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Kunst und Kultur in Ahrenshoop, August 1947

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Autor: Hans Brass
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Titel: Kunst und Kultur in Ahrenshoop, August 1947
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Entstehungsdatum: 1947
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Kunst und Kultur in Ahrenshoop, August 1947
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Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel Kunst und Kultur in Ahrenshoop, August 1947 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom August 1947. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Tagebuchauszüge

[Bearbeiten]
[1]
Montag, 4. August 1947.     

[...] [1]      Koch-Gotha war im Kunstkaten, um seine Bilder abzuhängen. Er erzählte Fritz folgendes: Seine Frau hat zu Frau v. Achenbach geäußert, daß meine Aeußerungen über die Russen doch garnicht so schlimm gewesen wären u. daß sie vor allem berechtigt gewesen wären. Daraufhin hat Frau v. A. Koch-Gotha denunziert, daß er auf meiner Seite stünde u. meiner Ansicht sei. Man hat dann –, (wer, weiß ich nicht) – Koch-Gotha mitgeteilt, daß es unter diesen Umständen ausgeschlossen sei, daß sein Atelier, wie man ihm großspurig versprochen hatte, ausgebaut werden würde, daß er die versprochenen Russenpakete nicht erhalten würde u. daß die angeblich in Aussicht genommene Verleihung des Professortitels unterbleiben würde. – [...]

[2]
Mittwoch, 6. August 1947.     

[...] [2]      Nachmittags brachte mir Dr. Lindner ein Päckchen hochwertigen amerikanischen Rauchtabak, ein wunderbarer Genuß.

     Pastor Kleinschmidt ist seit Montag hier, hat aber bisher noch nicht Gelegenheit genommen, mich aufzusuchen, ebensowenig wie sein Freund Pastor v. Jüchen. [...]

[3]
Freitag, 8. August 1947.     

[...] [3]      Pastor Kleinschmidt war in der BuStu., von Frau Havemann u. Frau Dr. Riemschneider bestens u. nachdrücklichst bearbeitet. Er soll sehr nett gewesen sein u. gesagt haben, daß er in den nächsten Tagen selbst zu mir kommen würde. [...]

[3]      Adolf Behne ist nun auch hier, – ich bin sehr neugierig, ob er sich meine Bilder ansehen wird.

     Alles in allem scheint es ja so, als wäre eine Entspannung der Situation durch eine Parteinahme Kleinschmidt's für mich eingetreten – u. vielleicht auch dadurch, daß Herr Becher z. Zt. nicht hier ist. [...]

[3]
Sonnabend, 9. August 1947.     

[...] [3]      In der BuStu. scheint sich neues Leben zu entwickeln. Es sind jetzt viele junge Leute hier, die an der Referenten-Schulung teilnehmen u. somit beschäftigt sind u. sich für den Klatsch weniger interessieren wie die prominenten Größen. Sie haben alle starkes Interesse an meinen Bildern u. es wird unter ihnen anscheinend viel darüber gesprochen. Auch Prof. Rienäcker war in der BuStu u. ließ mir sagen, daß er demnächst zu mir kommen werde. [...]

[4]
Dienstag, 12. August 1947.     

[4]      Heute war einiges los, die Pechsträhne scheint endgültig vorüber zu sein. – Zunächst war am Nachmittag Adolf Behne in meiner Ausstellung. Martha sprach ihn an u. forderte ihn auf, mich zu besuchen. [...]

[5]      Und schließlich ist Frau Buck-Schmitt an mich herangetreten mit dem Vorschlag, Zeichnungen von mir in dem kleinen Zimmer des Kunstkaten auszustellen, während Schmidt-Detloff im Hauptraum Aquarelle ausstellt. Ich würde das ganz gern tun, besonders, nachdem auch hier Frau Dr. Riemschneider wieder als gute Freundin mitwirken will. Sie will zur Ausstellungs-Eröffnung einige Worte sprechen u. will auch dafür sorgen, daß die maßgebenden Leute zur Eröffnung kommen. – Es kann das sehr nett werden u. ich habe heute einige Zeichnungen, die ich bisher noch nie gezeigt habe, für eine Ausstellung zurecht gemacht. [...]

[5]
Mittwoch, 13. August 1947.     

