Kirchensteg im Albthal
[407] Kirchensteg im Albthal. (Zu dem Bilde S. 401.) „Wenn mer d' ganz' Woch' schafft wie's Vieh, muß mer am Sundig si Kirch' ha – un mer go –“ erklärte der Bauer unter der Thür seiner einsamen Hütte und schaute sich den Himmel an, der sich grau über die dunkel- grünen Höhen des Schwarzwalds hinzog. Das Nannile war eifrig mit einem „jo, jo!“ zur Hand, und so machten sich Vater und Tochter fertig, obgleich die Frau mit einem Blicke nach den grauen Wolken meinte: „Mer kann au d'heim bete –“
„A bewahr', domit isch em liebe Gott nit dient,“ erklärte der Mann, nahm Hut und Stock und rasch sich aufschürzend, folgte ihm das Nannile auf dem Fuß. Der schmale Steg, unter dem die Alb lustig dahin jagte, wankte unter ihren Tritten, und drüben hieß es vorsichtig von Stein zu Stein klettern; dann ging's in die Höhe, dichter Tannenwald, tiefe Ruhe nahm sie auf, von nichts unterbrochen als von den kräftigen Schritten der beiden Menschen. Bei jeder Lichtung warfen sie einen Blick rechts in ihr kleines Heimathsthal, in das jetzt ein noch verhüllter Sonnenstrahl sich schräg hernieder senkte. Die Alb glitzerte, und die Scheiben der Hütte blinkten; aus dem Schornstein wehte ein dünner Rauch gerade nach der Seite der Dahinwandelnden.
„Gutwetterwind,“ sagte der Bauer, und das Nannile setzte hinzu:
„Er kriegt heut ä suere Lebere, Vadder.“ – Der Weg führte wieder abwärts, drüben lag das Ziel ihres Marsches, und nach einstündigem strammen Gehen traf endlich das Paar schweißtriefend in der Dorfkirche ein.
Freilich, der Bauer verband mit dem Ausdruck „si Kirch' ha“ einen etwas weiten Begriff; er wußte, hinter der Kirche stand das Wirthshaus, und da gab's einen guten „Sauern“ und ein paar Männer, mit denen sich ein Ausführliches verhandeln ließ über Politik, Feldbau und Hagelwetter.
Und daß dem Nannile die Zöpfe so glatt lagen und das Mieder so
stramm saß, das durfte sich das bescheidene Dorfkirchlein auch nicht ganz
allein auf seine Rechnung schreiben H. Villinger.