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Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Januar 1947

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Januar 1947
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Entstehungsdatum: 1947
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Januar 1947
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Einführung

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Der Artikel Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Januar 1947 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom Januar 1947. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Tagebuchauszüge

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[1]
Mittwoch, 1. Januar 1947.     

[1]      Gestern zeichnete ich eine Skizze für eine Flaschen-Etiquette einer Flasche Schnaps, die der hiesige Kulturbund Koch-Gotha schenken soll, der am 5. Januar 70 Jahre alt wird. [...]

[1]
Donnerstag, 2. Januar 1947.     

[...] [1]      Nach dem Frühstück brachte Fritz die Nr. 8. der „Demokrat. Erneuerung“, die jetzt erst hier eingetroffen ist, obwohl sie schon am 12. Dez. von Schwerin, abgesandt wurde. Sie enthält nochmals zwei Aeußerungen über meine Schweriner Ausstellung. Die erste ist von einem Rostocker Studenten Düwel, welcher der Schwiegersohn jener Frau Kerstens ist, die in der Landeszeitung so zustimmend über meine Bilder geschrieben hat. Herr Düwel ist dagegen keineswegs zustimmend. Er vergleicht mich mit Käthe Kollwitz, von deren Arbeiten ja um die gleiche Zeit eine Ausstellung in Rostock zu sehen war. Ein solcher Vergleich ist an sich schon einfach unmöglich, man könnte ebenso gut Böcklin mit Menzel vergleichen. Er beteuert dann weiter, daß ich eine „wirkliche Künstlerpersönlichkeit“ sei u. sagt viel Lobendes über meine Farben, aber dann verneint er mit Entschiedenheit die Frage, ob ich der heutigen jungen Generation etwas zu sagen hätte. Obwohl er sagt, daß ihn meine Bilder „erfaßt“ hätten, [2] weil er gespürt habe, daß „eine gewaltig ringende Persönlichkeit am Werke ist“, aber dennoch behauptet er, „man trägt nichts Belebendes, nichts Erhebendes mit nach Haus“ weil die „Dinge bis in ihre letzte Konsequenz entwirklicht“ seien. Der junge Herr erklärt mit der Überheblichkeit, die dieser Nachhitlerjugend eigen ist, daß ich herabkommen u. unter den Zeitgenossen weilen solle, ich hätte vergessen, „ein Mensch zu sein“. – Es ist also auch hier wieder dieselbe Forderung, die täglich an uns Künstler gerichtet wird, wir sollten auf das Niveau der „Werktätigen“ herabsteigen, um dem Arbeiter verständlich zu sein. Dieser stud. phil. ist zwar milder, er verlangt nur, daß ich auf das Niveau der Studienräte herabsteigen soll.

     Die zweite Auslassung ist von einem Herrn Paul O. Ziems aus Hagenow. Er stellt sich als ein schon älterer Mann vor, der die Zeit des Expressionismus um 1918 miterlebt hat. Ich habe ihn im Verdacht, daß er wirklich Studienrat ist. Er behauptet von sich, daß er die Fähigkeit besitze, „mit klarem Gefühl u. wachen Sinnen den Wesenskern des Kunstwerkes .... zu erkennen u. ... zu beurteilen.“ – Er wiederholt die heute so oft aufgestellte Behauptung, daß der Expressionismus längst überwunden sei u. er behauptet kühn, daß „mit Sicherheit in unserer kunstgeschichtlichen Entwicklung ein Stand der Dinge erreicht“ sei, in welchem „auch das letzte reaktionäre Hindernis, welches sich der geradlinigen Entwicklung entgegenstellte, als überwunden gelten kann.“ Dergleichen Torheit kann nur ein Studienrat behaupten. Dieser Herr lobt zwar ebenfalls meine „Malkultur“, kommt aber dennoch zu dem Schluß, daß diese Ausstellung meiner Bilder überflüssig gewesen sei. –

     Es ist also nicht sehr erfreulich, was da geschrieben worden ist, nur, daß durch solche Dinge, wie Burgartz sagt, mein Name dem Gedächtnis eingehämmert wird u. zu einer umstrittenen Berühmtheit im Lande Mecklenburg-Vorpommern wird. Es ist das ein Vorzug, der vielleicht zweifelhaft ist, es wird sich erweisen.

