt, u. sagte, daß ein fremder Herr mich „dienstlich“ zu sprechen wünsche.
Ich fragte: „Ein Russe oder ein Deutscher“, denn ich war auf Schlimmes gefaßt in Anbetracht jenes Gerüchtes. Als ich hörte, daß es ein Deutscher sei, war ich erleichtert, bat aber Triebsch, unsere Stunde zu unterbrechen.
Nachdem Triebsch gegangen war, bat ich den nicht sehr sympathisch aussehenden Herrn, der in der Diele wartete, zu mir herein. Er stellte sich vor, indem er mir seinen Ausweis als Kriminalkommissar Roll von der Kriminalpolizei Rostock vorwies. Es handelte sich, wie ich erwartet hatte, um jene Angelegenheit, von der so viel geklatscht wurde u. die Anschuldigung, die mir zur Last gelegt wurde, bestand darin, daß ich Kritik an der russischen Besatzungsmacht geübt hätte. Herr Roll ersuchte mich, mich dazu zu äußern u. zeigte sich sehr genau unterrichtet über alles, was ich in jener Versammlung gesagt hatte, nur, daß alles aus dem Zusammenhang gerissen u. damit entstellt war. – Ich war außerordentlich ruhig u. überlegen [5] leugnete nichts, gab alles zu, erklärte dann aber den Zusammenhang u. wies nach, daß meine Aeußerungen keinerlei Kritik enthalten hatten, sondern daß ich Prof. Rienäcker nur um Aufklärung gebeten hätte über gegenteilige Erfahrungen.
Herr Roll, der zuerst äußerst dienstlich war, wurde mit der Zeit milder. Er verlangte eine Schreibmaschine, die ich besorgen ließ u. verfaßte dann ein zwei Seiten langes Protokoll, das sehr zu meinen Gunsten ausfiel. –
Nachdem ich die gröbste Gefahr auf diese Weise abgebogen hatte, unterhielt ich mich mit dem Herrn über weltanschauliche Fragen u. über Expressionismus. Schließlich bot er mir seinen Tabak an. Die Sache endete harmlos, indem Herr Roll mir versicherte, daß die Kriminalpolizei die Sache bestimmt nicht an die Russen weiterleiten würde u. daß mir wahrscheinlich auch von deutscher Seite keine Schwierigkeiten bereitet würden, da meine demokratische Gesinnung kaum bezweifelt werden könne. – So endete diese Sache harmlos, die mir, wenn sie von einem anderen Beamten bearbeitet worden wäre, der vielleicht gehässiger gewesen wäre, zweifellos eine Verhaftung durch die Russen u. ein spurloses Verschwinden eingebracht hätte. Herr Strohschnitter, Herr Jesse, Prof. Reinmöller sind auch auf solche Art verschwunden u. niemand weiß, wo sie sind u. ob sie noch leben. Es war eine ungeheure Gefahr, in der ich geschwebt habe u. die mir für die Zukunft eine Lehre sein wird. Ich habe mir vorgenommen, nie wieder an irgend einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen, nicht einmal an den Sitzungen der Sektion des Kulturbundes, da man nie vor Denunzianten sicher sein kann. In diesem Falle war die Denunziantin jene Frau Hagemann vom Verlag „Volk u. Wissen“.
Die ganze Sache, bei der ich bis zum Schluß die volle Ruhe bewahrt habe, hat mich aber doch sehr mitgenommen. Besonders hat sich die arme Martha sehr aufgeregt. – Wir saßen abends zusammen u. tranken von dem guten Schnaps u. aßen Blaubeertorte.
[6][6] Von Friedr. Wolf las ich heute zwei Novellen, die aber äußerst dürftig waren. Er wurde kürzlich in einem Zeitungsartikel als der Nachfolger Gerhard Hauptmanns gefeiert. Das ist geradezu grotesk! – [...]
[7][7] Morgen Vormittag will ich in der BuStu. vier neue Bilder hängen: „Aufbruch“ – „Dämon“ – „Passion“ u. „Tulpen“. Am Nachmittag will ich wieder sprechen, es werden diesmal endlich einige Leute da sein, die etwas zu sagen haben, nämlich Friedr. Wolf, Gisy, u. a. Ich setze auf das Zusammentreffen mit diesen Leuten große Hoffnungen. – Ich machte die neuen Bilder heute zur Ausstellung zurecht u. verbesserte besonders am „Dämon“ noch einige mangelhafte Stellen. Diese neuen Bilder werden sicher stark wirken. – Heute ist es windig u. kalt.
Nachmittags war ich im Kunstkaten u. sah mir die schönen Aquarelle von Breuer an. Eines davon würde ich gern besitzen. – [...]