[...] [5] kamen Frau Havemann u. Pastor Kleinschmidt, um Bilder anzusehen u. mit mir zu sprechen. Wir sprachen natürlich auch von den gehabten Schwierigkeiten, wobei sich herausstellte, daß Kl. einen Bericht über jene Vorkommnisse oder vielmehr über jene Diskussion mit Prof. Rienäcker erhalten hat, der von Herrn Karsten verfaßt war. Es war mir bereits vorher bekannt geworden, daß Herr Karsten auf Anordnung von Willi Bredel einen solchen Bericht schreiben mußte, ja, daß er ihn zweimal schreiben mußte, weil sein erster Bericht zu wenig belastend für mich war. Diesen zweiten Bericht hat also Herr Kl. erhalten, u. „irgendjemand“ –, [...] [6] wie er sagte, hätte eine Bemerkung dazu geschrieben, die dem Sinne nach eine Forderung gewesen ist, mich aus dem Kulturbunde zu entfernen. Dieser „Irgendjemand“ kann ja kein anderer gewesen sein als Herr Dr. h.c. Willi Bredel! – Herr Kl. hat seinerseits aber keinen Grund gefunden, mich aus dem Kulturbunde rauszuschmeißen, besonders nicht, da er von Herrn Prof. Rienäcker Auskunft über den Sachverhalt eingeholt hat, die ergeben hat, daß mir kein Vorwurf gemacht werden kann. – Es ergibt sich also daraus, daß diese ganze Angelegenheit noch viel hintergründiger gewesen ist, als ich bisher gedacht hatte. – [...]

[6]      Abends spät kam nochmals Sandberg u. bat um einen kleinen Kochtopf, um Fenchel zu kochen, da sein 5 Monate altes Kind Leibschmerzen hat. Er sagte mir, daß Kleinschmidt sich sehr freute, von mir gehört zu haben, daß ich willens sei, ihm das Bild „Dorfstraße“ zu überlassen. – Ich werde ihn selbst einen Preis machen lassen. Er ist offensichtlich sehr freundschaftlich gesinnt u. es wird nur gut sein, wenn ich mir diese Freundschaft erhalte. Als Vize=Präsident des Kulturbundes hat er Gewicht, wenngleich man auch nie wissen kann, wie lange er in dieser Position bleiben wird. Es kratzt ja da einer dem anderen die Augen aus.

[7]
Donnerstag, 14. August 1947.     

[...] [7]      Vormittags waren Martha u. ich beim Vortrage des Pfr. Thomberge über christlichen Humanismus in der Referenten-Schulung im Saal des Balt. Hofes, der im Tageslicht einen geradezu traurigen Eindruck macht, als würde er jeden Augenblick in sich zusammenbrechen. Der Verputz ist an vielen Stellen der Wände heruntergefallen u. es kommen darunter die rohen Lehmkluten zum Vorschein aus denen die Wände errichtet sind. Die Deckenverschalung weist große Lücken auf.

     Pfr. Thomberge sprach vor den sehr aufmerksamen Zuhörern, zu denen auch die anderen Referenten u. Vortragenden gehörten u. ziemlich viele Gäste wie Triebsch, Dr. Thron u.a. eine Stunde über den christlichen Menschen, unter Zugrundelegung der vier Kardinaltugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit u. Maß. Es war das um so schwerer, als der Redner bei den jungen Zuhörern so gut wie garkein Wissen um den christlichen Gedanken u. darüber hinaus eine mehr oder weniger einmütige Ablehnung dieses Gedankens voraussetzen durfte. Dennoch war die Diskussion, die sich anschloß u. sich bis gegen 1 Uhr hinzog, doch recht lebendig. An ihr beteiligten sich auch lebhaft die Professoren u. Lehrer, wodurch das Niveau recht gut war. Auch Pastor Kleinschmidt, der neben Martha saß, beteiligte sich sehr gut. Der Erfolg freilich ist wohl kaum größer als der, daß diese jungen Leute das Gefühl mitbekommen haben werden, daß der Katholizismus bei der Wiedergeburt einen neuen Geistes in Deutschland ein Wort mitzureden hat, ohne daß bei den jungen Leuten eine Bereitschaft geweckt worden ist, diesen Anspruch des Katholizismus zu bejahen. Das kann man ja auch nicht erwarten. Aber jedenfalls sprach Pfr. Thomberge sehr geschickt, sehr klug, sehr leidenschaftslos u. er hat sich, wie ich später feststellen konnte, besonders bei den älteren Hörern starke Sympatie erworben. – Prof. Ad. Behne begrüßte mich u. wiederholte seinen Wunsch, daß auch ich, wenn es anginge, an einem Nachmittag über moderne Kunst sprechen möchte. – Nach dem Vortrage gingen Ad. Behne u. Kleinschmidt mit uns die Dorfstraße lang, wobei ich Kleinschmidt scherzhaft darauf aufmerksam machte, daß dies für ihn kompromittierend sei. [...]