[2]
Sonntag, 5. Januar 1947.     

[...] [2]      Das Bild „Dorfstraße“ habe ich fertig gemacht. Es befriedigt mich zwar keineswegs, aber ich habe keine Lust mehr. Eine Arbeit, die einmal unterbrochen ist, ist wie eine Zigarre, die ausgegangen ist. Man kann wie wohl wieder anzünden u. weiterrauchen, aber sie schmeckt nicht mehr. Dieses Bild ist das dreiundzwanzigste des Jahres 1946, ein ungemein produktives Jahr, obgleich ich lange Zeit krank war u. nicht arbeiten konnte. [...]

[...] [3]      Es ist seit einigen Tagen wieder bitter kalt, heute -10°. Es ist klares Wetter, Vollmond u. keine Aussicht, daß es milder wird. [...]

[...] [3]      Heute wird Koch-Gotha 70 Jahre alt. Ich habe eine sehr hübsche Etiquette für eine Schnapsflasche gezeichnet, die Fritz heute im Namen des Kulturbundes hinbringen wird. [...]

[3]
Dienstag, 7. Januar 1947.     

[3]      Der Frost hat den ganzen Tag in gleicher Stärke angehalten, doch scheint es gegen Abend ein wenig milder geworden zu sein.

     Vormittags das neue Bild angelegt. Starke Farben. Ein Brief von Agathe Lindner-Welk. Sie bedankt sich für die Zeichnung, die ich ihr wegen ihrer Presse=Hilfe schenkte. Sie schreibt, daß sie im Sommer hier in Ahrenshoop einen Roman zu schreiben begonnen hätte zu dem sie bereits 120 Druckseiten fertig habe. Sie will in diesem Jahre wieder hierher kommen.

[3]
Mittwoch, 8. Januar 1947.     

[3]      Der Frost hält unvermindert an. Heute war von 2 Uhr nachm. bis 9 Uhr abds. der Strom ausgeschaltet. Dieses stumpfsinnige Sitzen im Dunklen ist ziemlich schwer zu ertragen. [...]

[4]      Abends im Rundfunk allerhand. [...]

[4] Schließlich ist großer Krach in Hamburg, da keine Kohlen da sind u. das ganze Leben dadurch zum Erliegen kommt. Der Oberbürgermeister hielt im Parlament eine bedrohliche Rede, die im Rundfunk wiederholt wurde. Die Stadt steht vor einer Katastrophe. – Das Jahr fängt also gut an. Die einzige Maßnahme, die der Senat weiß, ist die, daß die Schulen bis zum 15. Jan. geschlossen bleiben. Zu diesem Termin sollen die Schulen Kohlen erhalten u. sollen dann als Wärmehallen für die Bevölkerung dienen. Bei der gegenwärtigen Kälte u. der mangelhaften Ernährung u. Kleidung können bis dahin Tausende erfroren sein.

     Die Bombenattentate auf die Entnazifizierungs=Spruchkammern in Süddeutschland, die seit einiger Zeit verübt werden, setzen sich fort. In Nürnberg soll ein sehr schweres Attentat verübt worden sein, wie ebenfalls der Rundfunk bekannt gibt. Es sind das böse Anzeichen einer unterirdischen Gärung im Volke, die nicht ernst genug bewertet werden können; aber es scheint, daß man auf amerikan. Seite, der Besetzungsmacht, diesen Ernst sehr vermissen läßt. Ich fürchte, daß der Hunger, die Kälte u. all diese Not verbunden mit der politischen Gärung, in nächster Zeit zu bösen Explosionen führen wird. Der Hamburger Senat soll bereits damit gedroht haben, geschlossen zurückzutreten.

     Die Not der Großstädter geht aus Faensen's letztem Brief hervor. Danach leben sie zu acht Menschen, darunter ein Säugling u. eine 81jährige Tante u. er als Patient in einem einzigen Zimmer, das nur auf 10° erwärmt werden kann (als er das schrieb!). – Inzwischen ist dieser Frost eingetreten. Sie haben regulär nur einen Centner Briketts erhalten, zusätzlich erhielten sie noch zwei Centner Säuglings-Briketts u. einen Centner Kranken-Briketts. Das alles ist furchtbar. – [...]

[5]
Sonntag, 12. Januar 1947.     

