Kochdünste
In einer der schönsten Lagen der Stadt, inmitten freundlicher Gartenanlagen, steht eine Reihe schmucker Wohnhäuser. Wir haben in einem derselben zu thun und treten in das Thor, nicht ohne ein stilles Gefühl des Neides; denn in dieser freien Lage muß es sich herrlich wohnen und die glücklichen Mieter müssen für Stadtverhältnisse die denkbar reinste Luft genießen können. Aber wie enttäuscht steigen wir die hohen Treppen zu den obersten Stockwerken empor! Die Fenster sind weit aufgerissen, und trotzdem empfangen uns allerlei sonderbare Düfte: im Erdgeschoß riecht es nach abgebrühtem Kohl; im ersten Stockwerk würzt das Aroma von gebratenen Zwiebeln jeden Atemzug, den wir schöpfen; im zweiten Stockwerk dringt uns vollends der unausstehliche Dunst von verbrannter Milch entgegen; immer schlimmer wird es, je höher wir steigen, und aus dem offenen Küchenfenster des dritten Stockwerkes läßt sich eine durchdringende Stimme vernehmen über die „Wirtschaft“, die da unten geführt wird.
Wir haben genug gerochen und gehört; in diesem schmucken Hause lagert in den Vormittagsstunden der dichte Nebel der Kochdünste und ballt sich anscheinend zu einer Gewitterwolke zusammen, die sich über den Häuptern der Hausfrauen zu entladen pflegt. Schade nur, daß die blitzenden Worte Unschuldige treffen, daß die guten Frauen sich befehden, anstatt vereint gegen einen anderen Missethäter vorzugehen!
Wir möchten wetten, daß in diesem Hause wie in vielen anderen die Hausfrauen die unschuldigsten Engel und an dem Mißstand der Kochdünste lediglich der Baumeister und Ofensetzer schuld sind, die nicht für den richtigen Luftwechsel in den Küchenräumen gesorgt haben. Es ist allerdings unvermeidlich, daß beim Kochen Dünste sich entwickeln, aber durchaus unnötig, daß sie sich in der Küche, in den Wohnräumen und im ganzen Hause ausbreiten. – In dem von uns aufgesuchten Hause, das von wohlhabenden Bürgerfamilien bewohnt wird, sind die Kochdünste noch verhältnismäßig leicht zu ertragen; sie gestalten sich aber zu einer schweren gesundheitlichen Schädigung in den Mietskasernen, wo die minder bemittelten Familien dichtgedrängt wohnen und die Hausfrauen aus Mangel an Mitteln gezwungen sind, in dem eigentlichen Wohnraume zu kochen. In solchen Zimmern mischt sich der Kochdunst mit den Ausdünstungen der oft zahlreichen Familie; man prallt förmlich zurück, wenn man, aus dem Freien kommend, einen dieser überfüllten Räume betritt, so dick und unrein ist in ihm die Luft, und es ist in der That kein Wunder, daß an einem derartigen häuslichen Herde ein blasses, kränkliches Geschlecht heranwächst.
Lange Zeit glaubte man, daß sich gegen diese Luftverderbnis in den kleinsten Wohnungen nicht ankämpfen lasse. Als aber der Sinn für gemeinnützige Thätigkeit erwachte und die hygieinische Wissenschaft fortschritt, fand man Mittel, diesen Uebelstand zu mildern, den Aufenthalt einer Familie in einem einzigen Wohnraum zu einem erträglichen, besseren zu gestalten.
Im Verlauf ihrer Bestrebungen, die gesundheitliche Lage der minder bemittelten Stände zu heben, erließen zwei Körperschaften, der Verein zur Förderung des Wohles der Arbeiter „Concordia“ und der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege vor zwei Jahren ein Preisausschreiben für die beste Konstruktion eines in Arbeiterwohnungen zu verwendenden Zimmerkochofens. Es wurden dabei an den Techniker ziemlich hohe Anforderungen gestellt. Der Musterofen sollte so eingerichtet sein, daß minder bemittelte Familien innerhalb ihres Wohnzimmers Speisen zubereiten könnten, ohne [59] daß Wasserdampf, Kochdünste und Heizgase in das Zimmer treten und ohne daß die Temperatur in einer der Gesundheit nachteiligen Weise gesteigert würde. „Der Ofen,“ hieß es in den Bedingungen der Preisbewerbung, „muß je nach Bedarf nur zum Kochen oder nur zum Heizen oder für beides gleichzeitig dienen können. Die hierdurch gebotene Einrichtung muß einfach, solid und für jedermann leicht zu verstehen und zu behandeln sein. Der Ofen muß den Raum, in welchem er steht, lüften, insbesondere muß er die aus den Speisen während des Kochens sich entwickelnden Dämpfe und Destillationsprodukte. ohne daß sie sich zuvor mit der Zimmerluft vermischen, mit Sicherheit abführen.“ Als Feuerungsmaterial waren Steinkohlen vorgesehen und die Leistungsfähigkeit des Ofens sollte für zwei Erwachsene und vier Kinder ausreichen.