[7][7] Vormittags hängte ich mit Fritz die vier neuen Bilder in der Ausstellung, dazu noch den „Prophet“ u. „Winteraster“, sowie auch „Gespenst“, sodaß von den 17 dort hängenden Bildern sieben neu sind. Einige von den alten Bildern hängte ich um. So hatte die Ausstellung ein ziemlich neues Gesicht. Der Nachmittag aber, auf den ich so große Hoffnungen gesetzt hatte, verlief sehr negativ. Von den sogen. „Prominenten“ waren allein nur Friedr. Wolf u. Herr Sandberg erschienen, ein Maler, der jetzt das Witzblatt „Der Uhlenspiegel“ herausgibt. Herr Gisy, der im Kulturbund u. auch sonst in Berlin eine beachtliche Rolle spielt u. uns von Petersen sehr eindringlich mehrfach empfohlen war, ist nicht erschienen. Außer dem netten Herrn Buschmann aus Schwerin waren noch einige Schweriner Musikstudenten u. Studentinnen erschienen u. andere Damen. – Friedr. Wolf arrangierte nach meinem Vortrage eine Art Diskussion, die aber ziemlich dürftig verlief u. in der Herr Sandberg sein Angebot wiederholte, das er früher schon Martha gemacht hatte, nämlich mich nach Berlin zu holen u. mir dort einen Lehrauftrag für ich weiß nicht was zu beschaffen, jedoch wurde mir dabei mit großer Deutlichkeit zu verstehen gegeben, daß ich mich dann voll u. ganz auf die Gegebenheiten u. Erfordernisse der heutigen Zeit einstellen u. verpflichten müsse. Diese Forderung wurde auch von Wolf stark betont. Ich kann das nicht anders verstehen, als daß ich dann in die SED eintreten müsse, wozu [8] ich natürlich nicht die allergeringste Neigung habe. So werde ich also weiterhin in Ahrenshoop sitzen bleiben. – Herr Sandberg urteilte über meine Bilder, daß sie „romantisch“ seien. Er meinte das nicht gerade abfällig, aber es liegt darin in seinem Sinne doch eine Kritik, die meint, daß ich den Forderungen des Tages nicht gerecht werde, womit er zweifellos recht hat. – Es verlief alles sehr freundlich u. sehr wohlwollend, aber keineswegs so, wie ich erwartet hatte. Ich selbst war von der Sache nachher ziemlich erschöpft u. hatte einen schlechten Geschmack davon, den Martha sehr entschieden mit mir teilte. Es läßt sich nicht recht sagen, woran das liegt, aber es ist so u. das Gefühl täuscht in solchen Dingen nie. – Wenn ich eine Neigung habe, nach Berlin zu gehen, so doch nur deshalb, um dort besser als hier am kirchlichen Leben teilnehmen zu können. Wenn ich dazu jedoch eine Gesinnung heucheln müßte, die ich beim besten Willen nicht haben kann so würde das eine ewige Qual sein, die ich nicht auf mich nehmen will u. kann.
Im Kurhause sitzen diese Leute alle zusammen u. bespitzeln sich gegenseitig Gretl Neumann ist in permanenter Aufregung. Die Atmosphäre ist sehr geladen u. gespannt. Man muß schon äußerst vorsichtig sein u. darf weniger sprechen, als zur Nazizeit, die fast frei war gegen diesen jetzigen Zustand. Parole: noch viel mehr für sich bleiben!
[8][...] [9] Die Spannungen in Ahrenshoop sind weiterhin sehr stark u. machen das Leben ungemütlich. Herr Holtz wollte heute den Vorsitz in der Sektion niederlegen. Es war deshalb eine Versammlung einberufen, zu der ich aber nicht ging. Erfolg: Herr Holtz bleibt. Im Kurhause sind einhundert Gäste mehr zum Essen da, als vorgesehen war. Neue Unzuträglichkeiten. Man pöbelt sich gegenseitig an. [...]
[9][...] [9] Von Frau Dr. Riemschneider ein Brief. Sie teilt mit, daß ich wahrscheinlich in den nächsten Tagen eine Aufforderung erhalten werde, meine Bilder in Berlin-Tempelhof auszustellen. William Wauer, den ich ja noch vom „Sturm“ her kenne, macht diese Sache. Frau Dr. R. rät mir, zuzugreifen, obwohl die ganze Ausstellung nur aus zwei kleinen Zimmerchen u. einem Treppenaufgang besteht, aber gutes Publikum u. gute Presse haben soll. [...]
