Kaukasus
Hoch ragt das Gebirg, von den Wolken umflort,
Das Elend sprießt auf und das Blut fließt auch dort.
Dort leidet Prometheus den ewigen Schmerz,
Der Adler zerhackt ihm die Brust und das Herz.
Und nimmer versiegt der lebendige Quell,
Nie stirbt unser Geist, nie ermattet sein Flug,
Nie führt ein Tyrann auf den Wogen den Pflug
Und fesselt den Geist, das lebendige Wort,
Wir stemmen dir uns nicht entgegen,
Wir richten deine Werke nicht.
Wir schrein nur in der Nacht nach Licht,
Wir mischen auf den dunklen Wegen
Die Henker martern uns, o Gott,
Und treten unser Recht mit Füßen!
Wann hebst du’s auf und läßt sie’s büßen
Und gönnst den Hartgeprüften Ruh’
Wir glauben: gerecht bist du, mächtig und gut,
Die Freiheit erglänzt und die Wahrheit hienieden,
Die Menschheit veijüngt sich im ewigen Frieden,
Das Elend sprießt auf und das Blut fließt auch dort!
Dort trieben wir von Gottes Gnaden
Die arme Freiheit unberaten
Und nackt und hungrig in die Enge
Von wohlgedrilleten Soldaten…
Von Blut und Tränen ganze Läufen,
Um aller Zaren Durst zu lindern,
Mit Kindern sie und Kindeskindern
Von Mädchenzähren, still vergossen
In dunkler Nacht, von Muttertränen,
Die wie ein sengend Feuer flossen,
Von alten, blut’gen Vatertränen
Ein Feuermeer!
O Ruhm und Ehr’
Den Hunden, den Treibern, den jagenden Scharen,
Und unseren gnädigen Väterchen Zaren!
Ja, Ruhm auch euch, ihr blauen Berge,
Vom glüh’nden Gletschereis umstarrt!
Ja! Ruhm auch euch, ihr kühnen Kämpen,
Ob Tod, ob Fessel euer harrt!
Gott steht euch bei im guten Streit;
Mit euch ist Kraft und heil’ge Freiheit,
Mit euch ist die Gerechtigkeit!
«Tschurek und Sakla – dein Revier,
Und niemand – glaub’s nur – raubt sie dir
Und niemand schmiedet sie in Ketten.
Doch wir sind aufgeklärt ja schon,
Wir lesen Gottes hehre Worte
Sind wir bald Bettler, bald Spion.
Kommt nur zu uns, da lernt ihr bald’s,
Wie teuer sind das Brot, das Salz!
Sind unser alles Gut, selbst Gott, –
Nur dieser Sakla, zum Exempel,
Warum steht er bei euch, zum Spott,
Und nicht bei uns? Was schmeißen wir
Wie einem Hund? Warum müßt ihr
Das Sonnenlicht uns nicht besteuern?
Dies und nichts mehr! Wir sind nicht Heiden,
Wir sind ein echter Christenschlag:
Und schlösset ihr, statt uns zu meiden,
Mit uns den freundlichen Vertrag,
Wir lehrten vieles euch zumal.
Dazu ist Rußland ja so groß,
Und Völker, Kerker – ohne Zahl!
Von Krim bis Finnland, weit und breit
In allen Sprachen alles schweigt
Vor Wohlergehn!.. Bei uns – nicht übel! –
Und lehrt: Ein König war einmal,
Der hatt’ ein’n großen Schweinestall,
Der raubte seines Freundes Weib,
Erschlug den Freund zum Zeitvertreib, –
Wer da bei uns im Himmel sitzt?
Ihr seid noch Wilde und Barbaren,
Die Kreuzessegnung nicht erfahren:
Da lernt ihr, wie man raubt, stibitzt,
Und grad dann in den Himmel eilt
Mit ganzer Sippschaft nah und ferne[1]!..
Bei uns?.. Was ist uns nicht bekannt?