[8]
Freitag, 15. August 1947.     

[...] [8] – Abends hielt Prof. Adolf Behne im Kunstkaten einen Vortrag über neue Kunst. Es waren etwa 50 – 60 Zuhörer da. Der Vortrag war wohl gut, aber keineswegs erschöpfend. Ich hatte das Gefühl, es besser machen zu können. –

     Im Kurhause u. im Kulturbunde ist man voll nervöser Erwartung, weil morgen der Oberst Tulpanow kommen soll. Er ist der russische Beauftragte für die kulturellen Belange in der Ostzone. Er soll ein sehr gebildeter, deutschsprechender Russe sein. Ich werde diesen Herrn wohl kaum zu Gesicht bekommen. [...]

[9]
Sonntag, 17. August 1947.     

[...] [9] Um 11 Uhr war die Eröffnung der Ausstellung von Aquarellen von Schmidt-Detloff u. meiner Zeichnungen im Kunstkaten. Für Schmidt-Detloff sprach Ehm-Welk sehr gut, für mich sprach Frau Dr. Riemschneider weit, weit besser. Ich war einfach gerührt über das, was sie sagte. Sie sprach ganz nüchtern u. sachlich, wie es ihre Art ist u. dabei doch so eindringlich. Das Persönliche u. Individuelle ließ sie ganz im Hintergrunde, sie sprach garnicht davon, u. dennoch wurde es beleuchtet, ja, so sehr, daß es rein zum Ausdruck kam u. mich jedenfalls sehr bewegte. [...]

[10]
Dienstag, 19. August 1947.     

[...] [10]      Prof. Resch war in der BuStu. u. hat erzählt, daß Herr Abusch den Vorschlag des Prof. Ad. Behne, daß ich einen Vortrag über meine Bilder halten soll, wegen meiner Ablehnung der Russen abgelehnt habe!!! Dieser Herr Abusch ist zweifellos einer der intelligentesten Vertreter der SED. Was müssen da die anderen für Banausen sein! – Ich bin neugierig, was Behne dazu sagen wird. – [...]

[10]
Mittwoch, 20. August 1947.     

[...] [10] abends zum Essen das Ehepaar Kleinschmidt u. Frau Havemann. Kleinschmidt erzählte, daß er die offizielle Nachricht erhalten habe, Frau Dr. Riemschneider sei ihres Postens als Museumsleiterin enthoben. Damit ist ein Gerede Wahrheit geworden, das schon seit mehreren Wochen umgeht. Frau Dr. R. hat sich nach Kleinschmidts Darstellungen einige erhebliche Dummheiten u. Dickköpfigkeiten geleistet, die sich über eine lange Zeit hinziehen u. nun endlich zu diesem Erfolg geführt haben. Es wird das für sie ein harter Schlag sein. Sie war hier noch so sicher u. glaubte, [...] [11] über ihre zahlreichen Feinde triumphieren zu können. Ich war deshalb stets skeptisch, aber nun tut es mir um sie herzlich leid. –

     Ich einigte mich mit Kleinschmidlt über das Bild „Dorfstraße“ u. sagte ihm, er möge selber einen Preis dafür machen, der seinen materiellen Verhältnissen entspräche, er könne auch Raten zahlen. Ich sagte ihm, daß ich ihm das Bild auch schenken könne, doch glaubte ich, daß es mehr in seinem Sinne sei, wenn er das Gefühl hätte, etwas bezahlt zu haben. Er freute sich u. dankte mir. Ich nehme an, daß er sich in irgend einer anderen Weise schon revanchieren wird. [...]

[11]
Donnerstag, 21. August 1947.     

