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Krank geschossenes Wild

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: C. F.
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Titel: Krank geschossenes Wild
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 788
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[788] Krank geschossenes Wild.

„Das ist des Jägers Ehrenschild,
Der treu bewahrt und hegt sein Wild,
Weidmännisch jagt, wie sich’s gehört,
Den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.“

Es giebt eine dunkle Seite des edlen Weidwerks; sie läßt sich nicht hinwegleugnen, da jeder in Feld und Wald bewanderte Mann sie zur Genüge kennt. Nicht jedes getroffene Wild bricht im Feuer zusammen; alltäglich werden Tausende Stück krank geschossen und gehen dann unter haarsträubenden Qualen oft erst nach Wochen zu Grunde. Was da die Kugel anrichten kann, davon nur ein Beispiel.

„Als ich heute mittag gegen 12 Uhr von einem Ausritt auf den Hof kam,“ wurde vor einiger Zeit in der „Deutschen Jägerzeitung“ berichtet, „sagte mir einer meiner Leute, daß dicht beim Dorf, nahe der Chaussee in den Birken (ca. halber Morgen Birken) ein Rehbock stände, der wohl krank sein müsse, da er gar nicht fort wolle. Ich nahm mir also meine Büchsflinte und ritt, begleitet von meinem Kutscher, dorthin und fand einige hundert Schritt von den bewußten Birken zwei meiner Leute, die Wache hielten und mir die Stelle andeuteten, wo sie den Bock zuletzt gesehen hatten. Der Bock zog in den Birken langsam herum und ließ uns, mich, drei Leute und zwei Pferde, ungefähr bis auf 100 Schritt heran; da machten wir Halt, und ich wollte eben sehen, ob ich ihm die Kugel aufs Blatt setzen konnte, als er uns äugte und dann langsam direkt spitz auf uns zu wechselte. Nun wollte ich sehen, was er machen würde, und schoß nicht. Der Bock zog immer näher und ich gewahrte nun, daß ihm der Unterkiefer abgeschossen war und derselbe nur noch in der Haut hing. Es war ein Jammer mit anzusehen. Der Bock, ein starker Sechser, hatte sehr gut aufgesetzt. Ich überlegte, ob ich schießen solle oder noch abwarten. Inzwischen war der Bock im freien Felde bis auf 40 Schritt herangekommen, fast bei jedem Schritt stieß er einen abgebrochenen Klagelaut aus und äugte uns recht wehmütig an. Ich konnte diesen Jammer nicht länger mit ansehen und machte seiner Qual, als er bis auf 30 Schritt zu mir herangewechselt war, durch einen Fangschuß ein Ende. Ich kann mir das Benehmen des Bockes nur so erklären, daß er hilfesuchend zu der Gruppe von vier Menschen und zwei Pferden herankam. Der arme Kerl war gewiß fünf bis sechs Tage so, ohne Aesung zu sich nehmen zu können, herumgeirrt und wäre in sehr kurzer Zeit Fuchs und Krähen zum Opfer gefallen.“

Derartige Qualen des Wildes werden sich wohl niemals ganz vermeiden lassen. Ist doch selbst der unter den Bäumen ergraute Weidmann, der beim Gebrauch der Schußwaffe streng nach der Regel verfährt, niemals sicher, daß sein Schuß das Wild niederstrecken wird. Die Jagd ist ein rauhes Handwerk. Wohl! Wer aber weidmännisch jagt, wie sich’s gehört, der hat auch ein Herz für das Wild und erachtet es als Ehrenpflicht, die Qualen des krankgeschossenen zu verkürzen, indem er dessen Spuren nachgeht. Dieses Ziel kann er natürlich nur dann erreichen, wenn ihm ein entsprechend dressierter Hund zur Seite steht. Ein solcher Hund fehlt aber in unseren Tagen einer großen Zahl von „Jägern“, für die die Jagd nur ein „Schießvergnügen“ darstellt. Es ist darum dringend im Interesse der Menschlichkeit zu wünschen, daß unsere Jäger von einem vielseitig ausgebildeten Hunde begleitet würden, den der Weidmann einen Gebrauchshund nennt und der geeignet ist, zugleich als Vorsteher, Apporteur, Verlorenapporteur, Wasserhund, Raubzeugwürger und Schweißhund zu dienen. „Der routinierte Gebrauchshund,“ schreibt Oberländer in dem kürzlich erschienenen Buche „Die Dressur und Führung des Gebrauchshundes“ (Neudamm, Verlag von J. Neumann), „leitet den Jäger auf der Rotfährte hin zum Wundbett des angeschossenen Bockes; seine erfahrene Nase irrt nicht wie das Auge des Jägers, der ohne Hund die Nachsuche bewerkstelligt. Geschnallt hetzt er das kranke Stück und beendigt seine Qualen, indem er es an der Drossel niederzieht oder aber, wenn es sich um Hochwild handelt, stellt und verbellt. Wie anders ist das Gefühl des Jägers, wenn sein Hund, sein treuester Freund, sein unzertrennlicher Gefährte durch treue Arbeit wieder gut macht, was ein schlechter Schuß gesündigt hat, wenn er das angeschossene Stück, sei es Hoch- oder Rehwild, Haar- oder Federwild, Nutzwild oder Raubzeug, in seinem Besitze statt unsäglichen Qualen und dem Ludertode überliefert weiß!“

Es wurden allerdings Zweifel laut, ob man einen Vorstehhund zu einer derartigen Vielseitigkeit ausbilden kann. Die Erfahrung hat gelehrt, daß dies wohl möglich ist, wenn auch die Dressur des Gebrauchshundes Monate harter, gründlicher Arbeit erfordert. So haben sich auch in Deutschland Vereine für Prüfung von Gebrauchshunden zur Jagd gebildet, denen eine möglichst gedeihliche Entwicklung zu wünschen ist. Für den Weidmann, der sich seine Hunde selbst dressieren will, bietet das obengenannte Buch von Oberländer eine ganz vorzügliche Anleitung. Aus „Liebe zum Wilde“ wünschen wir dem Buch die weiteste Verbreitung. Wir stimmen dem Verfasser völlig bei in seinem Ausspruche: „Jagd ohne den vielseitig leistungsfähigen Hund ist kein Weidwerk, sondern brutale Schießerei.“ C. F.