Die deutsche Industrie beteiligte sich rege an der Lösung dieser gemeinnützigen Aufgabe und von den Preisrichtern wurde inzwischen dem Eisenwerk Kaiserslautern in Kaiserslautern der 1. Preis zuerkannt. Der neue preisgekrönte Zimmerkochofen stellt in der That eine beachtenswerte hvgieinische Errungenschaft dar, die in weitesten Kreisen Beachtung finden sollte.
„Eigener Herd Goldes wert“ ist das schöne Motto, das er auf einer seiner Thüren trägt. Der Ofen sieht recht schmuck aus, wie uns schon ein flüchtiger Blick auf die beistehende Abbildung lehrt. Er wird in verschiedenen Größen geliefert, die kleinste Nummer hat eine Höhe von 95 cm, eine Länge von 73 und eine Breite von 45 cm.
Um das Kochen im geschlossenen Raume vornehmen zu können, oohne daß die Dünste ins Zimmer zu treten vermögen, ist der Ofen mit einem Aufsatz versehen, dessen Thüren behufs Beobachtung der darin stehenden Gefäße mit Glas ausgelegt sind. Im Inneren des Aufsatzes befindet sich eine Oeffnung, die in das Abzugsrohr der Feuerungsgase (links auf unserer Abbildung) mündet und durch welche die Kochdünste in den Kamin abgeleitet werden. Um den Durchzug noch zu unterstützen, sind die Thüren des Aufsatzes unterhalb der Glasscheiben mit Löchern versehen, durch welche frische Luft in den Kochraum eintritt und erwärmt zu dem Kamin emporstetgt. Aehnlich ist die Lüftung der Bratröhre eingerichtet, welche durch die große Thür in der Mitte des Ofens verschlossen wird. Das unter dieser sichtbare kleinste Thürchen bietet den Zutritt zu den Zügen und wird beim Putzen derselben geöffnet. Die links sichtbaren Thüren verschließen den Feuerungs- und Ascheraum. Das Kochen in diesem Ofen ist noch durch das Anbringen zweier Schieberplatten oben in der Decke des Auffatzes erleichtert; werden dieselben geöffnet, so kann man zu den Töpfen gelangen, ohne die Glasthür zu öffnen.
Betrachten wir den Ofen genauer, so bemerken wir am hinteren und rechten Rande des Aufsatzes eine Reihe von viereckigen Löchern; an diesen Stellen ist der Ofen mit einem Mantel, d. h. mit doppelten Wandungen, versehen, durch welche die Luft streichen kann, indem sie durch die Spalten des unten sichtbaren Kastengestells in den Mantel eintritt. Sind nun die Löcher offen, so wird kalte Luft aus dem Zimmer unten angesaugt und verläßt oben erwärmt den Ofenmantel; in diesem Falle heizt der Ofen die Stube durch Cirkulation. Die oberen Öffnungen können aber durch ein Schiebergestell geschlossen werden, alsdann wird im Ofenmantel eine Klappe, die in den Kamin führt, geöffnet, und die im Mantel erwärmte Luft gelangt nicht in das Zimmer, sondern entweicht in den Schornstein; der Ofen liefert also wenig Wärme und wird in dieser Weise während der Sommerzeit als Kochofen benutzt.
Schließlich möchten wir noch hervorheben, daß der unterste Teil des Ofenmantels mit einer durch die Mauerwand des Hauses nach außen gehenden, mit einer Klappe versehenen Röhre verbunden werden kann. Geschieht dies, so kann durch den Ofen frische Luft von der Straße oder dem Garten in den Ofenmantel angesaugt und in diesem gewärmt werden, worauf sie sich im Zimmer verteilt. Eine solche Zuführung völlig frischer Luft gilt als das Ideal einer zweckmäßigen Zimmerlüftung.
Aus dieser kurzen Darstellung ersehen wir zur Genüge, wie viel dieser preisgekrönte Ofen zur Erhaltung gesunder Luft in Wohnräumen beitragen kann, und es ist nur dringend zu wünschen, daß Hausbesitzer, die kleine Wohnungen an Arbeiterfamilien vermieten, sich zum Aufstellen solcher verbesserter Oefen bequemen möchten.