[11]      Nachmittags waren zwei Herren hier, Herr Mansfeld u. Herr Hopf (?), welche mit Martha u. mir Ueberlegungen anstellten, wie unser Ort für den Kulturbund organisiert werden kann. Der Gedankengang ist der, daß, falls die gegenwärtige Lage anhält, die kleineren Ostseebäder –, vielleicht auch die großen, allmählich ganz in den Machtbereich des FDGB. geraten u. für Gewerkschaftsmitglieder ausgenützt werden. Dasselbe sagte gestern auch Kleinschmidt. Ahrenshoop –, u. vielleicht das ganze Fischland, sollte deshalb für den Kulturbund reserviert bleiben. Augenblicklich ist Berlin an diesem Gedanken noch interessiert, aber es fragt sich, wie lange dieses Interesse dauern wird. Deshalb ist es notwendig, die augenblickliche Konjunktur auszunutzen u. aus Ahrenshoop in diesem Sinne etwas zu machen, was später auch selbständig bestehen kann. Es ist deshalb geplant, sämtliche Häuser, die dafür in Betracht kommen, so eng mit dem Kulturbunde zu verbinden, daß der Kulturbund ein Bestimmungsrecht oder wenigstens einen gewissen Einfluß hat. Wir sind planmäßig alle Häuser durchgegangen. Die Idee ist sehr gut, vielleicht wird etwas daraus? – [...]

[12] kam Prof. Resch. Man hat sich, wie er sagt, nun so mit Abusch geeinigt, daß ich zwar keinen Vortrag halten werde, daß aber am Sonntag um 1/2 12 Uhr eine Veranstaltung in dem Ausstellungsraum der BuStu. stattfinden soll, welche vom „Ulenspiegel“ gemacht wird. Einleitend soll Sandberg sprechen, dann Kleinschmidt. Es soll dann eine Diskussion stattfinden, bei der auch Prof. Behne sprechen wird u. falls dann noch Gelegenheit dazu sein wird, darf auch ich ein paar Worte sagen. Ich habe mich damit einverstanden erklärt, werde aber wahrscheinlich darauf verzichten, etwas zu sagen. [...]

[12]
Sonnabend, 23. August 1947.     

[12]      „Der Wartende“ wurde heute fertig. Walter Papenhagen machte mir gleich einen Rahmen, bzw. änderte einen alten Rahmen um. Gerade, nachdem ich das Bild signiert hatte, kam Prof. Gadamer mit seiner Tochter. Er ist Rektor der Universität Leipzig u. war schon im vorigen Jahre hier Heute hatte er sich bei mir mit Kleinschmidt verabredet, der dann auch kam. Wir sprachen u. a. auch über die morgige Veranstaltung. Kleinschmidt sagte mir, daß er nur über die drei Bilder „Mann im Kerker“ „Der Alte“ u. über das neue Bild sprechen wolle. Prof. Gadamer war ebenfalls eingeladen, wie überhaupt alle Leute, die etwas bedeuten. – Am Nachmittag aber kam Herr Weisenborn, der mit Sandberg zusammen den Ulenspiegel herausgibt u. der der eigentliche Veranstalter der morgigen Sache war, in die BuStu. u. sagte Martha, daß die Veranstaltung abgesagt werden müsse, weil gewisse Leute, die er nicht benannte, entschieden dagegen wären. Herr W. war sehr ärgerlich u. versicherte Martha, daß der Ulenspiegel nach wie vor zu mir stände, aber jetzt wäre gegen den Widerstand nichts zu machen. – Es scheint mir, daß eine Auseinandersetzung, die gestern zwischen den Herren Joh. R. Becher u. Abusch einerseits u. Nikisch andererseits stattgefunden haben soll u. die sehr heftig gewesen sein soll, bei dieser neuen Entwicklung eine bedeutende Rolle spielt. Herr Nikisch hat nämlich als Dozent des Referentenkursus öffentlich Partei für Ernst Jünger genommen, worüber Abusch höchst empört war. Diese Sache hat nun die Wut dieser Leute zum Sieden gebracht u. sie haben deshalb nun auch diese Veranstaltung mit mir verboten, weil ich mich über die Russen ungünstig geäußert habe. –

     Herr Prof Rienäcker hat bisher immer noch nicht den Weg zu mir gefunden, obgleich er mir mehrfach versichert hat, daß er kommen wird. Wenn er wirklich kommt, werde ich ihn fragen, ob er immer noch der Meinung ist, daß der Kulturbund so unpolitisch ist, wie er tut. Man hört jetzt allgemein von den Referenten, daß jetzt zum Schluß [13] des Kursus die Politik stark in den Vordergrund gerückt wird. – Prof. Gadamer äußerte sich über Herrn Abusch sehr abfällig. Er sagte mir, daß er wenn er öffentlich sprechen müsse, dies niemals ohne Stenogramm tue, da er bereits selbst die Erfahrung gemacht habe, daß ihm das Wort im Munde rumgedreht würde.

