Kunde von Jenseits
Zu Karlsruh’ hart am Sterben lag
Ein Doctor der Philosophie;
Ein Freigeist all sein Lebenstag,
Glaubt’ an Unsterblichkeit er nie;
Sein Herz den nahen Tod ließ ahnen,
Begann’s dem Alten doch zu schwanen,
Daß nicht die Seele, wie ein Rauch,
Verfliege mit dem letzten Hauch;
Wo sie, um Rechnung abzulegen
Von ihrem ganzen Erdenleben,
Schweb’ einem Richterstuhl entgegen. –
Da rief er seinen Sohn zu sich
Dumpfdröhnend schüttern mich Gedanken,
Jetzt, wo sich aus des Körpers Schranken
Mein ruhlos zweiflerischer Geist
Im herben Todeskampfe reißt.
Den ich bisher geleugnet habe,
Wohl gibt es einer Hölle Schacht,
Worüber ich bisher gelacht –
Mein Sohn, mein Sohn! wenn du noch laben
So schwöre mir: sobald begraben
Dein Vater ruht im kühlen Grunde,
Gleich in der nächsten Mitternacht
Zur Pyramide hinzugehn
Und scharfem Blick daraus zu sehn,
Ob nicht mein Geist dir dort erscheine,
In welcherlei Gestalt es sey.
Erblickst du ihn, so waren meine
Fortdauer für die Seele gebe,
Nur hohle Selbstbetrügerei,
Wirrphilosophisch Hirngewebe;
Doch siehst du nichts, dann glaube frei:
Der Sohn gelobt’s und als den Sarg
Des Vaters schon der Friedhof barg,
Hält in der nächsten Mitternacht
Er bei der Pyramide Wacht;
Er eine schwarze Taube flattern,
Die ruft – er hört’s mit Angst und Beben –:
„Wohl gibt’s, mein Sohn, ein höh’res Leben,
Wenn unser irdisch Auge bricht!
Daß droben nicht ein streng Gericht
Einst über uns das Urtheil spricht;
Bekehre dich, noch ist es Zeit
Zum Glauben an Unsterblichkeit!” –
Der Sohn wirft nieder sich im Staube
Und fleht inbrünstig himmelan.
Da füllt sein Herz ein süßer Friede;
Heim kehrt er von der Pyramide,
Lenkt ihn fortan zur Himmelsbahn.[1]
- ↑ Ein ähnliches Geisterabenteuer soll Hebel’n von Seiten seines verstorbenen Freundes Hofrath Böckmann begegnet seyn.