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Knacker-Ede

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Anonym
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Titel: Knacker-Ede
Untertitel: Eine Skizze aus dem Verbrecherleben
aus: Zeit im Bild, Jahrgang 1907, Seite 623–624
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1907
Verlag: Berliner Central-Verlag
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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[623]
Knacker-Ede


Eine Skizze aus dem Verbrecherleben


Knacker-Ede freute sich. Er hatte aber auch wirklich Glück gehabt. Bei seinen Vorstrafen hatte er sicher auf „Zett“[1] gerechnet und was war geworden: Dreizehn Monate Gefängnis hatten sie ihm aufgedrückt. Er hatte wirklich Schwein gehabt. Nun konnte ja die Geschichte nicht mehr schlimm werden. Wenn die anderen Kisten[2] nun auch wirklich noch nachkamen, dann konnte es höchstens ’ne Zusatzstrafe geben. Und wenn’s auch wirklich noch ein paar Monate gab, so würden es doch höchstens zwei Jemmchen[3] werden und er hatte auf ’en Stücker fünf Jahre Zuchthaus gerechnet. Ja, ja, Glück mußte der Mensch haben, philosophierte Knacker-Ede.

Knacker-Ede hatte aber noch mehr Glück. Eines Tages ging es vor den Untersuchungsrichter. Noch eine ganz alte Geschichte war ans Tageslicht gekommen. Ach, du lieber Gott. Knacker-Ede wurde ordentlich rot, als der Untersuchungsrichter sagte:

„Damals waren Sie noch unbestraft?“

„Jawohl, Herr Untersuchungsrichter. Das war’n schöne Zeiten. Aber lang, lang ist’s her.“

„Na, jedenfalls ist es weiter nicht schlimm. Gestehen Sie die Sache nur ein, dann brauchen Sie gar nicht zum Termin kommen, dann werden Sie in contumaciam verurteilt und da gibt’s höchstens 6 Wochen.“

Knacker-Ede gestand aber nicht ein.

„Wo wer’ ick denn, Herr Untersuchungsrichter, wo ick det doch jar nich jewesen bin.“

Fast liefen ihm die Tränen über die Backen.

„Na, Bärmann, nun tun Sie man nicht so, es ist doch Ihr Vorteil. Sie werden ja doch in Anbetracht Ihrer Vorstrafen verurteilt und nachher wird es um so schlimmer.“

Knacker-Ede wurde erregt:

„Ja, so machen se’t immer. Und det nennen Se nachher Gerechtigkeit. Aber ick bin et doch nicht jewesen.“

Der Untersuchungsrichter wurde nervös, zuckte die Achseln und ging fort. Knacker-Ede hatte nicht eingestanden und eines Tages hieß es, er käme auf Transport.

Er jubelte. Jetzt würde es glücken. Der Transporteur kam einen Tag vorher und nahm die Personalbeschreibungen auf.

„Na, Sie werden doch nicht ausrücken?“

Mit dem unschuldigsten und dummsten Gesicht, das Knacker-Ede aufstecken konnte und mit dem schüchternsten Tonfall in der Stimme sagte er:

„I wo wer ick denn. Wo ick et doch jar nich jewesen bin.“

„So, sind Sie unschuldig?“ frug der Transporteur merklich freundlicher.

„Wie en kleenet Kind.“

„Na, werden ja sehen. Jedenfalls kann ich in Zivil kommen.“

„Ach ja, bitte, Herr Transporteur.“

***

Der Transporteur kam in Zivil. Auch Knacker-Ede hatte seine Zivilkleider an und machte einen ganz netten Eindruck. Der Transporteur nahm die Kette raus und wollte Knacker-Ede schließen.

„Ach, nicht doch, Herr Transporteur, sehen Se mal, da wo wer hinkommen, wohnt mein Oller. Da kennt mich jeder Mensch, wat sollen die bloß denken, det jeht ja nich.“

Und Knacker-Ede fing an zu weinen. Richtige reelle Tränen brachte er hervor. Dem Transporteur wurde weicher ums Herz und er wandte sich an den dabeistehenden Hausvater. Der zuckte die Achseln.

„Schließen ist Vorschrift.“

„Ick weeß ja, ick weeß ja,“ heulte Knacker-Ede. „Sie können mir ja auch schließen. Bloß da nich, wo wer hinkommen.“

[624] Der Transporteur versprach es. Wenn er unterwegs brav sei, dann wolle man ihm in Krotoschin die Fesseln abnehmen …

Und so wurde es gemacht. Bevor der Zug noch einlief, war Knacker-Ede schon von der Kette befreit. Der Transporteur wußte natürlich keinen Bescheid und Knacker-Ede erbot sich, ihn zu führen.

Er führte den Beamten durch die Stadt an der Rückseite eines großen Gebäudes vorbei, gab dort dem Beamten plötzlich einen wuchtigen Stoß und war, ehe es sich jener versah, in einem Parke verschwunden. Der Transporteur war ganz verdutzt. Ehe er natürlich so weit war, daß an eine Verfolgung gedacht werden konnte, war Knacker-Ede längst über alle Berge …

In zwei Stunden hatte Knacker-Ede die Grenze erreicht. Da er polnisch konnte und genau mit den Verhältnissen vertraut war, gelang es ihm leicht, die Grenze zu passieren. Knacker-Ede jubelte. Jetzt war er den ganzen Knast los. Herrgott noch einmal, hatte das geklappt.

Er wurde aber bei so viel Glück übermütig. Da das Geld auch nicht in der nötigen Menge zu haben war, dachte Knacker-Ede an einen größeren Raubzug. Bei Amtsrichter Wegener in Krotoschin würde er einbrechen. Das Ding würde schon gedreht werden. Mittwoch morgens ging der Amtsrichter zur Sitzung und die Frau einkaufen. Dann war’s Plan. Dann war nur die Lene da. Wie ihm das Herz bubberte. Die Lene, seine erste Liebste, er hatte sie schon am Tage seiner Flucht gesehen. Was die wohl sagen würde, wenn er mit einem Male da war. Ob sie ihn nicht anzeigen würde? Ach Unsinn, die Lene. Er würde am Abend bei Dunkeln kommen, der Lene gut zureden, dann würde die Sache schon ganz fein ablaufen.

Es kam aber ganz anders. Bei Amtsrichters diente die Lene schon lange nicht mehr. Und als das neue Dienstmädchen den fremden Mann in ihrer Kammer sah, schlug sie Lärm. Und ehe sich Knacker-Ede verduften konnte, hatten sie ihn. – – –

Sechs Monate bekam er. Knacker-Ede war außer sich. Sechs Monate wegen den Dreck. Was würde er nun für einen Knast zusammenbringen. Aber es kam noch schlimmer.

Schwer gefesselt brachte man ihn wieder heim. Dann ging’s sofort acht Tage in den strengen Arrest und nachher gab’s Isolierzelle.

Knacker-Ede schauderte.

***

Zehn Tage später saß er in seiner Zelle und zupfte Teertau. Dabei spuckte er ein Stück von dem Tau, den er als Kautabak benutzt hatte, aus und sagte:

„Nee, nee, so’n Schwein zu haben und denn doch wieder nischt.“ Und dabei schob er ein neues Stück Tau in die Backen.


Fußnoten

  1. Zuchthaus.
  2. Unerledigte Strafsache.
  3. Jahre.