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Kommerzienrats sind in der Loge …

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Textdaten
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Autor: Rudolf Presber
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Titel: Kommerzienrats sind in der Loge …
Untertitel:
aus: Die zehnte Muse. Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl. S. 160–162
Herausgeber: Maximilian Bern
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Otto Eisner
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Commons = Google-USA*
Kurzbeschreibung:
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[160]

Kommerzienrats sind in der Loge …

Kommerzienrats sind in der Loge,
Wie Freitags stets um sieben Uhr.
Vorn auf der Bühne lauscht der Doge
Der Desdemone Liebesschwur.

5
Sie liebt den wilden Mohrenknaben,

Was ihr der Rat nicht übel nimmt;
Die letzten Kursberichte haben
Ihn vor’m Theater mild gestimmt.

Die Tochter seufzt mit müder Miene:

10
»Ich kann das Mädchen nicht versteh’n.

»Ich habe jüngst auf and’rer Bühne
»Als Romeo den Kainz geseh’n.

[161]

»Ach, das war die von Gott geschürte,
»Die Leidenschaft zur Glut entfacht.

15
»Wie mich das packte, wie mich’s rührte –

»Ich hab’ geweint die halbe Nacht!«

Der Vater legt den Operngucker
Bedächtig lächelnd aus der Hand:
»Mein liebes Kind, ich bin kein Mucker,

20
»Doch über Alles – der Verstand!

»Behüt’, das man die Kunst verachtet;
»Doch ganz entkleidet des Gedichts,
»Der Romeo als Mensch betrachtet,
»Er ist doch nichts, er hat doch nichts!

25
»Er lebt wie auf dem Feld die Lilie,

»Hat nicht Geschäft noch Stand dabei;
»Und die Montecchi als Familie
»Sind auch nicht völlig einwandfrei …
»Wenn Shakespeare nicht in Versen schriebe,

30
»Wie man uns Märchen gern erzählt,

»Es wär’ zum Lachen mit der Liebe,
»Der jede rechte Basis fehlt.

»Ein Schwiegersohn, der Mohrenhorden
»Entstammt, ist auch kein Wunderglück.

35
»Na, lieber Gott, er hat doch Orden,

»Ist General der Republik.
»Gut, er ist schwarz, doch wohlgestaltet.
»Und schliesslich glaub’: tout comme chez nous;
»Wenn er nur Cypern klug verwaltet,

40
»Dukaten decken Alles zu.


»Glaub’ deinem welterfahr’nen Vater:
»Es steckt nichts hinter dem Gestöhn.
»Die Romeo’s sind für’s Theater,
»Und auf der Bühne – Alles schön!

45
»Man freut sich, wenn sie Gunst erworben

»Und keck ein hübsches Kind verführt;
»Man weint, wenn sie an Gift gestorben –
»Denn dafür ist man abonniert.

»Man nimmt als Abonnent und Leser

50
»Mit Dank die hübschen Verse hin.

»Doch ein verbannter Veroneser
»Als Schwiegersohn in West-Berlin –?

[162]

»’ne Hochzeit in Lorenzo’s Klause –
»Und so ’ne Ehe per Balkon –

55
»Nee, bleib’ mir damit bloss zu Hause,

»Das wär’ für mich kein Schwiegersohn!

»Ich geb’ ja zu, wenn Einer schriebe,
»Wie Tante Hartert Menschen paart,
»Es fehlt in solchem Stück von Liebe

60
»So manche hübsche Redensart.

»Doch davon, was da weltvergessen
»Die Raserei der Dichter spricht,
»Davon baut man kein Mittagessen
»Und Equipagen vollends nicht!

65
»Sieh’ dort den Leutnant von den Garden –

»Was? Steht ihm gut das bunte Kleid?
»Nick’ zu, er scheint darauf zu warten.
»Sein Wappen stammt aus Kreuzzugszeit!
»Den, Kindchen, werd’ ich Dir besorgen,

70
»Der hat getobt und ausgeschnauft –

»Ich hab’ der »Tante« heute Morgen
»All’ seine Wechsel abgekauft …«

Rudolf Presber