Wir säen Korn, wir zählen Sterne,
Verkaufen und verspielen gut
Die Menschen – keine Neger, nein! –
Die Christen, nur vom Bauernblut.
Wir schachern nicht – das ist nicht fein! –
Wir tun’s legal und wohlgemut!»
Ihr tut’s legal? Ihr tut’s gesetzlich?
Ihr liebt die Brüder? sagt ihr gleich?
O Pharisäer, Wortverdreher,
Ihr liebt die Haut auf euerm Bruder,
Nicht seine Seel’, nicht seine Ruh’,
Und häutet ihn legal, der Tochter
Daraus zu machen einen Schuh,
Und für Pantoffel euerm Weib,
Sich selbst für den, vor Weib und Kindern
Geheimen, eklen Zeitvertreib!
Für wen bist du am Kreuz gestorben,
Für gute Menschen? Für die Wahrheit?
Nein, den Tyrannen nur zum Hohn!
Die Tempel, Bilder und Kapellen,
Die Kerzen und der duft’ge Rauch
Unzähliger Gebete Hauch –
Für Raub und Mord und Blutvergießen!
Laß reichlich Menschenblut nur fließen,
Empfang dann von der dankbar’n Hand
Ja, aufgeklärt sind wir und wollen
Aufklären andre ganz und gar!
Der Wahrheit blendend Bild entrollen
Vor deinem blinden Aug’, Barbar!
Laßt euch von uns nur unterweisen:
Wie man die starken Kerker baut,
Wie man die Fesseln macht von Eisen,
Wie man sie trägt und wie man flicht
Wie man damit den Starrsinn bricht,
Wenn eure Rücken drunten bluten –
Das alles sollt ihr wissen, glaubet!
Ergebt nur willig eure Wehr,
Die Felder und das freie Meer!
Auch dich trieb man hin, du mein einziger Freund,
Mein Jakob, mein Edler! Nicht für die Ukrain’,
Nein, für ihren Henker hast müssen vergießen
Vom Moskauer Becher das Moskauer Gift…
O guter, o mein unvergeßlicher Freund!
Schweb auf mit lebendigem Geist in Ukrain’:
Flieg hin mit Kosaken, wo das Unheil sie trifft,
Und wein mit Lebend’gen herzlich und bitter
Und mich auch erwarte zum freien Verein!
Doch eh’ es kommt, will ich streun
In Liedern meine grimme Pein;
Da mag sie rauschen mit dem Wind!
Der duft’ge Steppenwind, er flieht
Und trägt zu dir mein herbes Lied.
Mit Liebestränen nimmst du’s an
Erinnerst dich an den Kurhan,
An Steppen, Berge und an mich!
Umlispelt es so liebend dich
Und hörst das Lied du Wort für Wort,
Die Ukraine, Freund, und mich!
Auch dich, mein Freund, dich trieb man hin,
Mein Jakob, dich, so lieb und gut!
Nicht für die Mutter Ukrain’,
Für ihren Henker floß dein Blut;
Hast du, ein unglücksel’ger Zecher,
Geleert das moskowit’sche Gift.
O guter Freund! Mit Flammenschrift
Schrieb deinen Namen in mein Herz
Ein lichter Geist, nach Ukrain’,
Den Heldengeistern zugesellt;
Schweb über Steppen, Fluß und Feld,
Treu hütend unsre letzte Hab’:
Beweinend mit mitleid’gem Sinn
Der Gegenwart Ruin und Schmerz.
So walte du dort bis der große Befreier,
Der Tod, mich dem grausigen Kerker entreißt,
Als freier Geist mit freiem Geist.
Doch eh’ dem so ist, will ich streun
In Liedern meine grimme Pein;
Da mag sie zeitigen geschwind,
Der duft’ge Steppenwind, er flieht
Und trägt dir zu mein herbes Lied…
Umlispelt es so liebend dich
Und hörst das Lied du Wort für Wort,
Die Ukraine, Freund, und mich!
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: fere