[10][10] Vormittags Herr Sandberg, der von meinem Bilde „Der Zweifler“ sehr begeistert war. Er wünschte, dieses Bild in seiner Zeitschrift farbig zu reproduzieren, was aber seine Schwierigkeiten hat, da ich dazu das Bild nach Berlin schicken müßte. – Wir sprachen natürlich auch über die Angelegenheit meiner angeblichen Kritik an der Besatzungsmacht anläßlich des Vortrages von Prof. Rienäcker. Er sagte mir, daß Friedr. Wolf zu meinem Vortrag am letzten Sonntag gekommen sei, um mich dabei über diese Sache zur Rede zu stellen, doch habe er es dann nicht getan, weil mein Vortrag u. meine Persönlichkeit überhaupt in ihm die Ueberzeugung gereift hätte, daß diese Sache doch wohl nicht so sein könne, wie sie von den Leuten erzählt wird. Es wird also über diese Sache viel geschwätzt u. Sandberg sagte mir, diese Sache sei tatsächlich das Gesprächsthema gewesen. Nun also, man hat sich über mich aufgeregt u. mein Name ist in aller Mund. Es konnte das sehr gefährlich sein, so aber scheint es mir, als diente mir die Sache zur Reklame. Auch Herr Joh. R. Becher wird sich wohl noch überzeugen lassen, da Herr S. sehr viel mit ihm verkehrt u. über mich spricht. Er sagte mir, daß er versuchen wolle, Frau Becher in mein Atelier zu bringen, ebenso den Rostocker Herrn Matern, der im vorigen Jahre meine Bilder in Rostock haben wollte, dann aber umgefallen ist. – Sandberg will am Sonnabend nach Bln. fahren, später aber wiederkommen. Er will zwei Bilder „Vernichtung“ u. „Blüten u. Dornen“ mit nach Bln. nehmen, sowie Fotos, um alles dort zu zeigen. Herr S. ist also ganz offenbar sehr eingenommen von mir u. mir sehr wohlgesinnt. Er glaubt, in der Lage zu sein, mir einen Lehrauftrag für die Kunstschule des Nordens in Bln=Weißensee verschaffen zu können. Es ist das ein zweifelhaftes Angebot. Zwar ist diese Kunstschule das größte Unternehmen dieser Art in der russ. Zone, aber erstens ist Weißensee ein furchtbar häßlicher Stadtteil u. zweitens ist diese Schule natürlich sehr politisch u. prorussisch, sodaß ich dauernd in Gefahr wäre, bespitzelt zu werden. Ich werde mir das noch sehr überlegen. Andererseits muß ich Herrn S. sehr vorsichtig behandeln. Die Schwiegertochter von Friedr. Wolf war nachmittags in der BuStu. u. hat Martha erzählt, Herr S. wäre den ganzen Nachmittag bei ihrem Schwiegervater gewesen u. beide hätten von nichts anderem gesprochen als von meinen Bildern. Demnach ist also das Interesse ungeheuchelt. [...]
[11][11] Herr Sandberg gibt sich wirklich erstaunliche Mühe um mich. Heute Vormittag schleppte er den Stadtrat Matern aus Rostock u. dessen Frau zu mir ins Atelier, ferner den Kultusminister Grünberg aus Schwerin u. seine Frau u. den Polizeichef Scholz aus Rostock, außerdem Frau Warnke, deren Mann auch irgendein Minister in Berlin ist u. endlich eine überaus sympathische, blonde, schlanke Dame, deren Namen ich nicht, weiß, die aber früher schon in Ahrenshoop war u. mich noch aus der Zeit her kennt, wo ich an der Kasse saß. Ich besprach mit Matern die im vorigen Jahre verunglückte Ausstellung in Rostock, er behauptete, die näheren Vorgänge nicht zu kennen u. meinte, wir könnten die Ausstellung in diesem Jahre nachholen. – Sandberg führte das große Wort u. sprach für mich mit rührender Begeisterung. Er soll auch gestern bei Becher gewesen sein u. soll diesem sehr entschieden seine Meinung gesagt haben. Becher soll sich entschuldigt haben damit, daß er ja nichts gegen mich hätte, worauf S. gesagt haben soll, daß es seine Pflicht wäre, mich zu stützen u. zu verhindern, daß man mir einen Kriminalkommissar auf den Hals schickte. [...]
[12] S. erzählte mir übrigens auch, daß ein Teil der Hetze gegen mich hier im Ort tatsächlich von Herrn v. Achenbach ausgeht, der mich bei Becher nach Möglichkeit u. mit Erfolg herabzusetzen sucht. Die Freundschaft zwischen Herrn v. A. und Matern scheint hingegen abgekühlt zu sein, wenigstens behauptet Sandberg, daß Matern jetzt unbedingt eine Ausstellung meiner Bilder in Rostock haben will. [...]
[13][...] [14] Vom Mecklenb. Heimat-Verlag, welcher die Zeitschrift „Heute u. Morgen“ durch Herrn Dr. W. Bredel herausgibt, erhielt ich heute meinen Artikel mitsamt den vier Fotos meiner Bilder zurück. Man teilt mir mit, daß z.Zt. eine Publikation meiner Bilder nicht möglich sei, man hätte aber einen „Fachmann“ beauftragt, das Thema der modernen Malerei zu behandeln u. würde dann auch sicher mein Schaffen berücksichtigen. – Es ist wirklich, als lebte man im Irrenhause. Erst kommt dieser Herr Bredel zu mir u. bittet um Bilder u. Artikel – u. dann schickt er einem die Sachen zurück weil „z.Zt.“ eine Publikation nicht möglich sei!!! Ich darf wohl annehmen, daß sich dieses „z.Zt.“ auf meine sogen. Kritik an der Besatzungsmacht u. die dadurch ausgelöste Aktion der Kriminalpolizei gegen mich bezieht, – oder bezieht es sich auf die gegenwärtige Aktion der Kriminalpolizei gegen Martha? – Ich weiß es nicht, aber ich sehe, daß immer irgend etwas gegen mich hochsteigen wird sobald ich in die Oeffentlichkeit trete. [...]