     Sehr gespannt bin ich, was Kleinschmidt u. Sandberg zu diesem neuen Boykott sagen.

     Abends war der Fotograf Toelle da, der mir beim Arrangement der Bilder zum morgigen Vortrag helfen wollte u. der sehr erstaunt war, zu hören, daß alles abgesagt worden ist. Er meint, daß diese Veranstaltung allgemein bekannt geworden sei u. daß niemand etwas von der Absage wußte. Die Leute werden also morgen wohl alle vor verschlossene Türe kommen.

[13]
Sonntag, 24. August 1947.     

[...] [13] Prof. Resch sei dagewesen, um zu sagen, daß die Veranstaltung in meiner Ausstellung trotzdem stattfinden solle. Es würden zwar die eingeladenen hohen Gäste nicht kommen, dafür aber alle Teilnehmer des Referentenkursus u. sehr viele andere Menschen, die alle mit Spannung auf dieses Ereignis warteten. Den Vortrag müßte ich eben selber halten. Da heute Regenwetter ist, war mit einer starken Teilnahme zu rechnen.

     Während wir frühstückten, kam Kleinschmidt. Er war sehr erregt u. sagte, der gestrige Abend u. die Nacht seien für ihn voll stärkster Erregungen gewesen. Becher habe Weisenborn gezwungen, von der Veranstaltung zurückzutreten mit dem Hinweis, daß der Verlag des Ulenspiegel nicht in der russischen, sondern in der amerikanischen Zone lizensiert sei man würde, dem Verlag im Weigerungsfalle große Schwierigkeiten bereiten.

     Nachdem man Weisenborn auf diese Weise unter Druck gesetzt hat, habe Kleinschmidt gefragt, ob denn gegen mich der Verdacht vorläge, daß ich Faschist sei oder sonst gegen die bestehenden politischen Verhältnisse konspiriere. Dies wurde von Becher verneint. Also habe Kleinschmidt festgestellt, daß diese ganze Hetze gegen mich nicht gegen meine Person, sondern gegen mein Werk ginge. Dies aber stehe im Widerspruch zu der zwei Tage vorher im Falle Ernst Jünger ausgesprochenen Ansicht Bechers, daß er zwar gegen die Person Jüngers sei, nicht aber gegen dessen Werk u. daß man also dieses Werk unangetastet lassen müsse. Jetzt tat Herr B. das Gegenteil. Des Rätsels Lösung liegt nach Kleinschm. Ansicht in einem früheren Ausspruch, nach dem Herr B. u. andere Leute Kleinschmidt u. Rienäcker den Vorwurf gemacht haben, daß sie beide die Schuld hätten, daß die BuStu. heute nicht schon im Besitze des Kulturbundes sei. Meine angeblich russenfeindliche Bemerkung in Verbindung mit jener Schwarzhandel=Affäre wäre ein vorzüglicher Anlaß gewesen, die BuStu. in den Besitz des Kulturbundes zu bringen, nur Kleinschmidt u. Rienäcker hätten dies verhindert. Kleinschmidt sagte mir, daß es überhaupt garnicht darauf ankomme, welche politische Gesinnung jemand hat, sondern nur darauf ob einer ein Haus u. ein gut gehendes Geschäftsunternehmen hat.

     Es muß zwischen Kleinschmidt u. Becher zu sehr [14] scharfen Auseinandersetzungen gekommen sein, im Verlauf deren Kleinschmidt mit seinem Rücktritt vom Vice Präsidium gedroht hat Becher hat darauf gesagt, daß es mir privat unbenommen sei, die Veranstaltung abzuhalten, wobei er vielleicht wirklich geglaubt haben mag, daß so wie so niemand kommen würde.

