Konfession
[45] Konfession
Freudig schwör’ ich es mit freier Stirne
Vor der Allmacht, die mich züchtigen kann:
Wie viel lieber wär’ ich eine Dirne
Als an Ruhm und Glück der reichste Mann!
Abgeklärt und jeder Hemmung bar.
Wer war für den Liebesmarkt geboren
So wie ich dafür geboren war?
Lebt ich nicht der Liebe treu ergeben
Liebt ich nur ein einzig Mal im Leben
Irgend ein bestimmtes Menschenkind?
Lieben? – Nein, das bringt kein Glück auf Erden.
Lieben bringt Entwürdigung und Neid.
Das heißt Leben, das ist Seligkeit!
[46] Oder sollte Schamgefühl mich hindern,
Wenn sich erste Jugendkraft verliert,
Jeden noch so seltnen Schmerz zu lindern,
Schamgefühl? – Ich hab’ es oft empfunden;
Schamgefühl nach mancher edlen Tat;
Schamgefühl vor Klagen und vor Wunden;
Scham, wenn endlich sich Belohnung naht.
Der mit Wonnen überreich begabt?
Solch ein Undank hat mir fern gelegen,
Seit mich einst der erste Kuß gelabt!
Und ein Leib, vom Scheitel bis zur Sohle
Welchem reinern, köstlichern Idole
Nachzustreben, ist dies Dasein wert?
Wenn der Kniee leiseste Bewegung
Krafterzeugend wirkt wie Feuersglut,
Sich zu überbieten, nicht mehr ruht;
Immer unverwüstlicher und süßer,
Immer klarer im Genuß geschaut,
Daß es statt vor Abscheu dem Genießer
[47] Welt, wenn ich von solchem Zauber träume,
Dann zerstiebt zu nichts, was ich getan;
Dann preis ich das Dasein und ich bäume
Zu den Sternen mich vor Größenwahn! – – –
Was mein Innerstes so wild entflammt,
Denn vom Beifall vieler braver Seelen,
Frag’ ich mich umsonst, woraus er stammt.