[...] [5]      Frühstück mit P. Beckmann, der das Gerücht bestätigte, daß der Bürgermeister von Ribnitz, Jelitzky, durchgebrannt ist. Dieser Mann war Kommunist u. jetzt großer Mann in der SED. Er sollte jetzt einen Lehrgang in Schwerin absolvieren, dann Regierungsrat werden u. eine Anstellung in der Landesregierung erhalten, doch ist er in Schwerin nicht angekommen, dagegen ist festgestellt, daß er mit seinem Auto die Zonengrenze Richtung Westen überschritten hat. In der Stadtkasse von Ribnitz fehlen dafür 25.000 Rm., die er mitgenommen hat. [...]

[6]
Sonntag 19. Januar 1947.     

[6]      Heute morgen mußten wir zu unserem großen Bedauern feststellen, daß uns über Nacht von unseren drei Kaninchen zwei Stück gestohlen worden sind, wobei wir noch von Glück sagen können, daß wenigstens dieses eine übrig geblieben ist. Es ist wirklich nichts mehr sicher.

     Es wird ganz langsam draußen wieder kälter.

     Abends fiel mir der Kopf meiner Tabakspfeife auseinander, nachdem ich ihn schon oft mit Leukoplast verklebt hatte. Ich habe nochmals versucht, ihn zu kleben, obgleich es hoffnungslos aussieht. Es ist die letzte Tabakspfeife, neue Pfeifen gibt es nicht.

[6]
Montag, 20. Januar 1947.     

[...] [7]      Es ist mir mit viel Leukoplast gelungen, meinen Tabakpfeifenkopf wieder zusammen zu bringen. [...]

[7]
Dienstag, 21. Januar 1947.     

[7]      Heute erhielt ich von Herrn Edgar Zieger aus Sellin die 1000,– Rm. für den Pfarrer von Ars. [...]

[7]
Mittwoch, 22. Januar 1947.     

[7]      Nachmittags brachte mir Frau Burgartz eine Tabakpfeife ihres Mannes, die er nicht mehr braucht, da er das Rauchen aufgegeben hat. Gestern hat sie eine große Portion Tabak, selbstgebaut, gebracht, ein Pfund, wofür sie von uns Butter erhält. Die Tabakpfeife ist von bester Qualität, wie ich noch nie eine besessen habe. [...]

[8]
Donnerstag, 23. Januar 1947.     

[8]      Frau Dr. Riemschneider schickt mir die Abschrift eines Briefes, den sie von einer Malerin Margarete Federmann erhalten hat über meine Ausstellung. Sie dankt ihr für ihren Einsatz für meine Kunst u. meint, daß diejenigen, die immer dafür plädieren, der Künstler müsse für's „Volk“ arbeiten, doch endlich mal erklären sollen, was sie damit eigentlich meinen. Sie sagt das ausdrücklich im Hinblick auf Adam Scharrer, der meinen Bildern die Bilder von Käte Kollwitz u. die Werke von Barlach entgegenstellt u. so tut, als wären diese „für's Volk“. Sie fragt mit Recht, ob denn die sog. „Werktätigen“, sich eine Zeichnung von Käte Kollwitz als Schmuck in die Wohnung hängen würden, wo doch diese Zeichnungen gerade die Not u. das Elend des Proletariats schildern! Lieber hängt sich ein Arbeiter den übelsten Kitsch an die Wand, wenn er nur recht sentimental u. „schön“ ist. Und das ist durchaus verständlich. Aber darüber hinaus: Wer von diesen heute so begeistert tuenden Bewunderern von Käte Kollwitz u. Barlach in ganz Mecklenbung=Vorpommern hat denn je ein Original dieser Künstler gekauft, oder wer hat auch nur eine Reproduktion an seinen Wänden hängen? Es ist das alles nur eine infame Heuchelei u. Käte Kollwitz u. Barlach würden, wenn sie diese ihre heutigen Bewunderer sehen würden, ihnen mit Verachtung den Rücken kehren. – Frau F. führt einen Satz aus einem Briefe des Moritz v. Schwindt an, der lautet: „Sie möchten das unerhört Neue, nie Dagewesene, aber es soll genau so aussehen, wie das, was immer war. ...“ – Ueber diesen Brief einer gänzlich unbekannten Kollegin habe ich mich sehr gefreut. [...]