     Nach dieser Erklärung Kleinschmidts sagte ich, daß es sich für mich nunmehr nicht darum handeln könne, zu meinem Werk zu stehen, sondern darum, daß ich dadurch den Besitz u. die Existenz meiner Frau u. deren Kinder gefährden könnte. Wenn man auch nicht in der Lage gewesen wäre die Veranstaltung zu verhindern, so würde man doch aus Wut darüber hinterher weitere Hetzen gegen mich unternehmen u. da die Macht dieser Leute sehr groß sei, würden sie schließlich Erfolg haben. Ich würde also die Veranstaltung ausfallen lassen.

     Kleinschmidt stimmte dem zu, besonders deshalb, weil er selbst dadurch in die Lage versetzt würde, bei einer zweiten Auseinandersetzung mit Becher, die unvermeidlich sein würde, auf meine nachgibige Haltung hinzuweisen. – Während wir noch über das Für u. Wider sprachen, kam Frl. v. Tigerström u. sagte, daß viele Menschen vor der BuStu. ständen u. auf die Veranstaltung warteten. Bald darauf kam auch Prof. Resch um mich zu holen. – Wir setzen ihm die Situation auseinander. Er war dann bereit, mit Martha runter zu gehen, um den Leuten zu sagen, daß die Veranstaltung ausfallen müsse. Es waren inzwischen noch viel mehr Leute gekommen u. es kamen immer noch mehr. Während dieser Zeit kam Frau Kleinschmidt u. Kleinschmidts Sekretärin, Frl. Schäfer, zu uns. Kleinschmidt fragte mich auch nach der Frau Söhlke, in deren Haus Herr Dr. Bredel wohnt, der das Haus gern an sich bringen möchte. Ich sagte ihm, daß Frau S. immer scharfe Gegnerin der Nazis gewesen sei. Aber darauf kommt es nicht an. Sie besitzt ein Haus, das Herrn Bredel sehr gefällt, u. das genügt vollauf. [...]

[14] Abends erzählte Hainar Schmitt, der Sohn von Charl. Buck-Schmitt, daß Kleinschmidt mit Sandberg u. Prof. Resch ins Kurhaus gekommen seien, als sie dort aßen. Sie seien gleich auf Becher losgegangen u. es hätte einen sehr erregten Wortwechsel gegeben. – [...]

[14]
Montag, 25. August 1947.     

[...] [15]      Nachmittags zum Kaffee war Herr Prof Hoff (oder Hopf?) mit seiner Frau bei uns. Er ist Leiter der Schule Burg Gibichenstein b. Halle. Astrologe. Er nahm Fotos meiner Bilder mit u. möchte gern, daß ich in Halle ausstelle. Es ist das vielleicht ein Sprungbrett, um in Halle einen Lehrauftrag zu bekommen. Einen solchen würde ich gern annehmen, da Halle vom Kriege völlig unzerstört ist u. dort die politische Einstellung nicht so sehr im Vordergrunde steht. Während er da war, kam Prof. Resch. Nach seiner Meinung ist es ausgeschlossen, daß die mißglückte Veranstaltung mit meinen Bildern sich nun noch verwirklichen ließe. Abends aber erzählte Fritz, daß Kleinschmidt in der BuStu war u. gesagt hat, die Veranstaltung würde nun doch noch stattfinden.

     Abends war Pfr. Tomberge bei uns. Auch er hat mich Becher über jene Veranstaltung gesprochen. Becher hat ihm die Sache so dargestellt, daß lediglich politische Gründe bei der Sache maßgebend gewesen seien. Er behauptet, daß der Kulturbund in Schwierigkeiten geraten wäre, wenn er einen Künstler unterstützte, der sich über die Russen unliebsam geäußert hat. Die Folge würde sein, daß die Russen dem Kulturbunde eine Parteinahme für mich vorwerfen würden. Das ist nun wieder ganz neu, da die Russen von der Sache, – falls sie davon überhaupt Kenntnis haben –, eben nur durch den Kulturbund selbst erfahren haben können, bzw. durch Herrn Dr. Bredel, der sich ja bekanntlich einen Bericht von Herrn Karsten machen ließ. Diesen Bericht hat er aber, so viel ich weiß, nur an Kleinschmidt weitergegeben. Aber man sieht bei der ganzen Sache nicht durch. Hat er am Ende noch mehr getan? – Kleinschmidt sagte mir am Sonntag, Becher habe sich geäußert, daß „gegen mich ein Verfahren schwebe“. Ich bezog das auf meine Vernehmung durch den Rostocker Kriminalbeamten u. sagte Kleinschmidt, daß danach garkein Verfahren gegen mich schwebe, da ja meine Vernehmung klar die Belanglosigkeit erwiesen habe. Kleinschmidt wußte davon nichts, meinte aber, daß es besser sei, überhaupt nicht davon zu sprechen, da es sonst Leute geben könne, die ein neues Verfahren gegen mich anzetteln könnten.

