Kinderbelustigung im Zoologischen Garten zu Berlin
[707] Kinderbelustigung im Zoologischen Garten zu Berlin. (Zu dem Bilde S. 693.) „Im Zo“, sagt der Berliner kurz und bündig, wenn er „Im Zoologischen Garten“ meint, und an schönen Sommertagen kann man in Berlin W mit ziemlicher Sicherheit darauf gefaßt sein, auf die Frage: „Wo seid ihr heute abend?“ die Antwort zu erhalten: „Natürlich im Zo!“ Der Zoologische Garten ist in der That der beliebteste Erholungsort der Reichshauptstadt, und von Jahr zu Jahr wendet sich ihm in steter Steigerung die Gunst neuer Freunde zu. Besonders seitdem ihm die Neubauten und Neuanlagen dieses Sommers den Charakter eines wahrhaft weltstädtischen Etablissements im vornehmsten Stil gegeben haben, ist er täglich das Ziel vieler Tausender.
Den vom Kurfürstendamm her Eintretenden bietet sich ein entzückender Anblick. Ihn nimmt eine 20 m breite und 160 m lange, des Abends glänzend erleuchtete Doppelpromenade auf, mit Rasenmittelstück und Blumenbeeten, am Ende abgeschlossen durch einen Springbrunnen und einen chinesischen Musiktempel. Von hier aus schlingen sich die Wege unter schattigen Bäumen hin über die weite Fläche zu den einzelnen Tierbehältern. Hoch ragt goldglänzend das indische Elefantenhaus auf, nicht weit davon steht die große Antilopenhalle, jetzt durch Begas’ [708] bekannte Centaurengruppe noch verschönert. Die Raubtiere schließen sich an, die Bären, Hirsche, Vögel – alles in buntem Gemisch und doch mit klugem Bedacht systematisch geordnet. Die Raubtiersammlung umfaßt jetzt 102 Arten, die Wiederkäuersammlung 115, die Papageisammlung 133 und die Sammlung fremdländischer Sing- und Schreivögel gar 292 Arten.
Man sieht, die wissenschaftliche Arbeit wird von der Verwaltung nicht vernachlässigt. Aber freilich – von der Wissenschaft und für sie allein könnte ein so kostspieliges Unternehmen wie der Zoologische Garten nicht leben. Es muß auch mit dem Vergnügungssinn der großen Menge rechnen. Und für das Vergnügen ist durch verschiedene Wirtschaften und Kaffeeschenken, vor allem aber durch das große Hauptrestaurant aufs allerbeste gesorgt. In der guten Jahreszeit beträgt der Besuch an Werktagen durchschnittlich 10000 bis 15000 Personen. An Sonntagen steigt diese Zahl auf 30000 bis 40000, und am „billigen Sonntag“, dem ersten in jedem Monat, an dem der Eintritt nur 25 Pfennig kostet, da hat man die Zahl der Besucher schon auf 100 000 geschätzt. Aber nicht nur eine Stätte der Wissenschaft und des Vergnügens ist der Garten, er hat auch als Erholungsort seine Bedeutung, und zwar besonders für das heranwachsende Geschlecht. Für die Kinder ist er ein wahres Paradies, und Kinder jeden Alters sieht man denn auch in hellen Scharen an schönen Tagen vom frühen Morgen bis zum späten Abend hier unter den grünenden Bäumen herumtollen, sorgsam beschützt von Mutter oder Kinderfrau. Für die Kleinsten sind besonders eingezäunte Spielplätze eingerichtet, damit sie sich nicht verlaufen können, die Größeren tummeln sich schon freier herum. Eine besondere Freude aber ist es für alle, wenn die Reitkarawane kommt und Väterchen wohl gar ein paar Nickel für einen Spazierritt oder eine frohe Fahrt opfert. Eine solche Scene des Kinderglücks giebt unser Bild wieder.
Die Direktion stellt für dieses Vergnügen abgerichtete Tiere zur Verfügung: Kamele, Ponies und eine Ziegenkutsche. Neuerdings ist auch noch ein zweirädriger Karren hinzugekommen, den ein kleiner Zebustier zieht, und der Esel, der jetzt in der Karawane mitgeht, ist ein echter afrikanischer Karawanenesel und ein sehr berühmter noch dazu: Wißmann hat ihn auf seiner Dampferexpedition als Reittier benutzt. Kundige Wärter sorgen, daß den Kleinen kein Schaden geschieht. So ziehen sie mit leuchtenden Augen und lachendem Munde dahin, und der Graukopf, der all diese Jugendlust freudigen Herzens betrachtet, murmelt in den Bart: „O selig, o selig, ein Kind noch zu sein!“ G. Klaußen.