     Während Pfr. Tomberge bei uns war, kam Prof. Rienäcker mit Frau, der aber wieder ging, als er hörte, daß Pfr. T. bei mir war. Er wollte mich, wie er sagte, lieber allein sprechen.

     Es sind das alles immer noch Wichtigkeiten! – [...]

[16]
Donnerstag, 28. August 1947.     

[...] [17]      Heute Nachmittag 5 Uhr soll nun doch noch mein Vortrag in meiner Ausstellung stattfinden. Der Referentenkursus ist heute zu Ende, morgen reisen die Teilnehmer ab. Es wird wahrscheinlich sehr voll werden, nachdem die Oberbonzen mit ihrem Klamauk ja genug Reklame für mich gemacht haben. Kleinschmidt war gestern in der BuStu u. hat gemeint, daß die ganze Hetze gegen mich von Becher ausgegangen sei, der wütend darüber gewesen wäre, daß von allen Seiten das Verlangen ausgesprochen worden sei, etwas über meine Bilder zu hören während niemand danach verlangt habe, Bechers Gedichte zu hören. – Kleinschmidt war auch in Wustrow bei dem Ehepaar Holtz, das versucht hat, ihn gegen uns einzunehmen, was aber völlig fehlgeschlagen ist. Kl. wird nun dafür sorgen, daß die Vereinigung des Kulturbundes des ganzen Fischlandes wieder aufgehoben wird u. Wustrow für sich bleibt. Es besteht die Absicht, Fritz zum Vorsitzenden des Kulturbundes von Ahrenshoop – Alt= u. Niehagen zu machen. Fritz genießt jedenfalls das vollste Vertrauen Kleinschmidts, der Herrn Venzmer zum Vorwurf macht, daß er Herrn Holtz als ehemaligen Nazi überhaupt als Vorsitzenden der Sektion bestätigt hat. – Herr Venzmer ist gegenwärtig hier. Er hat sich einen Schnurrbart wachsen lassen, wodurch seine Erscheinung noch um einen Grad vulgärer geworden ist.

     Nachmittags 5 Uhr stieg also endlich mein Vortrag. Es war nicht so voll, wie ich erwartet hatte, aber fast ausschließlich junge Menschen. Außerdem war Prof. Ad. Behne mit Frau da, sowie Herr Nikisch mit Frau. Auch Dr. Kunze mit Frau war da, sowie ein Musik-Dirigent aus Güstrow, Herr Dr. Kupsch (oder so ähnlich) – Der Vortrag war ein ganz voller Erfolg, die jungen Leute waren begeistert, Behne gratulierte mir u. meinte, man könne so etwas garnicht besser machen. Es war also in jeder Weise sehr erfreulich. Besondere Freude machte mir ein ganz junger Mensch namens Richter aus Chemnitz, der mit einem ganz erstaunlichen Verständnis über meine Bilder sprach. Auch viele andere junge Leute bedankten sich.

     Abends kam noch Frl. Dodell, um mir ihre Freude über den Vortrag auszusprechen. Sie ist eine Nichte des Malers Kallmorgen. [...]

[18]
Freitag, 29. August 1947.     

[...] [18]      Nachmittags war Herr Kubsch bei mir. Er war gestern in meinem Vortrag. Er ist Studienrat in Güstrow u. gleichzeitig Dirigent des dortigen Kirchenchores, eines anscheinend sehr namhaften Sängerchores. Außerdem Organist. Er ist ein ganz besonders sympatischer Mann. Zweck seines Besuches war, mich zu fragen, ob ich bereit sei, gegebenenfalls im Kulturbunde Güstrow einen ähnlichen Vortrag wie gestern über Expressionismus zu halten u. vielleicht in G. eine Ausstellung meiner Bilder zu machen. Damit rückt Güstrow abermals in das Blickfeld, nachdem vor etwa 14 Tagen ein Dr. Libau aus G. bei mir war, um sich über die Preise meiner Bilder zu informieren, da er versuchen möchte, ein Bild für Güstrow zu kaufen. Herr Kubsch verriet mir, daß Herr Dr. Libau der Stadtkämmerer von Güstrow sei. Im Sommer war auch der Intendant des Stadttheaters in G. hier, ein Herr Kähler u. seine Frau, beide sehr nett u. sehr angetan von meinen Bildern. – Ich unterhielt mich sehr gut mit Herrn Kubsch, dem ich auch meine anderen Bilder zeigte u. bei dem ich ein starkes Verständnis besonders für die religiösen Bilder fand. Güstrow scheint die lebendigste aller Mecklenburgischen Städte zu sein mit sehr viel geistiger Regsamkeit.

     Abends war endlich Prof. Rienäcker mit seiner Frau da. Er ist ein sehr pedantischer Gelehrter, etwas langweilig, aber sehr anständig, leider sehr weich. Er wird das ehemals Siegert'sche Haus in Verwaltung übernehmen. – Wir sprachen über meine Affäre u. er gab mir ein Bild von Becher, das mich interessierte. Danach ist B. ein Mann, der aus innerster Ueberzeugung einen Weg des Ausgleichs mit Rußland sucht u. tief beleidigt ist, wenn jemand in irgend einer Weise solchen Ausgleich stört. Ich verstehe nun wenigstens einigermaßen Bechers Haltung in dieser Sache.

     Kleinschmidt ist heute abgereist u. hat das Bild „Die Dorfstraße“ mitgenommen. Gesprochen habe ich ihn nicht mehr, er wird aber im September nochmals herkommen. – Auch Sandberg ist abgereist, ohne daß ich ihn noch gesprochen habe. Ich weiß nun nicht, ob er nach wie vor den „Leuchtturm“ reproduzieren will, oder ob er anderen Sinnes geworden ist. – Ich bin immer mißtrauisch. – [...]

[19]
Sonntag, 31. August 1947     

[...] [19]      Vormittags Prof. Gadamer aus Leipzig mit seiner Tochter, um nochmals das Bild „Der Wartende“ zu sehen. Das Selbstporträt stand auf der Staffelei u. machte eine starke Wirkung. Ich zeigte dann auch noch einige andere, vorjährige Bilder. Gadamer ist ein ungemein sympatischer Mann von sehr viel größerem Format als Rienäcker. Er war wohl eine Stunde da. Er hat einen Ruf nach Frankfurt a. M. u. wird am 1. Oktober dort antreten. [...]

[19]      Prof. Gadamer sagte u.a., daß, falls die SED. so weitermacht, wie bisher, eines Tages überhaupt kein intelligenter Mensch mehr dieser Partei angehören würde. Er hatte dabei in erster Linie die ekelhafte u. würdelose Liebedienerei gegenüber den Russen im Auge, dann aber auch den dummdreisten Anspruch dieser Partei, in allen Dingen führend bestimmen zu wollen. Die Leipziger Kunstakademie sei völlig in den Händen der SED u. deshalb bedeutungslos. Er hatte weit entschiedenere Ansichten als Prof. Rienäcker, der gern allzuklug sein will u. überall Kompromisse schließt. Ueber Becher meinte er, daß dieser bestimmt keine persönliche Animosität gegen mich hätte, sondern daß er durch meine Aeußerung über die Russen zu seiner Haltung gezwungen sei. Diese Sache sei nun einmal nach Moskau gemeldet worden u. deshalb könne sich der Kulturbund nicht für mich einsetzen, da die Russen sonst dem Kulturbunde den Vorwurf machen würden, einen Russenfeind zu fördern. Dieser Ansicht war ja auch Rienäcker. Es scheint also, daß ich endgültig als Russenfeind abgestempelt bin.

     Nachmittags war Prof. Gadamer nochmals mit seiner Tochter bei mir, weil ich deren erste Versuche in der Malerei sehen wollte. Sie scheint nicht unbegabt zu sein.